Pamir-Highway – das Wichtigste

Quelle: OpenStreetMap
Quelle: OpenStreetMap

Highlights

Highlight ist natürlich die Landschaft und immer wieder die Landschaft. Und dann die Gastfreundschaft, der man immer wieder begegnet.

Was die Landschaft betrifft: der Blick über den Nurek-Staudamm, die engen Täler am Panj, der Wakhan Korridor mit grünen Oasen am Fluss (wobei das Gras auf der afghanischen Seite immer grüner ist..), die menschenleere Mondlandschaft auf den Hochebenen, der Kara’Kul, die Grünen Täler in Kirgistan…

Und ständig gibt es Einladungen zum Tee, zum Essen – die meisten davon muss man zwangsläufig ablehnen. Selbst in Geschäften durfte ich öfter meine (kleinen) Einkäufe nicht bezahlen, das frisch gebackene, noch heiße Brot, das Wasser, Obst.. Es ist nicht so, dass es hier keine Touristen gibt, aber in den Dörfern sind es im Sommer nur sehr wenige, die jeden Tag durchkommen. Und so stehen dann überall Kinder am Straßenrand und halten ihre Hände zum Abklatschen hin.

Wie sportlich muss man sein?

Es braucht keine Leistungssportler für die Strecke – aber praktisch wäre es schon. Ich selbst bin 56 Jahre alt, 1,60 klein, weiblich und habe eher ein mittleres Fitnesslevel. Ich bin ein paar Strecken aus verschiedenen Gründen mit LKWs getrampt, aber im großen und ganzen habe ich die Strecke schon geschafft. Anstrengend war es aber. Geschoben habe ich gelegentlich auch.

Man sieht sich so eine Strecke ja vorher an, rechnet vielleicht Kilometer und Höhenmeter zusammen und kommt zu dem Schluss, dass die zu schaffen sind. Die echten Feinde sind aber die Straßenqualität und der Wind, der im Hochgebirge immer ab Mittag weht. Das Glück, dass er genau von hinten kommt, hat man selten. Für die Nicht-Leistungssportler: wenn ich außerhalb der ganz einsamen Strecken vorsichtig meine Hand rausgehalten habe, hielt immer das nächste Fahrzeug an und lud mein Fahrrad auf.

Straßen

Nun ja. Die Strecke, die ich gefahren bin, beginnt mit einem längeren Stück auf gutem Asphalt, wenn auch mit einigen Höhenmetern. Ab Kalai Khumb ist es damit dann vorbei. Auf den folgenden 180 km wird die Straße ausgebaut (2024, aber das dürfte sich in den nächsten Jahren kaum ändern), die Straße ist offiziell fast den ganzen Tag gesperrt, tatsächlich ist es Glückssache, wann man doch durchgelassen wird. Wenn man dann fahren darf, sind da riesige Staubwolken, weil die Straße nicht befestigt ist, und die LKW eben gleichzeitig fahren dürfen. Nach den Baustellen lässt die Staubkonzentration in der Luft nach, es gibt auch mal asphaltierte Abschnitte. Die sollte man genießen, sie sind kurz und werden von viel Wellblech und großsteinigem Schotter abgelöst.

Allein? – Sicherheit

Kurz gefasst: so lange Menschen in der Nähe sind, kein Problem. In allen Dörfern und Städten habe ich mich immer sehr sicher gefühlt. Sollte man mal Hilfe brauchen, bekommt man sie sofort.

Etwas schwieriger fand ich es dort, wo man eben keine Menschen trifft. Zwischen dem Wakhan-Korridor und Murgab und auch danach bis nach Kirgistan ist es schon sehr einsam. Praktisch kein einheimischer Verkehr, vielleicht alle paar Stunden mal ein Jeep mit Touristen, dafür dieser Sturm – da wäre mir Begleitung schon lieber gewesen und einen Teil der Strecke bin ich auch aufs ein Auto ausgewichen.

Einheimische erzählen auch gern von Wölfen und Bären (die es gibt), aber dass die Probleme machen, scheint sehr unwahrscheinlich zu sein.

Krankheiten

Ich bin verschont geblieben, aber viele Touristen erwischt der übliche Magen-Darm-Infekt. Keine Ahnung, wie man das vermeiden kann, gut ist es sicher, in den ersten paar Tagen vorsichtig zu sein, bis man die Klima-, Zeit- und Nahrungsumstellung hinter sich hat. Danach habe ich im Grunde alles gegessen, was mir vorgesetzt wurde.

Einheimische sagen immer wieder und eigentlich überall, dass man das Wasser aus Wasserhähnen am Straßenrand/aus kleinen Bächen/ überall ohne weiteres trinken kann. Touristen filtern meist trotzdem (ich auch). Aber man findet fast überall klares Süßwasser.

Verständigung

Russisch. Ja, es macht Sinn, ein paar Wörter in den Landessprachen zu wissen, aber mit Russisch kommt man gut klar, Englisch können nur wenige über ein paar Wörter hinaus. (Aber da Touristen ja doch ähnliche Dinge wollen, reichen die oft). Tadshikisch ist dem Persischen offenbar sehr ähnlich, Kirgisisch dem Türkischen.

Grenzen und Formalitäten

Tadschikistan

Viele Europäer können sich für 30 Tage visafrei in Tadschikistan aufhalten. Die Nachteile: nach spätestens 10 Werktagen muss man sich bei einer Behörde namens OVIR anmelden, wer durch das Wakhan-Tal möchte, braucht zusätzlich die GBAO (autonomes Gebiet Berg- Badakhshan)-Genehmigung, die man am einfachsten zusammen mit dem Visum bekommt. Für die Anmeldung vor Ort braucht man eine Bescheinigung des aktuellen Hotels, Zeit an einem bis zwei Werktagen und – nach Aussage von einigen Touristen – etwas Bestechungsgeld. Genauer: die Anmeldung und die Genehmigungen kosten zwar Geld, sind aber eigentlich billig, oft werden vor Ort höhere Preise genannt und wer die nicht zahlt, wartet sehr lange.

E-visa

Die eigentlich einfache Alternative ist das E-Visa (bis 60 Tage), das man online beantragen kann. Obwohl das keine offizielle Bedingung ist, bekommt man häufig (immer?) eine Rückfrage mit der Aufforderung, eine Reiseplanung und eine Einladung des Reiseveranstalters hochzuladen. Dann ist es Glückssache: manchmal genügt die Erklärung, dass und warum man keinen Reiseveranstalter nutzt, manchmal nicht. Bei mir reichte eine ungefähre Reiseplanung (also jpeg!), im anderen Fall gibt es Anbieter, die gegen Geld LOIs verschicken. Manchmal werden die Anträge auch abgelehnt, oder sie verschwinden in einem schwarzen Loch. In dem Fall kann man dennoch visafrei oder mit visa on arrival einreisen.

Kirgisische Grenze

Eine weitere Genehmigung braucht man für den Grenzübertritt am Kyzyl-Art-Pass. Diese Grenze ist für Einheimische gesperrt, für Touristen mit Genehmigung aber offen. Diese Genehmigung erhält man von einigen Kirgisischen Reiseagenturen über Whatsapp (yep!) gegen Bezahlung von ungefähr 15 € und Einsenden einer Passkopie . Ich habe meine Genehmigung über „Travel by silk Road/Destination Osh“, Tel.: +996776770090 bekommen, andere Optionen findet man hier . Die Unsicherheit war, dass ich keine Möglichkeit gefunden habe, das Geld zu überweisen – ich habe es mehrfach mit unterschiedlichen angegebenen Bankverbindungen versucht, das Geld kam jeweils nach einigen Tagen zurück. Letztlich wurde ich gebeten, das Geld vorbeizubringen, sobald ich in Osh bin. Außerdem bekam weder ich noch sonst irgend ein Tourist eine schriftliche Bestätigung für die Genehmigung: die Reiseagentur schickt schlicht die Information an die kirgisischen Behörden, dort wird man auf eine Liste für den Grenzübertritt gesetzt. Man hofft also, dass alles geklappt hat, nachdem man 20km steil bergab auf schlechter Straße durch Niemandsland gefahren ist. Man möchte hier definitiv nicht zurück!

Kirgistan

Kirgistan ist für Deutsche bis zu einem Aufenthalt von 60 Tagen visafrei und außer der Grenzübertrittsgenehmgung am Kyzyl Art Pass kenne ich auch keine weiteren Fallstricke.

Sim-cards

Sim-cards gibt es günstig in den sehr häufigen Geschäften der Anbieter. In beiden Ländern werden sie mit dem Pass und ggf. Visum registriert. Ich bin nicht sicher, ob dabei auch die Imei-Nummer registriert wird, ich konnte jedenfalls in Kirgistan keine Sim kaufen, ohne sie direkt im Handy einzusetzen und das Handy aus der Hand zu geben.

Für Tajikistan scheint T-Cell als Anbieter am besten zu sein, aber es gibt auch Gegenden, in denen nur Megafon funktioniert. Gerüchteweise sind die Sims in Tadshikistan nur für Berg-Badakhshan freigeschaltet, wenn man beim Kauf die Genehmigung für die Region vorlegt. Im Zweifel lässt sich die Freischaltung auch später nachholen.

In Kirgistan hatte ich Beeline und war zufrieden nach der langen Durststrecke ohne Netz in Tadshikistan. Gerüchte sagen, dass es bessere Anbieter gibt.

Etwas schwierig war es in Dushanbe, eine e-sim zu bekommen, der Wunsch führte bei der Verkäuferin fast zum Nervenzusammenbruch. In Sary-tash, einem Grenzdorf in Kirgistan mit Sim-Verkauf im Tante-Emma-Laden war es unmöglich.

Am besten ist es vermutlich, sich E-Sims schon vorab zu besorgen, soweit man es schafft, zu bezahlen.

Pamir Teil 1: Duschanbe – Kulob

Das Fahrrad kommt nachts heil in Dushanbe an, zusammen mit dem Gepäck und inclusive ein paar Sachen, die ich für einen unbekannten Radler dabeihabe – das Hostel hat mich gefragt, ob ich helfen kann. Alles viel zu schwer für mich Aber zum Glück ist immer jemand da, der mein Gepäck hierhin und dorthin hebt.

Am ersten Tag sind eigentlich bloß ein paar praktische Erledigungen geplant: Fahrrad zusammenbauen, Geld besorgen, Sim-Karte kaufen. Alles davon ist schwieriger als erwartet: am Rad sind zwei kleine Schrauben verloren gegangen, die Bremse zickt, ein Typ, der helfen will, steht gekonnt im Weg. Es ist Samstag und ein Geldautomat nach dem anderen erweist sich als leer. Ich brauche eine e-Sim und die gibt es nur in ganz bestimmten Läden, außerdem führt der Wunsch bei der Verkäuferin fast zum Herzinfarkt und zu einer ganzen Reihe von Telefonaten. Und dann die Hitze…

Irgendwann am Nachmittag ist dann doch alles geschafft, ich tausche mich noch mit ein paar Leuten im Hostel aus, die eigentlich alle Monate bis Jahre unterwegs sind („ach du fährst nur den Pamir-Highway?“ „Ich habe mit 48 aufgehört zu arbeiten, jetzt bin ich unterwegs.“)

Es sind auch mehrere Leute da, die am selben Tag losfahren wollen, wie ich. Ich entscheide mich trotzdem, mich nicht sofort bei jemandem anzuschließen, gerade an den ersten Tagen will ich sehr früh los wegen der Hitze und fürchte auch (zu Recht, wie sich herausstellt), dass mich diese jungen Overlander überfordern.

Duschanbe – Dusti

62 km, 620 HM rauf, etwas mehr runter, 1 Tunnel

Wie geplant starte ich früh – gegen Viertel nach 5. (Hallo Jetlag, für mich ist es eigentlich vor zwei Uhr nachts, als ich aufstehe.) Trotzdem die richtige Entscheidung, es dauert noch ein paar Tage, bis ich in der Hitze ernsthaft bergauf fahren kann. Am Anfang ist die Temperatur tatsächlich angenehm, auch die Autobahn aus Duschanbe raus ist nicht ganz so voll. Mein Weg führt erst einmal eine Hauptstraße lang, dann bergauf, dann durch einen mehrere km langen Tunnel. Im Gegensatz zum Anzob-Tunnel letztes Jahr, ist der allerdings in Ordnung: die Ventilatoren machen  einen unglaublichen Lärm, ventilieren aber und Licht gibt es auch überall. Weiterer Vorteil: im Tunnel geht es für mich bergab.

Kurz vor diesem Tunnel stelle ich noch fest, dass mein Licht nicht funktioniert. Glücklicherweise lässt sich das schnell beheben. Und ein williger Helfer kommt auch erst, als ich praktisch fertig bin. Er hat also keine Chance, im Weg zu stehen.

Hinter dem Tunnel geht es dann die ganzen vielen schönen Höhenmeter wieder herunter. Schade. Aber sowohl die Berge, als auch der örtliche Fluss – der Vahsh sind wirklich schön.

Kurz nach Mittag reicht es mir dann. Ich biege ab, opfere weitere Höhenmeter und miete mich in einem recht teuren  Ressort-Hotel am Fluss ein. Ist ja der erste Tag, da darf man das. Theoretisch gibt es hier eine ganze Menge Pools.  Frauen sieht man darin allerdings nicht, ausschließlich Jungs.

Dusti – Kuybulyon

73 km, 943 Hm bergauf, 1005 bergab, sagt Osmand

Nurek-Staudamm

Wieder fahre ich früh los. Meine Bekannten aus Dushanbe hole ich trotzdem nicht ein, auch andere Touristen treffe ich nicht. 

Die Steigungen fallen mir ganz schön schwer, es geht gleich morgens steil bergauf, dann kommt  irgendwann wieder durch ein langer Tunnel (2200 Meter, dieses Mal leider etwas bergauf). Hinterher gibt es eine fantastische Aussicht auf das Nurek Reservoir. 

Hier oben, nahe an einem Aussichtspunkt, hat sich ein ganzer Markt angesiedelt, Stände mit Essen und Sitzpläzen über dem Reservoir, Stände, die zum Beispiel getrocknete Früchte verkaufen. Ich gehe einmal die ganze Reihe entlang. An allen Essensständen kocht in etwa die gleiche Suppe, die ich zunächst nicht zuordnen kann, die aber nicht sehr appetitlich aussieht. Trotzdem setze ich mich an einen Platz, bestelle Tee und bekomme gleich zwei Schalen mit unterschiedlichen Suppen hingestellt, ausserdem Brot und vergorene Milch, die in eine der Suppen soll. Ein Mann, anscheinend auch einen Gast, sagt mir, dass alles auf seine Rechnung geht. Er hat offenbar bestellt, bezahlt und verschwindet kurz danach. Die eine Suppe enthält Nudeln und ein bisschen Gemüse, die andere Suppe ist Kuttelsuppe und damit eines der wenigen Dinge, die ich absolut nicht essen kann. Schade. 

Es bleibt nicht das einzige Mal heute, dass ich etwas kaufen möchte und nicht bezahlen darf. Es geht weiter mit frischgebackenem Brot in der nächsten Stadt. Ich bestelle zwei Fladenbrote und bekomme drei, Geld will die Verkäuferin auf keinen Fall. Wasser, in einem kleinen Laden  bezahlt ein zufällig neben mir stehender Mann für mich und verschwindet. Eine Honigmelone darf ich ebenfalls nicht bezahlen. Den Tee, den ich in einem Café trinke, bekomme ich auch kostenlos. Und ja, ich habe ganz sicher immer mehrmals nachgefragt. Und ja, ich hatte den Eindruck, dass das ernst gemeint war, immer. 

Abends möchte ich zelten und folge den Empfehlungen einer meiner Apps. Der Platz ist wirklich schön, eine große flache Ebene, umgeben von Hügeln mit einem kleinen Bach. Ich sitze eine ganze Weile da, ohne dass sich auch nur von weitem jemand blicken lässt.

Die Nacht wird dennoch katastrophal: noch am Abend beginnt ein heftiges Gewitter, Sturm, Hagel, Weltuntergang. Die Zeltwände biegen sich gefährlich. Der erste Regen lässt nach, der zweite beginnt, lässt wieder nach, ich beginne, mich zu entspannen. Bis ich merke, dass das Zelt im fließenden Wasser steht. Ich muss weg. Irgendwie gelingt es mir mit nur einem Schuh am Fuß – der andere ist irgendwo im Wasser – erst ein paar Sachen, dann das Zelt mit fast allem Übrigen auf die einzige mögliche erhöhte Stelle – einen Fahrweg an einem Hügel – zu bringen. Ein paar Heringe fehlen am Ende, mit den übrigen befestige ich das Zelt so gut wie möglich. Dann verbringe ich mehrere Stunden damit, mich vor einem neuen Sturm zu fürchten – so mit fehlenden Heringen und so. Schlafen kann ich kaum. 

Kuybulyon – Kulob

65 km, 448 Hm aufwärts, ähnlich viel abwärts

Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf bin ich nicht unbedingt fit. Die 35°c machen das nicht besser. Und so bin ich ausgesprochen froh, als ich gegen 14 Uhr in Kulob ankomme. Ich mache noch ein paar Besorgungen, der Manager meines Hotels bastelt mir Ersatzheringe  für die verlorenen. Außerdem wäscht er (ungefragt) am Abend mein gesamtes, komplett schlammiges Zelt.