Der R1 – Polen, Kaliningrad, Litauen, Lettland, Estland, Russland – kurz das Wichtigste

Die Radtour

Führte nicht konsequent den Fern-Radwanderweg R1 entlang, aber doch meistens. Die erste kleine Teilstrecke bin ich schon 2017 gefahren, eine weitere im Frühjahr 2019. Auf dem größten Teil des Weges von Malbork bis Sankt Petersburg war ich im Juni 2019 unterwegs.

Geschummelt: vielleicht jeweils 60 km nach Riga rein und aus Riga raus, außerdem die paar km von Peterhof nach Sankt Petersburg. Die Bahn nimmt jeweils unkompliziert Räder mit.

Radfahren in…

Polen

Klar, Polen hat weniger ausgebaute Radstrecken als Holland und die Autofahrer sind weniger an Radfahrer gewöhnt. Im großen und Ganzen lässt sich aber prima fahren: ein paar große Radwege, der Ostsee-Radweg und der R1 sind durchweg ausgeschildert, zumindest der R1 verläuft durchweg auf gutem Asphalt und  kleinen Straßen. Aber auch wenn man sich den Weg selbst sucht: das Streckennetz ist relativ dicht, so dass man meistens Alternativen zu Hauptstraßen findet. Sich diese Alternativen zu suchen ist eine gute Idee: Nationalstraßen haben oft viel LKW-Verkehr und fast keine Seitenstreifen. Dann wird schonmal knapp überholt und Radfahren kann unangenehm werden. Unterkünfte gibt es reichlich, meistens auch relativ günstig. Campingplätze allerdings scheint es vor allem in ein paar Gegenden mit viel Tourismus zu geben. Wild campen ist vermutlich kein Problem, ich habe es aber nicht versucht.

Wenn es nicht warm ist, fehlt auf dem Land eine sinnvolle Dichte an Cafés und Kneipen – klar, in Städten gibt es das, aber in Dörfern ist es wohl einfach nicht üblich, essen und Kaffee trinken zu gehen. Und wahrscheinlich fehlt auch das Geld dazu.

Verständigung: Meistens Englisch, mal deutsch, alternativ Hände und Füße.

Highlight: Festung Malbork im Sonnenuntergang mit kühlem Bier in der Hand.

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Festung Malbork

 

Kaliningrad

..ist eine Provinz (Oblast), man fährt schon einige Zeit übers Land, bevor man in die Stadt kommt. Wenn man nicht die größten Straßen erwischt fährt es sich recht gut. Zur Stadt hin wird der Verkehr natürlich stärker, und klar, es macht nicht besonders viel Spaß, sich durch die großen, sozialistischen Kaliningrader Straßen zu fädeln. Aber machbar ist es auf jeden Fall. Auch wenn es nicht besonders viele sind, auch in Kaliningrad gibt es durchaus Radfahrer. Ein bisschen unangenehm war bei mir lediglich die Strecke hinter der Stadt, hin zur kurischen Nehrung: relativ viel Verkehr und relativ schnelle LKWs. Auf der Nehrungsstraße selbst lässt der Verkehr dann umso stärker nach, je weiter man fährt: Die meisten Leute machen Ausflüge hierher. Da fast jeder sich, unabhängig von der Richtung, ein Visum besorgen muss, fahren nur wenige über den Grenzübergang nach Litauen weiter.

Verständigung: In Hotels oder wo viele Touristen sind, wird ein bisschen Englisch gesprochen. Russisch ist hilfreich.

Trinkwasser: Leitungswasser ist stark gechlort und schmeckt nicht.

Telefon und Internet: Die Roaminggebühren sind völlig indiskutabel, eine russische SIM-Card gibt es gegen Vorlage des Reisepasses unkompliziert für ein paar Euro. Ich habe eine von Beeline, aber andere Anbieter haben ähnliche Angebote.

Visum: Funfact: Argentinier brauchen kein Visum für Russland, die meisten anderen schon. Es wird immer mal wieder über ein an der Grenze erhältliches Kaliningrad-Visum gesprochen, im Juni 2019 gab es das nicht. Wenn man aber weiß, was nötig ist, ist es nicht sonderlich kompliziert, das Visum zu beantragen, auch wenn man so lustige Dinge wie einen „Nachweis über die Rückkehrwilligkeit“ und eine „Einladung“ braucht. Wie es geht, steht hier: https://russlande.de/russisches-visum/

Highlight: Kurische Nehrung mit Dünen, Ostsee, endlosem Strand, naturbelassenem Wald und tanzenden Bäumen.

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Tanzende Bäume auf der kurischen Nehrung

Litauen

hat Radwege und ausgeschilderte Radrouten und Campingplätze. Also: eine prima Infrastruktur. Kaum kommt man ins Land, beginnt der Radweg parallel zur Nehrungsstraße. Als ich da war, war Wochenende und schönes Wetter, man konnte sich kaum retten vor Familien auf Fahrradausflug. Und auch außerhalb der Nehrung gibt es an der Infrastruktur nichts auszusetzen.

Verständigung: Englisch. Gerade junge Leute sprechen oft exzellent Englisch. Mag Zufall sein, aber in der kurzen Zeit, die ich da war, habe ich kein Russisch gehört.

Trinkwasser: Wo ich war, war das Leitungswasser völlig OK.

Highlight: Hergott, ich war nur so kurz da… aber Liepaja fand ich  sehenswert, die kurische Nehrung natürlich auch. Hier gibt es im Gegensatz zum Kaliningrader Teil einen Radweg.

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Lettland

Die Radwegmarkierungen hören auf, noch bevor man über die Grenze kommt. Lettland ist berüchtigt für seine Schotterwege, andere Radfahrer klagten ausführlich darüber. Die R1 Route führt aber vorsichtshalber lieber Hauptstraßen entlang. Manchmal sind die wenig befahren, dann rollt es sich  gut auf dem neuen Asphalt. Aber wenn den Städten näher kommen, wird der Verkehr stärker.

Insgesamt werden im Baltikum die Abstände zwischen Ortschaften größer, meinem Gefühl nach umso größer, je weiter man nach Osten kommt. Man fährt auch mal längere, einsame Strecken, fast ohne jemandem zu begegnen. Kann schön sein, sollte man aber beim Einkaufen berücksichtigen.

Verständigung: ich habe vor jeder Kaffeebestellung (und im Supermarkt und in Pensionen…) gefragt, ob mein Ansprechpartner Englisch oder Russisch spricht. Ein „nein“ habe ich nie bekommen, eine der Varianten ging immer. Bei jungen Leuten in Städten war es erwartungsgemäß oft Englisch, aber es wird auch viel Russisch gesprochen.

Trinkwasser: Ich habe nach Rückfrage bei Einheimischen Leitungswasser getrunken, war gut.

Fahrrad im Zug: In Nahverkehrszügen kein Problem, es gibt meistens auch definierte Plätze fürs Rad. Aber ich habe noch nie so steile und hohe Einstiegstreppen gesehen.

Highlight: Jugendstilhäuser in Riga, Naturschutzgebiet östlich von Riga.

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Estland

Kaum ist man in Estland, stößt man wieder auf umfangreiche Radwegmarkierungen. Die führen nicht immer asphaltierte Straßen entlang, aber sie sind meistens einigermaßen gut befahrbar. Die Abstände zwischen Ortschaften werden nochmal größer, die Zahl der Bremsen, die einen manchmal verfolgt auch. Klar, so weit, dass man mit dem Rad ein Problem hätte, werden die Abstände nie.

Verständigung: Englisch. Erst wenn man nah an die russische Grenze kommt, russisch. In Narva wird ziemlich weitgehend nicht estnisch, sondern russisch gesprochen.

Trinkwasser: Mir wurde überall gesagt, dass das Leitungswasser OK ist.

Highlight: eigentlich Talinn, das habe ich mit dem Rad aber nicht mehr geschafft. Also: Stadtbummel durch Tartu und der riesige Lake Peipus.

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Tartu

Leningrader Oblast

Ja, das heißt  so. Die Stadt wurde in Sankt Petersburg umbenannt, aber die Provinz heißt nach wie vor Leningradskaya Oblast.

Die Hauptstraßen sollte man wirklich vermeiden, wenn es geht, es ist deutlich mehr Verkehr als im Balitkum. Meistens geht es, mal gibt es eine parallele alte Straße, mal eine Alternativroute. Manchmal haben die Alternativen tiefe Schlaglöcher, oft sind sie ziemlich gut. Wer der Navigation von OSMand traut, kann auch schon mal im tiefen Sumpf landen.

In St. Petersburg selbst wird viel auf Gehwegen gefahren, die sind oft sehr breit und ich habe mir sagen lassen, dass es nicht verboten ist. Die Straßen lassen sich aber auch befahren.

Verständigung: manchmal trifft man auf jemanden, der englisch kann. Überraschenderweise sprachen manche (nicht alle) Bankautomaten und die Automaten, an denen man Sim-Karten aufladen konnte, nur russisch.

Fahrrad im Zug: In den Nahverkehrszügen kein Problem, man braucht eine Fahrkarte fürs Rad. Die Bahnsteigkante war sogar hoch genug, dass man das Rad fast in den Zug schieben konnte.

Trinkwasser: die Russen trauen dem Leitungswasser offenbar durchweg nicht. Sogar zum Kaffeekochen haben alle außer mir Mineralwasser benutzt.

Highlight: das was man sich in Peterhof und St. Petersburg eben so anschaut: Paläste, Kirchen, Museen. Den Sommergarten fand ich sehr schön, zum Paddeln auf die Newa habe ich es leider nicht geschafft. Um den 21. Juni herum ist abends Festivalatmosphäre, die Stadt ist aber auch bis oben hin voll mit Touristen. Reiseführer behaupten, dass man sich zu dieser Zeit Monate vorher um eine Unterkunft kümmern sollte. Meiner Erfahrung nach geht es auch kurzfristig.

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