2021 East Carpathian Greenway, Przemyśl, Lviv

Przemyśl nach Ustrzyski Dolne

65 km, 999 Hõhenmeter bergauf, 750 bergab

Nach einem anstrengenden Tag in Zug – die Klimaanlage im ersten Zug funktionierte fast nicht, im anderen gar nicht – kommen wir in Przemysl an, einem offenbar netten Städtchen an der Grenze zur Ukraine, gehen ein Stück durch die Stad und übernachten in einer einfachen Pension mit freundlicher Wirtin. Am nächsten Morgen geht es dann los. Am Vormittag ist es bewölkt und schwül, danach sonnig und schwül und meine Güte, wann bin ich eigentlich zuletzt in den Bergen Fahrrad gefahren? Es ist viel zu anstrengend! Auf der Karte sah es zumindest nach Schatten aus, unser Weg führt weitgehend durch den Wald. Aber die Seitenstreifen neben der Straße sind freigeräumt und so fahren wir meistens durch die Sonne.

Auf den relativ kleinen Straßen ist erstaunlich viel Verkehr, der rätselhafterweise zu nicht unerheblichen Teilen aus alten Feuerwehrfahrzeugen besteht. Großbrand in einer weiter entfernten Stadt? Freibier für Feuerwehrleute? Polnisches Jahrestreffen der roten Autos? Wir haben keine Ahnung.

Am späten Nachmittag, endlich, haben wir es nach Ustrzyski Dolne geschafft. Auch hier ist Highlife: ein Fest mit viel polnischer Volksmusik, größtenteils gesungen von älteren Frauen, Bier, Stände.

Ustrzyski Dolne – bei Polanczyk Solienske See

knapp 50 km

Nach der Anstrengung am ersten Tag gestern wollen wir es etwas ruhiger angehen lassen und nur bis Solina fahren. Wir sind nun auch auf dem East Carpathian Greenway, ein Rad- Rundweg durch die Karpaten in Polen, der Slowakei und der Ukraine. Der Weg führt zunächst auf kleinen, wenig befahrenen Straßen in einem Bogen nach Oszanka, dort kürzen wir über die Hauptstraße ab, sind gegen Mittag in Solina – und fahren doch lieber weiter; es wimmelt von Touristen mit ihren Autos, die meisten Unterkünfte sind ausgebucht, und außerdem wollen wir unsere Zelte ja nicht ganz umsonst spazieren fahren.

Das einzig Bemerkenswerte, das wir in der Stadt sehen, ist eine wirklich beeindruckender Staumauer, mit der der ziemlich großer Solienske See aufgestaut wird und die nur ein Teil der Anlage ist: schon ein ganzes Stück vorher sind wir bereits an einer zum gleichen System gehörigen tiefer gelegenen Staumauer vorbei gekommen.

Der Weg von Solina zum Campingplatz am See sieht kurz und einfach aus, ist es aber nicht. Die Straße führt 200 Höhenmeter stell nach oben und dann wieder nach unten. Immerhin haben wir dann aber noch Zeit zum Schwimmen, spazieren gehen, Eis essen, Bier trinken am Stausee. Empfehlenswert.

Solienske See – Stakcin

67 km, 880 Hm aufwärts
Der höchste Punkt der Tour liegt an der Grenze zwischen der Slowakei und Polen. Schon einige Zeit vorher wundere ich mich, dass von den wenigen Autos, die uns auf dem langen Weg nach oben überholen, kein einziges ein slowakisches Kennzeichen hat. Ich mache mir darüber nicht allzu viele Gedanken, aber natürlich gibt es einen Grund: während auf der polnischen Seite die Straße wunderbar ausgebaut ist und wir uns über schönsten Asphalt nach oben quälen, geht es auf der slowakischen Seite mit kleinkörnigem Schotter los. Daraus werden große Schottersteine dann kommen die Baufahrzeuge. Anstelle einer schnellen Abfahrt gibt es unterschiedlichste Zwischenzustände des Straßenbaus, über den wir die Räder ganz langsam fahren oder schieben. Außerdem viel Mittelgebirge, kaum Menschen. Die Gegend ist Nationalpark, es gibt kaum Siedlungen und selbst in den Städtchen, in den wir schließlich landen nur ein einziges Hotel und einen kleinen Laden.

Die Grenze

Stakcin – Kostryna

46 km, 240 HM bergauf

Nachdem wir erst gestern in die Slowakei gefahren sind, kommt heute schon der nächste Grenzübertritt, dieses Mal in die Ukraine. Wir zeigen bestimmt fünf Mal unsere Pässe, unsere Bescheinigung über eine Versicherung, die die Kosten für Covid übernimmt, wird genau geprüft, der Impfnachweis bekommt nur einen schnellen Blick und einigermaßen schnell sind wir in der Ukraine.

Dort führt die Radroute die Hauptstraße entlang, die sich aber zumindest auf unserem heutigen Abschnitt als ziemlich wenig befahren herausstellt.

Heute ist hoffentlich der heißeste Tag des Urlaubs: 34 °C, also belassen wir es bei der Strecke bis Kostryna, einem lang gezogenen Straßendorf an der Uzh. Dafür baden wir im Fluss, wagen uns über eine wacklige Hängebrücke und sehen die örtliche Holzschindelkirche an.

Kostryna – Uzhok

Ganze 27 km und etwa 300 HM

In Kostryna machen wir erstmal Pause und gehen wandern: auch ganz schön anstrengend! Es gibt ausgedehnte Buchen-Urwälder neben steilen, hervorragend ausgeschilderten Wegen, oben dann Blumenwiesen, unendlich viele Heidelbeeren und große Roma-Gruppen, die selbige eimerweise sammeln. Spektakuläre Aussicht gibt es eher nicht, die Karpaten sind eben ein Mittelgebirge.

Am nächsten Tag geht es dann nur ein Stück weiter. Wie teilen Höhenmeter ein und sind deshalb schon früh in einem SpaHotel mit Pools, Saunen und Blockhäusern. Im Gegensatz zur letzten Unterkunft ist hier auch durchaus Betrieb, ukrainische Familien im Sommerurlaub.

Obwohl wir nicht sonderlich hoch sind, scheint alles auf Wintertourismus ausgerichtet zu sein. Wahrscheinlich ist das Klima schon kontinental genug, um ausreichend kalte Winter zu garantieren.

Uzhok – Sambir

92 km, 845 HM rauf, 1088 HM runter

Ich weiß nach wie vor nicht, ab wann unsere Unterkunft Frühstück angeboten hätte, nur, das wir so lange nicht warten wollen. Immerhin schaffen wir so gleich die ersten paar hundert Höhenmeter, vorbei an einer Leistungssportbasis und zahlreichen Sportlern, die zumeist offenbar für Wintersport trainieren.

Danach führt die Straße in ständigem Wechsel bergauf und bergab, vorbei an unglaublich viel Riesenbärenklau in voller Blüte und zwischen Wäldern hindurch.

Unser Ziel ist eigentlich Stary Sambor, mit der Option, auch vorher schon aufzuhören, wenn wir einen schönen Ort finden. Aber wir fahren am Hotel in den Bergen vorbei, in Stary Sambor gibt es kaum Unterkünfte, diejenige, die wir schließlich finden, ist ausgebucht. Also reserviere ich in Sambor und wir schwingen uns wieder auf die Räder.

Als wir in Sambor ankommen, sind wir einigermaßen geschafft – und klar, konnte nicht anders sein, unsere (günstige) Unterkunft hat einen Festsaal, es ist Samstag und es findet eine Hochzeit statt, mit lautet Musik bis spät in die Nacht.

Die Altstadt von Sambor schauen wir am Abend noch an, mit Marktplatz, Rathaus und jeder Menge Betrieb.

Riesenbärenklau ist überall.

Sambir – Lviv

78 km, 246 HM hoch und ähnlich viel nach unten

Ich erwarte eigentlich reines Flachland, aber nachdem ich für ein paar Kilometer Recht behalte, beginnt sich das Gelände wieder zu wellen. Wir fahren auf Hauptverkehrsstraßen immer weiter im Richtung Lviv. Dafür hält sich der Verkehr in Grenzen, erst als einige Kilometer vor der Stadt zwei Hauptstraßen zusammenlaufen, wird es spürbar mehr. In der Stadt selbst ist es ziemlich schwierig, mit dem Rad vorwärts zu kommen. Zum einen besteht sie aus einem Gewirr von Einbahnstraßen, zum anderen ist es oft so eng, das man auch mit dem Rad im Stau steht.

Kleiner Ausflug in die Stadt am frühen Abend

Lviv

Dass Lviv eine schöne Stadt ist, muss ich vermutlich nicht betonen. Ja, ist es. Und vor allem am Wochenende ist die Stadt auch sehr quirlig, überall Straßenmusik, Straßenkünstler, Verkäufer…

Ich hätte mir nicht ganz so viele Touristen vorgestellt, vor allem in Pandemiezeiten, aber die meisten davon stammen vermutlich aus der Ukraine selbst, einige aus Polen oder Tschechien. Es ist jedenfalls einiges los in der Stadt.

Wir sehen uns den Friedhof an (ja, das ist einige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten und lohnt sich) und haben vor, dann auch noch in ein nahe gelegenes Open-Air Museum (traditionelle Häuser/Dörfer) in der Nähe zu gehen. Tun wir auch, allerdings auf unüblichem Weg, wir brechen ins Museum ein: das Freilichtmuseum ist so etwas wie ein Park in einem größeren Park, wir gehen zu Anfang in die falsche Richtung, dann längere Zeit auf einem Trampelpfad um den Zaun des Museums herum. Irgendwann geht es nicht mehr weiter, zu steil, zu viele umgefallene Bäume, zu schlammig. Dafür ist der Zaun zum Museumsgelände gerade an dieser Stelle etwas marode. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als drüberzuklettern…

Eine Führung durch die Stadt machen wir auch mit, sind allerdings offenbar gerade die einzigen Interessenten, die diese Führung gern auf Englisch (oder deutsch) hätten. Es wird also tatsächlich eine Privatführung, dafür recht erschwinglich mit einem sehr kompetenten Guide (Artem von Kumpel Tours)

Львів – Przemyśl

99 km Hauptstraße

Schließlich geht es zurück zum Ausgangspunkt unserer Radtour, Przemyśl. Ich fürchte diese Etappe ein bisschen: 99 km Hauptstraße, auf der Karte schnurgerade, nachdem man sich durch das größtenteils wirklich nicht sehr fahrradfreundliche Lviv gequält hat. Tatsächlich ist die Strecke nicht schlimm. Klar, am Anfang ist der Verkehr ziemlich dicht, aber es gibt auch mehrere Spuren und einen Seitenstreifen. Dann sinkt die Zahl der LKWs ziemlich schnell auf ein annehmbares Niveau. Zwar fahren wir wirklich die ganze Zeit geradeaus, aber immerhin ist der Blick zur Seite (oft Wälder) etwas hübscher als gedacht und ein paar Hügel gibt es auch.

Die Grenze nach Polen erscheint uns einigermaßen undurchschaubar. Schon mehrere Kilometer vor der Grenze warten LKWs, einige Lieferwagen fahren vorbei, es sind kaum normale PKWs unterwegs. Wäre ich mit dem Auto hier, ich hätte nicht die geringste Ahnung, wie ich mich verhalten muss.

Es gab bislang zu wenige Goldkuppelfotos – dabei stehen die hier überall

Der Grenzübergang Shegini/Medyka ist einer der wenigen, der offiziell für Fußgänger und Radfahrer funktioniert. Zwar sagt das Internet, dass sich auch an den anderen Übergängen immer Wege finden, aber wir sind doch froh, den richtigen Übergang zu haben. Es wäre sonst zumindest zeitaufwändig, herauszufinden, was zu tun ist. So kommen wir mit unseren Pässen und Impfzertifikaten schnell und unproblematisch nach Polen und sind kurz danach wieder in Przemyśl.

Przemyśl

2020 – Tschechien, Slovakei, Polen

Brno – Vyškov, 34 km

September 2020

Ich wäre wirklich gern weiter weg gefahren, im Pandemiejahr ist das aber gar nicht so einfach: immer mal wieder werden plötzlich Grenzen geschlossen, Risikogebiete erklärt, Regeln verändert. Immerhin sind Tschechien, die Slowakei und Polen nach aktuellem Stand OK.

In Brno starte ich, weil ich hier bei einer anderen Radtour schon einmal durchgekommen bin – ich schließe gern irgendwo an – und weil ich aus Berlin gut mit dem Zug hinkomme.

Es ist schon Nachmittag, als ich aus dem Zug steige und die Straße suche, die auf der App ganz nett wirkt. Leider entpuppt sie sich als ziemlich scheußlich: viel zu viel Verkehr, rechts und links bloß Felder. Über die Steigungen beschwere ich mich mal nicht, die habe ich gewollt.

In Vyškov schaffe ich gerade noch einen kleinen Spaziergang durch die hübsche und sanierte Altstadt, bevor es dunkel wird und ich in meiner Pension ins Bett falle – für den Zug morgens musste ich schon um halb 5 aufstehen.

Vyškov – Valašské Meziříčí

Etwa 95 km, mit Verfahren und durch die Stadt kurven sind es 105.

Die Straße wird ruhiger und im ersten Abschnitt überraschend flacher, bevor dann doch ein paar knackige Steigungen und Abfahrten kommen. Immer abwechselnd rauf und runter, so dass sich die Höhe insgesamt kaum ändert.

Die Dörfer und Städtchen sind hübsch, es sieht ungefähr aus wie in Österreich, Kirchen, Vorgärten, sanierte Innenstädte, Heiligenskulpturen , ab und zu ein mehr oder weniger hergerichtetes Schloss.

Und dann Apfelbäume, jede Menge Apfelbäume an den Alleen, und alle hängen sie voll mit reifen Äpfeln.


Valašské Meziříčí – Žilina

93 km, etwa 1000 Höhenmeter rauf und wieder runter

Meine App kümmert sich nicht die Bohne um Radwege. Heute will sie mich zum Beispiel eine viel zu stark befahrene Straße entlang schicken, obwohl es ein paar Meter weiter einen phantastischen Radweg gibt. Zum Glück weist mich eine Passantin darauf hin.

Ich fahre also den Radweg entlang, erstaunlich langsam, weil es unmerklich bergauf geht und bin plötzlich im Mittelgebirge. Als ich einmal die Hauptroute verlasse, wird es sogar extrem steil, und irgendwann bin ich mitten im einem Skigebiet, eine Werbung für Skikurse jagt die andere.

Nachdem der schöne Radweg zu Ende ist, muss ich doch lange auf der Hauptstraße weiter. Praktisch am Pass überquere ich die Grenze in die Slowakei. Das funktioniert zum Glück gewohnt unkompliziert. Sollte Corona hier Auswirkungen gehabt haben, ist davon nichts mehr zu sehen.

Später versuche ich es ein Stück mit einem Wanderweg. Klar, das endet damit, dass ich auf miserablen Riesenschottersteinen steil begab schiebe…

Abends lande ich in einem original sozialistischen Hotel. Alles funktioniert, die Leute sind sehr nett, aber diese Lampen! Und einen Aufzug ohne Innentür (bei dem man also an die vorbeifahrenden Wand fassen kann), habe ich seit meiner Kindheit nicht gesehen.

Žilina – Terchowa

25 km

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Žilina

Nachdem ich mich gestern mit meinen Umwegen durch Skigebiete doch etwas überanstrengt habe, lasse ich es heute ruhig angehen, spaziere erst einmal durch Žilina. Kirchen und Museen sind am Samstagmorgen leider noch geschlossen, aber die Plätze und Brunnen sind auch im Hellen ganz schön. Dann radle ich ganze 25 km zum nächsten Campingplatz, der leider ziemlich direkt an einer Straße liegt und, wie sich später herausstellt, voller Lagerfeuerfans ist. Trotzdem ist er schön: alle Einrichtungen sind sauber und neu und nachts wird auch die Straße ruhig.

Und weil ich es dann doch nicht lassen kann, gehe ich nachmittags in der Mala Fatra wandern, an der Varinka, einem kleinen Flüsschen entlang, einen steilen Weg rauf und dann wieder runter. Für ein Mittelgebirge wird es oben ganz schön steil und felsig – aber superschön.

Terchowa – Orava – Demänova Dolina

40 und 50 km und jeweils etwa 600 Höhenmeter.

In der Nacht auf dem Campingplatz geht die Welt unter. Irgendwann fängt es an zu regnen, es klingt, als hielte jemand eine ganze Batterie Duschköpfe übers Zelt. Zu laut zum Schlafen. Als ich mal raus muss, muss ich fast zu den Toiletten schwimmen. Zum Glück steht das Zelt morgens rein zufällig nicht in einer größeren Wasserfläche.

Es dauert bis etwa 12 Uhr, bevor an einpacken und weiterfahren zu denken ist. Dann quäle ich mich den nächsten Berg hoch. Es ist frustrierend, habe ich nicht noch vor zwei Jahren ganz andere Berge geschafft? Oder waren die Steigungen in Armenien vielleicht nicht ganz so heftig, damit auch die alten Kamaz-Laster eine Chance hatten? Wie dem auch sei, die Berge fallen mir schwer.

In der folgenden Nacht ist wieder Dauerregen angesagt. Also nehme ich mir ein Hotelzimmer. Sieht auf den ersten Blick gut aus, einsames Ressort mit Schwimmbad und Sauna und Panoramablick. Leider hält es nicht, was es verspricht. Es scheint außer mir nur noch eine Familie da zu sein, der Wellnessbereich ist geschlossen und das Frühstück ein schlechter Witz.

Nach der zweiten Nacht Wolkenbruch fließt auf dem Waldweg, den ich nehmen will kein Bach, sondern ein ausgewachsener Fluss. Die Alternative ist ein durchweichter Grasweg, auf dem ich das Rad nach oben schiebe, während ich versuche, möglichst wenig wegzurutschen. Wäre wirklich gut, ich wäre ein bisschen fitter. Immerhin komme ich doch noch auf eine asphaltierte Straße, weiter geht es etwas besser. Am Ende des Tages lande ich in einer Art Touri-Disneyland. Ein saisonbedingt geschlossenes Spaßbad jagt das andere, dazwischen Ferienhäuschen, Hotels, Restaurants. Immerhin liegt der Campingplatz ganz schön und bietet einen Blick aus dem Zelt auf den Sonnenuntergang.

Demänovská Dolina – Poprad

knapp 80km, knapp 500 Höhenmeter

Morgens mache ich einen kleinen Abstecher, das Demänovská – Tal hinauf und besichtigte eine der zahlreichen Höhlen, die Eishöhle. Die Höhle ist tatsächlich beeindruckend, groß, Tropfsteine überall, teilweise rot durch Mineralien. Eis gibt es allerdings so gut wie keins, es ist schon September und der letzte Winter war eigentlich keiner. Ich glaube, auch die Führung ist nicht besonders gut. Dass ich nichts versteht, liegt daran, dass sie nur auf Slowakisch angeboten wird. Anscheinend spult der Führer aber genau den Text ab, den ich in einem Begleitblatt auf Deutsch bekomme. Eine Fotoerlaubnis kostet 10Euro, natürlich kaufe ich keine, und als ich trotzdem heimlich fotografieren will, ist sofort eine Mitarbeiterin neben mir, die mich daran hindert.

Ich glaube zunächst, daß ich den ganzen Tag auf der Hauptstraße fahren muss, lasse aber meine App nochmal rechnen. Heraus kommt eine sehr schöne Strecke durch die niedere Tatra, meist auf kleinen, kaum befahrenen Straßen zu Beginn und am Ende sogar auf Radwegen. Bloß ein paar Abschnitte Feldweg sind natürlich auch dabei, und nach dem Regen der letzten Tagen bilden sich auf denen gelegentlich Seen.

Hohe Tatra

Mit dem Rad fahre ich nur etwa 17km bis zu einem Campingplatz bei Stara Lesna. Wenn ich schon in der hohen Tatra bin, möchte ich zumindest einmal wandern gehen. Ich suche mir eine zu lange Strecke aus dem Internet, folge ihr dann aber nicht. Ich laufe den erstbesten Weg zur Hälfte hoch und fahre zur Hälfte Seilbahn. Ich lande in (am?) Lomnicke Sedlo, irre eine Weile unentschlossen durch die Ausflüglermassen und mache mich dann auf einen zufälligen Weg, der, wie sich herausstellt in einem weiten Bogen, lange an einem Fluss entlang, wieder ins Tal führt. Über Wege aus großen Steinen und neben zahlreichen Wasserfällen entlang. Wunderschön!

Mit einer Pause bin ich am Ende 6 Stunden unterwegs zum ersten Mal habe ich am nächsten Tag Muskelkater. Aber gelohnt hat sich der Abstecher.

Stara Lesna – Lipany

70 km, 550 Höhenmeter

Erste Station heute ist Kežmarok. Ich überlege noch, ob sich ein Abstecher in die Stadt lohnt, da fällt mir eine kleine Kirche ins Auge, die ungewöhnlich wirkt. Also stelle ich das Rad ab und gehe hinein. Tatsächlich, es handelt sich um eine evangelische Kirche aus dem 18.Jahrhundert, ganz aus Holz, mit wunderschönem, aufwendigen, ebenfalls hölzernen Altar – nur drinnen zu fotografieren ist nicht erlaubt.

Offenbar war die Möglichkeit, überhaupt eine Kirche bauen zu dürfen, ein erhebliches Zugeständnis an die Protestanten dieser Zeit und mit zahlreichen Auflagen verbunden – nur Holz war erlaubt, die Bauzeit auf ein Jahr begrenzt, Glockentürme waren verboten. Manche Baumeister nahmen das als Herausforderung.

Neben dieser relativ kleinen Kirche steht eine große neuere, ebenfalls protestantische Kirche, daneben gibt es eine hübsche Innenstadt mit zahlreichen Cafés und einer Burg, die ich nicht ansehe.

Stattdessen fahre ich weiter. Unversehens bin ich im einsamsten Teil der Tour. Es geht viele Kilometer auf einem keinen Sträßchen bergauf, bergauf, nochmal bergauf, dann wieder bergab, ohne dass ich an einem Dorf oder auch nur an einem Haus vorbeikäme.

Am späten Nachmittag dann bin ich in Lipany, einem extrem unspektakulären Kleinstädtchen, in dem ich ein Zimmer in einem Sportzentrum gegenüber einer undefinierbaren Industrieanlage bekomme – offenbar die empfehlenswerteste Adresse im Ort.

Lipany – Nowy Sacz

Mit Umwegen 95 km, 770 Höhenmeter

In meiner Unterkunft habe ich ein Prospekt zu einem Radweg von Lipany nach Muszyna in Polen gefunden. OK, das ist wohl ein Zeichen. Ich entscheide, daß es Zeit ist, nach Polen abzubiegen.

Gesagt, getan. Bei näheren Hinsehen scheint allerdings der Radweg über unbefestigte Wege mitten über einen Berggipfel zu führen. Ausgeschildert ist er auch nicht, er scheint also eher in der Phantasie der Planer zu existieren. Also fahre ich doch ein gutes Stück auf der Hauptstraße. Aber auch lange Strecken auf gut asphaltierten Wegen gibt es. Früher als erwartet bin ich in Polen, kurve kurz durch Muszyna, finde aber keinen Bankautomaten, der bereit wäre, mir Geld zu geben. Also gibt es auch den Kuchen erst zwei Orte weiter, in einem offenbar alten Kurort mit Heilquellen, an denen ich aber konsequent vorbeifahre, ohne sie zu bemerken.

Abends falle ich einmal wieder auf ein Campingplatzzeichen in meiner App rein. OK, ich kann nicht ganz ausschließen, daß man irgendwo neben dieser Hauptstraße hinter dem McDonalds ein Zelt aufstellen könnte. Ich halte das nicht für eine gute Idee. Also nochmal 12km weiter. Kurz hinter Novy Sącz gibt es dann tatsächlich einen sehr niedlichen kleinen Platz an einem Fischteich. Klein, ruhig, und die Küche der gerade nicht vermieteten Hütte kann ich auch benutzen.

Nowy Sącz – Sierakow

77km, 850 Höhenmeter

Morgens kämpfe ich zunächst einmal mit der Technik: Die Navi-App hat die Strecke „verloren“ und rechnet sich fast tot beim Versuch, einen Weg nach Krakau zu finden. Das ist aus zwei Gründen blöd: erstens stehe ich dumm rum und kann nicht weiter, weil ich wirklich keine Ahnung habe, in welche Richtung ich fahren muss, zweitens saugt die App damit meinen altersschwache Handyakku in Nullkommanix leer. Erst recht, als ich in meiner Verzweiflung Google frage. Das gibt mir zwar Hinweise auf die richtige Richtung, aber dauerhaft mit Google navigieren, das schafft der Akku wirklich nicht. Erfolg habe ich erst mit Eingabe eines Zwischenziels in nur 20km Entfernung.

Dann gibt es eine Mischung aus netten kleinen Sträßchen und doofen großen Straßen, die in Polen kaum Seitenstreifen haben. Und was sollen eigentlich diese Steigungen überall? Ich habe den Eindruck, dass es noch steiler geworden ist, seit die Berge insgesamt nicht mehr so hoch sind und schiebe mehrmals kleine Strecken. Vielleicht liegt es aber auch am Wetter: für September ist es ganz schön heiß.

Schließlich stelle ich fest, dass es absolut keinen Grund gibt, heute bis Krakau zu fahren. Stattdessen finde ich ein schickes Hotel mit gutem Restaurant in einem kleinen Schloss. Die Leute, die drum herum spazieren gehen, tragen Anzüge oder schicke Kleider, irgend eine Veranstaltung scheint hier stattfinden. Ich muss ernsthaft durchatmen, bevor ich mich verschwitzt und erschöpft wie ich aussehe, hineintraue. Hätte ich nicht reserviert, ich hätte wohl gute Chancen, dass „alles ausgebucht“ ist.

Sierakov – Krakau

Auch wenn ich Schwierigkeiten habe, sie zu finden, es gibt eine recht gute Radroute ins Zentrum. Und auch dort gibt es zahlreiche Radwege und im übrigen rücksichtsvolle Autofahrer. Ich komme gut in meinen AirBnB an, es ist auch fast fertig, obwohl ich natürlich viel zu früh da bin. Prima! Ich habe eine kleine Ferienwohnung in einer relativ ruhigen Seitenstraße am Rande von Kazimierz erwischt, sehr hübsch und auch günstig, aber garantiert ein Opfer der Gentrifizierung der letzten Jahre. Ein älteres und von außen nicht sehr ansehnliches Wohnhaus scheint quasi komplett in kleine Ferienwohnungen verwandelt worden zu sein. Vermutlich auf Kosten von bezahlbaren Mietwohnungen.

Nach einer kurzen Pause dann die erste Stadtbesichtigung, fast zufällig gerate ich in eine Führung von Walkative und kann mich gerade noch anschließen. Die Führung durch das jüdische Viertel ist wirklich zu empfehlen, wie übrigens auch die anderen „Free Walking Tours“, an denen ich bislang in verschiedenen Städten teilgenommen habe. Ganz kostenlos sind sie natürlich nicht – am Ende wird um eine Spende gebeten, von irgend etwas müssen ja auch Stadtführer leben.

Die zahlreichen Synagogen, die alten Häuser, der wichtigste Platz haben die Zeit jedenfalls relativ unbeschadet überstanden und strahlen frisch renoviert vor sich hin. Aber das Viertel hat sich auch in ein Disney-Land verwandelt: überall Bimmelbähnchen, die Touristen durchs Viertel fahren, ein Café neben dem anderen, Klezmer-Musik vor historischer Kulisse, Restaurants die „traditionelle jüdische“ Gerichte für Touristen anbieten.

Einen Tag länger bleibe ich noch in Krakau, es gibt weitere Besichtigungen, das Wetter ist nach wie vor gut, ich sitze in Cafés herum und ruhe mich endlich aus.

Tja, und dann suche ich die Bahnverbindung zurück nach Berlin heraus und bekomme unkompliziert auch eine Reservierung für das Rad. Auch diese Ferien sind viel zu schnell vorbei.