2020 – Tschechien, Slovakei, Polen

Brno – Vyškov, 34 km

September 2020

Ich wäre wirklich gern weiter weg gefahren, im Pandemiejahr ist das aber gar nicht so einfach: immer mal wieder werden plötzlich Grenzen geschlossen, Risikogebiete erklärt, Regeln verändert. Immerhin sind Tschechien, die Slowakei und Polen nach aktuellem Stand OK.

In Brno starte ich, weil ich hier bei einer anderen Radtour schon einmal durchgekommen bin – ich schließe gern irgendwo an – und weil ich aus Berlin gut mit dem Zug hinkomme.

Es ist schon Nachmittag, als ich aus dem Zug steige und die Straße suche, die auf der App ganz nett wirkt. Leider entpuppt sie sich als ziemlich scheußlich: viel zu viel Verkehr, rechts und links bloß Felder. Über die Steigungen beschwere ich mich mal nicht, die habe ich gewollt.

In Vyškov schaffe ich gerade noch einen kleinen Spaziergang durch die hübsche und sanierte Altstadt, bevor es dunkel wird und ich in meiner Pension ins Bett falle – für den Zug morgens musste ich schon um halb 5 aufstehen.

Vyškov – Valašské Meziříčí

Etwa 95 km, mit Verfahren und durch die Stadt kurven sind es 105.

Die Straße wird ruhiger und im ersten Abschnitt überraschend flacher, bevor dann doch ein paar knackige Steigungen und Abfahrten kommen. Immer abwechselnd rauf und runter, so dass sich die Höhe insgesamt kaum ändert.

Die Dörfer und Städtchen sind hübsch, es sieht ungefähr aus wie in Österreich, Kirchen, Vorgärten, sanierte Innenstädte, Heiligenskulpturen , ab und zu ein mehr oder weniger hergerichtetes Schloss.

Und dann Apfelbäume, jede Menge Apfelbäume an den Alleen, und alle hängen sie voll mit reifen Äpfeln.


Valašské Meziříčí – Žilina

93 km, etwa 1000 Höhenmeter rauf und wieder runter

Meine App kümmert sich nicht die Bohne um Radwege. Heute will sie mich zum Beispiel eine viel zu stark befahrene Straße entlang schicken, obwohl es ein paar Meter weiter einen phantastischen Radweg gibt. Zum Glück weist mich eine Passantin darauf hin.

Ich fahre also den Radweg entlang, erstaunlich langsam, weil es unmerklich bergauf geht und bin plötzlich im Mittelgebirge. Als ich einmal die Hauptroute verlasse, wird es sogar extrem steil, und irgendwann bin ich mitten im einem Skigebiet, eine Werbung für Skikurse jagt die andere.

Nachdem der schöne Radweg zu Ende ist, muss ich doch lange auf der Hauptstraße weiter. Praktisch am Pass überquere ich die Grenze in die Slowakei. Das funktioniert zum Glück gewohnt unkompliziert. Sollte Corona hier Auswirkungen gehabt haben, ist davon nichts mehr zu sehen.

Später versuche ich es ein Stück mit einem Wanderweg. Klar, das endet damit, dass ich auf miserablen Riesenschottersteinen steil begab schiebe…

Abends lande ich in einem original sozialistischen Hotel. Alles funktioniert, die Leute sind sehr nett, aber diese Lampen! Und einen Aufzug ohne Innentür (bei dem man also an die vorbeifahrenden Wand fassen kann), habe ich seit meiner Kindheit nicht gesehen.

Žilina – Terchowa

25 km

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Žilina

Nachdem ich mich gestern mit meinen Umwegen durch Skigebiete doch etwas überanstrengt habe, lasse ich es heute ruhig angehen, spaziere erst einmal durch Žilina. Kirchen und Museen sind am Samstagmorgen leider noch geschlossen, aber die Plätze und Brunnen sind auch im Hellen ganz schön. Dann radle ich ganze 25 km zum nächsten Campingplatz, der leider ziemlich direkt an einer Straße liegt und, wie sich später herausstellt, voller Lagerfeuerfans ist. Trotzdem ist er schön: alle Einrichtungen sind sauber und neu und nachts wird auch die Straße ruhig.

Und weil ich es dann doch nicht lassen kann, gehe ich nachmittags in der Mala Fatra wandern, an der Varinka, einem kleinen Flüsschen entlang, einen steilen Weg rauf und dann wieder runter. Für ein Mittelgebirge wird es oben ganz schön steil und felsig – aber superschön.

Terchowa – Orava – Demänova Dolina

40 und 50 km und jeweils etwa 600 Höhenmeter.

In der Nacht auf dem Campingplatz geht die Welt unter. Irgendwann fängt es an zu regnen, es klingt, als hielte jemand eine ganze Batterie Duschköpfe übers Zelt. Zu laut zum Schlafen. Als ich mal raus muss, muss ich fast zu den Toiletten schwimmen. Zum Glück steht das Zelt morgens rein zufällig nicht in einer größeren Wasserfläche.

Es dauert bis etwa 12 Uhr, bevor an einpacken und weiterfahren zu denken ist. Dann quäle ich mich den nächsten Berg hoch. Es ist frustrierend, habe ich nicht noch vor zwei Jahren ganz andere Berge geschafft? Oder waren die Steigungen in Armenien vielleicht nicht ganz so heftig, damit auch die alten Kamaz-Laster eine Chance hatten? Wie dem auch sei, die Berge fallen mir schwer.

In der folgenden Nacht ist wieder Dauerregen angesagt. Also nehme ich mir ein Hotelzimmer. Sieht auf den ersten Blick gut aus, einsames Ressort mit Schwimmbad und Sauna und Panoramablick. Leider hält es nicht, was es verspricht. Es scheint außer mir nur noch eine Familie da zu sein, der Wellnessbereich ist geschlossen und das Frühstück ein schlechter Witz.

Nach der zweiten Nacht Wolkenbruch fließt auf dem Waldweg, den ich nehmen will kein Bach, sondern ein ausgewachsener Fluss. Die Alternative ist ein durchweichter Grasweg, auf dem ich das Rad nach oben schiebe, während ich versuche, möglichst wenig wegzurutschen. Wäre wirklich gut, ich wäre ein bisschen fitter. Immerhin komme ich doch noch auf eine asphaltierte Straße, weiter geht es etwas besser. Am Ende des Tages lande ich in einer Art Touri-Disneyland. Ein saisonbedingt geschlossenes Spaßbad jagt das andere, dazwischen Ferienhäuschen, Hotels, Restaurants. Immerhin liegt der Campingplatz ganz schön und bietet einen Blick aus dem Zelt auf den Sonnenuntergang.

Demänovská Dolina – Poprad

knapp 80km, knapp 500 Höhenmeter

Morgens mache ich einen kleinen Abstecher, das Demänovská – Tal hinauf und besichtigte eine der zahlreichen Höhlen, die Eishöhle. Die Höhle ist tatsächlich beeindruckend, groß, Tropfsteine überall, teilweise rot durch Mineralien. Eis gibt es allerdings so gut wie keins, es ist schon September und der letzte Winter war eigentlich keiner. Ich glaube, auch die Führung ist nicht besonders gut. Dass ich nichts versteht, liegt daran, dass sie nur auf Slowakisch angeboten wird. Anscheinend spult der Führer aber genau den Text ab, den ich in einem Begleitblatt auf Deutsch bekomme. Eine Fotoerlaubnis kostet 10Euro, natürlich kaufe ich keine, und als ich trotzdem heimlich fotografieren will, ist sofort eine Mitarbeiterin neben mir, die mich daran hindert.

Ich glaube zunächst, daß ich den ganzen Tag auf der Hauptstraße fahren muss, lasse aber meine App nochmal rechnen. Heraus kommt eine sehr schöne Strecke durch die niedere Tatra, meist auf kleinen, kaum befahrenen Straßen zu Beginn und am Ende sogar auf Radwegen. Bloß ein paar Abschnitte Feldweg sind natürlich auch dabei, und nach dem Regen der letzten Tagen bilden sich auf denen gelegentlich Seen.

Hohe Tatra

Mit dem Rad fahre ich nur etwa 17km bis zu einem Campingplatz bei Stara Lesna. Wenn ich schon in der hohen Tatra bin, möchte ich zumindest einmal wandern gehen. Ich suche mir eine zu lange Strecke aus dem Internet, folge ihr dann aber nicht. Ich laufe den erstbesten Weg zur Hälfte hoch und fahre zur Hälfte Seilbahn. Ich lande in (am?) Lomnicke Sedlo, irre eine Weile unentschlossen durch die Ausflüglermassen und mache mich dann auf einen zufälligen Weg, der, wie sich herausstellt in einem weiten Bogen, lange an einem Fluss entlang, wieder ins Tal führt. Über Wege aus großen Steinen und neben zahlreichen Wasserfällen entlang. Wunderschön!

Mit einer Pause bin ich am Ende 6 Stunden unterwegs zum ersten Mal habe ich am nächsten Tag Muskelkater. Aber gelohnt hat sich der Abstecher.

Stara Lesna – Lipany

70 km, 550 Höhenmeter

Erste Station heute ist Kežmarok. Ich überlege noch, ob sich ein Abstecher in die Stadt lohnt, da fällt mir eine kleine Kirche ins Auge, die ungewöhnlich wirkt. Also stelle ich das Rad ab und gehe hinein. Tatsächlich, es handelt sich um eine evangelische Kirche aus dem 18.Jahrhundert, ganz aus Holz, mit wunderschönem, aufwendigen, ebenfalls hölzernen Altar – nur drinnen zu fotografieren ist nicht erlaubt.

Offenbar war die Möglichkeit, überhaupt eine Kirche bauen zu dürfen, ein erhebliches Zugeständnis an die Protestanten dieser Zeit und mit zahlreichen Auflagen verbunden – nur Holz war erlaubt, die Bauzeit auf ein Jahr begrenzt, Glockentürme waren verboten. Manche Baumeister nahmen das als Herausforderung.

Neben dieser relativ kleinen Kirche steht eine große neuere, ebenfalls protestantische Kirche, daneben gibt es eine hübsche Innenstadt mit zahlreichen Cafés und einer Burg, die ich nicht ansehe.

Stattdessen fahre ich weiter. Unversehens bin ich im einsamsten Teil der Tour. Es geht viele Kilometer auf einem keinen Sträßchen bergauf, bergauf, nochmal bergauf, dann wieder bergab, ohne dass ich an einem Dorf oder auch nur an einem Haus vorbeikäme.

Am späten Nachmittag dann bin ich in Lipany, einem extrem unspektakulären Kleinstädtchen, in dem ich ein Zimmer in einem Sportzentrum gegenüber einer undefinierbaren Industrieanlage bekomme – offenbar die empfehlenswerteste Adresse im Ort.

Lipany – Nowy Sacz

Mit Umwegen 95 km, 770 Höhenmeter

In meiner Unterkunft habe ich ein Prospekt zu einem Radweg von Lipany nach Muszyna in Polen gefunden. OK, das ist wohl ein Zeichen. Ich entscheide, daß es Zeit ist, nach Polen abzubiegen.

Gesagt, getan. Bei näheren Hinsehen scheint allerdings der Radweg über unbefestigte Wege mitten über einen Berggipfel zu führen. Ausgeschildert ist er auch nicht, er scheint also eher in der Phantasie der Planer zu existieren. Also fahre ich doch ein gutes Stück auf der Hauptstraße. Aber auch lange Strecken auf gut asphaltierten Wegen gibt es. Früher als erwartet bin ich in Polen, kurve kurz durch Muszyna, finde aber keinen Bankautomaten, der bereit wäre, mir Geld zu geben. Also gibt es auch den Kuchen erst zwei Orte weiter, in einem offenbar alten Kurort mit Heilquellen, an denen ich aber konsequent vorbeifahre, ohne sie zu bemerken.

Abends falle ich einmal wieder auf ein Campingplatzzeichen in meiner App rein. OK, ich kann nicht ganz ausschließen, daß man irgendwo neben dieser Hauptstraße hinter dem McDonalds ein Zelt aufstellen könnte. Ich halte das nicht für eine gute Idee. Also nochmal 12km weiter. Kurz hinter Novy Sącz gibt es dann tatsächlich einen sehr niedlichen kleinen Platz an einem Fischteich. Klein, ruhig, und die Küche der gerade nicht vermieteten Hütte kann ich auch benutzen.

Nowy Sącz – Sierakow

77km, 850 Höhenmeter

Morgens kämpfe ich zunächst einmal mit der Technik: Die Navi-App hat die Strecke „verloren“ und rechnet sich fast tot beim Versuch, einen Weg nach Krakau zu finden. Das ist aus zwei Gründen blöd: erstens stehe ich dumm rum und kann nicht weiter, weil ich wirklich keine Ahnung habe, in welche Richtung ich fahren muss, zweitens saugt die App damit meinen altersschwache Handyakku in Nullkommanix leer. Erst recht, als ich in meiner Verzweiflung Google frage. Das gibt mir zwar Hinweise auf die richtige Richtung, aber dauerhaft mit Google navigieren, das schafft der Akku wirklich nicht. Erfolg habe ich erst mit Eingabe eines Zwischenziels in nur 20km Entfernung.

Dann gibt es eine Mischung aus netten kleinen Sträßchen und doofen großen Straßen, die in Polen kaum Seitenstreifen haben. Und was sollen eigentlich diese Steigungen überall? Ich habe den Eindruck, dass es noch steiler geworden ist, seit die Berge insgesamt nicht mehr so hoch sind und schiebe mehrmals kleine Strecken. Vielleicht liegt es aber auch am Wetter: für September ist es ganz schön heiß.

Schließlich stelle ich fest, dass es absolut keinen Grund gibt, heute bis Krakau zu fahren. Stattdessen finde ich ein schickes Hotel mit gutem Restaurant in einem kleinen Schloss. Die Leute, die drum herum spazieren gehen, tragen Anzüge oder schicke Kleider, irgend eine Veranstaltung scheint hier stattfinden. Ich muss ernsthaft durchatmen, bevor ich mich verschwitzt und erschöpft wie ich aussehe, hineintraue. Hätte ich nicht reserviert, ich hätte wohl gute Chancen, dass „alles ausgebucht“ ist.

Sierakov – Krakau

Auch wenn ich Schwierigkeiten habe, sie zu finden, es gibt eine recht gute Radroute ins Zentrum. Und auch dort gibt es zahlreiche Radwege und im übrigen rücksichtsvolle Autofahrer. Ich komme gut in meinen AirBnB an, es ist auch fast fertig, obwohl ich natürlich viel zu früh da bin. Prima! Ich habe eine kleine Ferienwohnung in einer relativ ruhigen Seitenstraße am Rande von Kazimierz erwischt, sehr hübsch und auch günstig, aber garantiert ein Opfer der Gentrifizierung der letzten Jahre. Ein älteres und von außen nicht sehr ansehnliches Wohnhaus scheint quasi komplett in kleine Ferienwohnungen verwandelt worden zu sein. Vermutlich auf Kosten von bezahlbaren Mietwohnungen.

Nach einer kurzen Pause dann die erste Stadtbesichtigung, fast zufällig gerate ich in eine Führung von Walkative und kann mich gerade noch anschließen. Die Führung durch das jüdische Viertel ist wirklich zu empfehlen, wie übrigens auch die anderen „Free Walking Tours“, an denen ich bislang in verschiedenen Städten teilgenommen habe. Ganz kostenlos sind sie natürlich nicht – am Ende wird um eine Spende gebeten, von irgend etwas müssen ja auch Stadtführer leben.

Die zahlreichen Synagogen, die alten Häuser, der wichtigste Platz haben die Zeit jedenfalls relativ unbeschadet überstanden und strahlen frisch renoviert vor sich hin. Aber das Viertel hat sich auch in ein Disney-Land verwandelt: überall Bimmelbähnchen, die Touristen durchs Viertel fahren, ein Café neben dem anderen, Klezmer-Musik vor historischer Kulisse, Restaurants die „traditionelle jüdische“ Gerichte für Touristen anbieten.

Einen Tag länger bleibe ich noch in Krakau, es gibt weitere Besichtigungen, das Wetter ist nach wie vor gut, ich sitze in Cafés herum und ruhe mich endlich aus.

Tja, und dann suche ich die Bahnverbindung zurück nach Berlin heraus und bekomme unkompliziert auch eine Reservierung für das Rad. Auch diese Ferien sind viel zu schnell vorbei.

Der R1 – Polen, Kaliningrad, Litauen, Lettland, Estland, Russland – kurz das Wichtigste

Die Radtour

Führte nicht konsequent den Fern-Radwanderweg R1 entlang, aber doch meistens. Die erste kleine Teilstrecke bin ich schon 2017 gefahren, eine weitere im Frühjahr 2019. Auf dem größten Teil des Weges von Malbork bis Sankt Petersburg war ich im Juni 2019 unterwegs.

Geschummelt: vielleicht jeweils 60 km nach Riga rein und aus Riga raus, außerdem die paar km von Peterhof nach Sankt Petersburg. Die Bahn nimmt jeweils unkompliziert Räder mit.

Radfahren in…

Polen

Klar, Polen hat weniger ausgebaute Radstrecken als Holland und die Autofahrer sind weniger an Radfahrer gewöhnt. Im großen und Ganzen lässt sich aber prima fahren: ein paar große Radwege, der Ostsee-Radweg und der R1 sind durchweg ausgeschildert, zumindest der R1 verläuft durchweg auf gutem Asphalt und  kleinen Straßen. Aber auch wenn man sich den Weg selbst sucht: das Streckennetz ist relativ dicht, so dass man meistens Alternativen zu Hauptstraßen findet. Sich diese Alternativen zu suchen ist eine gute Idee: Nationalstraßen haben oft viel LKW-Verkehr und fast keine Seitenstreifen. Dann wird schonmal knapp überholt und Radfahren kann unangenehm werden. Unterkünfte gibt es reichlich, meistens auch relativ günstig. Campingplätze allerdings scheint es vor allem in ein paar Gegenden mit viel Tourismus zu geben. Wild campen ist vermutlich kein Problem, ich habe es aber nicht versucht.

Wenn es nicht warm ist, fehlt auf dem Land eine sinnvolle Dichte an Cafés und Kneipen – klar, in Städten gibt es das, aber in Dörfern ist es wohl einfach nicht üblich, essen und Kaffee trinken zu gehen. Und wahrscheinlich fehlt auch das Geld dazu.

Verständigung: Meistens Englisch, mal deutsch, alternativ Hände und Füße.

Highlight: Festung Malbork im Sonnenuntergang mit kühlem Bier in der Hand.

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Festung Malbork

 

Kaliningrad

..ist eine Provinz (Oblast), man fährt schon einige Zeit übers Land, bevor man in die Stadt kommt. Wenn man nicht die größten Straßen erwischt fährt es sich recht gut. Zur Stadt hin wird der Verkehr natürlich stärker, und klar, es macht nicht besonders viel Spaß, sich durch die großen, sozialistischen Kaliningrader Straßen zu fädeln. Aber machbar ist es auf jeden Fall. Auch wenn es nicht besonders viele sind, auch in Kaliningrad gibt es durchaus Radfahrer. Ein bisschen unangenehm war bei mir lediglich die Strecke hinter der Stadt, hin zur kurischen Nehrung: relativ viel Verkehr und relativ schnelle LKWs. Auf der Nehrungsstraße selbst lässt der Verkehr dann umso stärker nach, je weiter man fährt: Die meisten Leute machen Ausflüge hierher. Da fast jeder sich, unabhängig von der Richtung, ein Visum besorgen muss, fahren nur wenige über den Grenzübergang nach Litauen weiter.

Verständigung: In Hotels oder wo viele Touristen sind, wird ein bisschen Englisch gesprochen. Russisch ist hilfreich.

Trinkwasser: Leitungswasser ist stark gechlort und schmeckt nicht.

Telefon und Internet: Die Roaminggebühren sind völlig indiskutabel, eine russische SIM-Card gibt es gegen Vorlage des Reisepasses unkompliziert für ein paar Euro. Ich habe eine von Beeline, aber andere Anbieter haben ähnliche Angebote.

Visum: Funfact: Argentinier brauchen kein Visum für Russland, die meisten anderen schon. Es wird immer mal wieder über ein an der Grenze erhältliches Kaliningrad-Visum gesprochen, im Juni 2019 gab es das nicht. Wenn man aber weiß, was nötig ist, ist es nicht sonderlich kompliziert, das Visum zu beantragen, auch wenn man so lustige Dinge wie einen „Nachweis über die Rückkehrwilligkeit“ und eine „Einladung“ braucht. Wie es geht, steht hier: https://russlande.de/russisches-visum/

Highlight: Kurische Nehrung mit Dünen, Ostsee, endlosem Strand, naturbelassenem Wald und tanzenden Bäumen.

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Tanzende Bäume auf der kurischen Nehrung

Litauen

hat Radwege und ausgeschilderte Radrouten und Campingplätze. Also: eine prima Infrastruktur. Kaum kommt man ins Land, beginnt der Radweg parallel zur Nehrungsstraße. Als ich da war, war Wochenende und schönes Wetter, man konnte sich kaum retten vor Familien auf Fahrradausflug. Und auch außerhalb der Nehrung gibt es an der Infrastruktur nichts auszusetzen.

Verständigung: Englisch. Gerade junge Leute sprechen oft exzellent Englisch. Mag Zufall sein, aber in der kurzen Zeit, die ich da war, habe ich kein Russisch gehört.

Trinkwasser: Wo ich war, war das Leitungswasser völlig OK.

Highlight: Hergott, ich war nur so kurz da… aber Liepaja fand ich  sehenswert, die kurische Nehrung natürlich auch. Hier gibt es im Gegensatz zum Kaliningrader Teil einen Radweg.

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Lettland

Die Radwegmarkierungen hören auf, noch bevor man über die Grenze kommt. Lettland ist berüchtigt für seine Schotterwege, andere Radfahrer klagten ausführlich darüber. Die R1 Route führt aber vorsichtshalber lieber Hauptstraßen entlang. Manchmal sind die wenig befahren, dann rollt es sich  gut auf dem neuen Asphalt. Aber wenn den Städten näher kommen, wird der Verkehr stärker.

Insgesamt werden im Baltikum die Abstände zwischen Ortschaften größer, meinem Gefühl nach umso größer, je weiter man nach Osten kommt. Man fährt auch mal längere, einsame Strecken, fast ohne jemandem zu begegnen. Kann schön sein, sollte man aber beim Einkaufen berücksichtigen.

Verständigung: ich habe vor jeder Kaffeebestellung (und im Supermarkt und in Pensionen…) gefragt, ob mein Ansprechpartner Englisch oder Russisch spricht. Ein „nein“ habe ich nie bekommen, eine der Varianten ging immer. Bei jungen Leuten in Städten war es erwartungsgemäß oft Englisch, aber es wird auch viel Russisch gesprochen.

Trinkwasser: Ich habe nach Rückfrage bei Einheimischen Leitungswasser getrunken, war gut.

Fahrrad im Zug: In Nahverkehrszügen kein Problem, es gibt meistens auch definierte Plätze fürs Rad. Aber ich habe noch nie so steile und hohe Einstiegstreppen gesehen.

Highlight: Jugendstilhäuser in Riga, Naturschutzgebiet östlich von Riga.

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Estland

Kaum ist man in Estland, stößt man wieder auf umfangreiche Radwegmarkierungen. Die führen nicht immer asphaltierte Straßen entlang, aber sie sind meistens einigermaßen gut befahrbar. Die Abstände zwischen Ortschaften werden nochmal größer, die Zahl der Bremsen, die einen manchmal verfolgt auch. Klar, so weit, dass man mit dem Rad ein Problem hätte, werden die Abstände nie.

Verständigung: Englisch. Erst wenn man nah an die russische Grenze kommt, russisch. In Narva wird ziemlich weitgehend nicht estnisch, sondern russisch gesprochen.

Trinkwasser: Mir wurde überall gesagt, dass das Leitungswasser OK ist.

Highlight: eigentlich Talinn, das habe ich mit dem Rad aber nicht mehr geschafft. Also: Stadtbummel durch Tartu und der riesige Lake Peipus.

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Tartu

Leningrader Oblast

Ja, das heißt  so. Die Stadt wurde in Sankt Petersburg umbenannt, aber die Provinz heißt nach wie vor Leningradskaya Oblast.

Die Hauptstraßen sollte man wirklich vermeiden, wenn es geht, es ist deutlich mehr Verkehr als im Balitkum. Meistens geht es, mal gibt es eine parallele alte Straße, mal eine Alternativroute. Manchmal haben die Alternativen tiefe Schlaglöcher, oft sind sie ziemlich gut. Wer der Navigation von OSMand traut, kann auch schon mal im tiefen Sumpf landen.

In St. Petersburg selbst wird viel auf Gehwegen gefahren, die sind oft sehr breit und ich habe mir sagen lassen, dass es nicht verboten ist. Die Straßen lassen sich aber auch befahren.

Verständigung: manchmal trifft man auf jemanden, der englisch kann. Überraschenderweise sprachen manche (nicht alle) Bankautomaten und die Automaten, an denen man Sim-Karten aufladen konnte, nur russisch.

Fahrrad im Zug: In den Nahverkehrszügen kein Problem, man braucht eine Fahrkarte fürs Rad. Die Bahnsteigkante war sogar hoch genug, dass man das Rad fast in den Zug schieben konnte.

Trinkwasser: die Russen trauen dem Leitungswasser offenbar durchweg nicht. Sogar zum Kaffeekochen haben alle außer mir Mineralwasser benutzt.

Highlight: das was man sich in Peterhof und St. Petersburg eben so anschaut: Paläste, Kirchen, Museen. Den Sommergarten fand ich sehr schön, zum Paddeln auf die Newa habe ich es leider nicht geschafft. Um den 21. Juni herum ist abends Festivalatmosphäre, die Stadt ist aber auch bis oben hin voll mit Touristen. Reiseführer behaupten, dass man sich zu dieser Zeit Monate vorher um eine Unterkunft kümmern sollte. Meiner Erfahrung nach geht es auch kurzfristig.

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Russland – Leningradskaya Oblast

Narva – Gurlievo

17.6.5019, 51 km, Sonne und endlich mal wieder Rückenwind

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Am Morgen stelle ich fest, dass ich von meiner Unterkunft fast direkt in den Grenzübergang falle. Ich versuche zunächst, mich bei den Autos anzustellen, aber offenbar gehören Fahrräder zu den Fußgängern. Also quetsche ich mich durch eine Reihe ziemlich enger Türen, zeige meinen Pass, rolle auf dem Gehweg über die Narva, zeige wieder den Pass. Wohin ich will, fragt die Grenzerin, wie ich aus St. Petersburg nach Hause komme. Dann hält sie mir das Iran-Visum aus dem letzten Jahr unter die Nase und will wissen, was ich da gemacht habe. Die Antwort „Tourismus“ reicht, ich bekomme meinen Pass wieder und ein Lob für mein Russisch, dann bin ich wieder in Russland.

Die Straße wird sofort unangenehmer, es ist deutlich mehr Verkehr als in Estland. Also versuche ich es mit dem Feldweg, auf den mich meine App schickt. Als der Weg über Bahnschienen führt und zum engen Trampelpfad wird, will ich schon aufgeben. Gut, dass ich noch ein paar Schritte weiter schiebe : dahinter tut sich eine offenbar alte Straße auf, der Asphalt ist noch prima und ich bin die nächsten Kilometer fast ganz allein.

Ich bin nun schon mittags am nächsten Ziel – einen winzigen Dorf an der Strecke. Es ist die einzige Unterkunft weit und breit, ein Motel mit ein paar Zimmern und einen bunt bemalten Billiardraum an einer Tankstelle im Nirgendwo. Man könnte sagen: Endlich mal ein ruhiger Nachmittag.

Gurlevo – Peterhof

18.6.2019, 100 km, Sonne, Rückenwind

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Es Frühstück gibt es in meinem Tankstellenmotel genau das, was die Wirtin am Vorabend angekündigt hat: drei Spiegeleier und Würstchen. Zwei halbe Scheibchen  Graubrot und einen Klecks Ketchup dazu. Den Kaffee bringe ich mir selbst mit. Überraschenderweise gelingt es mir, alles aufzuessen.

Es rollt heute erst einmal ziemlich gut. Die Straße ist klein, nur ganz selten mal kommt ein Auto, der Wind kommt so ungefähr von hinten und nach diesem Frühstück bekomme ich nicht so schnell wieder Hunger.

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Am ersten Supermarkt treffe ich ein Tschechisches Paar auf ihren Rädern, die in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind, aber eine ähnliche Strecke vorhaben wie ich sie gefahren bin. Endlich! Radfahrer, die ich bisher getroffen habe, haben mich oft damit verwirrt, dass sie sich mehrere Monate Zeit genommen haben für eine Strecke, die kürzer war als meine.

Nachdem ich die ganze Zeit gut vorangekommen bin, kommt es am Nachmittag doch noch ziemlich dicke: ich folge einem Streckenvorschlag von Osmand. Sollte man sich gut überlegen. Es handelt sich erst einmal um eine mit Schlaglöchern durchsetzte Asphaltstraße. OK. Dann Feldweg. Dann eine kaum erkennbare Spur im Gras. Geht auch noch. Aber dann kommt der tiefe Matsch durch ein Feuchtgebiet. Ich brauche alle Kraft, die ich habe, um das Rad durch den Schlamm zu zerren. Gelegentlich schaffe ich es nur ganz knapp, nicht hineinzufallen. Und natürlich versuchen auf dem Weg tausende Mücken und Bremsen, mich aufzuessen. Feuchtgebiet eben. Ich glaube, ich habe schon in der Schule gelernt, dass Sankt Petersburg in den Sumpf gebaut wurde.

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Als ich wieder auf eine einem richtigen Weg bin, muss ich erst einmal mit Stöcken den Schlamm zwischen Reifen und Schutzblech herauskrümeln. Und das Schutzblech wieder befestigen. Und feststellen, dass irgendwo eine Wasserflasche verloren gegangen ist, ohne dass ich es auch nur gemerkt habe.

Am Nachmittag erreiche ich dann mein vermutlich letztes Fahrradziel: Peterhof, ebenfalls von Peter dem Großen erbaut, heute fast mit St. Petersburg zusammengewachsen.

Sonne, gutes Essen mit Blick auf den Palast, Bier – was will man mehr?

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Peterhof und St. Petersburg

19.6.-21.6.2019

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Jemand sagte mir unterwegs, dass es nach Sankt Petersburg einen Radweg gibt. Ich beschließe, ihn nicht zu testen. Dass der Weg in die Millionenstadt schön ist, kann ich mir kaum vorstellen, ich bin genug gefahren, es gibt einen Bahnverbindung jede halbe Stunde un ein bisschen ausruhen kann man sich im Urlaub ja dann auch…. genug Gründe also, hier das Radfahren einzustellen.

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Ich bleibe zwei Nächte in einer Pension, spaziere gleich abends zum Schloss – hübscher See, vernünftiges Restaurant. Am Morgen dann ziehe ich los zur Schlossbesichtigung und erleide sofort einen Kulturschock. Als ich gegen 9 ankomme, fallen auch gerade Touristenhorden ein, um diese Zeit vor allem riesige chinesische Reisegruppen, alle mit Reiseleiter und Knopf im Ohr. Ab und zu eine europäische Reisegruppe, Reiseleiter, Knopf im Ohr. Ich bekomme zunächst nicht einmal heraus, wo ich eine Eintrittskarte für das Schloss kaufen kann, wenn ich frage, werde ich jeweils in irgendeine Richtung geschickt, in der ich dann aber keine Tickets finde (Lösung: Führungen für individuelle Touristen gibt es nur zu bestimmten Zeiten, und wenn ich es richtig sehe, werden die Karten dafür ebenfalls nur zu bestimmten Zeiten verkauft). Obwohl ich glaube, in den letzten Wochen genug Bäume und Blumen gesehen zu haben, kaufe ich letztlich die Eintrittskarte für den Park (teuer!) und für eines der zahlreichen Museen im Schloss. Natürlich ist der Park schön, die Springbrunnenanlagen sind beeindruckend, insbesondere, dass sie wohl nach wie vor per Schwerkraft funktionieren und von höhergelegenen Wasserreservoirs versorgt werden. Und der Park ist glücklicherweise auch groß genug, dass es immer auch ruhige Ecken gibt.

Der noch größere Kulturschock wartet einen Tag später in Sankt Petersburg. Ungewöhnlich hier, aber es ist heiß. Ich schlängle mich mit dem Rad vom Bahnhof aus zunächst zur Eremitage – und gehe sofort wieder, als ich die Schlange davor sehe. Gut, dann Isaakskathedrale. Da war ich vor ungefähr 30 Jahren schon einmal, damals hing in dem großen Hauptraum ein Foucaultsches Pendel, heute ist es wohl offiziell wieder eine Kirche und solche Sakrilege wie dieses Pendel gibt es nicht mehr. Dafür kostet sie relativ teuren Eintritt und es drängen sich Unmengen Besucher in der Kirche. Ich glaube, dass sich sonst nicht sehr viel geändert hat – auch in der Sowjetzeit wurde die Kathedrale in gutem Zustand gehalten.

 

In Sankt-Petersburg übernachte ich zum ersten Mal privat, bei Anna und Sergej, die ich über Warmshowers gefunden habe. Sie sind gerade selbst in der Wohnung von Annas Eltern, zum Katzensitten, nehmen mich aber sofort für zwei Tage mit in der Elternwohnung auf. Und zeigen mir am Abend noch einmal die Stadt. Und siehe da: alles ist gleich viel besser, es ist weniger heiß, es treten uns weniger Touristengruppen auf die Füße und die beiden führen mich durch die Innenstadt, erklären mir vieles (welcher Zar wo ermordet wurde und welche Kirche ihm zu Ehren danach errichtet wurde). Es gibt Sonnenuntergang über der Newa mit Klappbrücke im Vordergrund und Proben für ein großes Festival.

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Auch in die Eremitage schaffe ich es an einem der Tage noch, lasse mich durch die imposanten Räume treiben, gern entgegen der Touristengruppen und habe am Ende Schwierigkeiten, den Ausgang zu finden.

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Und dann: Fahrrad verpacken, Taxi bestellen, ein letzter Abend mit Anna und Sergej. Der Flug nach Berlin klappt reibungslos, das Fahrrad kommt heil an. Die S-Bahn fährt aus irgend einem Grund nicht, der Zug selten, als er kommt, wird er brechend voll. Berlin hat mich wieder.

 

Estland

Strenci – Tartu

13.6.2019

134 km

Neues Land, neues Glück. In Valka/Valga rolle ich fast ohne es zu merken über die Grenze nach Estland. Die zieht sich quer durch die kleine Stadt. Ob ich mein zweites Frühstück, Kaffee und Hamburger, im einen oder im anderen Land einnehme, weiß ich schon ein paar Minuten später nicht mehr.

Estland fühlt sich nun wirklich wie Skandinavien an : alles hübsch saniert, Holzhäuser und – tataa – wunderbare Radwege und Radwegweiser. Leider gehört zu den ersten Dingen, die ich tue, solche Wegweiser zu verwechseln und damit auf dem falschen Weg zu landen. Das trägt mir einerseits einige nette Kilometer auf einem nicht asphaltiertem, aber gut zu befahrendem Weg durch Wälder und zwischen Feldern ein, andererseits danach ein langes Stück Hauptstraße: da der Weg, den ich mir vorgenommen habe, ziemlich weit ist, kann ich mir nach dem ersten Umweg keine weiteren mehr leisten.

Insgesamt werden die Strecken zwischen Ortschaften noch einmal deutlich länger. Zwischen zwei Dörfern können gut mal 30km liegen, dazwischen gibt es höchstens mal einzelne Häuser. Und zumindest gefühlt wird weniger russisch gesprochen als in Lettland – dafür oft hervorragendes englisch.

Tartu – Kallaste

14.6.2019

54 km

Ich schlafe in meiner sehr netten Pension erst einmal aus, werfe einen Blick auf das beeindruckende ehemalige Universitätsgebäude von Tartu, auf das Rathaus mit der Skulptur von zwei sich küssenden Studenten unter einem Schirm, auf den Park, das Rathaus, die Fußgängerzonen. Ein Stück Torte als zweites Frühstück ist auch eine gute Idee.

Da ich keine sehr weite Strecke vorhabe, versuche ich es heute verstärkt mit den Nebenstrecken, also den nicht asphaltierten Straßen durch den Wald. Sie sind lang, einsam und und gelegentlich als Radweg ausgeschildert.

Zum Mittagessen finde ich auf der Karte ein Messer – und – Gabel – Symbol und erwarte eine Dorfgaststätte oder eine der Selbstbedienungsrestaurants, die es in Estland häufiger gibt. Weit gefehlt: ich diniere heute im Schloss Alatskivi aus dem 19.Jahrhundert. Schickes Restaurant, relativ teuer, in einem Raum ist schon für irgend eine Feier gedeckt, aber am frühen Nachmittag bin ich der einzige Gast, werde von zwei Leuten umsorgt und gebe mir Mühe, in meinen kurzen Hosen und dem karierten Hemd nicht allzu abgerissen auszusehen.

Am Nachmittag komme ich am Lake Peipus an, einem riesigen See, den sich Estland mit Russland teilt. Das andere Ufer ist von Campingplatz an See tatsächlich nicht zu sehen. Eigentlich würde der See ja zum Baden einladen… Aber es ist nicht besonders warm und ja auch immer ein bisschen blöd, dass ich niemanden dabei habe, der auf meine Sachen aufpassen könnte. Ich lasse es sein und spaziere stattdessen in den nächsten Ort.

Kallaste – Johvi

15.6.2019

113 km, teilweise mit deutlichem Gegenwind

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Meine Güte, die Strecke ist schon wieder ganz schön anstrengend, vor allem, weil der Wind ziemlich stark ist. Zum Ende hin kommt er direkt von vorn, tagsüber eher von der Seite – beides nicht ganz optimal. Am Vormittag bekomme ich noch ziemlich viel vom Lake Peipus zu sehen. Am Straßenrand steht fast ein Fischverkäufer neben dem nächsten, alle verkaufen sie geräucherten Fisch. Im Prinzip zum Mitnehmen geeignet, für mich aber definitiv zu groß.

Die Mittagsgaststätte der Wahl ist heute kein Schloss, sondern die Kantine eines Campingplatzes am See, es gibt Kartoffelsuppe und Kwass. Dann weiter. Die Kilometer ziehen sich ganz schön.

Ich habe mir heute eine Ferienwohnung in Johvi gebucht, eine gute Wahl. Sie stellt sich als perfekt sanierte Wohnung heraus, die in eine ziemlich heruntergekommenen sowjetischen Wohnblock liegt – ein ziemlich erheblicher Kontrast zwischen vor und hinter der Wohnungstür.

Johvi – Narva

16.6.2019, 70 km, Sonne

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Ich versuche mich mal wieder an den kleinen Nebenstrecken. Und, was soll ich sagen, Wald, Felder, Wald, höchstens ganz sanfte Steigungen, dann plötzlich jede Menge Pferde. Einmal wieder stelle ich fest, dass die Stechfliegen hier noch nichts vom Insektensterben gehört haben, dauernd umschwirrt mich mindestens eine. Als ich versuche, einer davonfahren, gelingt es erst bei Tempo 30.

Am späten Nachmittag bin ich endlich in Narva. Wieder eine Ferienwohnung in einem Sowjet-Wohnblock, wieder innen sehr hübsch saniert und dieses Mal mit Blick auf die Burg an der Narva. Von innen kann ich sie leider nicht mehr ansehen, ich bin zu spät. Aber ein Spaziergang drum herum ist auch ganz nett. Es stehen sich hier zwei Burgen gegenüber, auf jeder Seite der Narva eine, beide aus dem 13. Jahrhundert. Auf der einen weht die estnische Flagge, auf der anderen die russische.

 

 

Lettland

Sventoji – Aizpute

9.6.2019, 119 km, 20 Grad und oft Rückenwind

Kaum ist man in Litauen drin, ist man sich schon wieder draußen. Bei mir ist es heute morgen so weit. Dabei habe ich mir noch kaum gemerkt, was „Danke“ auf litauisch heißt, geschweige irgend ein anderes Wort.

Mit Litauen ist auch der wunderbare Radweg zu Ende. Die Route ist in Lettland nur in kleinen Teilen ausgeschildert und führt außerdem endlos über Hauptverkehrsstraßen. Kurz nach der Grenze kein Problem, es ist kaum Verkehr. Aber mit der Zeit wird es mehr.

Die Landschaft ist so, wie ich sie von meiner letzten Reise nach Lettland vor 28 Jahren in Erinnerung hatte : ganz sanfte Hügel, Wälder, Felder, Störche und der eine oder andere Kranich. Hübsch und unspektakulär und sehr dünn besiedelt. Die Abstände zwischen Ortschaft sind ziemlich groß.

Schön ist Liepaja, die einzige echte Stadt auf dem Weg: großer Strand mit Bars und sonstigen Attraktionen, viele Holzhäuser, riesige Parks, eine Kathedrale.

Und schön ist auch der Ort, in dem ich um die 50 km weiter übernachte, Aizpute. Allerdings ziemlich klein, Sonntag abends gibt es kein geöffnetes Café und nur wenige Menschen auf der Straße. Dabei ist es der erste Ort seit Liepaja, der den Namen verdient.

Aizpute – Kandava

10.6.2019, 106 km

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Die lettische Landschaft ist ja ganz schön, aber wirklich nicht fotogen: man bekommt diese Felder und Wälder wirklich nicht sinnvoll auf ein Bild. Ebenso erfolglos versuche ich mich an den Störchen, die oft direkt neben der Straße über frisch gemähte Wiesen stolzieren. Aber während sich die Vögel an Autos, die direkt neben ihnen vorbeifahren überhaupt nicht stören, finden sie eine einzelne Fahrradfahrerin definitiv gefährlich.

Auch heute liegt auf dem Weg eine sehr hübsche Stadt, Kuldiga, mit vielen alten Holzhäusern, Resten eines Schlosses und dem breitesten Wasserfall Lettlands. Das ist ein bisschen lustig: dieser Wasserfall ist zwar tatsächlich breit, aber nicht mehr als vielleicht eineinhalb Meter hoch. Die Landschaft gibt einfach keine Wasserfälle her.

Und dann liegt auf meinem Weg noch Sabile, die kleine Stadt mit dem, was Lonely Planet die Antwort auf die chinesische Terrakottaarmee nennt: ein Garten voller Strohpuppen, die alle möglichen alltäglichen Dinge tun.

Kandava – Riga

11.6.2019, 30 km, dann etwa 60 mit der Bahn

Der Tag beginnt mit Platzregen, zum Glück bin ich da noch in meiner Unterkunft. Danach kommt Gegenwind, Hitze, Schwüle. In eine große Stadt reinzufahren macht ja ohnehin keinen Spaß. Mir reicht das Stück Hauptstraße zu Anfang des Tages vollkommen. Also : ich schummle und steige in Tukums in die Bahn. Die ist billig, Fahrradmitnahme ist kein Problem, nur die supersteilen Treppen in den Zug sind mit Fahrrad nicht ganz einfach zu überwinden. Zum Ausstieg in Riga – hier ist der Bahnsteig extraniedrig – besorgt mir die Schaffnerin ungefragt einen kräftigen Helfer, indem sie einen anderen Passagier anspricht. Der trägt das bepackte Rad auch gleich noch die Treppe vom Bahnsteig runter.

In Riga sehe ich mir die Altstadt an – sehr viel Jugendstil, sehr hübsch, aber voller Touristen. Außerdem schaffe ich es noch in das Okkupationsmuseum und ein Kunstmuseum.

Ich war schon einmal in dieser Stadt, 1990, glaube ich. Kurz vor der Abspaltung von der Sowjetunion. Ich erkenne nichts wieder, kein Wunder, ich war nicht lange da. Aber das sich der Charakter der Stadt komplett verändert hat, da bin ich sicher. Weniger herausgeputzt war die Stadt damals, die Leninstatuen standen noch und die jungen Leute, mit denen wir zu tun hatten, erschienen uns sehr nationalistisch.

Heute ist Riga eine moderne Stadt, alles ist voller Cafés, Museen, Parks, Sehenswürdigkeiten sanierten Jugendstilhäusern.

Riga – kurz hinter Strenci

12.6.2019,63 km, plus Bahn

Aus Riga raus mache ich es so wie nach Riga rein : ich nehme die Bahn. Und zwar ein Stück weiter als nötig, um nur aus der Stadt rauskommen, bis Cesis. Mittags bin ich dort und fahre zunächst durch das örtliche Naturschutzgebiet, die erste längere Buckelpiste auf dem Weg, obwohl die Straße auf der Karte gar nicht so klein aussieht. Aber auch hier : Ich hatte wirklich schon schlechtere Strecken. Mittagessen gibt es in einem besseren Restaurant in Valmiera, einer netten und nicht weiter aufregenden Stadt, danach wechselt der Weg von der Piste auf die Autobahn. OK. Das ist übertrieben. Es gibt in Lettland viele Straßen, die auf der Karte nach Autobahn aussehen, wie Autobahnen ausgeschildert sind, aber tatsächlich zweispurige Landstraßen sind. Wie sie mit den Rad zu befahren sind, ist unterschiedlich: teilweise prima, wenig Verkehr, teilweise muss man dauernd LKWs aus dem Weg hüpfen, die keinen Millimeter ausweichen.

Ich fahre bis Strenci, einen kleinen Ort, auf dem OSM gleich zwei Zeltplätze eingetragen hat. Die stellen sich als sehr schön gelegene Picknickplätze am Fluss heraus, die sich schon gut zum Zelten eignen. Leider taucht bald nach mir ein Typ mit seinen Transporter an den Platz auf, mit dem ich definitiv keinen einsamen Zeltplatz teilen möchte. Das nette Paar, das ebenfalls noch zum Picknicken da ist, fährt dafür wieder ab. Der Typ bleibt. Also fahre ich ein Stück weiter und baue mein Zelt im Wald auf. Zum Glück ist es hier wirklich nicht schwer, einen Zeltplatz zu finden.

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Litauen

Nida – Sventoji

8.6.2019, 105 km, nicht mehr ganz so heiß

Es ist nicht so recht mein Tag heute. Ich fahre erst einmal hoch auf eine ziemlich hohe Düne, auf der wohl einmal eine (oder die erste?) Segelflug-Schule war. Schöne Aussicht, man kann ausnahmsweise tatsächlich beide Seiten der Nehrung sehen. Über einen Sandweg runter und schon habe ich mal wieder die Orientierung verloren (hallo? – Nida ist ein Dorf!)

Der Weg ist nun ein echter, wunderbar asphaltierter Radweg, meist ein Stück von der Straße entfernt, durch den Wald. Sehr gut zu fahren. Mittags erwische ich das vermutlich schlechteste Café in einem ziemlich touristischen Ort – die Kaffeemaschine ist kaputt, die Cola gibt es aus Styroporbechern, darüber hinaus haben sie nur Eis am Stiel. Also weiter.

Kormorankolonie

Von Klaipeda, der nächsten Stadt sehe ich nicht sehr viel, den Hafen, an dem man per Fähre von der Nehrung ankommt, eine Fußgängerzone, ich falle erschöpft in eine Pizzeria, warte ewig auf einen Salat – zumindest ist er gut, als er endlich da ist.

Hier in Litauen ist die Ostsee so, wie man sie auch aus Deutschland oder Polen kennt: schön, aber von Touristen überrannt. Die Gebäude wirken für mich skandinavisch, viele verzierte Holzhäuser (oder sehen die eher aus wie in Russland?), im Gegensatz zu Kaliningrad und auch zu Polen ist die Café-Dichte erheblich gestiegen. Die Preise sind zum Glück nicht skandinavisch, sondern noch recht gut bezahlbar.

 

R1 in Polen

Ende April 2019:

26.+27.4.2019: Krzyz Wielkopolski – Miasteczko Krajenskie

105 + 8 km

Die erste kleine Teilstrecke des R1 durch Polen ist Jahre her.  Jetzt endlich kommt das nächste Stück. Wie schon beim letzten Mal besteht das erste Problem darin,  zu meinem Ausgangspunkt zu kommen. Ich komme zum Bahnhof, und stelle fest  dass der Zug ausfällt. Als Ersatz gibt es einen Regionalexpress bis Frankfurt/Oder, dort wartet der eigentlich gebuchte Intercity. Ich schleppe das bepackte Rad treppab und treppauf – Aufzug würde zu lange dauern – renne ganz ans Ende des Bahnsteig und hieve das, wie gesagt, bepackte Rad in den Zug. Geschafft. Sogar den Anschluss in Poznan kriege ich, obwohl die Schaffnerin das Gegenteil angekündigt hat. Und unterwegs gelingt es mir auch noch

1.Zloty aus einem Automaten zu leiern

2. herauszubekommen, wie man den Ort ausspricht, in den ich fahre (Krzyz – zwei stimmhafte sch, dazwischen ein Laut irgendwo zwischen i und ü)

Dann los. Ich habe versucht, ein paar km hinter Krzyz ein Zimmer zu reservieren, habe aber keine Antwort bekommen. Trotzdem erwartet mich die Besitzerin des Bauernhofs schon. Prima, sonst hätte ich mir schleunigst einen Zeltplatz suchen müssen  es wird nämlich schon dunkel.

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Am nächsten Morgen geht weiter. Zu Beginn ein bisschen durch ein Naturschutzgebiet, dann durch eher unspektakuläre Landschaft: bis auf kleine Hügel sehr flach, Felder, Wälder, die keine sind, sondern Fichtenwüsten. Dazwischen zwei Städte, Trzianka und Pila. Auch diese wirken ziemlich langweilig, selbst nach einem Restaurant muss ich suchen. Nicht suchen muss ich dagegen  Herrn Woityla, den vorletzten Papst. Jede zweite Straße scheint nach ihm benannt zu sein, aber manchmal reicht das nicht, es muss auch noch eine Statue her.

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Der Radweg ist weiterhin prima ausgeschildert. Es geht meistens auf kleinen Straßen entlang, aber klar, gelegentlich stört dann doch der Autoverkehr, wenn man mal wieder viel zu knapp und zu schnell überholt wird.

Miasteczko Krajenskie -Koronowo

97km

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Morgens sieht das Wetter prima aus. Bleibt aber leider nicht so. Im Lauf des Tag kommen die Wolken zurück, dann regnet es. Es geht weiter zwischen Feldern, durch Dörfer, vorbei an den einen oder anderen kleinen See. Hübsch, aber nicht besonders beeindruckend.

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Städte gibt es kaum auf dem Weg. Mrocza hat ein paar hübsche Gebäude, ist aber ansonsten ungewöhnlich tot. Kein Café, kein Restaurant, die eine Dönerbude, die es gibt, hat sonntags geschlossen. Ich habe Hunger. Es nieselt.

Erst in Koronowo finde ich ein Restaurant, eine alte Mühle, in der ich gerade noch einen Platz bekomme, bevor es dann weiter geht zu der Stelle auf der Karte, wo gleich mehrere Hotels nebeneinander eingezeichnet sind. Eine Ferienkolonie am See. Landschaftlich super, Seen, Schilf, Wald, Vögel, mit denen ich mich leider nicht auskenne.

Die Ferienkolonie ist noch ausgestorben. Nur ein Hotel ist schon geöffnet, eine sehr sozialistische Einrichtung mit Unmengen kleinen Zimmern, an denen sich in den letzten 30 Jahren kaum etwas geändert haben dürfte. Erstaunlich viele Angestellte pro Gast, Glaskasten mit Fensterchen als Rezeption, Linoleumböden und riesige Speisesäle.

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Koronowo – Grudziadz

95 km, wer sich nicht verfährt hat es kürzer.

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Die Wolken werden von Sonne abgelöst, und von Gegenwind, der über den Tag immer stärker wird. Nur einmal in einem größeren Dorf ist er plötzlich verschwunden. Das heißt nein, ein Windrad, an dem ich vorbei fahre dreht sich noch immer ganz schön schnell. Rückenwind also, es fährt sich auch gleich viel leichter. Man könnte behaupten, dass ich stutzig werden müsste. Und ja, klar, nach ein paar Kilometern schaue ich aufs Handy, ich bin falsch abgebogen, wäre ja auch zu schön gewesen. Ja, mir war schon aufgefallen, dass die Wegweiser ein bisschen anders aussehen, aber das kommt ja wohl vor…  Tatsächlich sind Plaketten mit Fahrradsymbol, aber ohne R1 Beschriftung aufgetaucht. Die Gegend hat ein kleines Radroutennetz und dieses wiederum eine Art allgemeingültiges Zeichen.

Also zurück, sofort ist die ganze schöne Leichtigkeit hinüber und ich muss erst einmal in den Supermarkt, Schokolade kaufen.

Am frühen Nachmittag bin ich in Chelmno, ein Hansestädtchen auf einem der seltenen Hügel mit Kloster, großer Kirche, viel Backstein. Außerdem mit großen Eiscafés auf dem Marktplatz und einem kleinen in der Fußgängerzone. Sehr hübsch.

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Grudziadz wiederum reißt nicht von Hocker. Das mag daran liegen, dass es ein bisschen nervig ist, durch den Verkehr in die Stadt zu kommen und das ich dann auch schon ziemlich geschafft bin. Immerhin, der Blick von der alten Burg aus die Weichsel ist schön.

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Grudziadz – Malbork

105 km, das Internet behauptet, dass es 92 sind

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Festung Malbork

Der Wetterbericht behauptet, das der Wind zwar weiterhin genau von vorn kommt, dass er aber immerhin nachlässt. Vor 9:30 morgens habe ich diesen Eindruck auch, danach nicht mehr. Die Fahrt ist also eher anstrengend als angenehm. Der Radweg führt nun mehr oder weniger an der Weichsel entlang und hat den Charakter eines Flussradwegs. Das heißt hier: man sieht den Fluss eigentlich nicht, weil man ständig neben dem Deich entlang geführt wird. Auf der anderen Seite endlose Felder. Raps Spargel, Weizen, repeat. Gut, der Raps blüht gerade, das ist ganz hübsch. Den Weg über Kwidzyn will ich mir eigentlich sparen, meine App (Osmand) kennt eine kürzere Strecke. Ich biege nach links auf eine hervorragende kleine Asphaltstraße ab, um weiter an der Weichsel zu bleiben. Ich muss aber schnell feststellen, dass der Asphalt nur angetäuscht ist. Nach ein paar hundert Metern wird die Straße so schlecht, dass ich nach vielleicht einem weiteren Kilometer reumütig auf die Radroute zurückehre. Merke: wer solche Routen anlegt, denkt sich meistens etwas dabei, auf Abkürzungen zu verzichten.

Es gibt ihn doch mal: den Blick auf die Weichsel

Kwidzyn liegt auf einem Hügel, auch hier eine BacksteinBurg und eine Backsteinkirche mit Museum, das man sich ansehen könnte. Oder man kann einfach im Park ausruhen und picknicken.

Ich fahre weiter, aus der Stadt heraus, um eine Baustelle herum und dann ist plötzlich wieder einmal der Wind weg und das Fahrradfahren geht ganz einfach. Ich müsste eigentlich sofort misstrauisch werden, aber wo ich doch fast mühelos dahinfliege… Klar: ich fahre schon wieder in die falsche Richtung. Also zurück. Ich quäle mich weiter. Irgendwann geht es endlich durch Wald, der Wind wird zumindest ein bischen weniger und dann, endlich, bin ich in Malbork. Den restlichen Weg nach Tczew, wo morgen mein Zug zurück nach Berlin abfährt spare ich mir, es gibt genug Züge auf der Strecke, die auch Räder mitnehmen. Und die Hauptverkehrsstraße dorthin wäre mit Sicherheit auch ziemlich unangenehm.

Die Festung Malbork lässt sich nicht mehr von innen besichtigen, es wird wohl ein Fest zum 1. Mai vorbereitet. Aber der Weg außen herum um die größte Anlage der Backsteingotik, direkt an der Weichsel lohnt allemal. Ebenso das Bier am Ufer, fast im Sonnenuntergang.

Bahnhof in Malbork – auch sehenswert

Nächster Abschnitt im Juni 2019
Malbork – Frombork

4.6.2019 – 80km,

das Thermometer meines Tachos zeigt 34 Grad, nachdem es eine Stunde im Schatten lag, der Wetterbericht redet nur von 24 Grad. Quatsch. Es ist heiß!

Übernachtung: Campingplatz kurz hinter Frombork

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Nach der letzten Etappe Ende April bin ich gestern mit dem Zug zurück nach Malbork gefahren, habe in der Pension mitten im wunderschönen Bahnhof von Malbork übernachtet (gut und günstig, nur muss man sich zwischen geschlossenem Rollo und geöffneten Fenstern entscheiden. Wegen der Straßenbeleuchtung ist es die ganze Nacht taghell im Zimmer.

Morgens schwinge ich mich aufs Rad, ein kleines Stück Hauptstrasse, dann schickt mich meine App über eine Strecke, die teilweise wunderbar asphaltiert teilweise ziemlich rumplig ist. Mein neues Fahrrad kommt damit deutlich besser klar als das letzte, das mir tragischerweise vor ein paar Monaten geklaut wurde.

Am späten Vormittag bin ich in Elblag: wunderbar sanierte Häuser und Kirchen, außerdem Gelegenheit für ein ausführliches zweites Frühstück.

Am Nachmittag macht mir die Hitze ernsthaft zu schaffen, es sind gerade die ersten wirklich heißen Tage des Jahres. Ein paar Pausen und kalte Cola helfen.

Irgendwann kommt der erste Blick aufs frische Haff und schließlich Frombork, eine sehr kleine Stadt mit riesigen Dom. Hier hat offenbar Kopernikus gelebt und hier ist er auch begraben. An jeder Ecke scheint eine Statue von ihm zu stehen.

19.12.2018 Hitzacker – Lüneburg

etwa 50 km

Der Sonnenaufgang am Morgen ist sensationell. Danach spielt das Wetter leider nicht mehr mit: am Morgen liegt Rauhreif auf der Straße, es ist ziemlich glatt und ausgerechnet hier gibt es im völlig flachen Niedersachsen ein paar Hügel. Und dann ist der Sonnenaufgang wirklich das einzige, das heute von der Sonne zu sehen ist. Es ist grau, nieselt, die Luft ist feucht und kühl. Bei schönem Wetter hätte ich die Tour vielleicht nach Hamburg verlängert, aber so… Lüneburg ist auch hübsch.

Wieder eine Hansestadt, eine sehr hübsche mittelalterliche Altstadt, jede Menge Fachwerkhäuser, jede Menge Backstein, im Internet ist auch von mehreren Weihnachtsmärkten die Rede. Stimmt auch, sie sind durchweg relativ klein, man stolpert bei einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt über fast alle. Ich trinke Glühwein, esse Bratwurst, finde sonst nichts weiter Interessantes zu kaufen, setze mich in ein Café und sehe mir schlussendlich noch das Salzmuseum an. Es ist im ehemaligen Salinengebäude untergebracht, zusammen mit einem Supermarkt. Es ist nett aufbereitet, ein paar interessante Informationen stehen auf großen Schautafeln, über den Handel mit Salz im Mittelalter und das Aufkommen von Raffinadesalz.

Am Nachmittag dann schiebe ich mein Rad einmal wieder in den Zug: mein kleiner Vorweihnachtsausflug ist zu Ende.

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18.12.2018 Havelberg -Hitzacker

104 km

Hamburg, Lübeck, Bremen, Rostock, Wismar… eine Reihe großer Hansestädte kennt man ja. Dass Havelberg auch zum Club gehört, fiel mir erst im letzte Sommer auf. Aber Hansestadt Werben? Oder Seehausen? Nie gehört. Werben wirkt tatsächlich eher wie ein größeres Dorf mit überdimensionierter Backsteinkirche, Stadttor und vielen hübschen Fachwerkhäusern. Dafür gibt es nicht einmal einen Bäcker, lediglich einen Discounter am Ortsrand. Seehausen ist ein bisschen größer, auch hier eine riesige, alte Kirche, außerdem ein paar weitere Sehenswürdigkeiten.

Immer wieder fahre ich heute an der Elbe entlang, dann entferne ich mich wieder vom Fluss, wenn ich damit die Strecke verkürzen kann.

Von Sachsen-Anhalt geht es nach Lüchow-Dannenberg, alles sieht etwas wohlhabender aus, die alten Häuser sind saniert, kaum eins steht leer und überall haben Leute anti-Endlager-Kreuze aufgestellt.

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Die Strecke heute ist gut 100km lang und tatsächlich schaffe ich sie nicht bei Tageslicht. Ein ganz kleiner heller Streifen ist vielleicht noch am Horizont zu sehen  als ich in Hitzacker ankomme. Nun ja,  länger sollte die Strecke um diese Jahreszeit  nicht werden.

17.12.2018 Nauen – Havelberg

Nauen-Havelberg, 80km

Ein paar freie Tage, es ist zwar grau, regnet aber nicht.  Also los.

Nach einer Tour durch Armenien und den Iran kann man sich über die Anzahl der Radweg ein Brandenburg und Sachsen-Anhalt nicht beschweren. Höchstens über die Qualität mancher Betonplattenwege. Und über den Sand  durch den man an und zu schiebt. Alles in allem aber komme ich gut voran, zwischen Nauen und Havelberg. Natürlich komme ich durch einige Dörfer  aber in keinem drängt sich ein Restaurant auf. Es ist Montag, wer nicht sowieso an Winter – Wochentagen geschlossen hat, hat zumindest montags Ruhetag. Die Temperatur liegt so um den Gefrierpunkt  auf vielen Wasserflächen schwimmt eine dünne Eisschicht. Trotzdem geht es auch ohne Café: ich habe heißen Tee und Stullen dabei und ich halte die Pausen eben einigermaßen kurz. Problempunkte sind nur die Nase, die in der kalten Luft pausenlos läuft und die Füße, die trotz der Winterstiefel und der Wollsocken kalt werden.

Zum Ausgleich habe ich in Havelberg ein Zimmer in einem Hotel mit Sauna und gutem Restaurant gebucht – das Arthotel am Kiebitzberg.

Havelberg ist überhaupt ein hübsches Städtchen, alte Hansestadt, Backsteindom, viele schöne alte Häuser. Im Sommer gibt es vermutlich ein paar Touristen, Wasserwanderer, die über die Havel kommen. Heute wirkt die Stadt schon kurz nach 5 ziemlich tot. Viele Geschäfte haben geschlossen, Restaurants sowieso und Menschen sieht man kaum auf der Straße.