Teil 7 – Potosi – Santa Cruz

Mein Rad hatte ich in einer Pension in Uyuni stehen lassen (kein Problem, es ist ganz sicher, sagten die Gastgeber). Als ich versuche, sie wegen der Abholung zu erreichen, bekomme ich auf keinem der möglichen Kanäle Antwort, auch buchen kann ich die Pension nicht. Ein bisschen verunsichert bin ich also, also ich mich in den Bus nach Uyuni setze. Dort angekommen, scheint die Pension wie ausgestorben, ich sehe oder höre keinen Menschen. Allerdings kenne ich noch die kleine Schnur, die durch ein Loch in der Tür nach draußen hängt. Mit der lässt sich die Türklinke von außen öffnen und im Flur steht – genau wie ich es da gelassen habe – mein Fahrrad. Ich schreibe also eine kurze Nachricht für die Gastgeber, wundere mich und nehme das Rad mit.

Trotzdem will ich mir die restliche Strecke nicht zu schwierig machen. Deshalb lade ich das Rad erst einmal wieder in den Bus nach Potosi. Das ist sehr unproblematisch, im Gegensatz zu Chile will auch niemand Geld für das Rad.

In Potosi allerdings stelle ich zu meinem Leidwesen fest, dass der Busbahnhof definitiv nicht in der Innenstadt liegt. Dafür liegen gute Teile der Stadt an extrem steilen Hängen und alles natürlich in ungefähr 4000 m Höhe. Habe ich die dicken schwarzen Wolken erwähnt, die fast sämtliche Fahrzeuge hinter sich herziehen? Also: der Weg vom Busbahnhof zum Hotel ist sehr ernüchternd. Und sehr anstrengend.

Ich habe einen ganzen Tag Zeit in Potosi und eigentlich habe ich den fast ganz verplant: vormittags eine Tour durch die aktiven Minen der Stadt, nachmittags eine Stadtführung. Es kommt zumindest für den Vormittag anders: ich gehe gerade mal 20m in die Mine hinein, bekomme einen Anfall von Claustrophobie und fliehe. Ja, letztes Jahr bin ich 7 Stunden durch ein sehr enges Höhlensystem in der Ukraine gekrabbelt. Nein, das ist nicht dasselbe. In Potosi ist es absolut realistisch, kaum Luft zu bekommen, Sicherheitsvorkehrungen sind berüchtigt kaum vorhanden (der Führer erklärt, dass Zigaretten etwas anders glühen, wenn der CO-Gehalt zu hoch wird. Messgeräte sind überschätzt.). Ich kann da nicht rein und warte draußen auf die Gruppe.

Die Innenstadt von Potosi ist sehenswert: viel koloniale Architektur, viel Protz. Die Stadt war eben einmal sehr reich, mit ihrer ergiebigen, von den Spaniern ausgebeuteten Silbermine.

 Potosi-Betanzos

47 km, 300 Hm bergauf, vielmehr bergab

Wie schon die Fahrt zum Hotel ist auch die Fahrt aus der Stadt heraus eine Katastrophe. Die engen Einbahnstraßen navigiert die App ganz gut, aber der Verkehr! Die dicken, schwarzen Abgaswolken! Ja, das gibt es woanders auch, aber in mehr als 4000 m Höhe japse ich sowieso schon nach Sauerstoff. Und so steil wie hier sind die Straßen auch nicht überall.

Hinter der Stadt wird es langsam besser, außerdem führt die kurze Strecke heute vor allem bergab. Gegen Mittag bin ich in Betanzos und finde tatsächlich eine nette Unterkunft – ziemlich neu, sauber, umgerechnet 6 Euro pro Nacht.

Betanzos selbst ist eine eher langweiligen Provinzhauptstadt. Es gibt eine hübsche Kirche und einen Markt, aber damit scheint man dann auch alles gesehen zu haben. Beim zweiten Gang durch die Stadt erscheint sie dann eher trostlos.

Kirche in Betanzos

Betanzos – Puente Antonio Jose Sucre

65 km, 746 Hm

Weiterhin geht es vor allem bergab – mit deutlich nennenswerten Ausnahmen. Und zumindest heute macht sich das auch in der Temperatur bemerkbar: es ist heiß, Anstiege in der Sonne sind definitiv kein Spaß.

In Millares esse ich zu Mittag. Es gibt hier an den meisten Orten Comedores, also günstige Restaurants, in denen man eine Suppe und Hauptgericht für umgerechnet unter zwei Euro bekommt, viel günstiger als in Restaurants, die auf Touristen ausgerichtet sind. Abwechslungsreich ist das Essen nicht – die Optionen scheinen überall identisch zu sein. Aber die Schnitzelqualität ist OK und satt wird man definitiv. Ein Risiko für Lebensmittelvergiftung ist natürlich immer dabei.

Einen Anstieg später erreiche ich die Brücke „Antonio Jose Sucre“. Es handelt sich um eine Hängebrücke, die beeindruckend zwischen zwei  Forts über den Fluss Pilcomayo führt – und die heute vollkommen funktionslos ist. Nicht nur, dass sie anscheinend mitten im Nirgendwo gelegen ist, sie ist nicht einmal mit dem Fahrrad von beiden Seiten erreichbar. Zwar führt von der Hauptstraße aus ein Weg hinunter zur Brücke, aber für alle außer Fußgänger hat ein Erdrutsch den Weg unpassierbar gemacht, man muss außen herum über eine neuere Brücke fahren. Genau das tue ich – ioverlander empfiehlt den gegenüberliegenden Turm als Zeltplatz.

Außer mir ist bereits ein französisches Paar mit Camper da, außerdem eine ganze Reihe wilder Hunde. Es ist laut, nebenan wird Kies ausgebaggert, aber wir hoffen, dass der Lärm nachts aufhört – leider behalten wir nur teilweise Recht, die ganze Nacht über sind immer Mal wieder Motoren zu hören.

Schlimmer aber: das nette französische Paar lädt mit zum Abendessen ein. Einer der Hunde ist entweder frustriert, dass die Einladung nur für mich gilt oder findet einfach mein Zelt toll – jedenfalls zerfetzt er in der Zeit die ich weg bin, gute Teile meines Vorzelts und beißt gleich mehrere Leinen durch. Und dann steht er da, wedelt intensiv mit dem Schwanz und benimmt sich, als wolle er gelobt werden…

Puente Sucre
Dieser Hund hat mein Zelt zerstört!

Puente Sucre – Sucre

45 km, 1250 Hm, aber die letzte paar hundert davon fahre ich Bus.

Was soll ich sagen, die Landschaft ist gewohnt hübsch, die Höhenmeter führen aber heute mehr bergauf als bergab. Nach den katastrophalen Abgasen in Potosi habe ich aber ohnehin nicht die geringste Lust, mit dem Rad in eine bolivianische Großstadt hinein zu fahren. Also geht es bis Yolata, ich esse zu Mittag und mache mich auf die Suche nach einem Bus. Eine ältere Frau, die an der Straße Empanadas verkauft, hilft. Einige Minibusse fahren an mir vorbei, bis endlich einer anhält. Der Fahrer klettert aufs Dach, lässt sich das Rad hochgeben, legt es auf den Dachgepäckträger ohne es sonderlich zu sichern, ich quetsche mich mit Gapäck in den schon überfüllten Bus und los geht es.

Etwas später bin ich in Sucre, der offiziellen Hauptstadt (aber nicht Regierungssitz!) von Bolivien und muss überlegen, wie es weitergeht mit meinem kaputten Zelt.

Sucre ist erst einmal überraschend hübsch – weiße Gebäude (wie ich später erfahre ist die weiße Farbe im Zentrum vorgeschrieben), koloniale Kirchen, deutlich weniger chaotisch und voll als andere Städte. Auch mein Hostal ist sehr schön.

Sucre

Ursprünglich möchte ich nur zwei Nächte bleiben, letztlich werden es 8. Ich melde mich zu einem Spanischkurs in einer der hier relativ zahlreichen Schulen an – meine heißt “ me gusta“, und ist durchaus empfehlenswert.

Was mein kaputtes Zelt betrifft, dauert alles länger als gedacht. Zuerst versuche ich ein Neues zu kaufen, was sich als erstaunlich schwierig erweist. In Uyuni wurden ein paar Zelte auf dem Markt verkauft, hier nicht. Schließlich finde ich eins  für umgerechnet 15 Euro. Klar, dass ich dem nicht traue. Die Zeltstangen sind anscheinend aus Kunststoff und ein paar Millimeter dick, die Heringe sehen eher aus wie Nadeln und ein Innenzelt gibt es natürlich nicht. Aber immerhin kann ich den Stoff nutzen, um das alte Zelt zu reparieren. Auch jemanden zu finden, der die Reparatur übernehmen kann, dauert. Die Lösung ist, dass Näherinnen nicht auf dem zentralen Markt zu finden sind, sondern auf dem so genannten Schwarzmarkt. Mit etwas Verspätung kommt mein Zelt kommt unter eine der Nähmaschinen. Ob es wieder funktioniert? – muss ich wohl ausprobieren. Die Näherin hatte es etwa eilig und die Maschine hatte Schwierigkeiten, den beschichteten Stoff zu transportieren. Das Ergebnis ist einigermaßen ungleichmäßig, aber es sollte ausreichen, um das Vorzelt wieder abzuspannen.

Sucre – Zurima

60 km, 1000 Hm

Ich hatte gehofft, dass der Weg aus Sucre heraus etwas weniger unangenehm ist als der aus Potosi. Ich lag falsch. Die Städte sind hier alle im Schachbrettmuster angelegt, ohne irgendeine Rücksicht auf das Höhenprofil. Manche Straßen sind also extrem steil, ich werde wieder in schwarze Wolken von Autoabgasen gehüllt und die Stadt will kein Ende nehmen.

Als sie es doch tut, ist da ein Dinosaurier-Park. Zu sehen sind echte fossile Fußspuren von Sauriern, an einer so gut wie senkrechten Wand (die durch tektonische Verschiebungen aufgerichtet wurde.) Das Interessante daran ist, dass die Anden weitgehend erst nach dem Aussterben der Dinosaurier entstanden sind. Erstaunlich also, dass sich die Spuren erhalten haben, weniger erstaunlich, dass was einmal eine Ebene war, heute eine senkrechte Wand ist.

Ich habe allerdings genug davon, in Zeitlupe voranzukommen und werfe deshalb nur einen kurzen Blick auf ein paar Spuren, bevor ich weiter fahre.

Der Verkehr wird jetzt weniger, irgendwann fahre ich durch ein Tal, dass offenbar Naherholungsgebiet für Sucre ist – den vielen Pools, Rutschen und Restaurants nach zu urteilen. Ich esse guten Pacu  zu Mittag  – ein Fisch, den es hier überall gibt und von dem ich noch nie gehört habe.

Gegen Nachmittag wird die Landschaft dann richtig schön und auch mein Ziel heute, das Dorf Zurima ist zwar klein aber sehr sympathisch. Eine Unterkunft für mich gibt es auch: ein Zimmer in einer Hofanlage, die ich für mich allein habe. Fensterglas gibt es nicht – und damit ist leider kaum etwas gegen die Mücken zu machen, Wasser kommt offenbar nur tröpfchenweise durch die Leitung, aber der Hof ist sehr schön.

Zurima – Aiquile

80 km, 1530 – 1680 Hm

Uff! Der Tag fängt mit ein paar km abwärts an, dann ist es ein langer, langer (wenn auch nicht sehr steiler) Anstieg bis ein paar km vor Aiquile.

Größtenteils führt die Straße durch ein weites Tal, auf den ersten Blick fällt der Anstieg kaum auf.

Wie immer sitzen jede Menge wilde Hunde am Straßenrand. Sie sehen aus, als würden sie sich mit Autofernsehen amüsieren. Tatsächlich warten sie vermutlich darauf, dass Leute Abfälle aus dem Autofenster werfen – was sie auch ständig tun. Wobei – es sieht so aus, als würden die Abfälle am Straßenrand auf dem Weg weniger, dafür sehen die Hund immer ausgehungerter aus.

Aiquile – Peña Colorada

56 km, 1000 Hm

Der Tag gestern steckt mir noch etwas in den Knochen, also geht es eher langsam vorwärts. Ich schiebe das Rad öfter mal die Anstiege hoch – schlicht, um auch mal andere Muskeln zu benutzen. Die Steigungen sind eigentlich alle fahrbar.

Ich bin mittlerweile klar in Papageienland. Es gibt ein Schutzgebiet, speziell für eine bestimmte Papageienart. Allerdings: Die Vögel lassen sich partout nicht fotografieren. Dafür sind permanent ihre Schreie zu hören.

Heute gibt es keine feste Unterkunft für mich, ich muss zelten. Ich nehme einen Platz, den Ioverlander empfiehlt, neben einem Turm aus roten Felsen. Es ist ein bisschen steinig – Heringe sind eigentlich nicht in den Boden zu bekommen (aber es liegen genug große Steine herum, um das Zelt zu sichern). Der Platz ist aber sehr schön. Allerdings wird es mittlerweile gegen halb 7 dunkel. Also, was bitte macht man im Zelt danach? Wenn man zusätzlich nicht zuviel Licht machen will? Eine Weile höre ich mein Hörbuch. Ich gehe nochmal raus (und habe etwas Schwierigkeiten, im Dunkeln mein Zelt wiederzufinden). Dann lasse ich mich von entfernten Wetterleuchten verunsichern. Gegen 9 versuche ich zu schlafen. Ist natürlich zu früh, ich liege ziemlich lange wach diese Nacht.

Peña Colorada – Saipina

45 km, 738 Hm

Irgendwann in der Nacht sind Wolken über den wunderschönen Sternenhimmel gezogen, als ich aufwache, regnet es. Wieder einmal packe ich das Zelt patschnass und sandig ein und fahre los. Eine längere Pause gibt es an einem kleinen Laden mit pappsüßem Saftersatz, weil der Regen zu heftig ist, als er nachlässt, geht es weiter. Die Strecke ist heute nicht sehr lang, die Höhenmeter sind auf mehrere Anstiege verteilt. Gegen Mittag bin ich in Saipina.

Der Ort ist ein bisschen trostlos, wie viele andere. Es gibt einen grünen Platz in der Mitte, eine Reihe günstiger Lokale, einen Markt. Kein Café, in dem man sich länger aufhalten möchte. Dafür treffe ich Rad Reisende, ein Paar aus Deutschland. Sie sind in die andere Richtung unterwegs, nach Sucre, Potosi, Uyuni. Mehr als für einen kurzen Erfahrungsaustausch sehen wir uns also nicht.

Samaipata

So, ich habe keine Lust mehr auf die vielen Steigungen und es regnet auch schon wieder. Also packe ich das Rad früh morgens in einen Bus. Wieder ist das super unproblematisch. Während man in Chile zumindest kritisch und genervt angesehen wurde und für den Transport ordentlich kassiert wurde, scheinen sich die Kartenverkäufer hier über die Frage zu wundern… natürlich kann der Bus ein Rad mitnehmen.

Samaipata ist ein nettes, relativ touristisches Städtchen mit Hippie-Vibes. Hübsche Cafés gibt es jede Menge, außerdem Agenturen, die Ausflüge und Wandertouren anbieten. Meine Unterkunft hat einen parkartigen Garten und gleich mehrere Gebäude aus Lehmziegeln. Ich bekomme ein großes Zimmer mit riesigen Panoramafenstern und Terrasse. Ideal für die letzten, entspannenden Tage in Bolivien.

In der Nähe befinden sich zwei wichtige Ausflugsziele: der Amboro Nationalpark mit gleich mehrere Vegetationszonen und „El Fuerte“, ein Berg, der gleich von mehreren Kulturen genutzt wurde, sowohl für kultische Zwecke als auch als Fort und für Wohngebäude: eine vor-inkaische Zivilisation, die Inkas, die Spanier.

Ich nehme an einer Wanderung zu Riesenfarnen teil, und besuche El Fuerte auf eigene Faust.

Auf dem Weg dorthin gibt es eine weitere, sehr lohnende Sehenswürdigkeit: das Refugio de colibris. Es handelt sich um ein großes Grundstück, auf dem nichts anderes getan wurde, als Nahrungspflanzen für Kolibris anzubauen. Extrem erfolgreich: man kann an einer beliebigen Stelle warten und sicher sein, gleich mehrere Kolibriarten zu Gesicht zu bekommen.

Santa Cruz

Auch nach Santa Cruz fahre ich nicht mit dem Rad – die Zeit dazu würde nach der Pause in Samaipata gar nicht mehr ausreichen. Dieses Mal wird es ein Sammeltaxi, mein Rad kostet eine kleine Gebühr und wird dafür kunstvoll auf dem Dach verzurrt.

Santa Cruz ist die größte Stadt Boliviens, es gibt einen schönen Platz im Zentrum und einige hübsche Cafés. Ein Taxifahrer erzählt stolz, die Stadt sei der wirtschaftliche Motor Boliviens. Sonst allerdings gibt es nicht allzuviel zu sehen.

Zu meiner Überraschung bekomme ich ziemlich unproblematisch einen Fahrradkarton (kostet eine kleine Gebühr, aber die Taxifahrt zu Fahrradladen und zurück ist teurer), in den ich das Rad halbwegs reingequetscht bekomme. Das ist nicht selbstverständlich. Wenn es hier Fahrräder gibt, sind es fast durchweg Mountainbikes oder Gravelbikes ohne Schutzbleche, Beleuchtung, Gepäckträger, Lowrider. All das habe ich aber an meinem Reiserad, tendenziell brauche ich trotz kleiner Räder und kleinen Rahmens mehr Platz als das durchschnittliche südamerikanische Rad.

Tja, und dann geht es schon mit einem sehr klapprigen Uber zum Flughafen.

Irgendeine Schwierigkeit gibt es ja immer, wenn man mit Fahrrad fliegen will. Heute lasse ich meine Fahrradtaschen an einer Packstation zusammen in Frischhaltefolie wickeln und stelle mich an eine endlose Schlange am Check-in. Als ich endlich dran bin, besteht das Personal darauf, dass ich auch den Fahrradkarton einwickeln lassen muss. Ich denke mal wieder über einen Wutanfall nach, mache mich aber auf den Weg zurück zur Packstation. Die Sache ist: In Bolivien ist wirklich alles für uns sehr billig, erst recht beim gerade geltenden inoffiziellen Wechselkurs. Nur diese Packstation hat quasi internationale Preise. Insgesamt lasse ich umgerechnet 36 € da und es ist wirklich Zufall, dass ich dieses Geld noch dabei habe.

Immerhin darf ich mich beim zweiten Mal vorn in die Checkin- -Schlange stellen, und – Hurrah – muss keinen Fahrradkarton mehr durch die Gegend buxieren. Noch besser: Gepäck und Rad kommen 20 Stunden später unversehrt in Berlin an und ich werde sogar vom Flughafen abgeholt!

Pamir-Highway – das Wichtigste

Quelle: OpenStreetMap
Quelle: OpenStreetMap

Highlights

Highlight ist natürlich die Landschaft und immer wieder die Landschaft. Und dann die Gastfreundschaft, der man immer wieder begegnet.

Was die Landschaft betrifft: der Blick über den Nurek-Staudamm, die engen Täler am Panj, der Wakhan Korridor mit grünen Oasen am Fluss (wobei das Gras auf der afghanischen Seite immer grüner ist..), die menschenleere Mondlandschaft auf den Hochebenen, der Kara’Kul, die Grünen Täler in Kirgisistan…

Und ständig gibt es Einladungen zum Tee, zum Essen – die meisten davon muss man zwangsläufig ablehnen. Selbst in Geschäften durfte ich öfter meine (kleinen) Einkäufe nicht bezahlen, das frisch gebackene, noch heiße Brot, das Wasser, Obst.. Es ist nicht so, dass es hier keine Touristen gibt, aber in den Dörfern sind es im Sommer nur sehr wenige, die jeden Tag durchkommen. Und so stehen dann überall Kinder am Straßenrand und halten ihre Hände zum Abklatschen hin.

Wie sportlich muss man sein?

Es braucht keine Leistungssportler für die Strecke – aber praktisch wäre es schon. Ich selbst bin 56 Jahre alt, 1,60 klein, weiblich und habe eher ein mittleres Fitnesslevel. Ich bin ein paar Strecken aus verschiedenen Gründen mit LKWs getrampt, aber im großen und ganzen habe ich die Strecke schon geschafft. Anstrengend war es aber. Geschoben habe ich gelegentlich auch.

Man sieht sich so eine Strecke ja vorher an, rechnet vielleicht Kilometer und Höhenmeter zusammen und kommt zu dem Schluss, dass die zu schaffen sind. Die echten Feinde sind aber die Straßenqualität und der Wind, der im Hochgebirge immer ab Mittag weht. Das Glück, dass er genau von hinten kommt, hat man selten. Für die Nicht-Leistungssportler: wenn ich außerhalb der ganz einsamen Strecken vorsichtig meine Hand rausgehalten habe, hielt immer das nächste Fahrzeug an und lud mein Fahrrad auf.

Straßen

Nun ja. Die Strecke, die ich gefahren bin, beginnt mit einem längeren Stück auf gutem Asphalt, wenn auch mit einigen Höhenmetern. Ab Kalai Khumb ist es damit dann vorbei. Auf den folgenden 180 km wird die Straße ausgebaut (2024, aber das dürfte sich in den nächsten Jahren kaum ändern), die Straße ist offiziell fast den ganzen Tag gesperrt, tatsächlich ist es Glückssache, wann man doch durchgelassen wird. Wenn man dann fahren darf, sind da riesige Staubwolken, weil die Straße nicht befestigt ist, und die LKW eben gleichzeitig fahren dürfen. Nach den Baustellen lässt die Staubkonzentration in der Luft nach, es gibt auch mal asphaltierte Abschnitte. Die sollte man genießen, sie sind kurz und werden von viel Wellblech und großsteinigem Schotter abgelöst.

Allein? – Sicherheit

Kurz gefasst: so lange Menschen in der Nähe sind, kein Problem. In allen Dörfern und Städten habe ich mich immer sehr sicher gefühlt. Sollte man mal Hilfe brauchen, bekommt man sie sofort.

Etwas schwieriger fand ich es dort, wo man eben keine Menschen trifft. Zwischen dem Wakhan-Korridor und Murgab und auch danach bis nach Kirgisistan ist es schon sehr einsam. Praktisch kein einheimischer Verkehr, vielleicht alle paar Stunden mal ein Jeep mit Touristen, dafür dieser Sturm – da wäre mir Begleitung schon lieber gewesen und einen Teil der Strecke bin ich auch aufs ein Auto ausgewichen.

Einheimische erzählen auch gern von Wölfen und Bären (die es gibt), aber dass die Probleme machen, scheint sehr unwahrscheinlich zu sein.

Krankheiten

Ich bin verschont geblieben, aber viele Touristen erwischt der übliche Magen-Darm-Infekt. Keine Ahnung, wie man das vermeiden kann, gut ist es sicher, in den ersten paar Tagen vorsichtig zu sein, bis man die Klima-, Zeit- und Nahrungsumstellung hinter sich hat. Danach habe ich im Grunde alles gegessen, was mir vorgesetzt wurde.

Einheimische sagen immer wieder und eigentlich überall, dass man das Wasser aus Wasserhähnen am Straßenrand/aus kleinen Bächen/ überall ohne weiteres trinken kann. Touristen filtern meist trotzdem (ich auch). Aber man findet fast überall klares Süßwasser.

Verständigung

Russisch. Ja, es macht Sinn, ein paar Wörter in den Landessprachen zu wissen, aber mit Russisch kommt man gut klar, Englisch können nur wenige über ein paar Wörter hinaus. (Aber da Touristen ja doch ähnliche Dinge wollen, reichen die oft). Tadshikisch ist dem Persischen offenbar sehr ähnlich, Kirgisisch dem Türkischen.

Grenzen und Formalitäten

Tadschikistan

Viele Europäer können sich für 30 Tage visafrei in Tadschikistan aufhalten. Die Nachteile: nach spätestens 10 Werktagen muss man sich bei einer Behörde namens OVIR anmelden, wer durch das Wakhan-Tal möchte, braucht zusätzlich die GBAO (autonomes Gebiet Berg- Badakhshan)-Genehmigung, die man am einfachsten zusammen mit dem Visum bekommt. Für die Anmeldung vor Ort braucht man eine Bescheinigung des aktuellen Hotels, Zeit an einem bis zwei Werktagen und – nach Aussage von einigen Touristen – etwas Bestechungsgeld. Genauer: die Anmeldung und die Genehmigungen kosten zwar Geld, sind aber eigentlich billig, oft werden vor Ort höhere Preise genannt und wer die nicht zahlt, wartet sehr lange.

E-visa

Die eigentlich einfache Alternative ist das E-Visa (bis 60 Tage), das man online beantragen kann. Obwohl das keine offizielle Bedingung ist, bekommt man häufig (immer?) eine Rückfrage mit der Aufforderung, eine Reiseplanung und eine Einladung des Reiseveranstalters hochzuladen. Dann ist es Glückssache: manchmal genügt die Erklärung, dass und warum man keinen Reiseveranstalter nutzt, manchmal nicht. Bei mir reichte eine ungefähre Reiseplanung (also jpeg!), im anderen Fall gibt es Anbieter, die gegen Geld LOIs verschicken. Manchmal werden die Anträge auch abgelehnt, oder sie verschwinden in einem schwarzen Loch. In dem Fall kann man dennoch visafrei oder mit visa on arrival einreisen.

Kirgisische Grenze

Eine weitere Genehmigung braucht man für den Grenzübertritt am Kyzyl-Art-Pass. Diese Grenze ist für Einheimische gesperrt, für Touristen mit Genehmigung aber offen. Diese Genehmigung erhält man von einigen Kirgisischen Reiseagenturen über Whatsapp (yep!) gegen Bezahlung von ungefähr 15 € und Einsenden einer Passkopie . Ich habe meine Genehmigung über „Travel by silk Road/Destination Osh“, Tel.: +996776770090 bekommen, andere Optionen findet man hier . Die Unsicherheit war, dass ich keine Möglichkeit gefunden habe, das Geld zu überweisen – ich habe es mehrfach mit unterschiedlichen angegebenen Bankverbindungen versucht, das Geld kam jeweils nach einigen Tagen zurück. Letztlich wurde ich gebeten, das Geld vorbeizubringen, sobald ich in Osh bin. Außerdem bekam weder ich noch sonst irgend ein Tourist eine schriftliche Bestätigung für die Genehmigung: die Reiseagentur schickt schlicht die Information an die kirgisischen Behörden, dort wird man auf eine Liste für den Grenzübertritt gesetzt. Man hofft also, dass alles geklappt hat, nachdem man 20km steil bergab auf schlechter Straße durch Niemandsland gefahren ist. Man möchte hier definitiv nicht zurück!

Kirgisistan

Kirgisistan ist für Deutsche bis zu einem Aufenthalt von 60 Tagen visafrei und außer der Grenzübertrittsgenehmgung am Kyzyl Art Pass kenne ich auch keine weiteren Fallstricke.

Sim-cards

Sim-cards gibt es günstig in den sehr häufigen Geschäften der Anbieter. In beiden Ländern werden sie mit dem Pass und ggf. Visum registriert. Ich bin nicht sicher, ob dabei auch die Imei-Nummer registriert wird, ich konnte jedenfalls in Kirgisistan keine Sim kaufen, ohne sie direkt im Handy einzusetzen und das Handy aus der Hand zu geben.

Für Tajikistan scheint T-Cell als Anbieter am besten zu sein, aber es gibt auch Gegenden, in denen nur Megafon funktioniert. Gerüchteweise sind die Sims in Tadshikistan nur für Berg-Badakhshan freigeschaltet, wenn man beim Kauf die Genehmigung für die Region vorlegt. Im Zweifel lässt sich die Freischaltung auch später nachholen.

In Kirgisistan hatte ich Beeline und war zufrieden nach der langen Durststrecke ohne Netz in Tadshikistan. Gerüchte sagen, dass es bessere Anbieter gibt.

Etwas schwierig war es in Dushanbe, eine e-sim zu bekommen, der Wunsch führte bei der Verkäuferin fast zum Nervenzusammenbruch. In Sary-tash, einem Grenzdorf in Kirgisistan mit Sim-Verkauf im Tante-Emma-Laden war es unmöglich.

Am besten ist es vermutlich, sich E-Sims schon vorab zu besorgen, soweit man es schafft, zu bezahlen.

Pamir Teil 5: Sary Tash – Osh

49 km und ungefähr 45 mit Auto

Ups, ich habe es schon wieder getan. Ich fahre für morgens wie immer los. Das Wetter ist schlecht, ich habe kurz überlegt, noch zu bleiben, aber weder Sary -Tash noch meine Unterkunft gefallen mir wirklich. Also los, es regnet und es geht bergauf. Der Regen wird stärker. Ich kämpfe mich bis fast auf den ersten Pass hinauf, denke dabei an meine Erkältung und daran, dass das doch nun eigentlich nicht sein muss. Also hebe ich einmal wieder zögerlich eine Hand, als mehrere Transporter vorbeikommen. Einer davon hält sofort an. Der Transporter wirkt von außen leer. Entsprechend überrascht bin ich, als die Ladefläche geöffnet wird und dort schon ein Pferd liegt. Na, wunderbar, mein Fahrrad wird zu dem Pferd geladen, festgebunden und ich quetsche mich neben die beiden Männer, die bereits im Auto sitzen. Ich bekomme hier zusätzlich zum ersten Mal Kymyz zu probieren, vergorene Stutenmilch. Nach etwa 45 km müssen die beiden abbiegen, ich steige aus, schwinge mich wieder aufs Fahrrad, das Wetter ist mittlerweile etwas besser und einen weiteren Pass habe ich mir auch gespart. Entsprechend einfach fahren sich die restlichen Kilometer bis Gul’cha.

Gul’cha – Osh

85 km, 925 Hm rauf, 1461 runter

Der letzte Tag und der letzte Pass dieser Reise. Die zahlreichen Höhenmeter kommen geballt gleich am Anfang. Langsam fahre ich Meter für Meter nach oben. Es ist anstrengend, geht aber doch viel besser als in den ersten Tagen. Ungefähr fünf Kilometer vor dem Gipfel überholt mich der Franzose, den ich schon zwei Tage zuvor getroffen habe. Dann bin ich oben. Hier scheint ein echtes ausflugsziel zu sein: teehäuser, viele Stände mit lokalen Spezialitäten: käsebällchen und Kymyz, vergorene Pferdemilch. Man kann hier in Yurten essen, einkaufen, Fotos machen.

Ich kaufe pflichtbewußt einen halben Liter Kymyz, dann geht es wieder bergab, durchs Alay -Tal, das voll ist, mit Restaurants und Ausflüglern.

Irgendwann bin ich dann da, in Osh, wieder Großstadt, wieder nur ungefähr auf 1000 m Höhe. Es ist heiß, der schlechte Sprit sorgt für erstaunliche Abgaswolken hinter den meisten Autos und ich kämpfe mich durch den Stadtverkehr zu meinem Hotel. Immerhin, endlich wieder ein richtiges Bad, gutes Internet, zuverlässige Stromversorgung.

Osh

Osh ist die zweitgrößte Stadt Kirgisistans und so gibt es hier auch fast alles: einen großen (vor allem langen) Markt mit Obst und Gemüse, Kleidung, Hufeisen und Pferdehalftern, kleinen Restaurants und Souvenirs, Parks mit kunstvoll gepflanzten Blumen, einen Vergnügungspark mit altersschwachen Karussels, Museen, einen internationalen Flughafen. Außerdem steht mitten in der Stadt der Sulaiman-Too, ein geschichtsträchtiger Berg, der fast von überall zu sehen ist. Tatsächlich hat Osh als Siedlung eine mehr als 3000 jährige Geschichte, wie Ausgrabungen rund um den Sulaiman-Too zeigen. Außerhalb der Museen – ein Museum befindet sich in einer Höhle im Fels, das andere in der Nähe darunter – ist davon allerdings nicht viel zu erkennen. Und die Museen selbst sind zwar schön hergerichtet, aber sehr informativ sind sie nicht – im Höhlenmuseum am Berg gibt es so gut wie keine Informationen, die irgendeinen Hintergrund zu den Exponaten darstellen, im Regionalmuseum endlose Texte auf Kirgisisch und Russisch. In kann Russisch, aber für diese Texte fehlt mir trotzdem die Geduld.

Neben den Museen und dem Markt lohnt sich auch eine Stadtführung, buchen kann man die unter bestofosh.com, sofern 3 Leute dafür zusammenkommen (oder man mehr bezahlt).

Dann geht es an den Heimflug. Ich habe da Ticket einer türkischen Billigfluggesellschaft und ein in viel Plastikfolie gewickeltes Rad (Fahrradkartons sind in Osh nicht zu bekommen). Dass ich aber gefühlt zwei Stunden (real:1,5) mit Nahkampf verbringe, liegt am ortstypischen eigenwilligen Anstehverhalten – es gibt keine Warteschlangen. Wenn man dann eher klein ist, aber viel Gepäck dabei hat, ist es nicht ganz einfach, alle aus dem Weg zu drängeln, um dranzukommen. Frauen mit kleinen Kindern dürften es noch schlechter haben, sind das Chaos aber anscheinend gewohnt. Auch an der Passkontrolle werden noch einmal allseits Ellbogen ausgefahren, dann endlich bin ich im internationalen Teil des kleinen Flughafens und stelle auf Umwegen fest, dass der Flug 90 Minuten Verspätung hat. Zum Glück habe ich genug Zeit zum Umsteigen in Istanbul.

Pamir Teil 4: Murgab – Sary Tash

Murgab

Murgab ist ein größeres Dorf, das aus geduckten kleinen Häusern und dem berühmten Containermarkt besteht. Die Leninstatue am Dorfeingang habe ich nicht gesehen (war schon dunkel, als wir wohl daran vorbeifuhren), außerdem gibt es eine Art Platz mit so etwas wie einem Denkmal – wofür auch immer. Nichts, also gar nichts Attraktives auf den ersten Blick. Trotzdem bleibe ich drei ganze Nächte, um mich auszuruhen und an die Höhe zu gewöhnen, bevor es an den höchsten Pass der ganzen Reise geht, den Ak Baital.

Und siehe da, das Dorf wird sympatisch. Es ist ruhig hier, abgesehen von den Kindern, die einen auch hier überall mit einem lauten „Hello!“ begrüßen, es gibt da mehrere durchaus nette kleine Restaurants, auf dem Containermarkt geht es ruhiger zu als man meinen sollte, dennoch finden sich eine Menge Dinge, wenn man sucht. Ich beispielsweise kaufe mir ein komplett albernes dunkelblaues Shirt mit aufgestickten Perlen, weil ich dringend ein dünnes, langärmliges Oberteil brauche, um in der Sonne nicht komplett zu verbrennen.

Tworog-Herstellung
Eiscafé

Murgab – ein einzelnes Haus unterwegs

47 km, 400 Hm

Von Murgab bis Karakul sind es 135 km und dazwischen gibt es kein Dorf, kein Laden und auch sonst fast kein menschliches Leben – wenn da nicht Tonya wäre. Der Wirt meiner Unterkunft in Murgab sagt mir, dass es da nach etwa 50 km ein einzelnes bewohntes Haus gibt und dass dort bei Bedarf auch Straßenarbeiter unterkommen können. Ich solle doch dort übernachten, sagt er. Das bedeutet zwar ziemlich wenig Radfahren, ist aber keine schlechte Idee, weil ich in einer Höhe von 4000 m aufpassen möchte, nicht höhenkrank zu werden. Ich schleiche, dort angekommen, etwas ums Haus herum, bis ich entdeckt werde und sofort Tee angeboten bekomme.

Im Haus wohnt zurzeit die 60 jährige Tonya mit zwei ihrer 14 Enkel. Der Junge hütet den Tag über Schafe, das Mädchen melkt sie morgens, backt zwischendurch Brot und macht, was sonst so anfällt. Außerdem gibt es die verspieltesten Hunde der Welt, mehrere Esel und ein Katzenbaby. Was es nicht gibt, sind Annehmlichkeiten wie elektrischen Strom, fließendes Wasser oder gar Internet. Alle Bewohner sind auch nur über den Sommer hier oben, ansonsten leben sie in Murgab.

Ich jedenfalls werde auch zur Übernachtung eingeladen, Tonya schlägt zunächst vor, dass ich im Zimmer mit ihr und den Enkeln schlafe. Als ich lieber ins Zelt möchte – der Raum ist mir zu warm – zeigt sie mir weitere große, leer stehende Räume mit eigenem Eingang, in denen ich dann mein Innenzelt aufstelle. Das große Haus, sagt Tonya, haben Deutsche gebaut, sie sagt deutsche Kriegsgefangene, außerdem, dass das Haus sehr gut und stabil ist. Mir scheint das mit den Kriegsgefangenen nicht so viel Sinn zu ergeben, aber Moment, ist ja nicht so, dass das die einzigen Deutschen waren, die in Zentralasien gelandet sind. Auch durch Stalins Zwangsumsiedlungen wurden zahlreiche deutsche Dörfer aus Russland nach Zentralasien umgesiedelt. Vielleicht waren es diese Leute?

Tonya ist Kirgisin und erzählt, dass die Gegend immer von Kirgisen bewohnt war, dass es unter den jungen Leuten aber immer weniger werden – Kirgisen finden in Tadschikistan nur schwer Arbeit, manche haben Schwierigkeiten mit der tadschikischen Amtssprache, viele wandern  nach Kirgistan ab. Auch zwei ihrer Kinder leben dort. Und mit Grenzen, die derzeit nur für Touristen geöffnet sind, sind selbst Besuche ziemlich schwierig. Sie führen über Duschanbe nach Usbekistan und erst von dort nach Kirgistan.

Einzelnes Haus – Karakul

90 km, 767 Hm

Vor dem höchsten Pass meiner Radtour frühzeitig zu übernachten, war eine gute Idee. Nicht nur bin ich schon in einer Höhe von 4000 m reichlich kurzatmig, ich schlafe auch schlecht und habe nachts Kopfschmerzen. Und wie das so ist, wenn man nachts wachliegt, zweifle ich an meiner Fähigkeit, überhaupt über den 4655 m hohen Ak-Baital-Pass zu kommen. Also langsam, ganz langsam. Zum Glück ist der Anstieg sehr allmählich. Lediglich die letzten 3 km sind etwas steiler – und die schiebe ich.

Oben dann ist nichts, weder eine tolle Aussicht, noch ein großes Schild. Ich habe eine Reihe Videos gesehen, auf denen Radfahrer Höhenmesser in die Kamera halten, aber nicht einmal so etwas habe ich. Hintergrund für die fehlende Kennzeichnung ist anscheinend, dass der Name Ak-Baital kirgisisch ist und an seine Stelle ein tadschikische Name treten soll. Schilder weiter unten haben schon den neuen Namen.

Nachdem die Höhe geschafft ist, wird es nur wenig einfacher: bis ich am Abend endlich am traumhaft schöen See Karakul ankomme, machen mir die schlechte Straße und der immer gegen Mittag aufkommende starke Wind noch ganz schön zu schaffen.

Der See ist, wie gesagt, spektakulär. Das eine Dorf nach 135 km ist dagegen trostlos: kleine Häuschen, ein guter Teil verlassen, kein elektrischer Strom, kein fließendes Wasser, dafür eine Reihe von Gästehäusern, die mit viel Engagement versuchen, ihre Gäste ohne beides gut zu versorgen.

Karakul – Sary Tash

88 km + x Hm

Am Abend überlege ich noch, einen weiteren Tag in Karakul zu bleiben. Ich bin etwas erkältet und einigermaßen erschöpft. Aber ehrlich gesagt, ich sehne mich doch sehr nach etwas mehr Zivilisation. Also geht es morgens weiter.

Das Problem: vor mir liegen knapp 90 km Nichts. Kein Ort, kein Haus, kein Café, keine schattenspenden Bäume. Den ersten Pass schaffe ich ganz gut, dann geht es erst einmal wieder bergab. Unten wird es dann gruselig. Der tägliche Sturm setzt heute noch früher ein als sonst. Der Wind pustet extrem kräftig, vor mir steigt an zahlreichen Stellen Sand in die Luft. Es beginn, zu regnen. Und weit und breit niemand und nichts. Was soll ich sagen, als dann doch ein Auto neben mir hält und mich fragt ob ich mitfahren will, nicke ich. Es ist ein Taxifahrer, der im Niemandsland zwischen Tadschikistan und Kirgistan Touristen von seinem kirgisischen Kollegen übernehmen will. Und wo er ja doch sowieso fährt, nimmt er mich mit, hilft mir möglicherweise an der Grenze, ein bisschen und hofft auf gutes Trinkgeld. Mir spart die Aktion nicht sehr viele Kilometer, aber doch einige Höhenmeter.

Die Touristenübergabe ist nötig geworden, nachdem vor wenigen Jahren ein Grenzkonflikt zwischen Kirgistan und Tadschikistan ausbrach und seither weder kirgisische noch tadschikische Fahrer über die Grenze dürfen. Sie ist nur für Touristen nach vorheriger Genehmigung geöffnet. Also treffen sich regelmäßig Taxifahrer im Niemandsland, Touristen wechseln Autos und es geht weiter. Klar, dass sich die Taxifahrer das gut bezahlen lassen.

Der kirgisische Fahrer würde mich gegen entsprechende Bezahlung gern ebenfalls mitnehmen, aber nun fahre ich doch selbst weiter. Die Straße führt gut 20 km weit durch Niemandsland. Und was niemandem gehört, um das kümmert sich auch niemand. Die Straße ist teilweise in erbärmlichem Zustand. Mir gefällt sie besser, als der die Waschbrettoberfläche, die es häufig Wakhan-Tal gab, aber das liegt wohl daran, dass es relativ lange nicht stark geregnet hat. Nach einem Regen möchte ich durch diesen Schlamm nicht fahren.

Erstaunlicherweise verändert sich direkt nach dem Pass auch die Landschaft: während es in Tadschikistan, nur nackten Fels gab, wird es nun grün. Weit oben, vor allem viele Flechten, dann Gras, Weiden, Rinder- und Ziegenherden. Ja, auch im Niemandsland.

Auf die Einreise nach Kirgistan muss ich eine ganze Weile warten, weil ich in einer größere Reisegruppe von Motorradfahrern gerate. Dann geht es weiter. Zunächst ganz gut, dann wird der Sturm stärker und immer stärker und pustet mir irgendwann genau ins Gesicht. Ich komme kaum noch vorwärts und die Turbulenzen von vorbeifahrenden Autos (von denen es in Kirgistan wieder einige gibt) schieben mich mehrmals auf den Seitenstreifen. Ich bin schon sehr froh, als ich endlich in Sary-Tash ankomme, eine Unterkunft finde und auch gleich noch zu erbärmlich schlechtem Kurs Geld tauschen und eine SIM-Karte kaufen kann.

Karakul
Straße im Niemandsland

Pamir Teil 3: Wakhan-Korridor

Khorugh – Abch

78 km, laut Osmand 1183 Höhenmeter rauf und 883 wieder runter – es bleibt holprig

Trotz des ständigen Auf und Abs bewege ich mich insgesamt schneckenartig langsam nach oben, momentan bin ich auf 2440 m und es ist noch immer ganz schön heiß. Das bedeutet entweder kurze Strecken oder aber lange Mittagspausen und danach die Hoffnung, noch im Hellen irgendwo anzukommen. Heute letzteres. Mittags finde ich ein kleines Café/Laden mit Terrasse, wo ich mich stundenlang aufhalte. Es gibt Pirogi mit Kartoffelfüllung, Tee und Cola. Nach einer Weile kommt ein Paar dazu, das die Tour auf einem Tandem macht. Meine Güte, sind die schnell!

Am Abend immerhin treffe ich sie wieder in einem kleinen Hotel neben einer heißen Quelle. Dort gehen wir dann auch gemeinsam hin. Eine Mitarbeiterin des Hotels kommt kurzerhand mit. Es handelt sich um eine Quelle, die in einem Gebäude durch ein ziemlich unscheinbares Wasserbecken fließt, in dem schon ungefähr 10 splitterfasernackte Frauen sitzen. Davor gibt es lediglich einen Umkleideraum mit ein paar Haken an der Wand. Die Chance, meine super-schmutzigen Füße (ich radle bislang in Sandalen) vorher abzuwaschen, habe ich nicht. Zum Glück fließt das Wasser einigermaßen schnell durch das Becken. Entgegen meiner Befürchtung hat es auch eine angenehme Temperatur. Wenn man länger drin sitzt, wird es sogar ein bisschen kühl.

Abch – Qah-Qaha-Festung

41 km, 366 Hm

Nach dem langen Tag gestern wird der heutige deutlich kürzer. Nicht dass die Rumpelstrecke nicht trotzdem anstrengend wäre. Aber ich komme nach ausführlicher Frühstückspause gegen Mittag zu einer Unterkunft. Es ist das erste klassische Homestay auf meiner Reise. Es gibt einen Raum für Gäste, in dem Schlafmatten ausgelegt sind. Ein europäisches Bad ist gebaut, es funktioniert aber nicht, weil im Winter die Leitungen eingefroren sind. Stattdessen wird in einem riesigen Behälter Wasser heiss gemacht und mit einer Art Wasserhahn in einem kleinen Raum geduscht. Die Toilette hat eine Spülung. Das bedeutet, man hockt in einem kleinen Häuschen mit Afghanistan-Blick weit über einem kleinen Bach. Der Weg dorthin führt über Bretter, die auf alten Moskvich-Karossen liegen.

Afghanistan -Blick vom Klo
Dusche

Fast direkt neben meinem Homestay gibt es eine alte Festung. Sie steht eindrucksvoll auf einem hohen Felsen und soll aus dem vierten Jahrhundert stammen. Viele Details sind nicht zu erkennen, Informationen sind auch spärlich, aber es ist ein eindrucksvoller Ort.

Qah-Qaha-Festung- Bibi Fatima Hot spring

58 km, 880 Hm

Unterwegs freue ich mich über jedes bisschen der Strecke, das nicht aus großsteinigem Schotter oder Waschbrettpiste besteht. Oder wo es Schatten gibt. Dazwischen knallt die Sonne ganz schön. Am Ende muss ich mein Rad noch weit den Berg rauf in Richtung der örtlichen Festung und der Bibi Fatima Quelle schieben – selbst das erste Homestay auf dem Weg ist weit oben. Dann ruhe ich mich aus, bevor ich mich auf den Weg zur Quelle mache, die noch mehrere hundert Höhenmeter weiter oben liegt – der erste Ausflug in mehr als 3000 m Höhe. Zum Glück muss ich nicht ganz zu fuß gehen – unterwegs hält eine russische Reisegruppe an und nimmt mich mit.

Die Quelle ist dieses Mal zwar mit einem Gebäude umbaut, innen findet sich aber eine fast märchenhafte Felsengrotte, die den Ruf hat, die Fruchtbarkeit von Frauen zu erhöhen. Später sehe ich Bilder von der Männerseite, die ist deutlich weniger eindrucksvoll.

Das Wasser ist ziemlich heiß und als ich nach dem anstrengenden Tag herauskomme, bin ich plötzlich ganz schön geschafft. Zum Glück nimmt mich die Gruppe nach ein paar Fotos vor der Festung wieder mit hinunter zu meiner Unterkunft.

Bibi Fatima Hotsprings – Langar

43 km, 900 Hm bergauf

Die Waschbrettpiste hört nicht auf, zur Abwechslung gibt es an ein paar Stellen aber weichen Sand. Und ein kleines bisschen Asphalt.

Seit Tagen fragen mich Einheimische, wann ich denn wohl in Langar sei. Der Ort sieht auf der Karte nicht groß aus, hat aber mehrere Unterkünfte und ein Museum. Na, da sieht doch nach etwas Infrastruktur aus, denke ich mir und fahre ziemlich achtlos durch Wrang, einen Ort mit immerhin einem Lebensmittelgeschäft und einem Mobilfunkladen durch. Das bereue ich kurz danach. Ja, Langar ist flächenmäßig nicht klein. Aber es besteht aus weit voneinander entfernt stehenden Häusern, mein Anbieter jedenfalls hat keinerlei Internet, ein oder zwei Läden gibt es, sie haben aber absolut nichts was für mich interessant wäre – unter anderem gibt es keinen Kühlschrank im Laden und damit auch nichts Frisches und nur warme Cola. Ein paar Nudeln und Süßkram kann man kaufen, die habe ich aber schon dabei. Strom gibt es den größten Teil des Tages nicht. Meine Wirtin sagt, das liegt daran, dass Strommasten ausgetauscht würden, aber es scheint alles in allem ein ziemlich gewohnter Zustand zu sein. Trotzdem geben sich die Gastgeber viel Mühe damit, westlichen Touristen ein paar Annehmlichkeiten zur Verfügung zu stellen: eine richtige Dusche und westliche Toilette, Stühle und einen Tisch, Betten statt Schlafmatten (an die kann man sich gewöhnen, aber sie sind schon sehr dünn).

Langar – Murgab (mit Auto!)

Fast 250 km mit Taxi und LKW

Locals sagen, bis hierher war die Straße gut, ab jetzt wird sie sehr steil und schlecht und vor allem: einsam. Auf den nächsten 100 km gibt es keine Siedlungen, so gut wie keine Autos, keine Mobilfunkverbindung, im zweiten Teil auch kein Trinkwasser. Für eine Solo – Tour ist mir das alles ein bisschen viel. Außerdem taucht in Langar Nico auf, den ich schon in Bibi Fatima kennengelernt habe. Auch er ist auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit bis Murgab. Also treffen wir uns morgens um halb sieben an meiner Unterkunft. Zwei Stunden später ist noch kein Auto in unsere Richtung gefahren und wir beschließen, mit einem der möglichen „Taxis“ (jedes Auto ist ein Taxi!) zu verhandeln. Für um die 100 Euro für uns beide geht es los. Was wir nicht wissen: das Auto steht kurz vor dem Zusammenbruch. Nach den ersten paar Kilometern der erste Stopp. Das Auto verliert Kühlwasser, was noch da ist, hat eine Temperatur weit oberhalb des Toleranzbereichs. Warten, abkühlen lassen, Wasser nachfüllen, weiter. Der Weg ist extrem holprig, erstaunlich, wenn irgend ein Fahrzeug das schafft. Dann das selbe Spiel, anhalten, warten, Kühlwasser einfüllen. Übrigens hat das Auto auch keinen funktionierenden Akku. Der Fahrer hält immer am Hang an und lässt den Wagen vorwärts oder rückwärts rollen, um ihn zu starten. Wir denken derweil darüber nach, ob wir darauf bestehen sollen, umzukehren. Mit Auto im Nirgendwo zu stranden, ist schließlich nicht besser als mit dem Fahrrad.

Am Ende haben wir jede Menge Fotos mit kaputtem Auto vor spektakulärer Landschaft und es tatsächlich bis zur Hauptstraße geschafft.

Dort dauert es zwar eine Weile, bis der erste LKW vorbeikommt, der nimmt uns aber sofort mit nach Murgab (dass ich dorthin mitfahre, ist Faulheit, über die spektakuläre, einsame Hochebene dorthin könnte ich auch wieder radeln. Aber hey, ich habe Urlaub!)

Pamir Teil 2: Kulob – Chorugh

Kulob – Shuroobod

Ganze 31 km, aber 1384 Höhenmeter, bergauf versteht sich.

Ich schiebe gute Teile dieser Strecke bergauf – mit meiner Fitness ist es nicht weit her. Zum Glück wird es wegen der zunehmenden Höhe zumindest nicht ganz so heiß.

Während bislang die Straße ziemlich stark befahren war, bekomme ich heute eine riesig breite Sahne-Asphalt Strasse mit sehr wenig Verkehr. Ich vermute, eine chinesische Firma hat gebaut, wie an ganz vielen Orten hier. Alles sieht extrem professionell und etwas überdimensioniert aus.

Ebenso überdimensioniert übrigens ist das Hotel in Shuroobod: ein Hotelklotz, eine riesige Eingangshalle, aber statt einer Rezeption gibt es irgendwo eine Telefonnummer, die man anrufen kann, damit jemand kommt. Fließend Wasser gibt es gerade auch nicht. Aber „in einer halben Stunde wird es angestellt“ und dann wieder „in einer halben Stunde“. Letztlich kommt das Wasser irgendwann nachts, ich habe vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen und verursache eine kleine Überschwemmung.

Google Maps schreibt“Tourist Attraction“

Shuroobod – Khostav

91 km, Osmand behauptet 2300 Hm aufwärts und 3185 abwärts, das ist aber Quatsch. Google contert mit 1119 und 2169 m. Dürfte näher an der Wahrheit sein.

Die Landschaft ist von Anfang an beeindruckend, rote Felswände, steile Haarnadelkurven (abwärts yippie!) Dann ist erstmals der Panj zu sehen, der Grenzfluss mit Afghanistan, an dem ich jetzt entlang fahren werde. Die Straße führt eine durch eine Schlucht, links und rechts ragen hohe Berge auf. Und, soweit hat Osmand Recht: immer auf und ab.

Regelmäßig patrouillieren Gruppen von Soldaten die Straße entlang, roter Stern auf der Mütze, Kalaschnikow (soweit ich beurteilen kann) über der Schulter, jeweils 20 m Abstand zwischen zwei Soldaten. Als ich mich zur Frühstückspause unter einen Baum rechts von der Straße setze – also auf die Seite in Richtung Afghanistan, kommt eine Gruppe und erklärt mir, dass da Taliban sind, ob ich das denn weiß? Tue ich und verspreche, mich nur etwas auszuruhen. Bin nicht sicher, worin die Gefahr dieser Straßenseite besteht. Werde nächstes Mal versuchen, zu fragen.

Khostav – Kalai Khumb

50 km, 550 Hm

Nach wie vor fahre ich auf asphaltierter Straße durch beeindruckende Landschaft – und bin gegen Mittag in Kalai Khumb, einer netten Kleinstadt mit Supermarkt, Geldautomaten, Restaurants und vielen Pensionen. Hier trifft man tatsächlich auch zahlreiche Touristen – auch die Jeeps machen hier halt. Außerdem Radfahrer aus der anderen Richtung, Wanderer, Tramper.

Als ich mich am frühen Nachmittag in meinem Zimmer ausruhe (Guesthouse Roma, empfehlenswert!), klopft mein Wirt: eine (weitgehend) australische Gruppe, mit der ich schon zuvor in Kontakt war, ist angekommen und hat nach mir gefragt! Wir gehen essen, ich spaziere durch die Stadt und ruhe mich aus.

Kalai Khumb – Dashtag

80 schwierige Kilometer

Mit der australischen Gruppe mitzuhalten, ist hoffnungslos. Ich hole sie aber bei Pausen immer wieder ein.

Ich war vor der heutigen Strecke schon gewarnt worden: extrem staubig, wurde gesagt, außerdem Bauarbeiten, unvorhersehbare Sperrungen, Steinschlaggefahr. Ich habe schon über ein Taxi oder ähnliches für die Strecke bis Khorugh nachgedacht. Was mich letztlich davon abhält, ein Auto zu suchen, ist ein dänisches Paar, das den ganzen Tag versucht hat, eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern (durchaus auch gegen relevante Geldsummen) und gescheitert ist. Also Fahrrad, Staub, zwei Stunden warten auf Bauarbeiten mehr Staub, wieder eine Sperrung. Immerhin, bei der ersten Sperrung haben wir einen sehr schönen Platz erwischt: Schatten, Wasser, und dann werden wir noch von einer tadschikische Familie eingeladen zu Tee, Hähnchen, hart gekochten Eiern.

Die letzten 13 km nach der zweiten Sperrung schaffe ich gerade so in der Dämmerung, meine zeitweilige Gruppe hat kurz zuvor einen wirklich schönen Zeltplatz gefunden, ich stelle mein Zelt dazu. Schnell etwas essen, dann falle ich auf die Isomatte.

Dashtag – Rushon

26 km Fahrrad, 64 km LKW

Was für ein Tag! Wir haben ausgemacht, um 5:30 Uhr loszufahren. Vielleicht gibt es ja dann eine Chance, vor der ersten Sperrung ein bisschen Strecke zu machen. Etwas später wird es natürlich, aber wir sitzen vor 6 Uhr auf den Rädern. Gegen 8:30 Uhr ist es dann tatsächlich vorbei. Durch die erste Absperrung diskutieren wir uns noch durch, aber kurz danach sehen wir, wie durch Sprengarbeiten riesige Steine den Berg herunterfallen. Nein, da müssen wir dann auch nicht durch. Wir legen Planen aus, machen Frühstück, kochen Tee. Leider haben wir bei weitem nicht genug Wasser dabei. Aber zum Glück kommen andere Touristen vorbei, mit jedem wird ein bisschen gequatscht. Dabei ist auch eine Gruppe aus Korea, die tatsächlich Wasser für die ganze Woche im Auto hat und uns eine Packung mit sechs Litern abtritt. Soweit eigentlich alles ganz entspannt. Aber wir sitzen auf dieser Straße glatte 4 Stunden fest. In der Zeit bewegt sich natürlich langsam die Sonne hinter dem Berg hervor, irgendwann ist unser Lager in der knallenden Hitze. Zum Glück überlässt mir ein Schweizer seinen Campingsitz im Autoschatten.

Dann geht es endlich weiter. Die Australier möchten sich jetzt beeilen, wir sind nicht sicher, ob es weitere Sperrungen gibt. Außerdem sagen sie, dass sie so weit wie möglich kommen wollen, um endlich weg von dieser Straße zu sein. Da komme ich dann nicht mit. Ich quäle mich noch eine Weile über die fürchterliche Straße durch die Hitze, dann reicht es. Als ein LKW kommt, halte ich vorsichtig die Hand raus. Der Wagen hält sofort an, mein Rad wir auf der Ladefläche festgezurrt, die Taschen landen darunter und es geht weiter. Fast genauso langsam wie auf dem Rad übrigens, auch der Laster muss durch die Schlaglöcher. Der Fahrer erzählt, dass er die Strecke regelmäßig fährt, über den Kulma-Pass nach China, Ware aufladen, zurück. Es scheint wirklich keine bessere Möglichkeit zu geben! Im übrigen erzählt er mir ein paar Mal zu oft, dass ich meinen Kindern doch sagen soll, sie mögen endlich Kinder bekommen! Mindestens 5!

Bezahlen soll ich für die Fahrt übrigens nicht, obwohl das in Tadshikistan eigentlich üblich ist. Stattdessen werde ich unterwegs zum Essen eingeladen.

Zwangspause – der Berg wird gesprengt..

Rushon – Khorugh

68 km inclusive des langen Wegs zum Hostel

Wie die Straße nach Khorugh ist?, frage ich morgens meinen Wirt. „Normalno“, antwortet der, also gut. Ich bin mittlerweile auf 2000 m Höhe angekommen und traue mich, „erst“ um 6 Uhr morgens zu frühstücken. Etwas angenehmer muss es in dieser Höhe ja sein.

Tatsächlich hat die Straße zwar schwierige Stellen, sie ist aber wirklich deutlich besser als an den letzten Tagen. Und die Temperatur ist morgens fast ein bisschen kühl. Das ändert sich dann im Laufe der Zeit doch wieder. Ansonsten: neben mir an der Grenze zu Afghanistan öffnet sich eine Ebene, in der sich der Panj nun in mehreren Armen schlängelt.

Als ich Nähe am Fluss sitze, kommen wieder ein paar Soldaten. Dieses Mal wollen sie mich aber nicht vertreiben, sondern sind nur neugierig. Wundern sich, was eine Frau in meinem Alter da macht. Wozu ich das brauche? Tja…

Am frühen Nachmittag bin ich in Khorugh, der letzten Stadt, bevor es schwierig wird mit einkaufen und unmöglich, an neues Geld zu kommen.  Ich gehe in „das“ angebliche Backpacker Hostel. Andere Radfahrer finde ich hier aber nicht. Obwohl doch alle sagen, dass sie dauernd welche sehen. Dafür treffe ich in der Stadt einige Touristen, finde nach einigem Suchen einen vernünftigen Supermarkt und decke mich auf dem Markt mit Trockenfrüchten und Nüssen ein.