Durch Georgien

20.9.2017 Batumi – Khulo

Erster Tag auf dem Fahrrad, 83 km

Wie zum Teufel kann es Ende September so heiß sein?

Google Maps äußert sich in seiner mobilen Version nicht zu den zurückgelegten Höhenmetern heute, OSM behauptet, ich sei 3200 Höhenmeter nach oben und 2300 nach unten gefahren. Das ist vermutlich übertrieben, vollkommen erschöpft bin ich gegen Ende dennoch. Morgens ist die Temperatur eine Zeit lang angenehm, es tauchen paar wenige Wolken auf und ich schöpfe schon Hoffnung. Aber nein, am Mittag brennt die Sonne erbarmungslos, die Straße strahlt Wärme ab wie eine Kochplatte, auf den letzten Kilometern halte ich alle paar Meter an, um nicht überhitzt vom Rad zu fallen.

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Die Landschaft ist allerdings sensationell, bewaldete Berge, die Straße führt die ganze Zeit an einem Fluss (Tskali)  entlang, teilweise weit über ihm, teilweise direkt daneben. Zeitweise wirkt das Flusstal beinahe wie eine Schlucht. Was leider nicht dazu führt, dass wesentliche Teile des Weges im Schatten lägen.

Im Prinzip gibt es unterwegs auch ein paar Sehenswürdigkeiten, alte Forts, mehrere mittelalterliche Bogenbrücken. Ich bekomme davon nur eine Brücke und einen Wasserfall zu sehen, der Rest liegt etwas abseits des Weges und dazu fehlt mir die Kraft.

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Der Verkehr ist anfangs ziemlich stark und lässt dann nur langsam nach, gegen Ende gibt es zwar nicht mehr sehr viele der Kleintransporter und Marshrutkas, diejenigen, die mich überholen ziehen dafür aber dicke Rußwolken hinter sich her, während sie die starken Steigungen auf dem letzten Abschnitt bezwingen.

21.9.2017 Khulo-Goderdzi Resort

27 km, ab Mittags heiß

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OK, das war ein Versuch, herauszufinden, wie schlecht eine schlechte Straße wirklich ist. Kurz hinter Khulo ist Schluss mit dem Asphalt. Es folgt noch ein kurzes Stück wunderbarer Straßenbelag, wo eine türkische Firma dabei ist, einen Staudamm zu bauen, danach noch ein paar kümmerliche Reste. Und dann ist die Straße bestenfalls noch für Mountainbikes zu machen. Ich habe keins.

Statt der zuvor in den Dörfern zu sehenden orthodoxen Kirchen gibt es nun zunehmend Moscheen, die Bevölkerung ist hier überwiegend muslimisch. Baufahrzeuge, die gelegentlich vorbeikommen, haben fast durchweg türkische Aufschriften. Die Grenze ist von hier aus nicht weit.

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Ein ziemlich gutes Stück schiebe ich, selbst wo der Weg eigentlich flach ist, am frühen Nachmittag gebe ich auf.

Zu diesem Zeitpunkt ist das bereits einmal nachgekaufte Trinkwasser fast alle, kein Laden in Sicht, ein paar dunkle Wolken brauen sich am Himmel zusammen. Der Pass ist noch 5km entfernt, dafür gibt es hier ein Skiresort im Bau. Ein riesiger Hotelkasten wird gerade hochgezogen, neben einem Skilift stehen bereits eine Reihe kleiner Chalets. Ja, das ist ein Hotel und ja, es ist offen, sagt man mir auf Nachfrage. Der Chef wird geholt, er vermietet mir ein Doppelzimmer. Teilweise benutzt er Google Translate, um für mich ins Russische (!) zu übersetzen, dann habe ich so ein Häuschen für mich. Es enthält eigentlich mehrere Doppelzimmer im ersten Stock, darunter einen großen Wohn-und Küchenbereich.IMG_20170921_154228

22.9.2017 Goderdzi Ski-resort – Akhaltsikhe

59 km, Warm und sonnig, am Nachmittag Quellwolken

Übernachtung: Old Town, empfehlenswert.

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Ich schiebe und fahre abwechselnd die letzten 5,5 km zum Pass hoch. Das Wetter ist wieder gut, erstaunlich warm dafür, dass ich selbst zu Beginn schon 1700 m hoch bin.  Aber am Morgen doch noch OK.IMG_20170922_084736.jpg

Gegen halb 10 habe ich es geschafft: ich bin am Goderdzi Pass, 2025  hoch. Das Restaurant Edelweiß hat schon geöffnet, ich bestelle Tee und Frühstück. Ich bekomme eine Pfanne voll in Butter geschmolzener Käses. Es schmeckt gut, ist aber auch ganz schön schwer. Die Wirtin adoptiert mich derweil fast und erzählt mir sehr ausführlich, dass sie an meiner Stelle Angst hätte, so allein und als Frau.

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Dann geht es weiter, jetzt bergab, aber immer noch auf der Holperstrecke. Auch hier komme ich kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Für die ersten 24 km brauche ich glatte vier Stunden. Umso schneller rolle ich auf dem Rest des Weges, wo die Straße asphaltiert ist.  Immerhin vernichte ich 1000 der mühsam erkämpften  Höhenmeter gleich wieder.

Hinter dem Berg ist die Landschaft eine ganz andere: karge, trockene Hügel, in unterschiedlichen Brauntönen gelegentlich von einem Flüsschen durchzogen.IMG_20170922_134906.jpg

In Akhaltsikhe angekommen sehe ich noch die hiesige, wiederaufgebaute Burg, Rabath  aus dem 13. Jahrhundert an. Ein bisschen Disneyland, auf dem Gelände gibt es ein Hotel und mehrere Cafes, alt lässt sich von neu kaum unterscheiden. Dennoch ein eindrucksvoller Ort, auch das Museum auf dem Burggelände ist sehenswert.

23.9.2017 Vardzia

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Das Fahrrad hat heute Pause, stattdessen geht es per Marshrutka in gut eineinhalb Stunden zum Höhlenkloster in Vardzia, mit einem anderen deutschen, der in derselben Pension wohnt wie ich. Schon die Fahrt dorthin ist spektakulär, es geht durch das Tal des Mtkvari, ein kleiner Fluss, der hier ein tiefe Tal in die Landschaft geschnitten hat.

Das Höhlenkloster selbst ist ebenso eindrucksvoll, zahlreiche, übereinander gelegene, in den Felsen gehauen Höhlen, eine Kirche, die nun auch wieder in Betrieb ist – es leben wohl auch wieder Mönche in der Anlage aus dem 12. Jahrhundert.

24.9.2017 Akhaltsikhe – Borshomi

50 km, gutes Wetter

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Borshomi ist eine alte Kurstadt, die darüber hinaus direkt an einem großen Naturschutzgebiet liegt. Und nur 50 km von Akhaltsikhe entfernt, größerenteils bergab. Ich fahre nach dem wir immer sehr umfangreichen Frühstück gegen halb 9 los. Die Landschaft ist toll, wieder ein tiefes Tal mit einem kleinen Fluss, der Kura. Die Sonne scheint, ein paar Wolken finden sich am Himmel ebenfalls. Die Straße ist gut und es geht viel bergab.IMG_20170924_100351

Trotz zahlreicher Fotostops bin ich kurz nach 11 in Borshomi. Meine Unterkunft heute ist ein winziges Zimmer in der großen Wohnung einer älteren Frau, die mich überschwänglich begrüßt und mir sofort Tee kocht. Trotz meiner kaum vorhandenen Russischkenntnisse gelingt es ihr prima, mir alles Mögliche so zu erzählen, dass ich sie tatsächlich verstehe.

Den Nachmittag verbringe ich zum großen Teil in dem wunderschönen Naturschutzgebiet direkt vor der Haustür, bewaldete Hänge, plätschernde Bäche, Quellen, wer sich damit auskennt, findet offenbar zahlreiche endemische Pflanzenarten. Ich spazieren zunächst eine Weile einen Wanderweg entlang, danach miete ich ein Reitpferd. Letzteres stellt sich nicht als besonders gute Idee heraus: das Pferd ist zwar sehr gutmütig, aber offenbar auch schon sehr müde, es zockelt sehr langsam durch den Wald, gelegentlich stolpert es fast. Im Wesentlichen reagiert es auch nicht auf mich, sondern auf den begleitenden Guide. Wahrscheinlich zu erwarten, wenn man sich überlegt, mit welchen Reitstilen das Tier so zurechtkommen muss.IMG_20170924_143519.jpg

Nach diesem Ausflug folgt noch ein Spaziergang durch den Kurpark, eine Mischung aus Park und Rummel mit einer ziemlich schwefelhaltigen Mineralquelle und einer mit recht „normalem“ Mineralwasser. Und zum Abschluss geht es mit der kleinen Seilbahn, die in kaum einem georgischen Ort fehlen darf, auf den örtlichen Berg. IMG_20170924_175612

Am Abend sitze ich noch mit den anderen Gästen der Pension zusammen: einem jungen französischen Paar und zwei Polinnen mit ihrem Fahrer. Die Polinnen haben hausgekelterten Wein von Markt mitgebracht, die Wirtin hat riesige Mengen leckeren Hefekuchen gebacken, alles wird nun unter zahlreichen Trinksprüchen und Erzählungen, zumeist auf Russisch, vernichtet.

25.9.2017 Borjomi – Gori

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Die Fahrt geht auf der selben Straße los, auf der sie gestern aufgehört hat. Auch die Berge links und rechts sind noch genauso spektakulär.

IMG_20170925_084819Der Verkehr nimmt nun allerdings zu, bis schließlich zwei größere Straßen zu einer noch größeren zusammenlaufen. Zum Glück kann ich kurz darauf abbiegen und den Weg über eine Reihe von Dörfern südlich der Kura nehmen. Die Straße ist gut und überraschend attraktiv, sie führt durch eine Reihe ursprünglicher Dörfer, gelegentlich kreuzen Gänseherden die Straße, es gibt wohl auch einige sehenswerte Kirchen ein paar km links und rechts der Straße , die ich aber nicht ansehe. Keine unnötigen Umwege. IMG_20170925_103805

Wieder einmal wandelt sich die Landschaft, die ist nun eben, nur in der Ferne sind noch Berge zu sehen. Einen breiten grünen Streifen gibt es um den Fluss herum, daneben wirkt alles sehr trocken. Gegen zwei erreiche ich, schon einigermaßen K. O.  meine heutige Unterkunft bei einer Familie in Gori. Alles ziemlich einfach, aber mit schöner Terrasse.

Wie das in Georgien aber so ist: es gibt so viel zu sehen, dass man nie zum Ausruhen kommt. Hier in der Gegend ist das zum einen eine Höhlenstadt: musst du unbedingt ansehen, haben schon mehrere Leute gesagt. Also werfe ich mich kurz nach meiner Ankunft wieder in ein Taxi und lasse mich nach Uplistsikhe fahren. Ursprünglich soll die Stadt an die 3000 Jahre alt sein, mit einer Blütezeit im Mittelalter, in der hier 20. 000 Menschen gelebt haben sollen. Ich verzichte dieses Mal allerdings auf einen Audioguide und spaziere ziemlich ahnungslos zwischen den alten Steinen umher.IMG_20170925_150312

Außerdem habe ich nur eine Stunde, der Fahrer wartet auf mich.

Er fährt mich denn auch zurück in die Stadt, zur nächsten Sehenswürdigkeit: dem Stalinmuseum. Stalin ist in Gori geboren und natürlich hat die Sowjetunion ihm ein bombastisches Museum gebaut. Es sieht im Grunde noch so aus wie damals, kurz nach seinem Tod. Nur die Führerin, die zwei Schweizern und mir das Museum zeigt, deutet an, dass der Held vielleicht auch den einen oder anderen Fehler gemacht hat.IMG_20170925_161121

26.9.2017 Gori- Mtskheta

65 km warm, sonnig und Gegenwind

Übernachtung: Guesthouse Vertigo

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Ich bin früh unterwegs und hoffe auf ebenso gute Bedingungen wie gestern. Leider vergeblich, heute habe ich von Anfang an starken Gegenwind. Ich fahre nun auf und ab durch eine wüstenartige Landschaft, zu Beginn sehr trocken, später durchsetzt von Feldern und Gärten. Zum Gegenwind kommt, dass ich an einer Stelle den falschen Abzweig nehme, das bringt mir einige km sehr holprigen Weg ein. IMG_20170926_121641

Glücklicherweise habe ich esnicht sehr weit. So bin ich auch gegen den Wind um zwei in Mtskheta und kann mich der ausgiebigen Suche nach meiner gestern Abend gebuchten Unterkunft widmen. Nicht so einfach, heute, das Haus befindet sich in einer kleinen Seitenstraße, einen steilen Hügel hinauf und ohne von der Straße aus erkennbare Markierung. Bei dieser Gelegenheit begegne ich den ersten aggressiven Hunden in Georgien.  Zum Glück findet sich dann jemand, der helfen kann. Und dann stellt sich die Unterkunft auch als sehr schön heraus.

Mtskheta ist eine uralte Stadt am Zusammenfluss von Mtkvari (Kura, es scheinen beide Namen verwendet zu werden) und Aragvi, lange war sie Hauptstadt der iberischen Könige.

Heute ist die Stadt in erster Linie Ziel von Tagesausflügen aus Tbilisi. Mitten in der Stadt: die beeindruckende, von einer Wehrmauer umgebene Kirche Sveti Tshoveli. Als ich sie ansehe, wie immer bei den orthodoxen Kirchen braucht es dazu ein Kopftuch, gibt es einen Gottesdienst, Gesänge, viel Weihrauch.IMG_20170926_153657

Eine zweite Kirche besichtigte ich ebenfalls noch: die hoch über dem Flusstal auf einen Berg gelegene Jvari Kirche. Die Aussicht von hier auf den Zusammenfluss der beiden Flüsse mit den Bergen im Hintergrund ist sensationell. Und auch hier gibt es einen Gottesdienst mit viel Gemurmel, Gesängen, Weihrauch.

27.9.2017 Mtskheta – Tbilissi

27 km, bewölkt

Der Fahrer von zwei polnischen Touristinnen hat mir unterwegs gesagt, wie ich mit dem Rad nach Tbilisi hineinkomme, nachdem mir meine App konsistent einen 70km langen Umweg durch die Berge vorschlägt: auf der Autobahnbrücke über den Fluss – hier gibt es sogar einen Gehweg – dann auf der linken Seite der  Kura immer geradeaus. So mache ich es und abgesehen von den wahnwitzigen Abgasen, die die zahlreichen gelben Busse aus ihren Auspuffen pusten, funktioniert es. Nur ganz zum Schluss habe ich ein Problem : Ich finde mich auf der falschen Seite einer vierspurigen, sehr stark befahrenen Straße, und muss auf die andere Seite. Ampel gibt es weit und breit keine, selbst auf dem Gehweg ein Stück zurück fahren in der Hoffnung auf eine bessere Gelegenheit, geht nicht, weil der Gehweg eine einzige riesige Baustelle ist. Also : hoffen, dass die Autos schon halten werden und los.

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Im Hotel angekommen,  frühstücke ich erst einmal ausgiebig, dann geht es in die Stadt: Tbilisi hat eine schön sanierte, aber sehr touristische Altstadt, zahlreiche Kirchen, ein paar Museen.IMG_20170927_154433

Ich stolpere in das historische Museum, ein schönes, großes Gebäude in der Altstadt, eine ehemalige Karawanserei. Drinnen sind etwas wahllos Szenen aus dem alten Georgien, Trachten, alle möglichen Gegenstände aufgebaut. Falls es in den gibt, wird mir der innere Zusammenhang nicht klar. Aber das Gebäude lohnt sich.

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Am Abend beginnt es zu regnen und für den ganzen morgigen Tag ist ebenfalls Regen angesagt. Dazu kommt, dass ich etwas Respekt vor der Strecke in Armenien habe: ein neues Land, neue Sprache, neue Schrift  hohe Berge, Pässe, eine lange Strecke ohne Unterkunft, noch ärmer als Georgien. Regen. Ich verlängere meinen Aufenthalt erst einmal um eine weitere Nacht.

28.9.2017 Tbilisi

Bewölkt, leichter Regen, deutlich kühler

Der Regen ist längst nicht so stark, dass Fahrradfahren ein Problem wäre, die meiste Zeit regnet es gar nicht. Aber ein Ruhetag tut sehr gut.

Also : ich besichtigte die wirklich nebenan gelegene Trinity cathedral. Als ich das Gelände betrete, stehen überall Polizisten und sperren einen Teil der Straße, dann fährt neben mir eine Wagenkolonne aufs Gelände, von Hand betriebene Kirchenglocken läuten wild, Geistliche steigen aus dem Autos. Soviel Aufwand wäre meinetwegen gar nicht nötig gewesen.

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Ich nehme ein Taxi in die Altstadt und bitte bei der Gelegenheit den nicht sonderlich sympathischen Fahrer, mich morgen früh samt Fahrrad aus der Stadt heraus und nach Marneuli zu fahren. Mal sehen, ob es klappt.

Ich besichtigte das Georgien-Museum – es ist sehenswert, die Ausgrabungen in dieser Gegend geben einiges her, dann fahre ich mit der Zahnradbahn auf einen der Berge um die Stadt.  Oben ist ein Rummel, leider ist gerade praktisch alles geschlossen.IMG_20170928_135239

Und schließlich gehe ich ins Bad : es gibt in der Stadt heiße Schwefelquellen, zu denen bereits früh Bäder gebaut wurden. Die teure Einzelkabine lehne ich ab, der Eintritt in den öffentlichen Teil kostet umgerechnet gerade mal einen Euro. Plus Handtuchleihgebühren und Massage. Das Bad selbst stellt sich als Raum mit schöner Kuppel und Zierkacheln heraus, ansonsten besteht es aus einer Reihe von Duschen, aus denen das warme Mineralwasser fließt. Darunter stehen Frauen mit der üblichen Vielfalt an Körperformen, die wirklich stundenlang nichts tun, als sich unter der heißen Dusche zu waschen.

Ich lasse mich peelen und massieren, dass funktioniert hier ganz ähnlich wie in einem türkischen Hammam. Sehr entspannend nach den Tagen auf dem Fahrrad.IMG_20170927_122422

 

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