Iran – die freundlichsten Menschen der Welt, viel Sonne und viel Autobahn

Eine Radtour durch den Iran, eher ungewöhnlich, finden die meisten  meiner Freunde und Kollegen. Also: was lohnt es sich, zu wissen?

Zunächst: ich fürchte, vieles, was ich sage, veraltet schnell. So billig wie wir es erlebt haben, wird der Iran nicht lange bleiben und wie viele Freiheiten Leute sich leisten können, hängt auch von der aktuellen politischen Lage ab.

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Als Frau?

Die ersten paar Tage war ich allein unterwegs – von der Grenze zu Armenien bis Tabriz.  Und ja, ein komisches Gefühl hatte ich schon, als ich kurz vor der Grenze ein Buff als Kopftuchersatz unter den Helm zog. Im Vorfeld hatte ich einige Berichte zu sexueller Belästigung, gerade bei alleinradelnden ausländischen Frauen gelesen. Ich selbst habe dann überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht, das mag allerdings mit an meinem fortgeschrittenen Alter liegen.  Mein erster Eindruck war auf der Straße, dass ich nicht weiter beachtet wurde. Das stellte sich aber schnell als Illusion heraus. Durch meine erste Stadt, Jolfa, fuhr ich zweimal auf der Suche nach meinem gebuchten Hotel die Hauptstraße entlang. Als ich dann abends essen war – anderes Hemd, anderes Kopftuch, kein Fahrradhelm und natürlich im Gegensatz zum Tag ohne Sonnenbrille, wurde ich angesprochen. Ob ich die Touristin mit Fahrrad sei?

In der zweiten Stadt, Marand, wusste offenbar ebenfalls nach kurzer Zeit die ganze Stadt, dass Touristin auf dem Rad durchgekommen ist.

Geld

In Reiseführern liest man, dass man all sein Geld in Bar mitbringen muss, weil iranische Banken nicht an das internationale Bankensystem angeschlossen sind, außerdem, dass man besser in Wechselstuben als bei Banken wechselt, wegen des besseren Wechselkurses. An beide Tipps haben wir uns gehalten. Dennoch hat mich der Stapel Geld überrascht, den ich für meine Euros bekommen habe: Der Kurs des Rial ist in letzter Zeit weit gefallen. Der Wechselstubenkurs war damit nicht wie angekündigt ein bisschen besser als der offizielle Kurs der Banken, wir bekamen glatt dreimal so viel Geld, wie erwartet. Das machte den ganzen Urlaub geradezu unverschämt billig. Wir hatten oft das Gefühl, die Preise hochhandeln zu müssen – man kann doch nicht ernsthaft für weniger als einen Euro pro Person essen gehen, oder? Und wenn man mit dem ganzen Geld in der Tasche dann noch unentwegt eingeladen wird, droht es geradezu unangenehm zu werden.

Allerdings: bis vor kurzem galt der Iran als relativ günstiges, aber nicht als spottbilliges Reiseland. Bestimmt ist es eines, in dem sich vieles schnell wieder ändern kann.

Handy/Internet

Netzabdeckung ist in Deutschland ein Problem, sonst bekanntlich fast nirgends, auch nicht im Iran. Schwierig kann es allerdings sein, eine lokale Simcard zu kaufen. Es gibt nicht allzu viele Läden, in denen man die Karten kaufen kann und diejenigen, die es gibt, scheinen oft formale Probleme mit Touristen zu haben. Welche? – Keine Ahnung, aber ich saß lange in einem Laden, während der Verkäufer versuchte, auf ungefähr hundert Arten meine Daten in sein System einzugeben. Am Ende hatte ich eine Karte, allerdings mit Daten, die nicht meine waren.

Wenn man dann Internet hat – mobil oder per WLAN, stößt man auf teilweise überraschende Probleme. Dass manche Seiten gesperrt sind, habe ich erwartet. Dass  Whatsapp, Telegram und andere Messenger funktionieren, dafür aber GMX einfach nicht lädt, hat mich doch erstaunt. Da hilft es nur, sich vorab ein VPN zu installieren, wenn man nicht plötzlich ohne die Mail mit dem Rückflugticket dastehen will – oder was solche Sperren eben noch an Überraschungen bieten können.

Verkehr

Im Iran baut man an jede verfügbare Stelle eine Autobahn. Auch dort, wo es nicht so furchtbar viel Verkehr gibt. Vorteil: oft gibt es einen breiten Seitenstreifen, manchmal hat man mehrere Spuren aus wunderbarem Asphalt für sich allein – dann, wenn die neue Strecke noch nicht freigegeben ist. Trotzdem gibt es natürlich schönere Straßen als gerade Autobahnen, auch im Iran. Leider verbinden sie selten zwei Orte, durch die man fahren möchte. Kommt auch vor, aber dann muss man hoffen, dass einem kein Militärgelände in die Quere kommt, durch das man nicht durchfahren darf. Also:  vorsichtig ausgedrückt, was Straßen und Verkehr betrifft, ist der Iran kein typisches Fahrradland.

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Unterkunft

Wer mit dem Rad unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, nicht immer ein Hotel oder eine Pension zu finden: in großen Städten häufen sich große Hotels, dazwischen gibt es kaum eine Unterkunft. Vielleicht einmal ein ungemütliches Gästehaus. Die großen Hotels waren günstig, als wir unterwegs waren, bei schlechterem Wechselkurs können die Preise aber leicht an Westeuropa herankommen. Was fehlt sind kleine Privatpensionen mit ein paar Zimmern und damit generell Unterkünfte in kleineren Orten. Zelten ist dafür ziemlich unproblematisch. Und falls jemand mitbekommt, dass man eine Unterkunft braucht, findet sich ganz schnell jemand, der einen zur Übernachtung einlädt.

Als wir unterwegs waren, war es nicht sinnvoll, Hotels vorzubuchen – man hätte dann den schlechten Banken-Wechselkurs zahlen müssen. Das kann sich mit einer Annäherung der Kurse ändern. IMG_20181008_171116.jpg

 

2018 – Mit dem Rad durch den Iran

3.10.2018 Meghri – Jolfa

75km, 80 inclusive durch die Stadt kurven

Berichte handeln an dieser Stelle üblicherweise von Nervosität. Will man da wirklich hin? Was ist da erlaubt, was verboten? Mit geht es genauso, als ich mich um Viertel nach 8 aufs Rad schwinge und die größtenteils bergab führenden paar Kilometer zur Grenze rolle. Auf einem Parkplatz ziehe ich ein Buff unter den Fahrradhelm, alle anderen Frauen, die ich sehe, behalten ihre bunten Tücher bis zur Brücke im Niemandsland in der Hand. Mit den Rad werde ich zu den Fußgängern dirigiert und muss meine Fahrradtaschen durchleuchten lassen.

Ein kurzer Plausch mit der einen Person an der Grenze, die Englisch kann – woher, wohin, allein? zum ersten Mal hier? – Welcome to Iran!

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Was folgt, ist zunächst noch sensationelle Gebirgslandschaft mit links und rechts hoch aufregenden Felsen, danach wird es wüstiger. Noch immer bin ich unsicher, immerhin gibt es auch einige Warnungen vor sexueller Belästigung, speziell, was alleinreisende Radlerinnen betrifft. Aber im Grunde beachtet mich hier niemand. Während mir in Armenien die gefühlte Mehrheit der Autofahrer zugehupt und oft noch frenetisch gewinkt hat, grüßt man mich hier nur ab und zu mit der Lichthupe.

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In Jolfa spiele ich zunächst Pingpong mit meinem gebuchten Hotel. Das Problem: es heißt Altin Aras, Aras ist der Name des Grenzflusses und der Freihandelszone, die es hier offenbar gibt. Es gibt in der Stadt mindestens 3 Hotels, die Aras heißen. Mindestens, weil das diejenigen sind, zu denen ich geschickt werde, mit jeweils auf einer Karte aus dem ersten Hotel Aras eingezeichneten Wegen. Innenstadt, fast ganz aus der Stadt raus, zurück ins Zentrum. So weiß ich den auch gleich, dass die Stadt sonst nicht viel zu bieten hat. Dann habe ich das richtige Hotel, gehe nochmal auf den Markt und wechsle Geld und stelle überrascht fest, dass ich viel mehr für meine Euros bekomme als gedacht. Ich möchte auch noch eine Sim-card, aber das scheint hier etwas komplizierter zu sein als in Armenien. Und der einzige Laden, in dem ich eine kaufen könnte, ist heute schon zu.

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3.10.2018 Jolfa – Marand

ca. 70 km, angeblich 1100 Höhenmeter (kommt mit ausnahmsweise weniger vor)

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Auf den ersten Kilometern, neben einem riesigen Einkaufszentrum knapp außerhalb der Stadt habe ich den zweiten Platten. Wäre an sich nicht so schlimm, dieses Mal ist es trocken und ich kann das Rad auch noch in den Schatten schieben. Aber bei der Gelegenheit entdecke ich einen Riss im Mantel. Das ist nun wirklich blöd, einen Ersatzmantel habe ich nicht mit. Aber sind ja nur noch ein paar Tage, bis ich in Tabriz meinen Mitreisenden, Malte, treffe. Der kann einen mitbringen.
Beim Reparieren werde ich von zwei älteren Männern beobachtet. Im Gegensatz zu vielen anderen sind sie relativ angenehm: stören nicht, packen nur mit an, wenn es in Ordnung ist und sind im richtigen Moment mit einer Standpumpe da. Prima.
Ich fahre weiter. Mit einem kaputten Mantel in die Wüste, klar. 60 km zur nächsten Ortschaft.  Ich muss bescheuert sein. Aber ich habe Glück. Das Rad hält.

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Die Strecke ist nicht sonderlich spannend, noch immer Berge, es geht langsam bergauf, dann wieder hinunter, nirgends Schatten, ich zerfließe. Kommt allerdings mal ein kleiner Luftzug, scheinen die langen Ärmel bei der trockenen Luft eher vorteilhaft, kurz bleibt es darunter kühl.

Dann, an frühen Nachmittag bin ich in Marand und suche ein Hotel. Aus dem einzigen Innenstadthotel gehe ich rückwärts wieder raus. Definitiv zu dreckig, selbst wenn ich den Besitzer überreden kann, die fleckige Bettwäsche zu wechseln. Ich quäle mich noch ein paar Kilometer weiter, aus der Stadt heraus, in ein weiteres Hotel, das ganz vernünftig ist. Touristenstandard.

Den Nachmittag verbringe ich mit dem Versuch, an eine iranische Sim-Card zu kommen. Es ist beinahe aussichtslos. Die wenigen Läden, in denen es Sim-Cards gibt, sind erstmal zu, wie schon der gestern in Jolfa. Ich drehte eine Runde durch angrenzende Straßen, dann ist einer der Läden auf. Man bringt mich nach einem Telefonat zu einem weiteren Laden. Der ist zu. Kurz danach auf. Der Mann hinterm Tresen bemüht sich eine Ewigkeit darum, mit meinen Daten klarzukommen. Ich verstehe das Problem nicht, es scheint aber nicht lösbar zu sein. Es sieht so aus, als müsse er mit meinen Daten im Pass genau die richtige Umschrift in arabische Buchstaben erwischen. Das klappt nicht. Mehrere Leute kommen und gehen und blättern dazwischen ratlos in meinem Pass. Wenn nur irgendjemand englisch könnte!

Und dann steht ein Mann neben mir: Are you Anja? I am your host! Er stellt  sich vor und erklärt, dass er ein Freund eines Mannes ist, den ich über Warmshowers kontaktiert habe, um ein paar Tipps für den Iran zu bekommen. Der ist zur Zeit nicht in der Stadt, hat mich aber weiter vermittelt. Und obwohl ich mich erst für einen Tag später angekündigt hatte: offensichtlich weiß schon die ganze Stadt, dass eine einzelne Touristin mit Fahrrad durchgekommen ist und wo sie sich jetzt gerade befindet. For the record: Marand hat 130.000 Einwohner.
Ich bekomme Tee in einem kleinen Laden, mein neuer Bekannter plaudert mit mir, zwischendurch kommen alle möglichen Leute vorbei, um dieser komischen Touristin Hallo zu sagen. Leider reicht es meistens nicht für mehr als ein Hallo, mehr Englisch kann kaum jemand, mehr Farsi kann ich nicht. Wobei die Leute hier behaupten, dass sie türkisch sprechen und dass es sich auch nicht groß vom türkisch in der Türkei unterscheidet. Ich verstehe kein einziges Wort. Immerhin, mein Sim-Card Problem kann im Laufe des Nachmittags doch noch gelöst werden, bevor ich mich dann, ziemlich geschafft, mit dem Sammeltaxi wieder aufmache in mein Hotel.

4.10.2018 Marand – Tabriz

69 km, 456 Höhenmeter

Übernachtung: Hotel Behboud, riesiges Apartment, gutes Hotel.
Als ich mein Rad aus dem Foyer des Hotels schiebe, bekomme ich stürmischen Applaus von der dort versammelten ziemlich großen iranischen Frauen-Reisegruppe. Na, dann los. Der Aufstieg kommt heute gleich zu Anfang, danach rollt das Rad eine ganze Weile fast von allein. Auch Raststätten und Cafés gibt es heute auf dem Weg ausreichend. Der große Nachteil: ich fahre praktisch den ganzen Tag auf einer Art Autobahn. Solange viel Platz ist, geht das, wenn nicht, überholen die LKW auch mal ohne Sicherheitsabstand. Heftig wird es in die Stadt hinein. Mehrfach muss ich über mehrere Spuren kreuzen, um auf diejenige in Richtung Innenstadt zu kommen. Und mich dann durch die Stadt schlängeln. Nicht trivial. Dabei bin ich hier durchaus nicht die einzige Radfahrerin. Oder doch. Aber nicht die einzige Radfahrer*in. Männer und Jungs auf Rädern gibt es jedenfalls schon. Auch zahlreiche Wegweiser, die Entfernungen in Fahrradminuten angeben. Dennoch, optimal ist die Infrastruktur noch nicht.

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Ich bin froh, als ich im Hotel ankomme. Das stellt sich als ziemlich luxuriös heraus: ich bekomme eine Suite mit zwei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Küche, alles großzügig und sauber. Für ungefähr 14 € pro Nacht, inclusive Frühstück, der Währungsverfall des Rial macht es möglich.

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Rathaus

Die anderen Sehenswürdigkeiten müssen noch warten, über den Bazar gehe ich aber noch. Toll. Er ist riesig und hat große Abschnitte für alles Mögliche – Schuhe, Schmuck, Teppiche, Wolle für Teppiche, ganz viele Trockenfrüchte und Kräuter, Kleidung…. Und er ist kein bisschen touristisch.

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Hof im Bazar

 

5. – 7.10. Tabriz

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Für den 7.10. bin ich in Tabriz mit Malte verabredet, der mich ab hier begleiten wird. Das heißt für mich erst mal eine Fahrradpause bis er da ist. Böse bin ich darüber nicht unbedingt, die vielen Steigungen in Armenien haben mich doch ziemlich geschlaucht. Seit ich im Iran bin, gibt es davon zwar weniger, damit ich aber nicht zu sehr zum Ausruhen komme, geht die Fahrt hier permanent durch die Sonne, auch das ist anstrengend. Selbst die Luft ist sehr trocken.
Stattdessen nun also Pause: zunächst mache ich einen Ausflug, per Taxi nach Kandovan, ein Dorf, das in ausgehöhlte Tuffsteinformationen gebaut wurde, ähnlich wie in Kappadokien. Es ist Freitag, der freie Tag hier und das Dorf läuft über mit iranischen Familien beim Wochenendausflug. Die Straße entlang gibt es Unmengen kleiner Läden, die Keramik, Taschen oder Kräuter und Trockenfrüchte verkaufen. Eigentlich ganz nette Sachen, aber natürlich will ich auf meinem Rad nicht noch mehr Krempel mitschleppen.
Nach einem Rundgang durchs Dorf lande ich bei einer der picknickenden Familien auf einer Decke in der Sonne, bekomme Tee und werde nacheinander mit allen Frauen der Familie fotografiert. Am Ende habe ich gerade noch Zeit, mir ein bisschen Mineralwasser, das es hier auch gibt, abzufüllen, bevor ich zurück muss zum Taxi.

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Dann gibt es natürlich die Sehenswürdigkeiten, die man in Tabriz gesehen haben muss, die blaue Moschee mit den Resten von beeindruckendem blauen Fliesenschmuck und das Ostaserbaidschan-Museum, das mich nicht unbedingt vom Hocker reißt. Sehr schön ist hingegen der kleine Ausflug zum Tabrizer Hausberg Eynali dessen rotes Gestein in der Abendsonne toll aussieht.

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Am Sonntag morgen dann kommt Malte an. Sein Flug hat sechs Stunden Verspätung, aber immerhin, sein Fahrrad übersteht den Flug gut, er bringt einen Mantel für meins mit, morgen kann es weitergehen mit unserer Tour.

8.10.2018 Tabriz – Eslami Island

98 km, fast ganz flach

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Wir machen uns früh auf den Weg, in der Hoffnung, vor dem schlimmsten Verkehr aus der Stadt heraus zu sein. Sind wir wahrscheinlich auch, allerdings wirkt sich Tabriz mit seinen 1,6 Mio. Einwohnern schon weiträumig aus: nach der Stadt folgen Industriegebiete, dann lässt der Verkehr auf der Autobahn langsam nach, aber es bleibt größtenteils eine Autobahn. Ein längeres Stück haben wir Glück:  die rechte Seite der Autobahn ist noch nicht für den Verkehr geöffnet, es wird noch gebaut. Wir mit den Rädern können trotzdem schon hier fahren – ein ziemlich luxuriöser Radweg.

Nach den zahlreichen Pässen der letzten Zeit ist die Strecke nun vollkommen flach.
Unser Ziel heute: der Urmia-See. Das ist ein ursprünglich riesiger flacher Salzsee, früher war er 10 mal so groß wie der Bodensee und hatte einen Salzgehalt etwa wie das tote Meer. Seit den 80 er Jahren ist der See extrem geschrumpft, im Wesentlichen wohl, weil ihm die Zuflüsse abgegraben wurden. Wir jedenfalls fahren lange durch flache Landschaft, und sind nicht sicher, ob hier einmal der See war oder noch nicht. Irgendwann sieht man Salzkrusten auf dem Boden, Wasser sehen wir heute nur von sehr weitem, kleine Reste von einem riesigen See.

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Am Abend zelten wir zum ersten Mal auf einem gerade nicht genutzten Feld auf Eslami Island, neben dem See, der an dieser Stelle keiner mehr ist.

 

9.10.2018 Eslami Island – Urmia

45 km, flach

Den größten Teil der Strecke nach Urmia haben wir gestern schon geschafft, es bleiben nur noch 45 km. Los geht es mit einer Brücke über den See. Wir sehen viel Salz und kümmerliche Reste von Wasser. Ab und zu Tretboote, die  auf dem trockenen liegen, eine verrostete alte Fähre. Schön ist auch die Salzwüste hier. Dennoch ist natürlich zu hoffen, dass es gelingt, den See zu retten. Angeblich sollen die entsprechenden Bemühungen in den letzten Jahren schon erste Erfolge gehabt haben, vermutlich ist der Wasserstand nach dem Sommer ja auch besonders niedrig.

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Am frühen Nachmittag sind wir dann in Urmia und mieten uns in einem teuren Hotel ein. In der Präsidentensuite, weil kein „normales Doppelzimmer“ frei ist. „Teuer“ ist allerdings relativ: wir profitieren hier ungewollt vom Währungsverfall des Rial, der wohl wesentlich von den Sanktion verursacht wird, die die USA wieder in Kraft gesetzt haben. Der Marktkurs für den Rial, den man in Wechselstuben bekommt, war immer um vielleicht 15% besser als der offizielle Kurs der Banken. Zur Zeit bekommt man von den Wechselstuben dreimal so viel wie den offiziellen Kurs. Da werden Präsidentensuiten erschwinglich, essen in einfachen Restaurants oder Taxifahren wird geradezu absurd billig.

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Kirche in Urmia

10.10.2018 Urmia – Nagadeh

91 km, Gegenwind und ein paar Höhenmeter

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Im Iran hat man wirklich eine Vorliebe für Asphalt. Abgesehen von einem kleinen Versuch, Nebenstraßen zu fahren, sind wir fast die ganze Zeit auf autobahnähnlichen Straßen unterwegs.

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Einen großen Teil der Zeit geht es am Urmia-See entlang, aber nie sehen wir Wasser, immer Salzwüste. Riesige Flächen Salzwüste.
Mittags winkt uns ein älteres Paar an den Straßenrand und lädt und zum Tee ein. Wir nehmen an, folgen Ihrem Auto ein Stück zum Haus. Wir unterhalten uns mit Händen, Füßen und der Hilfe des über Handy zugeschalteten Sohns der beiden, trinken Tee und schaffen es nicht, das Haus ohne mehrere Kilo geschenkter Weintrauben wieder zu verlassen. Keine Ahnung, wie wir die schaffen sollen.
Am späten Nachmittag sind wir in Nagadeh. Google und Osmand behaupten, dass es hier ein Hotel gibt, wie finden davon aber keine Spur. Fragen also jemanden. Der sagt uns, nein, ein Hotel gibt es hier nicht, aber wir sollen doch mit zu ihm nach Hause kommen, er lädt uns ein, bei ihm zu schlafen. Und schon wieder landen wir in der Wohnung einer iranischen Familie. Die Frau stellt sich in die Küche und kocht gut und aufwändig für alle, der kleine Sohn muss uns sein Kinderzimmer für die Nacht überlassen. Und wieder versuchen wir, uns mit Händen und Füßen zu verständigen und lernen google translate schätzen.

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Unser Gastgeber erzählt, dass er bis vor kurzem an einem Tunnel gearbeitet hat, über den Wasser aus dem Aras – dem Grenzfluss zu Armenien und Aserbaidschan zum Urmia-See umgeleitet werden soll. Im Internet ist auch von einem solchen Projekt zu lesen, dort steht aber, dass es nicht realisiert wird?

11.10.2018 Nagadeh -Mahabad

54 km

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Nach ein paar Kilometern besichtigen wir Hasanlu, eine Ausgrabungsstätte mit Funden aus unterschiedlichen Epochen, die ältesten um die 8000 Jahre alt, einige restauriert. Auch ein kleines Museum gibt es, in dem Funde aus dieser Ausgrabungsstätte ausgestellt sind. Nur das wichtigste Fundstück, ein großer goldener Becher  ist im Museum in Teheran.

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Herumgeführt werden wir von zwei Wehrpflichtigen, die offenbar hier Dienst haben und als erstes darauf hinweisen, dass sie nicht freiwillig Soldaten sind.

Am Nachmittag landen wir in der quirligen Provinzhauptstadt von West-Aserbaidschan. Die Stadt ist in keinem unserer Reiseführer beschrieben, scheint aber doch ein wichtiges regionales Zentrum zu sein. Wir jedenfalls sehen zwar keine der wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, landen aber in einem schicken  angesagten Café, in dem den Frauen die Kopftücher besonders weit nach hinten rutschen – oft liegen sie nur noch um den Hals.

12.10.2018 Mahabad – Bukan

67 km, 990 Höhenmeter

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Wir fahren eine kleinere Straße entlang. Besser ist das nicht unbedingt: auch diese Straße ist relativ stark befahren und es gibt nur selten einen Seitenstreifen. Die meisten Fahrer passen auf, aber ab und zu überholt ein Laster mit um die 100 Stundenkilometer und 20 cm Abstand. Da hat die Autobahn mit ihrem breiten Seitenstreifen doch glatt Vorteile.
Ein paar Kilometer abseits unseres Wegs liegt die Sahulan Höhle, die wir ansehen wollen, vorzugsweise ohne unserem Weg heute übermäßig viele Höhenmeter hinzuzufügen. Wir lassen unsere Fahrräder an Abzweig von der Hauptstraße, gehen ein Stück in Richtung der Höhle. Die wenigen Autos, die hier entlang fahren, sind voll besetzt. Trotzdem hält gleich das zweite an. Für mich ist Platz auf der Rückbank, wo zwei Frauen sitzen, Malte muss sich vorn neben den Beifahrer quetschen.
Die Höhle selbst beeindruckt vor allem durch ihre Größe und den tiefen unterirdischen See, auf dem die Touristen mit Ruderbooten zwischen den Felsformationen hindurchgeschippert werden. Gleichzeitig mit uns sind auch einige Höhlentaucher unterwegs, der See soll bis zu 60 m tief sein, die Erkundung lohnt also.

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Ich bin nicht sicher, wie häufig wir hier fotografiert werden. Ein Selfie mit den Leuten, die uns im Auto mitnehmen, eins mit denen, mit denen wir ein Boot in der Höhle teilen, eins mit den Jungs an der Kreuzung, wo wir unsere Räder stehen lassen, und dann werden wir doch tatsächlich während der Fahrt an den Straßenrand gewinkt, weil jemand ein Erinnerungsfoto mit diesen Touristen auf den Fahrrädern haben möchte.

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13.10.2018 Bukan – Saqqez

40 km, 429 Höhenmeter

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Abgesehen von ein paar Steigungen ist heute ein eher ruhiger Tag. Wir bekommen morgens noch Spiegeleier in unserem Gästehaus und radeln dann die ungefähr 40 km zur nächsten Stadt, die ein paar Hotels hat. Morgen kommt eine relativ lange Strecke ohne Hotels, da wollen wir uns vorher ausruhen.

Es gibt im Iran einen offensichtlichen Mangel an kleinen Pensionen. Während es in Armenien in manchen Orten den Anschein hat, dass sich in jedem zweiten Haus eine kleine familiengeführte Pension versteckt, gibt es hier vor allem große Hotels und ein paar einfache Gästehäuser mit fragwürdiger Sauberkeit. Die verfügbaren Hotels scheinen dann auch noch in bestimmten Städten konzentriert, dazwischen liegen lange Strecken ohne eine Unterkunft, wenn man das eigene Zelt nicht mitzählt.
Heute jedenfalls sind wir gegen Mittag in Saqqez, einer Stadt, in der sich die Hotels aus unerfindlichen Gründen konzentrieren. Wir lassen unsere Wäsche waschen, spazieren durch den Park, gehen am Abend essen. Endlich mal Fisch anstelle der ewigen Fleischspieße.

14.-15.10. 2018 Saqqez – Sanandaj

95 km und 1400 Höhenmeter mit dem Rad, dann weiter mit einem Taxi

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Wie sind mal wieder froh, wenn wir auf einer Autobahn fahren: die haben in der Regel einen breiten Seitenstreifen und weil die Gegenspur oft ein Stück entfernt geführt wird, entsteht auch gleich der Eindruck, dass sich der Verkehr in Grenzen hält. Ganz anders, wenn aus den vier Autospuren plus asphaltiertem Seitenstreifen zwei Autospuren mit Sandstreifen am Rand werden. Da bewährt sich mein neuer Rückspiegel, so sehe ich wenigstens die Laster, die überholen wollen.
Heute fahren wir wieder auf etwas mehr als 2200 m. Dazu kommt, dass es bewölkt ist, stürmt und ein bisschen regnet, im Ergebnis, dass es ziemlich kalt ist, wenn wir gerade nicht bergauf fahren. Und an unseren Zielort gibt es kein Hotel. Also hilflos herumstehen, bis uns jemand zur Übernachtung einlädt? Trotz des Windes zelten? Malte schlägt vor, zu zelten und morgen einen Bus oder ein Taxi in die nächste Stadt zu nehmen. Ich schlage vor, die Sache mit dem Transport nach Sanandaj gleich zu machen. Gesagt, getan. Ein Mann, den wir nach dem Weg fragen, fährt uns mit seinem Auto voraus und zeigt den Weg zum Busbahnhof. Dort sagt man uns, nein, zwei Räder passen nicht in einen Minibus. Man diskutiert eine Weile hin und her, wir verstehen nicht viel, aber letztlich findet sich ein Taxifahrer für uns. Mit quergestelltem Lenker und abmontiertem Vorderrad passen die Räder fast in den Kofferraum, das Gepäck auf die Rückbank. Pünktlich zum Abendessen sind wir in Sanandaj und mieten uns gleich für zwei Nächte im Hotel ein – wir brauchen einen fahrradfreien Tag.

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An diesem sehen wir uns Sanandaj an, das kurdische Museum, das es hier gibt und das in einem sehr schönen Haus mit Innenhof und bunten Glasfenster untergebracht ist, den Basar, auf dem kurdische Männer sich mit den weiten Hosen und breiten Stoff Gürtel eindecken können, die sehr viele von ihnen immer tragen und schließlich den Park auf einen Berg mit Blick auf die Stadt.

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16.10.2018 Sanandaj – irgendwo auf dem Weg nach Hamedan

84 km, 1074 Höhenmeter

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Unser Hotel bietet glücklicherweise schon ab 7 Frühstück an – die kurzen Tage im Oktober werden langsam zum Problem.

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Dann fahren wir den nächsten Berg hoch, zum Glück haben wir heute meistens einen Seitenstreifen und der Verkehr ist auch erträglich. Kurz nach dem Mittagessen allerdings erwischt uns ein Gewitter mit Graupel und einem Regen, der meine Schuhe innerhalb von Sekunden in kleine Eiswasserschüsseln verwandelt. Ich befürchte schon, für immer zum Eisklotz zu werden, als der Regen genauso schnell aufhört, wie er angefangen hat. Ich wringe die Socken aus und ziehe Sandalen an, wir fahren weiter.

Auf unserem Weg heute gibt es kein Hotel, also wollen wir zelten. Wir suchen einen Platz ein Stück von der Straße entfernt und fragen, ob wir hinter einem Gebäude, das zu einer landwirtschaftlichen Anlage gehört, unser Zelt aufbauen dürfen. Wir dürfen. Wir gucken uns gerade den besten Platz aus, als ein Mann kommt und uns bedeutet, dass es bestimmt gleich wieder regnet und dass wir doch besser mitkommen sollen. Wir gehen mit zu einer überdachten Terrasse – vermutlich sollen wir hier zelten? Aber nein, wir werden in eine Art Aufenthaltsraum mit Küche und Bad gebracht, unser Gastgeber sagt uns, dass wir doch besser hier schlafen sollen. Dann wirft er den Ölofen im Raum an, obwohl uns ganz bestimmt auch so nicht kalt zu werden droht. Wir rätseln ein wenig, wo wir gelandet sind. Im Nebenraum gibt es eine Matratze, schläft hier also noch jemand? Aber nein, wir haben den Raum mit dem weichen Teppich tatsächlich für uns. Eine Weile später kommt jemand, um mehr Öl in den Ofen zu gießen, wir schaffen es aber, ihn daran zu hindern, den Raum endgültig in eine Sauna zu verwandeln. Mit Händen und Füßen machen wir ihm klar, dass dass Deutschland so eiskalt ist, dass wir ganz bestimmt eine Nacht bei knapp über 20 Grad überleben.

Besuch bekommen wir am Abend dann doch noch: Zwei sehr nette junge Männer kommen vorbei, ein Landmaschinenmechaniker, der sich für uns und die technischen Details unserer Räder interessiert und außerdem so wie ich gern klettert und sein Freund. Beide können ein bisschen Englisch, zumindest einigermaßen können wir uns unterhalten.

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Unsere Unterkunft

17. – 18.10.2018 nach Hamedan

95 km, ein paar hundert Höhenmeter

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Skulpturen in Hamedan

Die Straße führt lange auf einer fruchtbaren Hochebene entlang, ein Feld an Straßenrand folgt dem anderen, bevor ein relativ sanfter Anstieg und eine lange Abfahrt folgen. Am späten Nachmittag kommen wir im Nieselregen in Hamedan an und sind nach 95 km sich einigermaßen geschafft.
Den nächsten Tag bleiben wir in der Gegend und fahren mit den Taxi zum Ganj Nameh Tal (um noch mal die Preisrelationen zu verdeutlichen: 8km, umgerechnet 70 Cent). Hier gibt es :
• Einen Wasserfall
• Zwei alte Keilschrifttafeln aus um 500 v.u.Z.
• Eine Seilbahn aus Schweizer Herstellung, die anscheinend in ihrem ersten Leben auf die Zugspitze fuhr und die nun Besucher bis auf etwa 2500m auf den Alavand bringt,
• Einen Freizeitpark mit Bungeejumping, Kletterwand, Klettergarten, Sommerrodelbahn.

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Wir fahren mit der Seilbahn auf den Berg, trinken Tee, laufen hinunter und sehen uns später in der Stadt noch die Ausgrabungen aus der Zeit der Meder und Parther an. Leider ist sehr wenig auf Englisch erklärt, so dass wir ein bisschen ratlos vor alten Gebäuderesten stehen. Auf Schildern neben den Ausgrabungen stehen Dinge wie „das südliche Feld ist 17,5*17,5 m groß. Um dieses Quadrat herum scheint man dann einfach noch nicht gegraben zu haben. Oder doch? Wer weiß, was da noch alles liegt.

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19.10.2018 Hamedan – auf dem Weg nach Qom

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Die Wolken in unserem Rücken

Der Weg nach Qom ist etwa 270 km lang, dazwischen gibt es kein halbwegs günstig liegendes Hotel. Wir richten uns also auf zwei Nächte im Zelt ein und fahren los. Die ersten 25 km auf einer Autobahn, danach tatsächlich auf einer kleinen, wenig befahrenen Straße. Es gibt sie also doch, die fahrradtauglichen Straßen im Iran! Wir kommen erst einmal gut voran, kein Wunder, es geht über eine lange Strecke langsam bergab. Hinter uns türmen sich riesige Gewitterwolken, die machen uns noch einmal ein bisschen schneller. Mittags gibt es die üblichen Fleischspieße in einem kleinen Restaurant. Kurz danach winkt uns ein Polizist an den Straßenrand. Er bedeutet uns, dass wir unsere Fahrräder in seinen Pickup laden sollen. Ist das nun ein Angebot oder ein Befehl? Wir schütteln erstmal die Köpfe. Der Polizeiwagen fährt langsam vor uns her und winkt uns kurz danach auf ein Polizeigelände. Wir folgen der Aufforderung. Hinter uns fällt ein großes Tor ins Schloss. Uns bringt man ohne weitere Erklärung ins Gebäude – und lässt uns erst einmal eine Weile warten. Als Malte zum zweiten Mal nachfragt, wollen die Polizisten unsere Pässe sehen. Sie nehmen sie mit. Es kommen immer mehr Leute in den Raum, in unterschiedlichen Uniformen. Einer der Polizisten kann etwas Englisch, der Chef behauptet das auch, versteht aber tatsächlich fast nichts. Irgendwann verstehen wir, dass wir einen bestimmten Weg nicht entlang fahren sollen. „There is war!“, sagt einer der Polizisten. Vielleicht ein Manöver? Irgendeine militärische Einrichtung, der wir nicht zu nahe kommen sollen? – keine Ahnung. Wir zeigen unseren Routenplaner, unsere Planung wird geprüft und für in Ordnung befunden. Dann sollen unsere Pässe kopiert werden, aber der Kopierer ist kaputt. Die Kopie, die ich dabei habe, nützt nichts, ich habe sie schon in Deutschland gemacht, also ist kein Einreisestempel drauf. Jemand wird in den nächsten Ort geschickt, Kopien machen. Wir warten weiter, bekommen nun aber immerhin Tee. Die Polizisten versuchen so lange  sich mit uns zu unterhalten. Wir seien Deutsche, also Arier, sagen sie, sie seien auch Arier. Es scheint uns nicht der richtige Moment für Diskussionen. Wir nicken. Ja, Daimler – Benz ist eine deutsche Firma, BMW auch.
Endlich kommt ein Polizist mit den Pässen und den Kopien zurück und wir können noch ein paar Kilometer weiter  bevor wir in der Dämmerung die Zelte aufstellen.

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20. – 21.10. Nach Qom

103 + 69 km, ein paar Höhenmeter bergauf, dann viele bergab

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Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.

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Bevor die Wolken kommen

Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher  kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.

Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen  Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.

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Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:

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Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.

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Bevor die Wolken kommen

Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher  kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.

Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen  Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.

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Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:

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22. – 23.10.2018 Qom – Kashan

102 km

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Fin Gardens

Auf der rechten Seite ist von weitem das Gebirge zu sehen, manchmal in rot und grün schimmernd, links fast die ganze Zeit über eine riesige, karge Ebene oder Felder, auf denen zumindest um diese Jahreszeit nichts wächst. Auf dem ersten Teil der Strecke rollen die Räder fast von allein, es geht wohl leicht bergab, dann müssen wir doch noch treten.
Am späten Nachmittag schließlich erreichen wir Kashan, eine sehr schöne ehemalige Oasenstadt mit zahlreichen traditionellen Häusern mit schönen Innenhöfen, schmalen verwinkelten Gassen und vielen westlichen Touristen. Wir sind also doch nicht die einzigen Iran – Urlauber.

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Unser Hotel in Kashan – schade, dass nur für eine Nacht ein Zimmer frei ist.

Am Abend finden wir in sehr schönes Restaurant in einem der traditionellen Häuser  das anderes als Fleischspieße im Angebot hat: ein leckeres Auberginengericht für mich und Dizi, eine Art im Tontopf gekochten Eintopf für Malte. Wunderbar, ich habe das Gefühl, wochenlang von Kebab gelebt zu haben.

Wir könnten nun weiter mit den Rad nach Isfahan fahren, das würde ungefähr genauso viel Zeit kosten, wie wir noch haben  bevor wir zurück nach Deutschland müssen – eine doofe Idee, lieber wollen wir auch noch ein bisschen von den wunderschönen Städten sehen, in denen wir gerade sind. Also entscheiden wir uns für den Bus. Aber zuerst lassen wir uns noch zur Fin Gartenanlage knapp außerhalb von Kashan fahren. Das ist ein sehr alter Garten mit Hammam-Museum, Pavillon aus dem 17. Jahrhundert und zahlreichen Kanälen und Wasserbecken, die von einer Quelle gespeist werden. Davon abgesehen gibt es eine ganze Reihe von Mädchenklassen in ihren Schuluniformen, mal grau-rosa, mal schwarz-blau oder auch leuchtend violett. Insgesamt sehr schön  sehr entspannend und außerdem UNESCO-Weltkulturerbe – die Anlage natürlich,  nicht die Mädchenklassen.

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Die Busfahrt nach Isfahan verläuft ganz unproblematisch. Zwar ist eine Reservierung nötig, für Busse scheinen ziemlich ausgebucht zu sein, aber die Fahrräder kommen ganz selbstverständlich und ohne Verpackung mit.

23.-26.10.2018 Isfahan

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Es sind die letzten Tage unseres Urlaubs, die wir in dieser wundeschönen Stadt verbringen. Von unserem Hotel im Zentrum aus erkunden wir die Stadt:

Kern ist der riesige, wirklich riesige Meydan – e -Imam im Zentrum. Zwei Moscheen an den Seiten, ein Palast und rund herum in den Arkaden der Basar. Sehr schön, aber auch der erste Markt, den ich im Iran sehe, der gezielt auf Touristen ausgerichtet ist mit Souvenirs, Teppichen, Kupferwaren. Natürlich sehr beeindruckende Bauwerke, bunte Kacheln, Springbrunnen.

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Und dann, ein Stück entfernt vom großen Platz der Zayandeh Rud, der Fluss durch die Stadt mit zahlreichen Brücken, unter anderem einer alten Brücke mit 33 Bögen und erstaunlicher Länge. Superschön, beeindruckend, gerade nachts, und offenbar ein beliebter Treffpunkt. Nur einen kleinen Fehler hat das Ensemble: im Fluss fließt kein Tröpfchen Wasser.  Möglicherweise ist das für die Zeit Ende Oktober fast normal. Tatsache ist aber, dass Wasser in diesem Fluss selten geworden ist, ein großer Teil wird über eine Pipeline nach Yazd transportiert, ein anderer verdunstet offenbar in Talsperren, bevor er die Stadt erreicht und ein dritter wird zur Bewässerung von Feldern verbraucht. Man muss wohl feststellen, dass der Iran ein massives Wasserproblem hat.

Wir sehen uns nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an, dafür machen wir noch einen kleinen Ausflug am Ufer der Zayandeh Rud entlang: fahren mit einem Sessellift über einen Wald (ja, komplett bewässert), zu einem Vogelpark, klettern auf einen Hügel, auf dem vielleicht einmal ein zoroastrischer Feuertempel war und beobachten die Isfahaner Jugend beim ausgelassenen Start ins Wochenende am Donnerstag Nachmittag. Zum ersten Mal gibt eine relevante Zahl von Frauen auf Fahrrädern. Ganz vereinzelt gab es auch in anderen Städten welche, ich kann diejenigen, die ich in drei Wochen gesehen habe, an einer Hand abzählen. Aber hier, im riesigen Park am Ufer, mit echtem Radweg übrigens, hier sind sie alle, oft auf Leihrädern, manche ein bisschen unsicher. Eine kleine Gruppe stürzt sich sofort in eine Wettfahrt, als sie mich sehen (unfaire Bedingungen, mein Rad rollt einfach besser und ich habe gerade zum ersten Mal das Gepäck im Hotel gelassen).

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Und dann müssen wir leider Abschied nehmen: wir verpacken die Räder in eine Art Luftpolsterfolie, die wir mit Hilfe unseres Hotels kaufen, ein Taxifahrer bringt uns mitten in der Nacht zum Flughafen. Dort erwartet man uns schon: ich habe per E-Mail vorab eine Frage zur Bezahlung gestellt und werde direkt mit Namen begrüßt. Der Flughafen ist klein, in der Nacht ist unser Flug der einzige. Man kümmert sich liebevoll um die Räder und trägt uns Wechselgeld hinterher, auf das wir eigentlich schon verzichten wollten.

Wir steigen in Istanbul um und sind am Vormittag wieder in Berlin. Keine Schäden an den Rädern dieses Mal. Und ich komme wieder!