14.09.2016 Negotin – Vidin
Strecke: 72 km
Wetter: ab Mittag wieder ca. 32.℃
Übernachtung: Hotel Dunav, schönes altes Haus, schlechtes Frühstück
Nach dem Frühstück fahre ich zuerst bei der Post vorbei und gebe einen Brief mit Geld für das Hotel ab, das mir meinen Pass schicken soll. Dann geht es los. Der Radweg führt über eine Nebenstraße, die ein gutes Stück länger ist als die Hauptstraße. Sie ist etwas holprig, aber es gibt nur zu Beginn noch ein wenig Verkehr, danach habe ich die Fahrbahn für mich allein. Nach 25 km bin ich an der Grenze nach Bulgarien, der serbische Zoll hat kein Problem damit, dass ich mit Reisepass eingereist bin und mit Personalausweis wieder ausreise.
Die Landschaft auf dem weiteren Weg hat nichts Spektakuläres, es ist eine sanfte Hügellandschaft, immerhin geht es eine Zeit lang durch eine hübsche Allee.
Während in Serbien jedes Dorf ein schickes Cafe hatte, in dem es allerdings nichts zu essen gab, scheinen die Kneipen hier auf den ersten Blick knapper zu sein. Immerhin finde ich aber eine Art Café in einer alten Kirche. Es gibt Espresso aus Plastikbechern, Mineralwasser, Eis am Stiel und zum ersten Mal auf meiner Reise die Frage, ob ich denn keine Angst habe, so ganz allein.
Am frühen Nachmittag bin ich in Vidin und habe also noch genug Zeit, mir ein paar Dinge anzusehen. Das ist zunächst einmal eine sympathische Kunstgalerie mit bulgarischen Werke aus dem 20. Jahrhundert. Ein Museumswärter schaltet das Licht an, als ich komme, Eintritt möchte er nicht. Dann eine Moschee, die offensichtlich sehr alt ist, der man den Halbmond auf dem Minarett durch ein anderes Symbol ersetzt hat, die aber durchaus noch als Moschee in Betrieb ist. Und schließlich eine mittelalterliche osmanische Festung. Überhaupt erkennt man die osmanischen Einflüsse überall, kein Wunder, über 500 Jahre regierten hier die Osmanen.
15.9.2016 Vidin -Lom –Ruse
Strecke: 56 km mit dem Rad, um die 300 km mit der Bahn
Wetter: wieder über 30 °C, Sonne
Zwischen Serbien und Bulgarien gibt es eine Zeitverschiebung um eine Stunde, gut, wenn man etwas Strecke hinter sich haben will, bevor es zu heiß wird. Die Straße aus Vidin heraus führt durch ein Industriegebiet und ist Zubringer zu einer Autobahn. Entsprechend unangenehm ist der LKW-Verkehr. Es gibt allerdings zu Beginn eine kleine, holprige Nebenstraße. Ich nehme sie kurzzeitig und prompt öffnet sich meine Wasserflasche. Das wäre nicht so schlimm, wenn das Wasser nicht ausgerechnet mein Handy ertränken würde. Es funktioniert erst einmal nicht mehr. Unangenehm, mitten auf irgendwelchen abgelegenen Landstraßen mitten in Bulgarien. Dafür hält irgendwann neben mir die Französin an, die ich nun schon mehrmals getroffen habe. Wir bleiben bei der weiteren Fahrt zusammen. Sie stammt aus Paris und hat zwischen Studium und Jobsuche ein paar Monate Zeit für eine längere Radtour.
Es geht durch eine hübsche, wenn auch nicht sonderlich spektakuläre Hügellandschaft, teilweise auf einer asphaltierten, aber sehr holprigen Straße, teilweise auf einer nagelneuen.
Wir beschließen, von Lom aus einen Zug nach Ruse zu nehmen. Der soll nach der Auskunft am Bahnhof etwa eine Stunde später fahren. Was wir mangels Sprachkenntnissen nicht verstehen ist, dass wir für die Strecke von etwas mehr als 300 km zweimal umsteigen müssen und insgesamt etwa 8 Stunden brauchen sollen (tatsächlich werden es 9) – das merken wir erst im Zug. Überhaupt ist die Fahrt abenteuerlich: ein paar Jugendliche helfen uns, mit unseren großen Gepäckmengen und den Rädern die sehr steilen Stufen in den Zug hoch, wir verstauen die Räder irgendwie zwischen zwei Wagons, vor beinahe jedem Halt räumt der Schaffner sie um.
Dann umsteigen innerhalb von 7 Minuten. Wieder gibt es mehrere hilfsbereite Leute, die mit uns zusammen den ganzen Krempel in den Zug direkt gegenüber bugsieren. Es handelt sich um die uralt-Version eines deutschen IRE, einem ohne echten Fahrradstellplatz. Die Türen werden durchweg nicht richtig geschlossen, ob wegen der Lüftung bei wieder über 30 ℃ oder weil sie nicht zu schließen sind, weiß ich nicht.
Dann haben wir fast zwei Stunden Aufenthalt (Kaffee, Eis, Hotel buchen) in Mesdra, bevor wir wieder den Bahnsteig entlangrennen, um ganz nach hinten in den Zug zu kommen, wo die Räder hinsollen. Fahrradtaschen hineinwerfen, Fahrräder unendlich steile Treppen heraufheben. Immerhin finden wir einen guten Platz, sowohl für die Räder als auch für uns. Und das Beste: am Abend funktioniert mein Handy wieder.
16.9.2016 Ruse und Umgebung
Strecke: keine mit dem Rad
Wetter: ca. 33 °C, Sonne (schon wieder!)
Übernachtung: City House Hotel
Wir bleiben beine in Ruse und beschließen, für den Tag ein Auto zu mieten, um ein paar Sehenswürdigkeiten in der Umgebung anzuschauen. Die Autovermietung, bei der wir am Vormittag landen, wirkt etwas fragwürdig, es ist nur ein Parkplatz, eine Sitzgelegenheit, ein etwas windiger Vermieter, der gut Englisch spricht, wenn er gerade keine Fragen von uns beantworten soll. Der Vertrag, den wir schließlich trotz Bauchschmerzen unterschreiben, ist ausschließlich bulgarisch, die Frage nach der Selbstbeteiligung löst ungläubiges Kopfschütteln aus, immerhin geht nach mehrmaligem Nachfragen ein Kollege des Vermieters um das Fahrzeug herum und fotografiert es aus allen Richtungen.
Schließlich geht es los, zuerst zum Felsenkloster in Basarovo. Es handelt sich um einige in die Felsen hineingebauten Räume und eine kleine Kirche. In fast jedem Raum haben Besucher vor uns Münzen hinterlassen und Zettel mit Namen darauf.
Als nächstes die Orlova Chuka Höhle. Es handelt sich um ein insgesamt 14 km langes Hoehlensystem mit zahlreichen Tropfsteinen, und, irgendwo im hinteren Teil riesigen Fledermauskolonien. Wir sind für diese Tour die einzigen Besucherinnen und werden von einem Führer durch die Höhle gelotst, der recht gut französisch spricht und zu jeder Felsformation erklärt, was sie darstellen könnte – Schneewittchen zum Beispiel oder einen Thyrannosaurus Rex. Zweimal auf dem Weg singt er auch, an Stellen mit besonders guter Akustik.
Danach fahren wir noch zur Cherven Festung und zu den Felsenkirchen von Ivanovo. Von der Festung ist nicht mehr viel zu sehen, vor allem eine Reihe von Grundmauern zu denen es aber keinerlei Erklärung gibt. Von den Felsenkirchen finden wir eine, wir wissen nicht, ob und wie die zahlreichen anderen, die es in der Umgebung geben muss, zugänglich sind. Wirklich beeindruckend ist aber sowohl bei der Festung als auch bei der Felsenkirche die Umgebung. Der erste Eindruck ist der einer sanften Hügellandschaft, gelegentlich gibt es aber tiefe Taleinschnitte mit steilen Sandsteinfelsen, Höhlen und darin eben auch einige sehr alte Kirchen, etwa aus dem 14. Jahrhundert.
17.9.2016 Ruse – Tutrakan
Strecke: 66 km,
Wetter: Sonne, 35 °C (Tendenz zu unerträglich warm)
Übernachtung: Hotel Lodkata, direkt an der Donau, hübsche Terasse
Der Weg in Ruse ist noch recht gut, es gibt gut ausgebaute Radwege. Danach wird es erst einmal grausam: es folgt eine vierspurige, autobahnähnlich ausgebaute Strasse. Wenn es ein Seitensträßchen gibt, dann führt es neben Industriegebieten mit Hunden entlang, die manchmal unvermittelt laut bellend herausstürzen.
Irgendwann wird die Strasse zweispurig, der Verkehr bleibt aber unangenehm. Und dann stelle ich den ersten Platten am Hinterrad fest. Ich schiebe das Rad zur nächsten Bushaltestelle, wo etwas Platz und außerdem Schatten ist und versuche mich an der Reparatur. Nach dem ersten Loch stelle ich ein zweites direkt daneben fest, versuche es ebenfalls zu reparieren. Vielleicht lasse ich dem Kleber nicht genug Zeit zum Antrocknen, jedenfalls funktioniert es partout nicht, immer pfeift Luft über dem Flicken hervor. Schließlich tausche ich den Schlauch aus. Das geht relativ schnell, aber nun habe ich keinen Ersatzschlauch mehr und nur wenige Flicken übrig. Glück habe ich, als kurz bevor ich fertig bin, ein Autofahrer neben mir hält und tatsächlich einen Kompressor dabei hat. Mit meiner winzigen Handpumpe bekomme ich kaum ausreichend Druck auf den Reifen.
Abgesehen von dieser Zwangspause fahre ich die heutige Strecke mehr oder weniger durch und bin gegen 13 Uhr in Tutrakan. Nachdem ich ein Hotel gefunden und gleich bezahlt habe, mache ich mich auf den Weg durch die Stadt und stelle nach kurzer Zeit fest, dass ich ein weiteres Problem habe: fast kein Geld mehr. Und die ganze Stadt hat gerade Stromausfall, also funktionieren auch die Bankautomaten nicht. Ich gebe meine letzten Lei für einen Ersatzschlauch aus. Flickzeug finde ich leider keines. Dann setze ich mich in den Park und trinke das Wasser aus, das ich vorher noch gekauft habe. Ich denke schonmal darüber nach, wie ich den Tag ohne Geld, Essen, Trinkwasser überlebe, als der Strom wieder anspringt. Ich werde also doch nicht verhungern.
18.9.2016 Tutrakan- Silistra
Strecke: ca. 73 km
Wetter: ca. 32 °C, nachmittags endlich Regen
Übernachtung: Hotel Danube, fünf Sterne (wenn auch nicht nach westeuropäischem Standard, dennoch ein schönes Haus)
Ich verzichte auf das Hotelfrühstück, das es erst ab 8 gibt, esse im Zimmer etwas und trinke unten noch einen Kaffee, dann geht es los, zunächst zwei wirklich steile Steigungen hoch. Der erste Teil des Radweges ist sehr schön, einsam, er führt über eine kleine, aber recht gute Landstrasse. Allerdings enthält er auch einen kleinen Teil auf dem so genannenten römischen Weg. Der ist so steinig, dass ich mein nicht wirklich geländegängiges Fahrrad trotz ebener Strecke ein Stück schiebe. Dann ein sehr ursprüngliches Dorf, Gänse auf der Strasse, traditionelle Häuser. Es gibt auch einen Brunnen, an dem ich anhalte. Ich frage einen Mann, der daneben steht, ob das Wasser trinkbar ist und er antwortet in schönstem Französisch. Er erzählt, dass er in Bruessel lebt und gerade seine Grossmutter in ihrem Heimatdorf besucht. Und ja, es ist Trinkwasser.
Weil die Karte noch einige schlechte Strecken ausweist, wechsle ich danach auf die Hauptstrasse mit zwar relativ wenigen aber sehr schnellen Autos und LKWs. Der Verkehr ist dabei heute, an einem Sonntag sicher nicht so schlimm wie an einem Wochentag.
Hinweis: andere Radfahrer sagen, dass der offizielle Radweg bis Popina OK ist, danach sei aber definitiv der Wechsel auf die Hauptstraße angesagt.
Gegen 14 Uhr erreiche ich dann Silistra und miete mich im besten Hotel der Stadt ein, dem Hotel Danube.
In der Stadt gibt es eine Reihe von Ruinen, mittelalterliche und roemische, auch hier mit wenigen Informationen. Mitten zwischen diesen Ruinen: ein Einkaufszentrum. Die Museen, eine Kunstgalerie und ein Geschichtsmuseum sind leider gerade geschlossen.
Mittlerweile haben mich die drei Belgier eingeholt, die ich schon in Donji Milanovac getroffen habe, also gehen wir gemeinsam essen, ziemlich gut sogar. Sie haben zwischendurch ebenfalls per Bahn „geschummelt“.