Durch Georgien

20.9.2017 Batumi – Khulo

Erster Tag auf dem Fahrrad, 83 km

Wie zum Teufel kann es Ende September so heiß sein?

Google Maps äußert sich in seiner mobilen Version nicht zu den zurückgelegten Höhenmetern heute, OSM behauptet, ich sei 3200 Höhenmeter nach oben und 2300 nach unten gefahren. Das ist vermutlich übertrieben, vollkommen erschöpft bin ich gegen Ende dennoch. Morgens ist die Temperatur eine Zeit lang angenehm, es tauchen paar wenige Wolken auf und ich schöpfe schon Hoffnung. Aber nein, am Mittag brennt die Sonne erbarmungslos, die Straße strahlt Wärme ab wie eine Kochplatte, auf den letzten Kilometern halte ich alle paar Meter an, um nicht überhitzt vom Rad zu fallen.

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Die Landschaft ist allerdings sensationell, bewaldete Berge, die Straße führt die ganze Zeit an einem Fluss (Tskali)  entlang, teilweise weit über ihm, teilweise direkt daneben. Zeitweise wirkt das Flusstal beinahe wie eine Schlucht. Was leider nicht dazu führt, dass wesentliche Teile des Weges im Schatten lägen.

Im Prinzip gibt es unterwegs auch ein paar Sehenswürdigkeiten, alte Forts, mehrere mittelalterliche Bogenbrücken. Ich bekomme davon nur eine Brücke und einen Wasserfall zu sehen, der Rest liegt etwas abseits des Weges und dazu fehlt mir die Kraft.

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Der Verkehr ist anfangs ziemlich stark und lässt dann nur langsam nach, gegen Ende gibt es zwar nicht mehr sehr viele der Kleintransporter und Marshrutkas, diejenigen, die mich überholen ziehen dafür aber dicke Rußwolken hinter sich her, während sie die starken Steigungen auf dem letzten Abschnitt bezwingen.

21.9.2017 Khulo-Goderdzi Resort

27 km, ab Mittags heiß

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OK, das war ein Versuch, herauszufinden, wie schlecht eine schlechte Straße wirklich ist. Kurz hinter Khulo ist Schluss mit dem Asphalt. Es folgt noch ein kurzes Stück wunderbarer Straßenbelag, wo eine türkische Firma dabei ist, einen Staudamm zu bauen, danach noch ein paar kümmerliche Reste. Und dann ist die Straße bestenfalls noch für Mountainbikes zu machen. Ich habe keins.

Statt der zuvor in den Dörfern zu sehenden orthodoxen Kirchen gibt es nun zunehmend Moscheen, die Bevölkerung ist hier überwiegend muslimisch. Baufahrzeuge, die gelegentlich vorbeikommen, haben fast durchweg türkische Aufschriften. Die Grenze ist von hier aus nicht weit.

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Ein ziemlich gutes Stück schiebe ich, selbst wo der Weg eigentlich flach ist, am frühen Nachmittag gebe ich auf.

Zu diesem Zeitpunkt ist das bereits einmal nachgekaufte Trinkwasser fast alle, kein Laden in Sicht, ein paar dunkle Wolken brauen sich am Himmel zusammen. Der Pass ist noch 5km entfernt, dafür gibt es hier ein Skiresort im Bau. Ein riesiger Hotelkasten wird gerade hochgezogen, neben einem Skilift stehen bereits eine Reihe kleiner Chalets. Ja, das ist ein Hotel und ja, es ist offen, sagt man mir auf Nachfrage. Der Chef wird geholt, er vermietet mir ein Doppelzimmer. Teilweise benutzt er Google Translate, um für mich ins Russische (!) zu übersetzen, dann habe ich so ein Häuschen für mich. Es enthält eigentlich mehrere Doppelzimmer im ersten Stock, darunter einen großen Wohn-und Küchenbereich.IMG_20170921_154228

22.9.2017 Goderdzi Ski-resort – Akhaltsikhe

59 km, Warm und sonnig, am Nachmittag Quellwolken

Übernachtung: Old Town, empfehlenswert.

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Ich schiebe und fahre abwechselnd die letzten 5,5 km zum Pass hoch. Das Wetter ist wieder gut, erstaunlich warm dafür, dass ich selbst zu Beginn schon 1700 m hoch bin.  Aber am Morgen doch noch OK.IMG_20170922_084736.jpg

Gegen halb 10 habe ich es geschafft: ich bin am Goderdzi Pass, 2025  hoch. Das Restaurant Edelweiß hat schon geöffnet, ich bestelle Tee und Frühstück. Ich bekomme eine Pfanne voll in Butter geschmolzener Käses. Es schmeckt gut, ist aber auch ganz schön schwer. Die Wirtin adoptiert mich derweil fast und erzählt mir sehr ausführlich, dass sie an meiner Stelle Angst hätte, so allein und als Frau.

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Dann geht es weiter, jetzt bergab, aber immer noch auf der Holperstrecke. Auch hier komme ich kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Für die ersten 24 km brauche ich glatte vier Stunden. Umso schneller rolle ich auf dem Rest des Weges, wo die Straße asphaltiert ist.  Immerhin vernichte ich 1000 der mühsam erkämpften  Höhenmeter gleich wieder.

Hinter dem Berg ist die Landschaft eine ganz andere: karge, trockene Hügel, in unterschiedlichen Brauntönen gelegentlich von einem Flüsschen durchzogen.IMG_20170922_134906.jpg

In Akhaltsikhe angekommen sehe ich noch die hiesige, wiederaufgebaute Burg, Rabath  aus dem 13. Jahrhundert an. Ein bisschen Disneyland, auf dem Gelände gibt es ein Hotel und mehrere Cafes, alt lässt sich von neu kaum unterscheiden. Dennoch ein eindrucksvoller Ort, auch das Museum auf dem Burggelände ist sehenswert.

23.9.2017 Vardzia

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Das Fahrrad hat heute Pause, stattdessen geht es per Marshrutka in gut eineinhalb Stunden zum Höhlenkloster in Vardzia, mit einem anderen deutschen, der in derselben Pension wohnt wie ich. Schon die Fahrt dorthin ist spektakulär, es geht durch das Tal des Mtkvari, ein kleiner Fluss, der hier ein tiefe Tal in die Landschaft geschnitten hat.

Das Höhlenkloster selbst ist ebenso eindrucksvoll, zahlreiche, übereinander gelegene, in den Felsen gehauen Höhlen, eine Kirche, die nun auch wieder in Betrieb ist – es leben wohl auch wieder Mönche in der Anlage aus dem 12. Jahrhundert.

24.9.2017 Akhaltsikhe – Borshomi

50 km, gutes Wetter

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Borshomi ist eine alte Kurstadt, die darüber hinaus direkt an einem großen Naturschutzgebiet liegt. Und nur 50 km von Akhaltsikhe entfernt, größerenteils bergab. Ich fahre nach dem wir immer sehr umfangreichen Frühstück gegen halb 9 los. Die Landschaft ist toll, wieder ein tiefes Tal mit einem kleinen Fluss, der Kura. Die Sonne scheint, ein paar Wolken finden sich am Himmel ebenfalls. Die Straße ist gut und es geht viel bergab.IMG_20170924_100351

Trotz zahlreicher Fotostops bin ich kurz nach 11 in Borshomi. Meine Unterkunft heute ist ein winziges Zimmer in der großen Wohnung einer älteren Frau, die mich überschwänglich begrüßt und mir sofort Tee kocht. Trotz meiner kaum vorhandenen Russischkenntnisse gelingt es ihr prima, mir alles Mögliche so zu erzählen, dass ich sie tatsächlich verstehe.

Den Nachmittag verbringe ich zum großen Teil in dem wunderschönen Naturschutzgebiet direkt vor der Haustür, bewaldete Hänge, plätschernde Bäche, Quellen, wer sich damit auskennt, findet offenbar zahlreiche endemische Pflanzenarten. Ich spazieren zunächst eine Weile einen Wanderweg entlang, danach miete ich ein Reitpferd. Letzteres stellt sich nicht als besonders gute Idee heraus: das Pferd ist zwar sehr gutmütig, aber offenbar auch schon sehr müde, es zockelt sehr langsam durch den Wald, gelegentlich stolpert es fast. Im Wesentlichen reagiert es auch nicht auf mich, sondern auf den begleitenden Guide. Wahrscheinlich zu erwarten, wenn man sich überlegt, mit welchen Reitstilen das Tier so zurechtkommen muss.IMG_20170924_143519.jpg

Nach diesem Ausflug folgt noch ein Spaziergang durch den Kurpark, eine Mischung aus Park und Rummel mit einer ziemlich schwefelhaltigen Mineralquelle und einer mit recht „normalem“ Mineralwasser. Und zum Abschluss geht es mit der kleinen Seilbahn, die in kaum einem georgischen Ort fehlen darf, auf den örtlichen Berg. IMG_20170924_175612

Am Abend sitze ich noch mit den anderen Gästen der Pension zusammen: einem jungen französischen Paar und zwei Polinnen mit ihrem Fahrer. Die Polinnen haben hausgekelterten Wein von Markt mitgebracht, die Wirtin hat riesige Mengen leckeren Hefekuchen gebacken, alles wird nun unter zahlreichen Trinksprüchen und Erzählungen, zumeist auf Russisch, vernichtet.

25.9.2017 Borjomi – Gori

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Die Fahrt geht auf der selben Straße los, auf der sie gestern aufgehört hat. Auch die Berge links und rechts sind noch genauso spektakulär.

IMG_20170925_084819Der Verkehr nimmt nun allerdings zu, bis schließlich zwei größere Straßen zu einer noch größeren zusammenlaufen. Zum Glück kann ich kurz darauf abbiegen und den Weg über eine Reihe von Dörfern südlich der Kura nehmen. Die Straße ist gut und überraschend attraktiv, sie führt durch eine Reihe ursprünglicher Dörfer, gelegentlich kreuzen Gänseherden die Straße, es gibt wohl auch einige sehenswerte Kirchen ein paar km links und rechts der Straße , die ich aber nicht ansehe. Keine unnötigen Umwege. IMG_20170925_103805

Wieder einmal wandelt sich die Landschaft, die ist nun eben, nur in der Ferne sind noch Berge zu sehen. Einen breiten grünen Streifen gibt es um den Fluss herum, daneben wirkt alles sehr trocken. Gegen zwei erreiche ich, schon einigermaßen K. O.  meine heutige Unterkunft bei einer Familie in Gori. Alles ziemlich einfach, aber mit schöner Terrasse.

Wie das in Georgien aber so ist: es gibt so viel zu sehen, dass man nie zum Ausruhen kommt. Hier in der Gegend ist das zum einen eine Höhlenstadt: musst du unbedingt ansehen, haben schon mehrere Leute gesagt. Also werfe ich mich kurz nach meiner Ankunft wieder in ein Taxi und lasse mich nach Uplistsikhe fahren. Ursprünglich soll die Stadt an die 3000 Jahre alt sein, mit einer Blütezeit im Mittelalter, in der hier 20. 000 Menschen gelebt haben sollen. Ich verzichte dieses Mal allerdings auf einen Audioguide und spaziere ziemlich ahnungslos zwischen den alten Steinen umher.IMG_20170925_150312

Außerdem habe ich nur eine Stunde, der Fahrer wartet auf mich.

Er fährt mich denn auch zurück in die Stadt, zur nächsten Sehenswürdigkeit: dem Stalinmuseum. Stalin ist in Gori geboren und natürlich hat die Sowjetunion ihm ein bombastisches Museum gebaut. Es sieht im Grunde noch so aus wie damals, kurz nach seinem Tod. Nur die Führerin, die zwei Schweizern und mir das Museum zeigt, deutet an, dass der Held vielleicht auch den einen oder anderen Fehler gemacht hat.IMG_20170925_161121

26.9.2017 Gori- Mtskheta

65 km warm, sonnig und Gegenwind

Übernachtung: Guesthouse Vertigo

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Ich bin früh unterwegs und hoffe auf ebenso gute Bedingungen wie gestern. Leider vergeblich, heute habe ich von Anfang an starken Gegenwind. Ich fahre nun auf und ab durch eine wüstenartige Landschaft, zu Beginn sehr trocken, später durchsetzt von Feldern und Gärten. Zum Gegenwind kommt, dass ich an einer Stelle den falschen Abzweig nehme, das bringt mir einige km sehr holprigen Weg ein. IMG_20170926_121641

Glücklicherweise habe ich esnicht sehr weit. So bin ich auch gegen den Wind um zwei in Mtskheta und kann mich der ausgiebigen Suche nach meiner gestern Abend gebuchten Unterkunft widmen. Nicht so einfach, heute, das Haus befindet sich in einer kleinen Seitenstraße, einen steilen Hügel hinauf und ohne von der Straße aus erkennbare Markierung. Bei dieser Gelegenheit begegne ich den ersten aggressiven Hunden in Georgien.  Zum Glück findet sich dann jemand, der helfen kann. Und dann stellt sich die Unterkunft auch als sehr schön heraus.

Mtskheta ist eine uralte Stadt am Zusammenfluss von Mtkvari (Kura, es scheinen beide Namen verwendet zu werden) und Aragvi, lange war sie Hauptstadt der iberischen Könige.

Heute ist die Stadt in erster Linie Ziel von Tagesausflügen aus Tbilisi. Mitten in der Stadt: die beeindruckende, von einer Wehrmauer umgebene Kirche Sveti Tshoveli. Als ich sie ansehe, wie immer bei den orthodoxen Kirchen braucht es dazu ein Kopftuch, gibt es einen Gottesdienst, Gesänge, viel Weihrauch.IMG_20170926_153657

Eine zweite Kirche besichtigte ich ebenfalls noch: die hoch über dem Flusstal auf einen Berg gelegene Jvari Kirche. Die Aussicht von hier auf den Zusammenfluss der beiden Flüsse mit den Bergen im Hintergrund ist sensationell. Und auch hier gibt es einen Gottesdienst mit viel Gemurmel, Gesängen, Weihrauch.

27.9.2017 Mtskheta – Tbilissi

27 km, bewölkt

Der Fahrer von zwei polnischen Touristinnen hat mir unterwegs gesagt, wie ich mit dem Rad nach Tbilisi hineinkomme, nachdem mir meine App konsistent einen 70km langen Umweg durch die Berge vorschlägt: auf der Autobahnbrücke über den Fluss – hier gibt es sogar einen Gehweg – dann auf der linken Seite der  Kura immer geradeaus. So mache ich es und abgesehen von den wahnwitzigen Abgasen, die die zahlreichen gelben Busse aus ihren Auspuffen pusten, funktioniert es. Nur ganz zum Schluss habe ich ein Problem : Ich finde mich auf der falschen Seite einer vierspurigen, sehr stark befahrenen Straße, und muss auf die andere Seite. Ampel gibt es weit und breit keine, selbst auf dem Gehweg ein Stück zurück fahren in der Hoffnung auf eine bessere Gelegenheit, geht nicht, weil der Gehweg eine einzige riesige Baustelle ist. Also : hoffen, dass die Autos schon halten werden und los.

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Im Hotel angekommen,  frühstücke ich erst einmal ausgiebig, dann geht es in die Stadt: Tbilisi hat eine schön sanierte, aber sehr touristische Altstadt, zahlreiche Kirchen, ein paar Museen.IMG_20170927_154433

Ich stolpere in das historische Museum, ein schönes, großes Gebäude in der Altstadt, eine ehemalige Karawanserei. Drinnen sind etwas wahllos Szenen aus dem alten Georgien, Trachten, alle möglichen Gegenstände aufgebaut. Falls es in den gibt, wird mir der innere Zusammenhang nicht klar. Aber das Gebäude lohnt sich.

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Am Abend beginnt es zu regnen und für den ganzen morgigen Tag ist ebenfalls Regen angesagt. Dazu kommt, dass ich etwas Respekt vor der Strecke in Armenien habe: ein neues Land, neue Sprache, neue Schrift  hohe Berge, Pässe, eine lange Strecke ohne Unterkunft, noch ärmer als Georgien. Regen. Ich verlängere meinen Aufenthalt erst einmal um eine weitere Nacht.

28.9.2017 Tbilisi

Bewölkt, leichter Regen, deutlich kühler

Der Regen ist längst nicht so stark, dass Fahrradfahren ein Problem wäre, die meiste Zeit regnet es gar nicht. Aber ein Ruhetag tut sehr gut.

Also : ich besichtigte die wirklich nebenan gelegene Trinity cathedral. Als ich das Gelände betrete, stehen überall Polizisten und sperren einen Teil der Straße, dann fährt neben mir eine Wagenkolonne aufs Gelände, von Hand betriebene Kirchenglocken läuten wild, Geistliche steigen aus dem Autos. Soviel Aufwand wäre meinetwegen gar nicht nötig gewesen.

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Ich nehme ein Taxi in die Altstadt und bitte bei der Gelegenheit den nicht sonderlich sympathischen Fahrer, mich morgen früh samt Fahrrad aus der Stadt heraus und nach Marneuli zu fahren. Mal sehen, ob es klappt.

Ich besichtigte das Georgien-Museum – es ist sehenswert, die Ausgrabungen in dieser Gegend geben einiges her, dann fahre ich mit der Zahnradbahn auf einen der Berge um die Stadt.  Oben ist ein Rummel, leider ist gerade praktisch alles geschlossen.IMG_20170928_135239

Und schließlich gehe ich ins Bad : es gibt in der Stadt heiße Schwefelquellen, zu denen bereits früh Bäder gebaut wurden. Die teure Einzelkabine lehne ich ab, der Eintritt in den öffentlichen Teil kostet umgerechnet gerade mal einen Euro. Plus Handtuchleihgebühren und Massage. Das Bad selbst stellt sich als Raum mit schöner Kuppel und Zierkacheln heraus, ansonsten besteht es aus einer Reihe von Duschen, aus denen das warme Mineralwasser fließt. Darunter stehen Frauen mit der üblichen Vielfalt an Körperformen, die wirklich stundenlang nichts tun, als sich unter der heißen Dusche zu waschen.

Ich lasse mich peelen und massieren, dass funktioniert hier ganz ähnlich wie in einem türkischen Hammam. Sehr entspannend nach den Tagen auf dem Fahrrad.IMG_20170927_122422

 

Wandern in Svanetien

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Der Plan: Mit meinen Sohn und seiner Freundin nach Georgien fliegen, eine knappe Woche zum Wandern nach Svanetien fahren, dann mit dem Rad durch die Region. Ein bisschen kompliziert ist schon vor dem Abflug die Logistik: ich brauche die Sachen zum Wandern und die zum Radfahren und einen Ort, wo ich das Rad für die erste Woche unterstellen kann.

Der Tag beginnt, natürlich viel zu früh: Vor halb fünf klingelt der Wecker. Der erste Schreck kommt, als ich die Wanderschuhe anziehe: die Sohle löst sich großflächig in den Schuhen. Ja, ich weiß, dass der Kleber nicht ewig hält und die Schuhe sind sich schon über zehn Jahre alt. Aber ich war vor ziemlich genau einem Monat mit diesen Schuhen unterwegs, und alles war noch in Ordnung.

Am Flughafen angekommen, geht gerade die Sonne auf, als ich das Rad verpacke. Die Fluggesellschaft will es so, ich habe bislang bessere Erfahrungen mit unverpackten Rädern. Da ich einen Karton kaum zum Flughafen bekommen hätte, habe ich jede Menge Knallfolie und eine Regenschutzhülle, die ich unten mit Hilfe von ein paar eingenähten Knopflöchern zubinde. Ob das reicht? – keine Ahnung, noch ist das Rad nicht ausgepackt.

In Kutaisi suchen wir ein Taxi, das groß genug ist, um drei Personen und das Fahrrad zu transportieren. Ein Fahrer nimmt uns mit, er hat einen älteren Mercedes. Das Fahrrad kommt auf den Rücksitz, ein Lenker schaut etwas aus dem Seitenfenster heraus. Wir beiden Frauen quetschen ins hinter das Rad auf die Rückbank. Leider kann ich kein Foto von uns machen, ich bin ja eingeklemmt. Zum Glück sehe ich so auch nichts von dem abenteuerlichen Fahrstil unseres Fahrers. Die beiden anderen versichern mir, dass die Fahrt sehr spannend war.

Im Hotel läuft alles wie geplant: mein Rad wird, noch immer vom Flug verpackt, auf dem Dachboden untergebracht und darf für die nächste Woche bleiben, ebenso wie die Fahrradtaschen. Außerdem reserviert uns der sehr nette Rezeptionist Plätze im Bus nach Mestia, bietet an, dass wir früher frühstücken können und ruft uns ein Taxi in die Innenstadt, wo es uns tatsächlich gelingt, einen Schuster zu finden, der meine Wanderschuhe klebt. Es ist ein winziger Laden, den wir auch dann nicht erkennen, als wir davor stehen. Zum Glück hilft die Verkäuferin im Nachbarladen.

Außer zu Essen (sehr gut) schaffen wir es noch in die örtliche Kathedrale, die auf Deutsch Maria Entschlafen heißt und in ihrer ursprünglichen Form mehr als 1000 Jahre alt ist. Beeindruckend ist vor allem das Gebäude und die Außenanlage.

Kathedrale Maria Entschlafen

Erkenntnisse des Tages:

  • Das Preisniveau ist sehr niedrig, jedenfalls für alles, was nicht importiert und nicht touristisch ist.
  • Meine Idee, vor der Fahrt meine sehr geringen Russischkenntnisse etwas aufzufrischen,  war extrem hilfreich. So lassen sich auch ein paar Worte mit dem Schuster oder dem Taxifahrer wechseln.

12.9.2017 Kutaisi – Mestia

knapp 30 Grad in Mestia, in Kutaisi mehr

Die Reise in schönere Gegenden dauert ja gern mal etwas länger, also gibt es heute eine Fahrt mit einem der Kleinbusse, die hier Marshrutka heißen. Der Bus fährt los, wenn er voll ist, zum Glück gibt es aber eine allgemein bekannte Uhrzeit, zu der das der Fall sein soll. All die Svanetien-Trekker mit ihren Rucksäcken finden sich zwischen halb neun und neun am Busbahnhof ein. Als der Bus losfährt ist er bis auf den letzten Platz besetzt, zusätzlich steht ein Hocker im Gang, für einen Mitreisenden, der später zusteigt.

Klimaanlage gibt es keine, dafür zwei  geöffnete Fenster. Wieder haben wir Gelegenheit, ein paar gewagte Überholmanöver zu besichtigen, der Fahrer scheint das aber doch recht gut einschätzen zu können.

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Dann kommen die Berge, natürlich beeindruckend, häufig sind Gletscher zu sehen, außerdem ein blasstürkisfarbener See, ein lehmiger Fluss und dann gegen Ende der Fahrt jede Menge alter Wehrtürme. Im Reiseführer steht, dass viele davon drohen, zu verfallen, weil die Familien kein Geld für ihren Unterhalt haben. Und tatsächlich fällt mir zu diesen fensterlosen schmalen Türmen kaum eine Verwendung ein.

13.9.2017 Mestia – Zhabeshi

ca. 14 km und viele Höhenmeter, vormittags angenehm, dann heiß

Jemand hat uns gesagt, dass wir den Wanderwege am schnellsten treffen, wenn wir über die Wiese hinter dem Haus gehen, uns durchs Gebüsch zwängen, über einen Zaun klettern und weiter über ein paar Felsen nach oben klettern. Es funktioniert, wie treffen zunächst  auf einen Fahrweg, der uns ein Stück nach oben führt und dann schmaler wird. Der Aufstieg liegt glücklicherweise fast ganz im Schatten, außerdem ist die Temperatur am Vormittag noch angenehm. An den meisten Stellen ist der Weg kaum zu verfehlen, nach der ersten Hälfte der Strecke ist auch die Markierung recht gut. Trotz allem erweist sich der GPS Track auf dem Handy (von www.caucasus-trekking.com) mehrmals als  nützlich.

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Vov Chkuti-Pass aus sieht man bereits Zhabeshi, allerdings als letztes einer ganzen Reihe von Dörfern. Nach dem Abstieg vom Pass brennt die Mittagssonne, nun gibt es auf dem Weg auch keinen Schatten mehr. Wir kommen an einem ganzen Dorf vorbei, das nur noch aus Ruinen besteht-.

Bisher hatten wir nur oben auf dem Pass eine kurze Pause, mittlerweile sind wir ziemlich KO. Ein Café finden wir leider nicht, immerhin aber eine Bierbar, in die wir uns setzen, Kekse essen und Cola trinken. Dann weiter. Wir sind mittlerweile im Tal angekommen, neben uns fließt ein Fluss, der offenbar Teile des Ufers weggespült hat, auf dem Weg zu einer Brücke stehen wir plötzlich vor einer Abbruchkante. Die Brücke ist noch da, nur etwas schwerer zu erreichen. Das GPS empfiehlt, auf unserer Seite des Flusses zu bleiben und ihn erst im Zhabeshi zu überqueren. Das tun wir. Der Weg ist schön und, vorsichtig ausgedrückt, interessant. Immer wieder versinken wir in Schlamm, hier kommt fast überall Wasser von den Bergen. Der Weg verschwindet immer wieder an der Bruchkante, 10 m über dem Flussbett. Zwei Brücken soll es über den Fluss geben. Irgendwann kommen wir zu der Stelle, wo die erste einmal war. Zahlreiche Wegweiser zeigen über den Fluss, außerdem Wegmarkierungen. Was fehlt, ist die Brücke. Immerhin könnte die zweite Brücke noch stehen. IMG_20170913_140655

Die Hoffnung wird enttäuscht. Auch hier keine Spur von einer Brücke. Dafür gibt es ein ein Drahtseil über dem Fluss. Einige Männer bieten an, Touristen per Seilrutsche auf die andere Seite zu bringen, klar, dass sie dafür Geld wollen. Wir handeln den Preis ein kleines bisschen runter, dann lassen wir uns der Reihe nach in einen Klettergurt binden und rollen über den Fluss.

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Am Abend ist Maria krank , ihr ist schlecht, sie übergibt sich , an Essen ist nicht zu denken. Die besorge Wirtin fragt mehrmals nach , ob sie nicht doch Medikamente brauchen und ob sie sonst etwas tun kann. Aber es ist wohl nichts zu machen .

heiß und sonnig

14.9.2017 Zhaleshi-Adishi

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Maria geht es zwar etwas besser, eine siebenstündige Wanderung durch die Sonne ist aber definitiv nicht drin. Also fragen wir unsere Wirtin nach einem Auto. Erst sagt sie, es geht nicht, die Straße sei zu schlecht, dann, dass der Weg mit einem Geländewagen schon machbar  ist. Sie ruft jemanden an und fragt nach dem Preis. Ein paar Minuten später hält ein Mann in Grenzschutzuniform vor dem Haus und wartet auf uns. Wir haben noch nicht einmal an Packen gedacht. Tatsächlich ist der erste Teil der Straße nach Adishi fast fertig ausgebaut, danach wird es holprig. Wir brauchen für den Weg von etwa 20km eine Stunde und überqueren unter anderem ein Flussbett, außerdem zahlreiche Stellen, die mit einem PKW nicht zu schaffen wären.
Damit sind wir natürlich am späteren Vormittag am Ziel. Ilja und ich spazieren noch zwei Stunden den Wanderwege entlang, Maria legt sich hin.

IMG_20170914_112137Adishi ist ein Bergdorf, das in den 80ger Jahren durch eine Lawine zerstört wurde, laut Reiseführer blieben nur die Kirchen und die Wehrtürme einigermaßen heil. Die Bewohner wurden danach umgesiedelt, viele kamen erst in den vergangenen Jahren zurück – und eröffneten offenbar zu 100% Gästehäuser. Das Dorf ist nun eine Mischung aus Ruinen und einfachen Unterkünften. Außerdem laufen überall Hühner und Schweine herum, am frühen Abend kommen die Kühe von den Weiden dazu.
Tagsüber kann man sehen,wie das Heu von den Feldern geholt wurde, mit Ochsenkarren, die Schlitten (ja,Schlitten!) über die Staubwege ziehen und sowohl durch die schmalen Gassen im Dorf als auch über die steilen Wiesen, kommen.IMG_20170914_125801

15.9.2017 Adishi – Ipral

8h, es ist wieder heiß

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Meine Halsschmerzen, die gestern Nachmittag angefangen haben, werden über Nacht schlimmer, ein heftiger Schnupfen kommt dazu. Auch Maria ist noch nicht wirklich fit. Trotzdem bleibt uns am Morgen nichts anderes übrig, als zu Fuß loszuziehen, dieses Mal gibt es wirklich keine Straße. Der Weg führt zunächst etwa 6km relativ flach durchs Tal und überquert dann eine kleinen Fluss. Wir sind anscheinend die einzigen, die dafür die angebotenen Pferde nutzen, unser Wirt ist zu diesem Zweck samt Pferd mitgekommen. Die wirklich vielen anderen Wanderer kreuzen zu Fuß durch das momentan relativ flache, eiskalte Wasser.IMG_20170915_102714
Danach geht es hinauf zum Chkunderi Pass, immer gegenüber einer Gletscherzunge und mit phantastischer Aussicht. Maria schleppt sich mehr oder weniger mit letzter Kraft nach oben, nach der Pause am Pass geht es ihr aber immer besser. Dafür bin ich nun ernsthaft erschöpft, meine Erkältung macht sich bemerkbar. Als wir in Iprali ankommen, kann ich mir nicht vorstellen, mich jemals wieder zu bewegen.IMG_20170915_095357.jpg

16.9.2017 Iprali-Ushguli

4h, heiß

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Wir haben überlegt , auf dem letzten Teil der Wanderung zu verzichten , weil er nicht sonderlich schön sein soll und weil wir nach wie vor etwas angeschlagen sind. Nach einiger Überlegung gehen wir doch los.
Manche Beschreibungen klingen, als liefe man den ganzen Tag die Straße entlang. Das könnte man zwar tatsächlich tun, man würde sich auch einiges an Höhenmetern sparen, aber zu empfehlen ist es nicht. Wir biegen im Dorf Dawgeli von der Straße ab, überqueren eine wackelige Holzbrücke und machen uns über einen schmalen Pfad auf den Weg nach oben.

Ein Hund, von dem es im Internet schon ein Foto gibt, weil er wohl öfter Wanderer spazieren führt, kommt mit und lässt sich sich nicht von den anderen angreifenden Hunden aus dem Dorf beeindrucken, schließt sich aber letztlich einer anderen Gruppe an.IMG_20170916_100144
Der Weg führt weit über dem Tal entlang, mit Blick auf grüne Hänge und häufig im Schatten, bis er schließlich wieder auf die Straße trifft.
In Ushguli angekommen, ist es sehr unkompliziert, Plätze in einem Kleinbus zurück nach Mestia zu bekommen, für 20 Lari das Stück. Eine Stunde haben wir noch, um durchs Dorf zu laufen und eine Cola zu trinken, dann lassen wir uns von dem geländegängigen Kleinbus zurückschaukeln. Die Strecke zwischen Ushguli und Mestia wird gerade befestigt. Unsere Fahrt machte das ein bisschen spannender, weil der Bus oft auf dem winzigen Streifen neben der neuen Straße auf der einen und dem Abgrund auf der anderen fahren muss, in Zukunft dürfte die Strecke aber einfacher werden.

17.9.-19.9. Mestia- Kutaisi – Batumi

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Zum Frühstück bekommen wir einen Eindruck von den Veränderungen, die in Mestia ablaufen: wir bekommen unser Frühstück in einem Hotel ein paar Meter von unserer einfachen Pension entfernt. Die Betreiberin hat offensichtlich bereits aufgerüstet und neu gebaut.   Das Haus ist noch nicht ganz fertig, sieht aber schick aus. Auch sonst wird an allen Ecken gebaut.

Nach dem Frühstück geht es dann mit der Marshrutka zurück nach Kutaisi. Beim ersten Teil der Fahrt haben wir Glück und sind praktisch allein im Bus. Zum Ausgleich müssen wir dann in Zugdidi umsteigen. Danach stellen wir fest, dass in einen Kleinbus doch viel mehr Menschen passen als es Plätze gibt.

In Kutaisi kümmere ich mich zunächst um die spannende Frage, ob mein Fahrrad den Flug unbeschadet überstanden hat, die erste Woche über stand es ja verpackt auf dem Speicher eines Hotels. Zum Glück stellt sich heraus, dass alles in Ordnung ist.

Am Abend verabschieden ich mich von  Sohn und seiner Freundin, denn Rest der Reise bin ich allein unterwegs.

Zunächst einmal geht es noch einmal mit der Marshrutka weiter. Es stellt sich am Morgen als relativ einfach heraus, mein Fahrrad in so einen Kleinbus zu bekommen. Das Vorderrad muss wieder ab und der Lenker quergestellt werden, aber dann passt es in den winzigen Kofferraum. Der Fahrer behandelt das Rad beim Packen wie ein rohes Ei. Dann geht es weiter nach Batumi, wo ich meine Radtour beginnen möchte.

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Radweg auf der Strandpromenade – ganz Batumi ist von Radwegen durchzogen, obwohl man Radfahrer mit der Lupe suchen muss.

Zunächst lege ich aber noch eine Pause ein und bleibe zwei Tage in der Stadt, vor allem um meine Erkältung auszukurieren. Nach dem heißen und staubigen Kutaisi tut die Seeluft richtig gut. Hier sind ein paar Grad weniger, wenn auch immer noch knapp 30, die Stadt ist wirklich schön und mein kleines Hotel (Hotel Elegant) ist sehr angenehm.  Ich habe Zeit auszuruhen, durch die Stadt zu bummeln, ein Museum und ein paar Kirchen anzusehen und im Meer zu baden.IMG_20170918_160156

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Strand in Batumi