19.9.2016 Silistra – Ion Corvin
Strecke: ca. 58 km,
Wetter: Regen, ab mittags Wind, etwas mehr als 20 °C
Übernachtung: Pensiunea Vivi;
Ich fahre gegen halb neun über die rumänische Grenze. Alles am Grenzübergang wirkt heruntergekommen, es gibt neben der Ausweiskontrolle noch ein paar Schalter für die Fähre auf die andere Donauseite. Einen Ort direkt an der Grenze gibt es nicht. Bei nächster Gelegenheit biege ich aber ab und versuche, an Geld zu kommen. Es ist ein größeres Dorf, irgendwo gibt es tatsächlich einen Geldautomaten. Mit verschiedenen Karten versuche ich alle Eingaben, ohne dass der Automat am Ende Geld ausspuckt. Überraschenderweise bekomme ich aber am Schalter der Bank welches. Der Geldautomat ist schlicht leer.
Vor ein paar Tagen sagte mir jemand, dass Rumänien reicher sei als Bulgarien. Davon ist nichts zu sehen. Auf den ersten Blick wirkt die Gegend arm und unwirtlich. Die zahlreichen Weinberge auf dem Weg sind eingezäunt, soweit es etwas wie Cafes gibt, handelt es sich um kleine Läden mit ein paar Plastikstühlen und Männern, die davor sitzen.
Die ganze Zeit schon regnet es immer wieder ein wenig. Auf den letzten Kilometern kommt ein ziemlich starker Wind dazu. Ich habe heute die Wahl, nur die kurzen 58 km oder aber gleich 135 km weit direkt nach Constanta zu fahren. Angesichts des Wetters entscheide ich mich für die kurze Strecke.
Mit der Übernachtung ist es allerdings etwas schwierig: Weil es im Ort nur eine Pension gibt und auch auf dem weiteren Weg keine im Bikeline-Führer steht, habe ich schon vorher versucht anzurufen. Der Erfolg war mittelmäßig, ich erreichte niemanden, der eine Sprache sprach, die ich auch kann, bekam aber den Eindruck dass die Pension offen ist. Als ich ankomme und klingle, kommt ein Zimmermädchen und beantwortet alle Fragen – ist die Pension offen, gibt es ein freies Zimmer, soll ich nochmal kommen, gibt es ein Restaurant? – mit Nein. Sie versucht, ihren Chef anzurufen, erreicht ihn aber nicht. Ich mache noch einen Versuch im Dorfladen. Dort findet man schließlich den Chef, er sagt mir, dass er ein Zimmer hat. Mittlerweile bin ich fast auf die Weiterfahrt eingerichtet, bleibe aber natürlich doch. Später kommen auch die Belgier, nachdem sie einen weiteren aufgesammelt haben, sind sie mittlerweile zu viert. Der Ort hat kein Restaurant, dafür gibt es in unserer Unterkunft eine Küche. Wir fragen lieber nicht, ob wir sie benutzen können und tun es eben. Es gibt Nudeln mit Gemüse und eine Dose Ravioli, die einer von uns dabei hat. Dazu scheußlich süßen Wein aus dem Dorfladen.
20.9.2016 Ion Corvin – Mamaia
Strecke: 96 km
Wetter: 14°C, grau und immer wieder Regen
Übernachtung: Hotel Splendid, Mamaia, empfehlenswertes 4 Sterne Hotel mit Sauna und Schwimmbad
Es ist plötzlich ganz schön kühl geworden – es ist ja auch schon Ende September. Außerdem droht der Wetterbericht mit zunehmendem Wind. Wahrscheinlich deshalb sind heute alle früh unterwegs. Während die Belgier versuchen, im Dorfladen etwas wie ein Frühstück zu bekommen, mache ich mir in der Unterkunft Kaffee.
Beim Losfahren klemme ich mir den Riemen des Rucksacks in den Zahnrädern der Gangschaltung ein. Zum Glück bemerke ich es rechtzeitig, nur eine Schnalle am Rucksack ist kaputt. Aber ich ärgere mich über mich selbst. Ich weiß doch, dass ich auf den blöden Riemen aufpassen muss!
Wie schon gestern fällt auch heute auf, wie viele Klöster es hier gibt. Und zwar welche, die in Betrieb sind, vielfach sogar neu errichtete oder solche, die gerade ausgebaut werden.
Gegen Mittag endlich hole ich die drei Belgier ein, etwas nach mir trudelt auch der vierte ein, der ja eigentlich ebenfalls allein unterwegs ist. Wir fahren den Rest der Strecke gemeinsam weiter. Auf den letzten 20 km kommt zum Wind der Verkehr auf einer vierspurigen Straße, die Busse und LKW rasen zum Teil sehr knapp und sehr schnell an uns Radfahrern vorbei. Der Sog, den sie verursachen ist zusammen mit dem Seitenwind eine Herausforderung, vor allem, wenn man nicht unter das nächste heranrasende Auto geraten will.
Während meine Begleiter zum Bahnhof fahren, mache ich einen kurzen Abstecher in die Innenstadt von Constanta. Sie scheint zumindest auf den ersten Blick nicht besonders interessant, eine kleine Altstadt, wenige Museen, eine Fußgängerzone. Und dann natürlich: das Schwarze Meer! Es ist kalt, es regnet, das Meer ist eher grau… aber dennoch, ich habe es auf mehreren Reisen nun immerhin mit dem Rad vom Atlantik hierher geschafft, und dass ist doch ein Grund, tief durchzuatmen und eine Flasche Wein aufzumachen!
Das Hotel liegt noch etwa 10 km weiter in Mamaia, dem langen, mit Hotels gepflasterten Sandstrand. Als ich ankomme, lasse ich mich zur Feier des Tages erst einmal im hoteleigenen Spa massieren.
Dann treffe ich zum letzten Mal die Belgier zum Essen. Sie haben unterwegs ein Edel-Fischrestaurant entdeckt, wir gehen hin, trinken wirklich sehr guten rumänischen Wein, essen Fisch und bezahlen etwa das zehnfache dessen, wofür wir sonst ein ordentliches Essen bekommen.
21.9.2016 Mamaia – Jurilovca
Strecke: 87 km
Wetter: 15 °C und windig
Übernachtung: Hotel Herakleo, schöne Anlage mit merkwürdigem Geruch im Zimmer
Es ist nicht mehr heiss, also gibt es eigentlich auch kein Grund mehr, sehr früh aufzustehen. Ich bin aber gegen 7 wach und gegen halb 8 beim (heute ziemlich guten) Frühstück. Die Belgier sind überraschenderweise schon da. Drei von ihnen fahren heute noch zurück nach Bukarest, nur einer fährt weiter in Richtung Delta. Dann geht es los, zuerst den Mamaia-Boulevard entlang. Vierspurig, aber der Verkehr ist erträglich. Der Boulevard ist eine einzige endlose Ferienanlage zwischen dem schwarzen Meer und dem riesigen Lacul Siutghiol. Nach den Hotels folgen Industrieanlagen, vor allem eine sehr große Raffinerie, bevor die Strasse endlich zweispurig wird und der Verkehr etwas weniger. Die Fahrt ist heute anstrengend, vor allem wegen des Windes. Manchmal gibt es auch kleine Steigungen.
In einem Dorf, nach etwa 30 km mache ich die erste kurze Pause. Ein Café gibt es nicht, aber ich kaufe im Dorfladen etwas zu trinken und setze mich damit draußen auf eine Bank. Als ich wieder losfahren will, stelle ich den zweiten Platten auf meiner Tour fest. Wieder das Hinterrad. Ohne viel nachzudenken wechsle ich den Schlauch gegen den, den ich in Bulgarien gekauft habe, inmitten einer Horde Kinder, die gerade Schulschluss oder jedenfalls eine Pause haben. Alle fragen mich der Reihe nach, wie ich heiße und sagen mir ihre Namen. Keine Chance, bei dem Lärm ein kleines Loch im Schlauch zu finden.
Egal, es geht weiter. Größtenteils ist die Landschaft eher langweilig, abgeerntete, braune Felder, gelegentlich sieht man einen See. Häufiger sieht man Pferdegespanne, Esel, Schafherden, und natürlich wie immer jede Menge Hunde in den Dörfern. Bislang ist mir aber keiner begegnet, der wirklich aggressiv war. Wenn ich anhalte, und das Fahrrad zwischen mich und die Hunde stelle, erschrecken sie durchweg und bleiben stehen.
Unterwegs treffe ich außerdem auf zwei Australier, die in mehreren Monaten mehr als 4000 km durch Europa gefahren sind, ein älteres Paar, das deutlich schneller unterwegs ist, als ich.
Scheußlich sind die 10 km zwischen Mihai Viteazy und Baja: nur zweispurig, sehr viel Verkehr, Unmengen an LKW, die sehr dicht überholen.
In Jurilovca habe ich zunächst Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden: Keine der Pensionen im Ort hat ein Schild mit einem Namen oder irgend einen Hinweis darauf, dass es sich um eine Pension handelt. Auf einem Schild wird eine Pension zum Verkauf angeboten, ein Haus, das in Frage kommt, hat einen großen Hund im Garten, so dass ich mich zunächst nicht hineintraue – zumal ich gerade erst von einer ganzen Horde Hunde verfolgt wurde. Ich treffe hier wieder auf den übrig gebliebenen Belgier, der ein Zimmer vorgebucht hat und ebenfalls mit wachsender Verzweiflung versucht, es auch zu finden – wir bleiben erfolglos, zwar bietet dieses Haus im Internet Zimmer an, es scheint aber vom Erdboden verschluckt. Schließlich trauen wir uns doch in den Garten mit dem Hund und siehe da: es ist ein hübsches Hotel, der Hund bellt nur, beißt aber nicht und wir bekommen unsere beiden Zimmer.
Abendessen gibt es im anscheinend einzigen Restaurant des Ortes. Wir treffen die Australier, dann auch noch zwei deutsche Studenten, und essen zusammen. Ein netter Abend.
22.9.2016 Jurilovca – Tulcea
Strecke: 109 km
Wetter: Ca. 20 °C, Sonne, etwas Wind
Übernachtung: Hotel Insula, hübsch und etwas hellhörig
Morgens bin ich früh wach, eine Menge Hunde bellen so laut, dass es unwahrscheinlich ist, wieder einzuschlafen. Dummerweise habe ich am Vorabend vergessen, nach den Frühstückszeiten zu fragen. Also packe ich erst einmal. Als alles fertig ist, ist es halb 8, von einem Frühstück ist weit und breit nichts zu sehen. Ich fahre los. Nach dem Grau der letzten Tage scheint wieder die Sonne und die Landschaft wirkt im Morgenlicht toll.
Im nächsten Dorf gibt es Kaffee und ein abgepacktes Hörnchen im Magazin Mixt. Es läuft gut an diesem Morgen. Der Weg führt nun durch den Landteil des Donaudelta: viel hügeliges Gelände, mindestens eine alte Festung, steppenartige Vegetation, Weinberge, in den Dörfern Gänse, Truthühner. Überhaupt die Dörfer: vielleicht liegt es an der touristischer werdenden Gegend, aber sie sind plötzlich voller Blumen. Die Häuser sind oft farbenfroh gestrichen und haben allerlei Verzierungen, Säulen, Ornamente und ähnliches. Knapper sind dagegen Restaurants. Vormittags halte ich noch einmal an einem Laden an, trinke Kaffee und esse Kekse, nachmittags in einer Bar. Dort treffe ich auch zwei ältere Schweizerinnen – ich würde sie auf um die 70 schätzen – die mit dem Rad aus Österreich gekommen sind. Nicht schlecht.
Der Nachmittag wird dann doch noch recht anstrengend: die Hügel auf dem Weg nehmen insbesondere auf den letzten 30 Kilometern deutlich zu, es geht die ganze Zeit auf und ab. Als ich endlich mein Hotel in Tulcea gefunden habe, bin ich einigermaßen erschöpft.
23.-24.9.2016 Tulcea
Ich habe nun zwei ganze Tage in Tulcea, bevor ich mich hier mit meiner Tochter treffe. Dabei ist die Stadt gar nicht so interessant. Also erkundige ich mich ausführlich nach Möglichkeiten, mein Rad nach Bukarest zu bringen, hier das Ergebnis, Stand Ende September 2016:
- Augustina, die Gesellschaft mit den meisten Verbindungen fährt mit Kleinbussen und nimmt keine Räder mit (könnte in der Hauptsaison anders sein).
- Connextrans nimmt Räder mit. Die Gesellschaft hat im Prinzip nur internationale Verbindungen, teilweise aber mit Umsteigen in Bukarest. Man sagt mir, dass ich den Bus am Donnerstag, der der Zubringer für die Italienverbindung ist, nehmen kann. Er fährt am Nachmittag los. Man muss aber wohl am Schalter stehen, um diese Info zu bekommen, andere bekamen per Mail die Auskunft, dass die Fahrt nur bis Bukarest nicht möglich ist.
- Es gibt einen Zug, der Räder mitnimmt. Er fährt zwei Mal täglich, Umsteigen in Medgidia. Der frühe Zug startet um 5:26, der späte kommt erst gegen 23:30 in Bukarest an. Langsam sind beide.
- Eine zweite Busgesellschaft, die nur internationale Verbindungen anbietet ist Atlassib. Sie fährt Mittwochs nach Berlin, theoretisch ist auch ein reiner Transport des Rades möglich. Es wird dabei aber einige Male umgeladen.
- CDI fährt mehrmals täglich, meistens mit Kleinbussen. Abhängig vom Platzangebot werden Räder mitgenommen, Auskunft darüber gibt es für konkrete Verbindungen erst ca. 2 Tage vorher.
Abgesehen von den Bus/ und Bahnverbindungen gebe ich Wäsche in einer Reinigung ab und schaue zwei Museen an: das örtliche Kunstmuseum und das Delta Museum. Beide sind sehenswert, allerdings hapert es im Delta Museum etwas mit englischsprachigen Erklärungen.
25.9.2016 – 28.09.2016 Paddeln in Crišan
Übernachtung: Petre und Caroline Vasiliu (empfehlenswert; im Voraus buchen, ist oft ausgebucht)
Am letzten Abend in Tulcea treffe ich meine Tochter, gemeinsam wollen wir noch ein paar Tage im Donaudelta verbringen, genauer, in Crišan, einem langgestreckten Dorf an einem Donauarm.
Im Reiseführer steht, man solle nicht auf eigene Faust paddeln gehen, das Risiko, sich zu verfahren sei zu groß. Unser Gastgeber Petre sagt, kein Problem, er hat Routen, die leicht zu finden sind.
Das Boot liegt vorbereitet am Wasser, wir bekommen eine Karte und den Weg erklärt. Wir ziehen das Boot ins Wasser und schaffen es, trockenen Fusses hineinzuklettern. Die Kanäle und Seen sind wirklich sehr schön, es gibt einige Landstellen mit Bäumen, sehr viel Schilf, Seerosen, viele Vögel, die ich leider nicht kenne, enge Kanäle und große, weite Seen. Wasser und Land sind kaum voneinander zu unterscheiden. Wir erschrecken etwas, als wir den großen See sehen, über den wir paddeln sollen, um an den Platz zu gelangen, den Petre für die Pause empfohlen hat. Die Fahrt dorthin ist tatsächlich kein Problem, zurück müssen wir später aber gegen den Wind paddeln, und auch Wellen gibt es.
Unsere Pause ist nicht besonders lang. Zum einen haben wir keine Unterlage dabei, auf die wir uns auf dem nassen Boden setzen könnten, zum anderen ziehen ziemlich dunkle Wolken auf. Dennoch: es ist ein wirklich schöner Ort, viele Vögel, ansonsten ganz einsam. Einen Pelikan sehen wir, Kormorane, mehrere Eisvögel, Reiher und sehr viele Vögel, die ich nicht kenne.
Also weiter. Irgendwann hören wir etwas, was ein Donner sein könnte. Ich beginne mich zu fragen, wie wir von dem See herunterkommen könnten, wenn es ernsthaft beginnt zu gewittern. Überall um uns herum ist nur Schilf und Feuchtgebiet, kaum echtes Land.
Unser Weg führt nach dem riesigen See durch kleine Kanäle, unter anderem durch einen, der fast zugewachsen ist und auf dem wir uns mit den Paddeln zentimeterweise durch Gestrüpp quälen. Als wir schließlich zurück an unserer Pension sind, kündigt sich der Muskelkater schon an.
An den nächsten beiden Tagen gibt es weitere sehr schöne Paddeltouren. Das Wetter ist nun besser, aber nicht besonders warm. Entgegen der ursprünglichen Planung zelten wir denn auch nicht im Delta – obwohl das sicher sehr schön wäre. Aber abgesehen von den Temperaturen wird es mittlerweile auch schon ziemlich früh dunkel.