Strenci – Tartu
13.6.2019
134 km
Neues Land, neues Glück. In Valka/Valga rolle ich fast ohne es zu merken über die Grenze nach Estland. Die zieht sich quer durch die kleine Stadt. Ob ich mein zweites Frühstück, Kaffee und Hamburger, im einen oder im anderen Land einnehme, weiß ich schon ein paar Minuten später nicht mehr.
Estland fühlt sich nun wirklich wie Skandinavien an : alles hübsch saniert, Holzhäuser und – tataa – wunderbare Radwege und Radwegweiser. Leider gehört zu den ersten Dingen, die ich tue, solche Wegweiser zu verwechseln und damit auf dem falschen Weg zu landen. Das trägt mir einerseits einige nette Kilometer auf einem nicht asphaltiertem, aber gut zu befahrendem Weg durch Wälder und zwischen Feldern ein, andererseits danach ein langes Stück Hauptstraße: da der Weg, den ich mir vorgenommen habe, ziemlich weit ist, kann ich mir nach dem ersten Umweg keine weiteren mehr leisten.
Insgesamt werden die Strecken zwischen Ortschaften noch einmal deutlich länger. Zwischen zwei Dörfern können gut mal 30km liegen, dazwischen gibt es höchstens mal einzelne Häuser. Und zumindest gefühlt wird weniger russisch gesprochen als in Lettland – dafür oft hervorragendes englisch.
Tartu – Kallaste
14.6.2019
54 km
Ich schlafe in meiner sehr netten Pension erst einmal aus, werfe einen Blick auf das beeindruckende ehemalige Universitätsgebäude von Tartu, auf das Rathaus mit der Skulptur von zwei sich küssenden Studenten unter einem Schirm, auf den Park, das Rathaus, die Fußgängerzonen. Ein Stück Torte als zweites Frühstück ist auch eine gute Idee.
Da ich keine sehr weite Strecke vorhabe, versuche ich es heute verstärkt mit den Nebenstrecken, also den nicht asphaltierten Straßen durch den Wald. Sie sind lang, einsam und und gelegentlich als Radweg ausgeschildert.
Zum Mittagessen finde ich auf der Karte ein Messer – und – Gabel – Symbol und erwarte eine Dorfgaststätte oder eine der Selbstbedienungsrestaurants, die es in Estland häufiger gibt. Weit gefehlt: ich diniere heute im Schloss Alatskivi aus dem 19.Jahrhundert. Schickes Restaurant, relativ teuer, in einem Raum ist schon für irgend eine Feier gedeckt, aber am frühen Nachmittag bin ich der einzige Gast, werde von zwei Leuten umsorgt und gebe mir Mühe, in meinen kurzen Hosen und dem karierten Hemd nicht allzu abgerissen auszusehen.
Am Nachmittag komme ich am Lake Peipus an, einem riesigen See, den sich Estland mit Russland teilt. Das andere Ufer ist von Campingplatz an See tatsächlich nicht zu sehen. Eigentlich würde der See ja zum Baden einladen… Aber es ist nicht besonders warm und ja auch immer ein bisschen blöd, dass ich niemanden dabei habe, der auf meine Sachen aufpassen könnte. Ich lasse es sein und spaziere stattdessen in den nächsten Ort.
Kallaste – Johvi
15.6.2019
113 km, teilweise mit deutlichem Gegenwind
Meine Güte, die Strecke ist schon wieder ganz schön anstrengend, vor allem, weil der Wind ziemlich stark ist. Zum Ende hin kommt er direkt von vorn, tagsüber eher von der Seite – beides nicht ganz optimal. Am Vormittag bekomme ich noch ziemlich viel vom Lake Peipus zu sehen. Am Straßenrand steht fast ein Fischverkäufer neben dem nächsten, alle verkaufen sie geräucherten Fisch. Im Prinzip zum Mitnehmen geeignet, für mich aber definitiv zu groß.
Die Mittagsgaststätte der Wahl ist heute kein Schloss, sondern die Kantine eines Campingplatzes am See, es gibt Kartoffelsuppe und Kwass. Dann weiter. Die Kilometer ziehen sich ganz schön.
Ich habe mir heute eine Ferienwohnung in Johvi gebucht, eine gute Wahl. Sie stellt sich als perfekt sanierte Wohnung heraus, die in eine ziemlich heruntergekommenen sowjetischen Wohnblock liegt – ein ziemlich erheblicher Kontrast zwischen vor und hinter der Wohnungstür.
Johvi – Narva
16.6.2019, 70 km, Sonne
Ich versuche mich mal wieder an den kleinen Nebenstrecken. Und, was soll ich sagen, Wald, Felder, Wald, höchstens ganz sanfte Steigungen, dann plötzlich jede Menge Pferde. Einmal wieder stelle ich fest, dass die Stechfliegen hier noch nichts vom Insektensterben gehört haben, dauernd umschwirrt mich mindestens eine. Als ich versuche, einer davonfahren, gelingt es erst bei Tempo 30.
Am späten Nachmittag bin ich endlich in Narva. Wieder eine Ferienwohnung in einem Sowjet-Wohnblock, wieder innen sehr hübsch saniert und dieses Mal mit Blick auf die Burg an der Narva. Von innen kann ich sie leider nicht mehr ansehen, ich bin zu spät. Aber ein Spaziergang drum herum ist auch ganz nett. Es stehen sich hier zwei Burgen gegenüber, auf jeder Seite der Narva eine, beide aus dem 13. Jahrhundert. Auf der einen weht die estnische Flagge, auf der anderen die russische.