Ein paar freie Tage, es ist zwar grau, regnet aber nicht. Also los.
Nach einer Tour durch Armenien und den Iran kann man sich über die Anzahl der Radweg ein Brandenburg und Sachsen-Anhalt nicht beschweren. Höchstens über die Qualität mancher Betonplattenwege. Und über den Sand durch den man an und zu schiebt. Alles in allem aber komme ich gut voran, zwischen Nauen und Havelberg. Natürlich komme ich durch einige Dörfer aber in keinem drängt sich ein Restaurant auf. Es ist Montag, wer nicht sowieso an Winter – Wochentagen geschlossen hat, hat zumindest montags Ruhetag. Die Temperatur liegt so um den Gefrierpunkt auf vielen Wasserflächen schwimmt eine dünne Eisschicht. Trotzdem geht es auch ohne Café: ich habe heißen Tee und Stullen dabei und ich halte die Pausen eben einigermaßen kurz. Problempunkte sind nur die Nase, die in der kalten Luft pausenlos läuft und die Füße, die trotz der Winterstiefel und der Wollsocken kalt werden.
Zum Ausgleich habe ich in Havelberg ein Zimmer in einem Hotel mit Sauna und gutem Restaurant gebucht – das Arthotel am Kiebitzberg.
Havelberg ist überhaupt ein hübsches Städtchen, alte Hansestadt, Backsteindom, viele schöne alte Häuser. Im Sommer gibt es vermutlich ein paar Touristen, Wasserwanderer, die über die Havel kommen. Heute wirkt die Stadt schon kurz nach 5 ziemlich tot. Viele Geschäfte haben geschlossen, Restaurants sowieso und Menschen sieht man kaum auf der Straße.
Eine Radtour durch den Iran, eher ungewöhnlich, finden die meisten meiner Freunde und Kollegen. Also: was lohnt es sich, zu wissen?
Zunächst: ich fürchte, vieles, was ich sage, veraltet schnell. So billig wie wir es erlebt haben, wird der Iran nicht lange bleiben und wie viele Freiheiten Leute sich leisten können, hängt auch von der aktuellen politischen Lage ab.
Als Frau?
Die ersten paar Tage war ich allein unterwegs – von der Grenze zu Armenien bis Tabriz. Und ja, ein komisches Gefühl hatte ich schon, als ich kurz vor der Grenze ein Buff als Kopftuchersatz unter den Helm zog. Im Vorfeld hatte ich einige Berichte zu sexueller Belästigung, gerade bei alleinradelnden ausländischen Frauen gelesen. Ich selbst habe dann überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht, das mag allerdings mit an meinem fortgeschrittenen Alter liegen. Mein erster Eindruck war auf der Straße, dass ich nicht weiter beachtet wurde. Das stellte sich aber schnell als Illusion heraus. Durch meine erste Stadt, Jolfa, fuhr ich zweimal auf der Suche nach meinem gebuchten Hotel die Hauptstraße entlang. Als ich dann abends essen war – anderes Hemd, anderes Kopftuch, kein Fahrradhelm und natürlich im Gegensatz zum Tag ohne Sonnenbrille, wurde ich angesprochen. Ob ich die Touristin mit Fahrrad sei?
In der zweiten Stadt, Marand, wusste offenbar ebenfalls nach kurzer Zeit die ganze Stadt, dass Touristin auf dem Rad durchgekommen ist.
Geld
In Reiseführern liest man, dass man all sein Geld in Bar mitbringen muss, weil iranische Banken nicht an das internationale Bankensystem angeschlossen sind, außerdem, dass man besser in Wechselstuben als bei Banken wechselt, wegen des besseren Wechselkurses. An beide Tipps haben wir uns gehalten. Dennoch hat mich der Stapel Geld überrascht, den ich für meine Euros bekommen habe: Der Kurs des Rial ist in letzter Zeit weit gefallen. Der Wechselstubenkurs war damit nicht wie angekündigt ein bisschen besser als der offizielle Kurs der Banken, wir bekamen glatt dreimal so viel Geld, wie erwartet. Das machte den ganzen Urlaub geradezu unverschämt billig. Wir hatten oft das Gefühl, die Preise hochhandeln zu müssen – man kann doch nicht ernsthaft für weniger als einen Euro pro Person essen gehen, oder? Und wenn man mit dem ganzen Geld in der Tasche dann noch unentwegt eingeladen wird, droht es geradezu unangenehm zu werden.
Allerdings: bis vor kurzem galt der Iran als relativ günstiges, aber nicht als spottbilliges Reiseland. Bestimmt ist es eines, in dem sich vieles schnell wieder ändern kann.
Handy/Internet
Netzabdeckung ist in Deutschland ein Problem, sonst bekanntlich fast nirgends, auch nicht im Iran. Schwierig kann es allerdings sein, eine lokale Simcard zu kaufen. Es gibt nicht allzu viele Läden, in denen man die Karten kaufen kann und diejenigen, die es gibt, scheinen oft formale Probleme mit Touristen zu haben. Welche? – Keine Ahnung, aber ich saß lange in einem Laden, während der Verkäufer versuchte, auf ungefähr hundert Arten meine Daten in sein System einzugeben. Am Ende hatte ich eine Karte, allerdings mit Daten, die nicht meine waren.
Wenn man dann Internet hat – mobil oder per WLAN, stößt man auf teilweise überraschende Probleme. Dass manche Seiten gesperrt sind, habe ich erwartet. Dass Whatsapp, Telegram und andere Messenger funktionieren, dafür aber GMX einfach nicht lädt, hat mich doch erstaunt. Da hilft es nur, sich vorab ein VPN zu installieren, wenn man nicht plötzlich ohne die Mail mit dem Rückflugticket dastehen will – oder was solche Sperren eben noch an Überraschungen bieten können.
Verkehr
Im Iran baut man an jede verfügbare Stelle eine Autobahn. Auch dort, wo es nicht so furchtbar viel Verkehr gibt. Vorteil: oft gibt es einen breiten Seitenstreifen, manchmal hat man mehrere Spuren aus wunderbarem Asphalt für sich allein – dann, wenn die neue Strecke noch nicht freigegeben ist. Trotzdem gibt es natürlich schönere Straßen als gerade Autobahnen, auch im Iran. Leider verbinden sie selten zwei Orte, durch die man fahren möchte. Kommt auch vor, aber dann muss man hoffen, dass einem kein Militärgelände in die Quere kommt, durch das man nicht durchfahren darf. Also: vorsichtig ausgedrückt, was Straßen und Verkehr betrifft, ist der Iran kein typisches Fahrradland.
Unterkunft
Wer mit dem Rad unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, nicht immer ein Hotel oder eine Pension zu finden: in großen Städten häufen sich große Hotels, dazwischen gibt es kaum eine Unterkunft. Vielleicht einmal ein ungemütliches Gästehaus. Die großen Hotels waren günstig, als wir unterwegs waren, bei schlechterem Wechselkurs können die Preise aber leicht an Westeuropa herankommen. Was fehlt sind kleine Privatpensionen mit ein paar Zimmern und damit generell Unterkünfte in kleineren Orten. Zelten ist dafür ziemlich unproblematisch. Und falls jemand mitbekommt, dass man eine Unterkunft braucht, findet sich ganz schnell jemand, der einen zur Übernachtung einlädt.
Als wir unterwegs waren, war es nicht sinnvoll, Hotels vorzubuchen – man hätte dann den schlechten Banken-Wechselkurs zahlen müssen. Das kann sich mit einer Annäherung der Kurse ändern.
Berichte handeln an dieser Stelle üblicherweise von Nervosität. Will man da wirklich hin? Was ist da erlaubt, was verboten? Mit geht es genauso, als ich mich um Viertel nach 8 aufs Rad schwinge und die größtenteils bergab führenden paar Kilometer zur Grenze rolle. Auf einem Parkplatz ziehe ich ein Buff unter den Fahrradhelm, alle anderen Frauen, die ich sehe, behalten ihre bunten Tücher bis zur Brücke im Niemandsland in der Hand. Mit den Rad werde ich zu den Fußgängern dirigiert und muss meine Fahrradtaschen durchleuchten lassen.
Ein kurzer Plausch mit der einen Person an der Grenze, die Englisch kann – woher, wohin, allein? zum ersten Mal hier? – Welcome to Iran!
Was folgt, ist zunächst noch sensationelle Gebirgslandschaft mit links und rechts hoch aufregenden Felsen, danach wird es wüstiger. Noch immer bin ich unsicher, immerhin gibt es auch einige Warnungen vor sexueller Belästigung, speziell, was alleinreisende Radlerinnen betrifft. Aber im Grunde beachtet mich hier niemand. Während mir in Armenien die gefühlte Mehrheit der Autofahrer zugehupt und oft noch frenetisch gewinkt hat, grüßt man mich hier nur ab und zu mit der Lichthupe.
In Jolfa spiele ich zunächst Pingpong mit meinem gebuchten Hotel. Das Problem: es heißt Altin Aras, Aras ist der Name des Grenzflusses und der Freihandelszone, die es hier offenbar gibt. Es gibt in der Stadt mindestens 3 Hotels, die Aras heißen. Mindestens, weil das diejenigen sind, zu denen ich geschickt werde, mit jeweils auf einer Karte aus dem ersten Hotel Aras eingezeichneten Wegen. Innenstadt, fast ganz aus der Stadt raus, zurück ins Zentrum. So weiß ich den auch gleich, dass die Stadt sonst nicht viel zu bieten hat. Dann habe ich das richtige Hotel, gehe nochmal auf den Markt und wechsle Geld und stelle überrascht fest, dass ich viel mehr für meine Euros bekomme als gedacht. Ich möchte auch noch eine Sim-card, aber das scheint hier etwas komplizierter zu sein als in Armenien. Und der einzige Laden, in dem ich eine kaufen könnte, ist heute schon zu.
3.10.2018 Jolfa – Marand
ca. 70 km, angeblich 1100 Höhenmeter (kommt mit ausnahmsweise weniger vor)
Auf den ersten Kilometern, neben einem riesigen Einkaufszentrum knapp außerhalb der Stadt habe ich den zweiten Platten. Wäre an sich nicht so schlimm, dieses Mal ist es trocken und ich kann das Rad auch noch in den Schatten schieben. Aber bei der Gelegenheit entdecke ich einen Riss im Mantel. Das ist nun wirklich blöd, einen Ersatzmantel habe ich nicht mit. Aber sind ja nur noch ein paar Tage, bis ich in Tabriz meinen Mitreisenden, Malte, treffe. Der kann einen mitbringen.
Beim Reparieren werde ich von zwei älteren Männern beobachtet. Im Gegensatz zu vielen anderen sind sie relativ angenehm: stören nicht, packen nur mit an, wenn es in Ordnung ist und sind im richtigen Moment mit einer Standpumpe da. Prima.
Ich fahre weiter. Mit einem kaputten Mantel in die Wüste, klar. 60 km zur nächsten Ortschaft. Ich muss bescheuert sein. Aber ich habe Glück. Das Rad hält.
Die Strecke ist nicht sonderlich spannend, noch immer Berge, es geht langsam bergauf, dann wieder hinunter, nirgends Schatten, ich zerfließe. Kommt allerdings mal ein kleiner Luftzug, scheinen die langen Ärmel bei der trockenen Luft eher vorteilhaft, kurz bleibt es darunter kühl.
Dann, an frühen Nachmittag bin ich in Marand und suche ein Hotel. Aus dem einzigen Innenstadthotel gehe ich rückwärts wieder raus. Definitiv zu dreckig, selbst wenn ich den Besitzer überreden kann, die fleckige Bettwäsche zu wechseln. Ich quäle mich noch ein paar Kilometer weiter, aus der Stadt heraus, in ein weiteres Hotel, das ganz vernünftig ist. Touristenstandard.
Den Nachmittag verbringe ich mit dem Versuch, an eine iranische Sim-Card zu kommen. Es ist beinahe aussichtslos. Die wenigen Läden, in denen es Sim-Cards gibt, sind erstmal zu, wie schon der gestern in Jolfa. Ich drehte eine Runde durch angrenzende Straßen, dann ist einer der Läden auf. Man bringt mich nach einem Telefonat zu einem weiteren Laden. Der ist zu. Kurz danach auf. Der Mann hinterm Tresen bemüht sich eine Ewigkeit darum, mit meinen Daten klarzukommen. Ich verstehe das Problem nicht, es scheint aber nicht lösbar zu sein. Es sieht so aus, als müsse er mit meinen Daten im Pass genau die richtige Umschrift in arabische Buchstaben erwischen. Das klappt nicht. Mehrere Leute kommen und gehen und blättern dazwischen ratlos in meinem Pass. Wenn nur irgendjemand englisch könnte!
Und dann steht ein Mann neben mir: Are you Anja? I am your host! Er stellt sich vor und erklärt, dass er ein Freund eines Mannes ist, den ich über Warmshowers kontaktiert habe, um ein paar Tipps für den Iran zu bekommen. Der ist zur Zeit nicht in der Stadt, hat mich aber weiter vermittelt. Und obwohl ich mich erst für einen Tag später angekündigt hatte: offensichtlich weiß schon die ganze Stadt, dass eine einzelne Touristin mit Fahrrad durchgekommen ist und wo sie sich jetzt gerade befindet. For the record: Marand hat 130.000 Einwohner.
Ich bekomme Tee in einem kleinen Laden, mein neuer Bekannter plaudert mit mir, zwischendurch kommen alle möglichen Leute vorbei, um dieser komischen Touristin Hallo zu sagen. Leider reicht es meistens nicht für mehr als ein Hallo, mehr Englisch kann kaum jemand, mehr Farsi kann ich nicht. Wobei die Leute hier behaupten, dass sie türkisch sprechen und dass es sich auch nicht groß vom türkisch in der Türkei unterscheidet. Ich verstehe kein einziges Wort. Immerhin, mein Sim-Card Problem kann im Laufe des Nachmittags doch noch gelöst werden, bevor ich mich dann, ziemlich geschafft, mit dem Sammeltaxi wieder aufmache in mein Hotel.
4.10.2018 Marand – Tabriz
69 km, 456 Höhenmeter
Übernachtung: Hotel Behboud, riesiges Apartment, gutes Hotel.
Als ich mein Rad aus dem Foyer des Hotels schiebe, bekomme ich stürmischen Applaus von der dort versammelten ziemlich großen iranischen Frauen-Reisegruppe. Na, dann los. Der Aufstieg kommt heute gleich zu Anfang, danach rollt das Rad eine ganze Weile fast von allein. Auch Raststätten und Cafés gibt es heute auf dem Weg ausreichend. Der große Nachteil: ich fahre praktisch den ganzen Tag auf einer Art Autobahn. Solange viel Platz ist, geht das, wenn nicht, überholen die LKW auch mal ohne Sicherheitsabstand. Heftig wird es in die Stadt hinein. Mehrfach muss ich über mehrere Spuren kreuzen, um auf diejenige in Richtung Innenstadt zu kommen. Und mich dann durch die Stadt schlängeln. Nicht trivial. Dabei bin ich hier durchaus nicht die einzige Radfahrerin. Oder doch. Aber nicht die einzige Radfahrer*in. Männer und Jungs auf Rädern gibt es jedenfalls schon. Auch zahlreiche Wegweiser, die Entfernungen in Fahrradminuten angeben. Dennoch, optimal ist die Infrastruktur noch nicht.
Ich bin froh, als ich im Hotel ankomme. Das stellt sich als ziemlich luxuriös heraus: ich bekomme eine Suite mit zwei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Küche, alles großzügig und sauber. Für ungefähr 14 € pro Nacht, inclusive Frühstück, der Währungsverfall des Rial macht es möglich.
Die anderen Sehenswürdigkeiten müssen noch warten, über den Bazar gehe ich aber noch. Toll. Er ist riesig und hat große Abschnitte für alles Mögliche – Schuhe, Schmuck, Teppiche, Wolle für Teppiche, ganz viele Trockenfrüchte und Kräuter, Kleidung…. Und er ist kein bisschen touristisch.
5. – 7.10. Tabriz
Für den 7.10. bin ich in Tabriz mit Malte verabredet, der mich ab hier begleiten wird. Das heißt für mich erst mal eine Fahrradpause bis er da ist. Böse bin ich darüber nicht unbedingt, die vielen Steigungen in Armenien haben mich doch ziemlich geschlaucht. Seit ich im Iran bin, gibt es davon zwar weniger, damit ich aber nicht zu sehr zum Ausruhen komme, geht die Fahrt hier permanent durch die Sonne, auch das ist anstrengend. Selbst die Luft ist sehr trocken.
Stattdessen nun also Pause: zunächst mache ich einen Ausflug, per Taxi nach Kandovan, ein Dorf, das in ausgehöhlte Tuffsteinformationen gebaut wurde, ähnlich wie in Kappadokien. Es ist Freitag, der freie Tag hier und das Dorf läuft über mit iranischen Familien beim Wochenendausflug. Die Straße entlang gibt es Unmengen kleiner Läden, die Keramik, Taschen oder Kräuter und Trockenfrüchte verkaufen. Eigentlich ganz nette Sachen, aber natürlich will ich auf meinem Rad nicht noch mehr Krempel mitschleppen.
Nach einem Rundgang durchs Dorf lande ich bei einer der picknickenden Familien auf einer Decke in der Sonne, bekomme Tee und werde nacheinander mit allen Frauen der Familie fotografiert. Am Ende habe ich gerade noch Zeit, mir ein bisschen Mineralwasser, das es hier auch gibt, abzufüllen, bevor ich zurück muss zum Taxi.
Dann gibt es natürlich die Sehenswürdigkeiten, die man in Tabriz gesehen haben muss, die blaue Moschee mit den Resten von beeindruckendem blauen Fliesenschmuck und das Ostaserbaidschan-Museum, das mich nicht unbedingt vom Hocker reißt. Sehr schön ist hingegen der kleine Ausflug zum Tabrizer Hausberg Eynali dessen rotes Gestein in der Abendsonne toll aussieht.
Am Sonntag morgen dann kommt Malte an. Sein Flug hat sechs Stunden Verspätung, aber immerhin, sein Fahrrad übersteht den Flug gut, er bringt einen Mantel für meins mit, morgen kann es weitergehen mit unserer Tour.
8.10.2018 Tabriz – Eslami Island
98 km, fast ganz flach
Wir machen uns früh auf den Weg, in der Hoffnung, vor dem schlimmsten Verkehr aus der Stadt heraus zu sein. Sind wir wahrscheinlich auch, allerdings wirkt sich Tabriz mit seinen 1,6 Mio. Einwohnern schon weiträumig aus: nach der Stadt folgen Industriegebiete, dann lässt der Verkehr auf der Autobahn langsam nach, aber es bleibt größtenteils eine Autobahn. Ein längeres Stück haben wir Glück: die rechte Seite der Autobahn ist noch nicht für den Verkehr geöffnet, es wird noch gebaut. Wir mit den Rädern können trotzdem schon hier fahren – ein ziemlich luxuriöser Radweg.
Nach den zahlreichen Pässen der letzten Zeit ist die Strecke nun vollkommen flach.
Unser Ziel heute: der Urmia-See. Das ist ein ursprünglich riesiger flacher Salzsee, früher war er 10 mal so groß wie der Bodensee und hatte einen Salzgehalt etwa wie das tote Meer. Seit den 80 er Jahren ist der See extrem geschrumpft, im Wesentlichen wohl, weil ihm die Zuflüsse abgegraben wurden. Wir jedenfalls fahren lange durch flache Landschaft, und sind nicht sicher, ob hier einmal der See war oder noch nicht. Irgendwann sieht man Salzkrusten auf dem Boden, Wasser sehen wir heute nur von sehr weitem, kleine Reste von einem riesigen See.
Am Abend zelten wir zum ersten Mal auf einem gerade nicht genutzten Feld auf Eslami Island, neben dem See, der an dieser Stelle keiner mehr ist.
9.10.2018 Eslami Island – Urmia
45 km, flach
Den größten Teil der Strecke nach Urmia haben wir gestern schon geschafft, es bleiben nur noch 45 km. Los geht es mit einer Brücke über den See. Wir sehen viel Salz und kümmerliche Reste von Wasser. Ab und zu Tretboote, die auf dem trockenen liegen, eine verrostete alte Fähre. Schön ist auch die Salzwüste hier. Dennoch ist natürlich zu hoffen, dass es gelingt, den See zu retten. Angeblich sollen die entsprechenden Bemühungen in den letzten Jahren schon erste Erfolge gehabt haben, vermutlich ist der Wasserstand nach dem Sommer ja auch besonders niedrig.
Am frühen Nachmittag sind wir dann in Urmia und mieten uns in einem teuren Hotel ein. In der Präsidentensuite, weil kein „normales Doppelzimmer“ frei ist. „Teuer“ ist allerdings relativ: wir profitieren hier ungewollt vom Währungsverfall des Rial, der wohl wesentlich von den Sanktion verursacht wird, die die USA wieder in Kraft gesetzt haben. Der Marktkurs für den Rial, den man in Wechselstuben bekommt, war immer um vielleicht 15% besser als der offizielle Kurs der Banken. Zur Zeit bekommt man von den Wechselstuben dreimal so viel wie den offiziellen Kurs. Da werden Präsidentensuiten erschwinglich, essen in einfachen Restaurants oder Taxifahren wird geradezu absurd billig.
10.10.2018 Urmia – Nagadeh
91 km, Gegenwind und ein paar Höhenmeter
Im Iran hat man wirklich eine Vorliebe für Asphalt. Abgesehen von einem kleinen Versuch, Nebenstraßen zu fahren, sind wir fast die ganze Zeit auf autobahnähnlichen Straßen unterwegs.
Einen großen Teil der Zeit geht es am Urmia-See entlang, aber nie sehen wir Wasser, immer Salzwüste. Riesige Flächen Salzwüste.
Mittags winkt uns ein älteres Paar an den Straßenrand und lädt und zum Tee ein. Wir nehmen an, folgen Ihrem Auto ein Stück zum Haus. Wir unterhalten uns mit Händen, Füßen und der Hilfe des über Handy zugeschalteten Sohns der beiden, trinken Tee und schaffen es nicht, das Haus ohne mehrere Kilo geschenkter Weintrauben wieder zu verlassen. Keine Ahnung, wie wir die schaffen sollen.
Am späten Nachmittag sind wir in Nagadeh. Google und Osmand behaupten, dass es hier ein Hotel gibt, wie finden davon aber keine Spur. Fragen also jemanden. Der sagt uns, nein, ein Hotel gibt es hier nicht, aber wir sollen doch mit zu ihm nach Hause kommen, er lädt uns ein, bei ihm zu schlafen. Und schon wieder landen wir in der Wohnung einer iranischen Familie. Die Frau stellt sich in die Küche und kocht gut und aufwändig für alle, der kleine Sohn muss uns sein Kinderzimmer für die Nacht überlassen. Und wieder versuchen wir, uns mit Händen und Füßen zu verständigen und lernen google translate schätzen.
Unser Gastgeber erzählt, dass er bis vor kurzem an einem Tunnel gearbeitet hat, über den Wasser aus dem Aras – dem Grenzfluss zu Armenien und Aserbaidschan zum Urmia-See umgeleitet werden soll. Im Internet ist auch von einem solchen Projekt zu lesen, dort steht aber, dass es nicht realisiert wird?
11.10.2018 Nagadeh -Mahabad
54 km
Nach ein paar Kilometern besichtigen wir Hasanlu, eine Ausgrabungsstätte mit Funden aus unterschiedlichen Epochen, die ältesten um die 8000 Jahre alt, einige restauriert. Auch ein kleines Museum gibt es, in dem Funde aus dieser Ausgrabungsstätte ausgestellt sind. Nur das wichtigste Fundstück, ein großer goldener Becher ist im Museum in Teheran.
Herumgeführt werden wir von zwei Wehrpflichtigen, die offenbar hier Dienst haben und als erstes darauf hinweisen, dass sie nicht freiwillig Soldaten sind.
Am Nachmittag landen wir in der quirligen Provinzhauptstadt von West-Aserbaidschan. Die Stadt ist in keinem unserer Reiseführer beschrieben, scheint aber doch ein wichtiges regionales Zentrum zu sein. Wir jedenfalls sehen zwar keine der wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, landen aber in einem schicken angesagten Café, in dem den Frauen die Kopftücher besonders weit nach hinten rutschen – oft liegen sie nur noch um den Hals.
12.10.2018 Mahabad – Bukan
67 km, 990 Höhenmeter
Wir fahren eine kleinere Straße entlang. Besser ist das nicht unbedingt: auch diese Straße ist relativ stark befahren und es gibt nur selten einen Seitenstreifen. Die meisten Fahrer passen auf, aber ab und zu überholt ein Laster mit um die 100 Stundenkilometer und 20 cm Abstand. Da hat die Autobahn mit ihrem breiten Seitenstreifen doch glatt Vorteile.
Ein paar Kilometer abseits unseres Wegs liegt die Sahulan Höhle, die wir ansehen wollen, vorzugsweise ohne unserem Weg heute übermäßig viele Höhenmeter hinzuzufügen. Wir lassen unsere Fahrräder an Abzweig von der Hauptstraße, gehen ein Stück in Richtung der Höhle. Die wenigen Autos, die hier entlang fahren, sind voll besetzt. Trotzdem hält gleich das zweite an. Für mich ist Platz auf der Rückbank, wo zwei Frauen sitzen, Malte muss sich vorn neben den Beifahrer quetschen.
Die Höhle selbst beeindruckt vor allem durch ihre Größe und den tiefen unterirdischen See, auf dem die Touristen mit Ruderbooten zwischen den Felsformationen hindurchgeschippert werden. Gleichzeitig mit uns sind auch einige Höhlentaucher unterwegs, der See soll bis zu 60 m tief sein, die Erkundung lohnt also.
Ich bin nicht sicher, wie häufig wir hier fotografiert werden. Ein Selfie mit den Leuten, die uns im Auto mitnehmen, eins mit denen, mit denen wir ein Boot in der Höhle teilen, eins mit den Jungs an der Kreuzung, wo wir unsere Räder stehen lassen, und dann werden wir doch tatsächlich während der Fahrt an den Straßenrand gewinkt, weil jemand ein Erinnerungsfoto mit diesen Touristen auf den Fahrrädern haben möchte.
13.10.2018 Bukan – Saqqez
40 km, 429 Höhenmeter
Abgesehen von ein paar Steigungen ist heute ein eher ruhiger Tag. Wir bekommen morgens noch Spiegeleier in unserem Gästehaus und radeln dann die ungefähr 40 km zur nächsten Stadt, die ein paar Hotels hat. Morgen kommt eine relativ lange Strecke ohne Hotels, da wollen wir uns vorher ausruhen.
Es gibt im Iran einen offensichtlichen Mangel an kleinen Pensionen. Während es in Armenien in manchen Orten den Anschein hat, dass sich in jedem zweiten Haus eine kleine familiengeführte Pension versteckt, gibt es hier vor allem große Hotels und ein paar einfache Gästehäuser mit fragwürdiger Sauberkeit. Die verfügbaren Hotels scheinen dann auch noch in bestimmten Städten konzentriert, dazwischen liegen lange Strecken ohne eine Unterkunft, wenn man das eigene Zelt nicht mitzählt.
Heute jedenfalls sind wir gegen Mittag in Saqqez, einer Stadt, in der sich die Hotels aus unerfindlichen Gründen konzentrieren. Wir lassen unsere Wäsche waschen, spazieren durch den Park, gehen am Abend essen. Endlich mal Fisch anstelle der ewigen Fleischspieße.
14.-15.10. 2018 Saqqez – Sanandaj
95 km und 1400 Höhenmeter mit dem Rad, dann weiter mit einem Taxi
Wie sind mal wieder froh, wenn wir auf einer Autobahn fahren: die haben in der Regel einen breiten Seitenstreifen und weil die Gegenspur oft ein Stück entfernt geführt wird, entsteht auch gleich der Eindruck, dass sich der Verkehr in Grenzen hält. Ganz anders, wenn aus den vier Autospuren plus asphaltiertem Seitenstreifen zwei Autospuren mit Sandstreifen am Rand werden. Da bewährt sich mein neuer Rückspiegel, so sehe ich wenigstens die Laster, die überholen wollen.
Heute fahren wir wieder auf etwas mehr als 2200 m. Dazu kommt, dass es bewölkt ist, stürmt und ein bisschen regnet, im Ergebnis, dass es ziemlich kalt ist, wenn wir gerade nicht bergauf fahren. Und an unseren Zielort gibt es kein Hotel. Also hilflos herumstehen, bis uns jemand zur Übernachtung einlädt? Trotz des Windes zelten? Malte schlägt vor, zu zelten und morgen einen Bus oder ein Taxi in die nächste Stadt zu nehmen. Ich schlage vor, die Sache mit dem Transport nach Sanandaj gleich zu machen. Gesagt, getan. Ein Mann, den wir nach dem Weg fragen, fährt uns mit seinem Auto voraus und zeigt den Weg zum Busbahnhof. Dort sagt man uns, nein, zwei Räder passen nicht in einen Minibus. Man diskutiert eine Weile hin und her, wir verstehen nicht viel, aber letztlich findet sich ein Taxifahrer für uns. Mit quergestelltem Lenker und abmontiertem Vorderrad passen die Räder fast in den Kofferraum, das Gepäck auf die Rückbank. Pünktlich zum Abendessen sind wir in Sanandaj und mieten uns gleich für zwei Nächte im Hotel ein – wir brauchen einen fahrradfreien Tag.
An diesem sehen wir uns Sanandaj an, das kurdische Museum, das es hier gibt und das in einem sehr schönen Haus mit Innenhof und bunten Glasfenster untergebracht ist, den Basar, auf dem kurdische Männer sich mit den weiten Hosen und breiten Stoff Gürtel eindecken können, die sehr viele von ihnen immer tragen und schließlich den Park auf einen Berg mit Blick auf die Stadt.
16.10.2018 Sanandaj – irgendwo auf dem Weg nach Hamedan
84 km, 1074 Höhenmeter
Unser Hotel bietet glücklicherweise schon ab 7 Frühstück an – die kurzen Tage im Oktober werden langsam zum Problem.
Dann fahren wir den nächsten Berg hoch, zum Glück haben wir heute meistens einen Seitenstreifen und der Verkehr ist auch erträglich. Kurz nach dem Mittagessen allerdings erwischt uns ein Gewitter mit Graupel und einem Regen, der meine Schuhe innerhalb von Sekunden in kleine Eiswasserschüsseln verwandelt. Ich befürchte schon, für immer zum Eisklotz zu werden, als der Regen genauso schnell aufhört, wie er angefangen hat. Ich wringe die Socken aus und ziehe Sandalen an, wir fahren weiter.
Auf unserem Weg heute gibt es kein Hotel, also wollen wir zelten. Wir suchen einen Platz ein Stück von der Straße entfernt und fragen, ob wir hinter einem Gebäude, das zu einer landwirtschaftlichen Anlage gehört, unser Zelt aufbauen dürfen. Wir dürfen. Wir gucken uns gerade den besten Platz aus, als ein Mann kommt und uns bedeutet, dass es bestimmt gleich wieder regnet und dass wir doch besser mitkommen sollen. Wir gehen mit zu einer überdachten Terrasse – vermutlich sollen wir hier zelten? Aber nein, wir werden in eine Art Aufenthaltsraum mit Küche und Bad gebracht, unser Gastgeber sagt uns, dass wir doch besser hier schlafen sollen. Dann wirft er den Ölofen im Raum an, obwohl uns ganz bestimmt auch so nicht kalt zu werden droht. Wir rätseln ein wenig, wo wir gelandet sind. Im Nebenraum gibt es eine Matratze, schläft hier also noch jemand? Aber nein, wir haben den Raum mit dem weichen Teppich tatsächlich für uns. Eine Weile später kommt jemand, um mehr Öl in den Ofen zu gießen, wir schaffen es aber, ihn daran zu hindern, den Raum endgültig in eine Sauna zu verwandeln. Mit Händen und Füßen machen wir ihm klar, dass dass Deutschland so eiskalt ist, dass wir ganz bestimmt eine Nacht bei knapp über 20 Grad überleben.
Besuch bekommen wir am Abend dann doch noch: Zwei sehr nette junge Männer kommen vorbei, ein Landmaschinenmechaniker, der sich für uns und die technischen Details unserer Räder interessiert und außerdem so wie ich gern klettert und sein Freund. Beide können ein bisschen Englisch, zumindest einigermaßen können wir uns unterhalten.
17. – 18.10.2018 nach Hamedan
95 km, ein paar hundert Höhenmeter
Die Straße führt lange auf einer fruchtbaren Hochebene entlang, ein Feld an Straßenrand folgt dem anderen, bevor ein relativ sanfter Anstieg und eine lange Abfahrt folgen. Am späten Nachmittag kommen wir im Nieselregen in Hamedan an und sind nach 95 km sich einigermaßen geschafft.
Den nächsten Tag bleiben wir in der Gegend und fahren mit den Taxi zum Ganj Nameh Tal (um noch mal die Preisrelationen zu verdeutlichen: 8km, umgerechnet 70 Cent). Hier gibt es :
• Einen Wasserfall
• Zwei alte Keilschrifttafeln aus um 500 v.u.Z.
• Eine Seilbahn aus Schweizer Herstellung, die anscheinend in ihrem ersten Leben auf die Zugspitze fuhr und die nun Besucher bis auf etwa 2500m auf den Alavand bringt,
• Einen Freizeitpark mit Bungeejumping, Kletterwand, Klettergarten, Sommerrodelbahn.
Wir fahren mit der Seilbahn auf den Berg, trinken Tee, laufen hinunter und sehen uns später in der Stadt noch die Ausgrabungen aus der Zeit der Meder und Parther an. Leider ist sehr wenig auf Englisch erklärt, so dass wir ein bisschen ratlos vor alten Gebäuderesten stehen. Auf Schildern neben den Ausgrabungen stehen Dinge wie „das südliche Feld ist 17,5*17,5 m groß. Um dieses Quadrat herum scheint man dann einfach noch nicht gegraben zu haben. Oder doch? Wer weiß, was da noch alles liegt.
19.10.2018 Hamedan – auf dem Weg nach Qom
Der Weg nach Qom ist etwa 270 km lang, dazwischen gibt es kein halbwegs günstig liegendes Hotel. Wir richten uns also auf zwei Nächte im Zelt ein und fahren los. Die ersten 25 km auf einer Autobahn, danach tatsächlich auf einer kleinen, wenig befahrenen Straße. Es gibt sie also doch, die fahrradtauglichen Straßen im Iran! Wir kommen erst einmal gut voran, kein Wunder, es geht über eine lange Strecke langsam bergab. Hinter uns türmen sich riesige Gewitterwolken, die machen uns noch einmal ein bisschen schneller. Mittags gibt es die üblichen Fleischspieße in einem kleinen Restaurant. Kurz danach winkt uns ein Polizist an den Straßenrand. Er bedeutet uns, dass wir unsere Fahrräder in seinen Pickup laden sollen. Ist das nun ein Angebot oder ein Befehl? Wir schütteln erstmal die Köpfe. Der Polizeiwagen fährt langsam vor uns her und winkt uns kurz danach auf ein Polizeigelände. Wir folgen der Aufforderung. Hinter uns fällt ein großes Tor ins Schloss. Uns bringt man ohne weitere Erklärung ins Gebäude – und lässt uns erst einmal eine Weile warten. Als Malte zum zweiten Mal nachfragt, wollen die Polizisten unsere Pässe sehen. Sie nehmen sie mit. Es kommen immer mehr Leute in den Raum, in unterschiedlichen Uniformen. Einer der Polizisten kann etwas Englisch, der Chef behauptet das auch, versteht aber tatsächlich fast nichts. Irgendwann verstehen wir, dass wir einen bestimmten Weg nicht entlang fahren sollen. „There is war!“, sagt einer der Polizisten. Vielleicht ein Manöver? Irgendeine militärische Einrichtung, der wir nicht zu nahe kommen sollen? – keine Ahnung. Wir zeigen unseren Routenplaner, unsere Planung wird geprüft und für in Ordnung befunden. Dann sollen unsere Pässe kopiert werden, aber der Kopierer ist kaputt. Die Kopie, die ich dabei habe, nützt nichts, ich habe sie schon in Deutschland gemacht, also ist kein Einreisestempel drauf. Jemand wird in den nächsten Ort geschickt, Kopien machen. Wir warten weiter, bekommen nun aber immerhin Tee. Die Polizisten versuchen so lange sich mit uns zu unterhalten. Wir seien Deutsche, also Arier, sagen sie, sie seien auch Arier. Es scheint uns nicht der richtige Moment für Diskussionen. Wir nicken. Ja, Daimler – Benz ist eine deutsche Firma, BMW auch.
Endlich kommt ein Polizist mit den Pässen und den Kopien zurück und wir können noch ein paar Kilometer weiter bevor wir in der Dämmerung die Zelte aufstellen.
20. – 21.10. Nach Qom
103 + 69 km, ein paar Höhenmeter bergauf, dann viele bergab
Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.
Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.
Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.
Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:
Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.
Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.
Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.
Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:
22. – 23.10.2018 Qom – Kashan
102 km
Auf der rechten Seite ist von weitem das Gebirge zu sehen, manchmal in rot und grün schimmernd, links fast die ganze Zeit über eine riesige, karge Ebene oder Felder, auf denen zumindest um diese Jahreszeit nichts wächst. Auf dem ersten Teil der Strecke rollen die Räder fast von allein, es geht wohl leicht bergab, dann müssen wir doch noch treten.
Am späten Nachmittag schließlich erreichen wir Kashan, eine sehr schöne ehemalige Oasenstadt mit zahlreichen traditionellen Häusern mit schönen Innenhöfen, schmalen verwinkelten Gassen und vielen westlichen Touristen. Wir sind also doch nicht die einzigen Iran – Urlauber.
Am Abend finden wir in sehr schönes Restaurant in einem der traditionellen Häuser das anderes als Fleischspieße im Angebot hat: ein leckeres Auberginengericht für mich und Dizi, eine Art im Tontopf gekochten Eintopf für Malte. Wunderbar, ich habe das Gefühl, wochenlang von Kebab gelebt zu haben.
Wir könnten nun weiter mit den Rad nach Isfahan fahren, das würde ungefähr genauso viel Zeit kosten, wie wir noch haben bevor wir zurück nach Deutschland müssen – eine doofe Idee, lieber wollen wir auch noch ein bisschen von den wunderschönen Städten sehen, in denen wir gerade sind. Also entscheiden wir uns für den Bus. Aber zuerst lassen wir uns noch zur Fin Gartenanlage knapp außerhalb von Kashan fahren. Das ist ein sehr alter Garten mit Hammam-Museum, Pavillon aus dem 17. Jahrhundert und zahlreichen Kanälen und Wasserbecken, die von einer Quelle gespeist werden. Davon abgesehen gibt es eine ganze Reihe von Mädchenklassen in ihren Schuluniformen, mal grau-rosa, mal schwarz-blau oder auch leuchtend violett. Insgesamt sehr schön sehr entspannend und außerdem UNESCO-Weltkulturerbe – die Anlage natürlich, nicht die Mädchenklassen.
Die Busfahrt nach Isfahan verläuft ganz unproblematisch. Zwar ist eine Reservierung nötig, für Busse scheinen ziemlich ausgebucht zu sein, aber die Fahrräder kommen ganz selbstverständlich und ohne Verpackung mit.
23.-26.10.2018 Isfahan
Es sind die letzten Tage unseres Urlaubs, die wir in dieser wundeschönen Stadt verbringen. Von unserem Hotel im Zentrum aus erkunden wir die Stadt:
Kern ist der riesige, wirklich riesige Meydan – e -Imam im Zentrum. Zwei Moscheen an den Seiten, ein Palast und rund herum in den Arkaden der Basar. Sehr schön, aber auch der erste Markt, den ich im Iran sehe, der gezielt auf Touristen ausgerichtet ist mit Souvenirs, Teppichen, Kupferwaren. Natürlich sehr beeindruckende Bauwerke, bunte Kacheln, Springbrunnen.
Und dann, ein Stück entfernt vom großen Platz der Zayandeh Rud, der Fluss durch die Stadt mit zahlreichen Brücken, unter anderem einer alten Brücke mit 33 Bögen und erstaunlicher Länge. Superschön, beeindruckend, gerade nachts, und offenbar ein beliebter Treffpunkt. Nur einen kleinen Fehler hat das Ensemble: im Fluss fließt kein Tröpfchen Wasser. Möglicherweise ist das für die Zeit Ende Oktober fast normal. Tatsache ist aber, dass Wasser in diesem Fluss selten geworden ist, ein großer Teil wird über eine Pipeline nach Yazd transportiert, ein anderer verdunstet offenbar in Talsperren, bevor er die Stadt erreicht und ein dritter wird zur Bewässerung von Feldern verbraucht. Man muss wohl feststellen, dass der Iran ein massives Wasserproblem hat.
Wir sehen uns nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an, dafür machen wir noch einen kleinen Ausflug am Ufer der Zayandeh Rud entlang: fahren mit einem Sessellift über einen Wald (ja, komplett bewässert), zu einem Vogelpark, klettern auf einen Hügel, auf dem vielleicht einmal ein zoroastrischer Feuertempel war und beobachten die Isfahaner Jugend beim ausgelassenen Start ins Wochenende am Donnerstag Nachmittag. Zum ersten Mal gibt eine relevante Zahl von Frauen auf Fahrrädern. Ganz vereinzelt gab es auch in anderen Städten welche, ich kann diejenigen, die ich in drei Wochen gesehen habe, an einer Hand abzählen. Aber hier, im riesigen Park am Ufer, mit echtem Radweg übrigens, hier sind sie alle, oft auf Leihrädern, manche ein bisschen unsicher. Eine kleine Gruppe stürzt sich sofort in eine Wettfahrt, als sie mich sehen (unfaire Bedingungen, mein Rad rollt einfach besser und ich habe gerade zum ersten Mal das Gepäck im Hotel gelassen).
Und dann müssen wir leider Abschied nehmen: wir verpacken die Räder in eine Art Luftpolsterfolie, die wir mit Hilfe unseres Hotels kaufen, ein Taxifahrer bringt uns mitten in der Nacht zum Flughafen. Dort erwartet man uns schon: ich habe per E-Mail vorab eine Frage zur Bezahlung gestellt und werde direkt mit Namen begrüßt. Der Flughafen ist klein, in der Nacht ist unser Flug der einzige. Man kümmert sich liebevoll um die Räder und trägt uns Wechselgeld hinterher, auf das wir eigentlich schon verzichten wollten.
Wir steigen in Istanbul um und sind am Vormittag wieder in Berlin. Keine Schäden an den Rädern dieses Mal. Und ich komme wieder!
Eigentlich ca. 65 km, aber man kann ja ein paar Ausflüge drauflegen.
Wieso fährt man im ersten Tag des Urlaubs 90 km, nachdem man die Nacht, statt zu schlafen im Flugzeug mit lauter weinenden Kindern verbracht hat? Ich weiß es nicht. Aber ich tue es. Von vorn: der Flug nach Yerevan dauert etwas weniger als vier Stunden, von 21:45 bis 3:30. Dieses Mal klappt der Fahrradtransport hervorragend. Mein Fahrrad kommt als erstes Gepäckstück an, während ich noch dabei bin, eine armenischen SIM-Karte zu kaufen.
Als ich mich um kurz nach 5 auf den Weg mache, ist es natürlich noch stockdunkel. Gut, weil auch auf der autobahnähnlichen Straße am Sonntag morgen um 5 nicht viel los ist. Schlecht, weil dunkel und etwas gruselig. Ab und zu stürzen bellende Hunde hinter Häusern hervor. Und auf dem Weg heraus aus der Stadt fährt man zwangsläufig durch Industriegebiet. Ich bin froh, als endlich die Sonne aufgeht.
Dann allerdings ist der Ausblick der sich mir bietet sensationell: der Ararat im Sonnenaufgang. An seinem Fuß gibt es ein must-see- Kloster, Pokr Vedi. Ich mache den Umweg. Es ist 8:30 Uhr als ich ankomme,gerade noch rechtzeitig offenbar, bevor die Touristenhorden einfallen. Während ich im Schatten sitze und frühstücke, werden es immer mehr.
Das Kloster ist beeindruckend, weniger wegen einzelner Gebäude als wegen des gesamten Ensembles und der Lage am Fuß des Ararat. In die zahlreichen Kapellen werfe ich nur einen kleinen Blick. Dann geht es weiter, die letzten 25 km bis Urdzadzor, meinem heutigen Ziel.
Kaum habe ich ein unbequemes Bett in einem einfachen Zimmer bekommen, falle ich hinein und schlafe.
Am Nachmittag mache ich mich mit dem Rad noch einmal auf den Weg, zum Rand eines Naturschutzgebiets in der Nähe. Sagen wir so, ein hübsches Flusstal, ein kurzes Gespräch mit einem jungen Mann von der Eco-Lodge. Wirklich gelohnt hat sich der Ausflug nicht.
24.9.2018 Urdzadzor – Yeghegnadzor
82 km, 2050 Höhenmeter, nachdem ich schon wieder einen Umweg draufgelegt habe.
Strahlender Sonnenschein
Der Weg heute führt erst langsam, dann immer steiler bergauf. Nach kurzer Zeit gibt es kaum noch Autos, auch Menschen sind kaum zu sehen. Es ist halb 1, als ich endlich oben auf dem Pass ankomme. Da bin ich gerade 20km gefahren, von den 65, die ich heute geplant habe.
Kurz vor dem Gipfel gelingt es mir noch, meine Wasservorräte aufzufüllen, an einem Brunnen am Straßenrand. Ich Trottel habe nämlich zu wenig Wasser dabei und überlege schon, wieviel wohl in den Äpfeln, die ich unterwegs geschenkt bekommen habe, noch enthalten ist.
Ich finde einen schönen Platz für eine Pause , dann geht es weiter, jetzt endlich bergab. Meine Straße trifft wieder auf die Hauptstraße der Verkehr wird stärker dafür gibt es nun alle paar Meter Stände, an denen Obst verkauft wird, dann auch mal ein richtiges Café. Noch weiter unten werden aus den Obstständen Weinstände, die Region ist für ihren Wein bekannt. Obwohl ich eigentlich nichts mehr in meine Taschen bekomme, kaufe ich einen halben Liter ziemlich süßen Wein.
Nachdem ich alle schönen Höhenmeter wieder weggerollt habe, sehe ich einen Abzweig. „Naturschutzgebiet“ und „Noravank Kloster“ steht auf dem Wegweiser. Die Felsen auf beiden Seiten der Straße wirken so spektakulär, dass ich beschließe, ein bisschen in dieses Canyon hineinzuschauen. Und fahre weiter. Immer noch spektakuläre Landschaft. Noch weiter. Unterwegs treffe ich ein paar Deutsche, die in einem Projektes WWF Trails anlegen, heute aber gerade dabei sind Müll wegräumen (-> barevtrails.com). Schließlich mache ich ein kleines Picknick, kurz unterhalb des Klosters bevor ich endlich umkehre.
Schon wieder bin ich total erschöpft, als ich es kurz vor Einbruch der Dunkelheit mit letzter Kraft in meine Pension schaffe. Trotzdem, eine schöne Tour heute.
25.9.2018 Yeghegnadzor – Jermuk
50,7 km, 1216 Höhenmeter rauf und 396 runter.
Eigentlich plane ich heute, nach Sisian zu fahren, eine Stadt, die laut Lonely Planet schon bessere Tage gesehen hat. Es geht die Hauptstraße entlang, ich werde von ziemlich vielen Tanklastern mit iranischen Kennzeichen überholt. Neben der Straße fließt ein kleiner Fluss alle paar Meter gibt es ein Restaurant mit Blick dorthin.
Als ich einen Wegweiser nach Jermuk sehe, biege ich ab. Einen etwas kürzeren Weg kann ich heute gut gebrauchen. Ich fürchte, es macht sich nun die Anstrengung der letzten Tage bemerkbar. Auch so sind es mehr als 1200 Höhenmeter, die schaffe ich gerade so, mehr hätte es heute nicht sein dürfen .
Jermuk ist eine alte Kurstadt, es gibt Mineralwasser, ein ziemlich sowjetisch anmutendes Kurhaus, eine spektakuläre Schlucht und viele Hotels, oft in der oberen Preisklasse. Für mich das alles in Schnelldurchgang, weil ich mich erst einmal ausgiebig ausruhen muss. Immerhin trinke ich mich noch durch die verschiedenen Quellen. Alle etwas säuerlich, ich finde, sie unterscheiden sie sich hauptsächlich in der Temperatur.
26.9.2018 Jermuk – Sisian
64 km, inclusive Verfahren, meine App behauptet, dass es nur 590 Höhenmeter hoch ging und 1088 m runter. Kann ich mir nicht vorstellen.
Auf der Karte hatte ich den Eindruck, dass es eine durchgängige Straße gibt, die von der Hauptstraße bis fast nach Jermuk führt und dann in einem Bogen wieder zurück zur Hauptstraße. Und eben den Abzweig nach Jermuk. Offensichtlich habe ich aber falsch geguckt. Tatsächlich gibt es nur die eine asphaltierte Straße nach Jermuk und relativ früh auf dieser Straße einen Abzweig. Wenn ich nicht einen Großteil der Höhenmeter noch einmal fahren will, muss ich über eine holprige Schotterstraße. Und dabei dachte ich, dass das ein Tag zum Ausruhen wird, dass ich vielleicht schon mittags in Sisian bin und den Nachmittag in einem Café mit einem Buch in der Hand verbringen werde.
Nix da. Manchmal kann man auf dieser Straße fahren, oft ist sie unglaublich holprig. Selbst wenn ich schiebe, rutsche ich dauernd weg. Zeitweise ist es so steil, dass ich in kleinen Etappen schiebe: 100 Schritte schieben, anhalten, einen Schluck Wasser trinken, durchatmen, wieder 100 Schritte schieben. Immerhin, zuviel Verkehr ist nicht. Ein paar mal, über den Tag verteilt quält sich ein Auto die Strecke entlang, der Fahrer wechselt ein paar Worte mit mir … woher, wohin, woher kommst du eigentlich, ah, ich war mit dem Militär in der DDR, Berlin, Potsdam, Halberstadt… die Straße geht nur noch ein bisschen bergauf, dann wird es besser…schönen Tag noch.
Außer diesen Autofahrern gibt es jede Menge Rinder- und Schafherden, erstere oft mit richtigen Cowboys. Und natürlich Hunde. Die sind überall.
Dann endlich bin ich wieder auf der Hauptstraße, endlich Asphalt unter den Rädern. Letztlich bin ich erst gegen 5 in Sisian, einer Stadt mit sowjetischem Charme und netten Menschen. Ich investierte noch umgerechnet 4 €in eine Privatführung durch das örtliche Museum und offenbare meine ganze Unkenntnis über armenische Geschichte (wann und wie kam Armenien doch gleich zur Sowjetunion? Krieg Anfang der 90ger? Vielleicht gegen Aserbaidschan? 4-Tage-Krieg 2016?)
27.9.2018 Sisian – Tatev
50km, vielleicht 950 Höhenmeter.
Heute sollte ich eigentlich jede Menge spektakuläre Fotos von der Schlucht vor Tatev haben, von den endlosen Serpentinen ganz hinunter ins Tal und dann wieder rauf bis zum Kloster. Und vom über den Felsen hängenden Kloster. Aber nein, zu bieten habe ich nur ein paar sehr alte Steine vom ersten Teil meiner Tour, frühe Bronzezeit, Grabstätte, daneben war wohl eine Siedlung. Einige Steine haben Löcher, der Lonely Planet sagt, die zeugen vom großen astronomischen Wissen der Erbauer und seien ganz exakt ausgerichtet. Wikipedia sagt, sie seien wohl dazu da gewesen, die Steine aufzurichten. Alles andere sei vermutlich Quatsch, der für Touristen erzählt werde.
Die Ausgrabungsstätte ist kurz hinter Sisian. Danach folgt öde Straße und als es wieder schön werden könnte: Nebel, Kälte, Regen. Man kann kaum die Hand vor Augen erkennen. Statt eines Fotos tut es ein weißes Blatt Papier. Nur ganz unten in der Schlucht, bevor es nach Tatev hinauf geht, wird es kurz besser. Eine wunderschöne Schlucht, in die man nicht wirklich hineingehen kann, in der es aber warme Quellen und ein paar Becken mit ihren Wasser gibt.
Bis hierhin war die Straße übrigens prima. Und nun, für den steilen Aufstieg, haben sie wieder den Asphalt vergessen. Es holpert und holpert. Und irgendwann höre ich lautes Zischen: ich habe einen Platten. Alles ist nass, lehmig, überall klebt der Nebel und der Flicken will auch beim dritten Versuch nicht halten. Ich versuche, den Schlauch zu wechseln und stelle fest, dass ich nicht den richtigen dabei habe. 100 Gummipunkte für Blödheit!
Dann hält neben mir ein Auto, der Fahrer fragt, ob er helfen kann, erzählt, dass er in Hamburg wohnt, hält einen LKW an, weil sein eigenes Auto zu klein ist, bindet mein Rad zusammen mit dem Fahrer darauf fest und zwanzig Minuten später bin ich in meiner Unterkunft (wo die Reparatur gar kein Problem mehr ist.)
29.-30.9.2018 Tatev
Auch heute herrscht dicker Nebel, keine wunderschöne Aussicht. Und kein schöner Blick auf das berühmte Kloster von Tatev.
Mich hat ein Magen-Darm Infekt erwischt. Ich bleibe also in meiner Unterkunft, das Haus einer Familie die, soweit ich es sehe, über den Sommer die eigenen Zimmer freigemacht hat, um sie zu vermieten. Bad über den Hof, die Wasserpumpe funktioniert, wenn sie Lust hat, es gibt jede Menge Hühner und eine Wirtin die unablässig arbeitet: Sie kümmert sich um die Gäste, das Essen, die Hühner, den Garten, kocht und backt Leckereien, die sie an einem Stand vor dem Kloster von Tatev verkauft. Heute kümmert sie sich auch noch um mich krankes Hühnchen. Ihr Mann schaut vor allem fern, fragt ab und zu aber immerhin, ob ich etwas brauche.
Offenbar sind die Wirte erst vor ein paar Jahren hierher gezogen, ins Elternhaus des Mannes, weil in Yerevan keine Arbeit zu kriegen ist. Und hier? Der Mann sagt, als er hier zur Schule ging, gab es über 80 Kinder im Jahrgang, nun gibt es 8 Kinder in der diesjährigen 1.Klasse. Nächste Jahr gibt es keine. Die Fabriken wurden nach der Perestroika geschlossen, die Leute sind weggegangen. Nach Russland meistens, einige nach Europa.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und auch mir geht es besser, die nächste Etappe Rumpelstrecke traue ich mir aber noch nicht zu. Also bleibe ich noch. Fahre mit der Seilbahn „Wings of Tatev“ über das Tal hin und her, weil das ja auch mal sein muss. Immerhin wird diese Attraktion auf den Wegweiser schon seit kurz hinter Yerevan angekündigt.
30.9.2018 Tatev – Kapan
50 km, 768 Höhenmeter rauf, 1579 m runter
Meine Gastgeber beruhigen mich, als ich sie nach dem Zustand der Straße nach Kapan frage. Auf der Karte ist sie noch ein klein wenig schmaler eingezeichnet als der Lehm-Schlamm-Stein-Holperweg aus dem Tal bis hinauf nach Tatev. Diese Strecke hier sei teilweise sogar asphaltiert sagen sie. Ja, für kleine Autos könnten die tiefen Löcher schon schwierig sein, aber mit den Rad ginge das. Es stimmt weitgehend auch, oft kommt man ganz gut voran, manchmal muss man ziemlich aufpassen, gelegentlich in engen Kurven um die Schlaglöcher fahren.
Über weite Strecken ist es sehr einsam heute, vor allem oben auf den Bergen Ganz selten mal ein Auto, einmal ein alter Mann mit einem Esel, mit dem ich mich kurz unterhalte. Erst weiter unten kommen ein paar Dörfer, dann eine Kupfermine und schließlich bin ich wieder auf der Hauptstraße und kurz danach in Kapan.
Die Vororte der Stadt lösen Fluchtreflexe aus: altes Gewerbegebiet, die eine oder andere Nachtbar. Die paar Leute auf der Straße sind Männer und scheinen mich anzustarren. Irgendwo hier sehe ich das Hotel, das ich gebucht habe. Ohne nachzudenken fahre ich weiter und miete mich in der Innenstadt in einem Haus ein, von dem der Lonely Planet schreibt, dass sich seit der Sowjetzeit eigentlich nichts geändert hat. Tatsächlich ist es aber gar nicht so schlecht. Und doch, sowjetische Hotels waren noch ein Stück hässlicher.
1.10.2018 Kapan – Meghri
75 km, 1818 Höhenmeter rauf, etwas mehr runter
Ein bisschen Angst macht mir die Etappe heute schon, gestern war ich nach etwas mehr als 700 Höhenmetern geschafft, heute sind deutlich mehr als doppelt so viele. Und zwar am Stück, kontinuierlich rauf zum Meghri Pass und dann wieder runter. Und so ist es denn auch, ganz schön anstrengend. Landschaftlich fängt es super an, mit Blick auf den das hiesige Gebirge, geht ein bisschen langweiliger weiter, bevor die Straße durch die ungewöhnlich hässliche Bergbaustadt Kajaran führt und dann vorbei an riesigen Tagebauen: der Berg wird hier wegen Kupfer und Molybdän angeknabbert, später auf der anderen Seite gibt es eine Goldmine.
Hinter Karajan wird es ernsthaft steil, aber ich schaffe es bis gegen halb vier ganz nach oben. Könnte mir sogar ein bisschen mehr Zeit für Pausen nehmen können, traue ich mich aber nicht, weil ich sichergehen will, noch bei Tageslicht anzukommen. Aber klar: runter geht es ganz schnell. Und übrigens auch auf recht guter Straße, der obere Teil wird gerade frisch asphaltiert.
Radtour an Ostern 2018 durch Südost-Sizilien, dieses mal nicht allein, sondernmit einer Gruppe aus sechs Leuten.
Spoiler: Landschaftlich sensationell, ideale Reisezeit, alles blüht, und Kultur gibt es obendrauf.
30.03.2018 Catania – Priollo Mellili – Palazzolo Acreide
Warm und sonnig, 52km, ca. 1200 Höhenmeter nach oben und etwa halb so viel nach unten
Nach dem Flug nach Catania mit Ryanair, das Rad war in viel Luftpolsterfolie und eine Hülle verpack – hat mein Hinterrad eine riesige Acht. Als ich es feststelle, ist es fast 1 Uhr nachts und ich bin mittlerweile fast allein auf dem Flughafen. Ich nehme einen Bremsbelag heraus und komme so gerade noch zum Hotel.
Am nächsten Morgen mache ich mich auf die Suche nach einer Fahrradwerkstatt und habe Glück : nicht weit von meinem Hotel gibt es Zeronove, ein kleiner Laden, der schon um 9 öffnet. Der sehr nette Betreiber spricht englisch und deutsch und nimmt sich sofort meine Rades an. Er bearbeitet die Felge mit allerlei Werkzeug, spannt die Speichen und sagt mir, dass ich damit wahrscheinlich noch ein paar Tage durchhalte. Was ich schon nicht mehr zu glauben wagte: kurz nach 10 bin ich an Bahnhof und treffe meine Mitreisenden, die pünktlich mit dem Nachtzug aus Rom kommen. Wir stecken 6 Fahrräder und Gepäck in einen Nahverkehrszug und sind um Viertel vor 12 in Priolo Mellili, wo unsere Fahrt beginnt.
Zunächst geht es bergauf, nach Mellili, weiter nach Sortino und dann, nach einer Pause steil bergab in das wunderschöne Anapotal. Hier führt ein Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse durch ein Naturschutzgebiet. Es geht also nur noch ganz sanft bergauf, dafür durch viele alte Eisenbahntunnel und meist am kleinen Fluss entlang. Über uns Felsen, Höhlen und Natur.
Irgendwann ist das Schutzgebiet zu Ende, die Bahntrasse geht weiter, aber der Weg wird sehr schlecht. Wir quälen uns weiter am Fluss entlang bis wir praktisch direkt unterhalb von Palazzolo Acreide, dem heutigen Ziel, sind und nur noch ein paar Höhenmeter zu unserer Unterkunft schaffen müssen.
31.3.2018, Palazzolo Acreide – Scicli
70km, Sonne
Nach dem Frühstück besichtigen wir die örtlichen Sehenswürdigkeiten: Palazzolo Acreide wurde 1693 durch ein großes Erdbeben zerstört und danach im spätbarocken Stil wiederaufgebaut. Eigentlich bereiten sich die Kirchen gerade auf die Veranstaltungen zu Ostern vor, wir bekommen dennoch eine kurze Privatführung.
Etwas außerhalb und – natürlich – oberhalb der Stadt gibt es eine Ausgrabungsstätte mit antikem griechischem Theater, Wohnanlagen und Gräbern.
Unsere Radtour führt dann ab und auf und ab und auf von Palazzolo Acreide nach Ragusa. Als wir dort sind, ist es bereits Nachmittag, die Restaurants haben die warme Küche eingestellt. Dafür können wir zusätzlich zu den Arancinis (knusprige, leckere, gefüllte Reisbällchen) und Pizzateilchen, die die Vitrine noch zu bieten hat, unseren unterwegs gekauften Käse auspacken und bekommen Brot, Besteck und Teller dazu geliefert. Der folgende Stadtrundgang wird dann relativ kurz: auch hier gibt es viel Barock und zahlreiche Kirchen in der sehenswerten Altstadt.
Dann geht es weiter über Modanica nach Scicli. Die Landschaft ist sensationell, Berge, Täler, alles blüht, aber auch die etwas kleinere Zahl an Höhenmetern heute ist noch ganz schön anstrengend.
1.4. Scicli über Sampieri nach Pachino
50km + Halbinselrundfahrt 30km, sonnig und stürmisch
Die Tage mit den Bergfahrten sind vorbei: es geht noch steil bergab ans Meer („no brakes!“ sagt doch glatt einer von uns). Dann: einen Kaffee trinken, Eis essen, im Meer baden. Letzteres tun allerdings nur die beiden Deutschen unter uns, böse Zungen behaupten, das Wasser sei noch kalt.
An der Küste treffen wir auf einen hervorragend ausgeschilderten Radweg in Richtung Syrakus. Ein Stück führt er direkt auf dem festen Sand am Meer entlang, dann in Küstennähe an einer alten Fabrik vorbei, die wir für eine ehemalige Ziegelei halten. Und die ganze Zeit stürmt es, ausnahmsweise von hinten: der Wind schiebt uns ohne große Anstrengung die Küste entlang nach Pachino.
Dieses Städtchen entpuppt sich als ziemlich langweilig: Schachbrettartig angelegt, etwas abseits der Küste. Dafür gibt es am Abend eine Überraschung: das Restaurant in der Stadtmitte stellt sich als ganz hervorragend heraus. Am Eingang steht etwas von Pizzeria, im Inneren gibt es neben der Pizza wunderbares Seafood.
2.4.-3.4. Pachino – Siracusa
ca. 90km, sonnig und kühl
Die Strecke für heute ist wieder gut ausgesucht: kleine Straßen, fast verkehrsfrei, am Meer, über sanfte Hügel, an blühenden Wiesen vorbei. Wir fahren über Marzamemi, sehen unterwegs die Villa Romano del Tellaro an – eine große römische Villa mit gut erhaltenen Mosaikböden – und ruhen uns im Naturschutzgebiet am Meer aus, hüpfen nochmal ins Wasser.
Gern hätten wir noch Noto angesehen, das schaffen wir aber leider nicht mehr, weil einer von uns schon zurück zur Bahn muss. Dafür gibt es Kaffee in Avolo, bevor wir die letzten Kilometer nach Syrakus radeln.
Für diese Stadt haben wir noch einen Tag Zeit, also: Wir sehen den Dom an, dessen riesige Säulen das Überbleibsel eines antiken Athenetempels sind, ein Museum und dann die Ausgrabungsstätte mit griechischem und römischem Theater und dem „Ohr des Dionysos“, einer beeindruckenden großen Höhle am alten Steinbruch.
4.4. Das Ende
Eine wunderschöne kleine Reise, aber der Wehrmutstropfen am Ende fehlt dann doch nicht: als ich am Flughafen in Berlin mein Rad in Empfang nehmen will, bekomme ich einen Trümmerhaufen: Völlig zusammengebogene Gabel, Verbogene Kurbel, vollständig demolierte Laufräder. Meine Theorie, dass Fahrräder am besten unverpackt reisen, bestätigt sich mal wieder (das machen aber die wenigsten Fluggesellschaften mit) – dieses Mal war es recht gut eingepackt. Man darf gespannt darauf sein, wie es mit dem Schadensersatz (Ryanair!) laufen wird.
Strecke 120 km, inklusive der 5 km zum Bahnhof am Morgen
Sonne, Wind und nicht ganz 10 °C
Unterkunft: Pension Roma in Pszczew, sehr zu empfehlen.
Ein Feiertag am 31.10. und ein Brückentag am Montag bringen mir vier freie Tage am Stück, die ich für eine Radtour nach Osten nutzen will, den R1 entlang ab Küstrin an der polnischen Grenze. Ich scheitere, bevor es los geht. Erst bringt mich die Bahn nicht wie geplant an die polnische Grenze (Schienenersatzverkehr!), dann gibt es Sturm. Von den geplanten vier Tagen bleiben nur zwei. Und die beginne ich nicht in Küstrin (wie gesagt: Schienenersatzverkehr!), sondern in Frankfurt/Oder.
Der Weg ab Frankfurt beschert mir auf den ersten 30km eine stark befahrene Landstraße, ein LKW jagt den nächsten, bis ich in Osno Lubuskie auf den Radweg (R1) treffe. Von hier an wird es ruhiger, der Weg ist fast perfekt ausgeschildert, hat nur geringe Steigungen und Gefälle, dafür zahlreiche unspektakuläre, aber hübsch hergerichtet Orte auf der Strecke. Überall gibt es Wegweiser und Schilder mit Erklärungen für Touristen. Und ich stelle fest, dass ich einmal wieder auf dem Jakobsweg bin.
Was es hinter Osno Lubuskie nicht mehr gibt, sind geöffnete Cafés und Restaurants. Selbst in einem Ort mit immerhin vier oder fünf Restaurants sind heute alle geschlossen. Und bei einstelligen Temperaturen kombiniert mit immer noch starkem Wind (manchmal von hinten!) sind Pausen draußen zwangsläufig eher kurz. Erst in Miedzyrzecz gibt es neben einer alten Burg auch ein geöffnete vietnamesisches Restaurant. Das Essen ist spektakulär schlecht, ich bestelle aus Versehen Tomatensaft anstelle von Apfelsaft, aber immerhin ist es warm und ich kann mich um ein Zimmer für die Nacht kümmern.
Dann geht es weiter, die letzten Kilometer. Als ich in Pszczew ankomme, ist die Sonne schon untergegangen, Herbst eben. Ich habe mich meiner Wirtin erst etwas später angekündigt, also sehe ich erst noch die örtliche Kirche an und bekomme einen halben Gottesdienst mit, bevor ich in einer sehr schönen Pension mit sehr netter Wirtin lande. Sie spricht perfekt deutsch, wundert sich über mein Rad in dieser Jahreszeit und macht mir erst einen Tee, dann einen Pfannkuchen.
Pszcz – Krzyz
70 km, Sonne-Wolken Mix, ca 8°C
Es wäre keine gute Idee gewesen, gestern noch im Dunkeln weiter zu fahren. Bald hinter Pszczew kommen einige km Sand-Schlammpiste. Sie ist feucht und deshalb einigermaßen befahrbar, aber an einigen Stellen sind Riesenpfützen zu durchqueren, an anderen hätte man sich im Dunkeln leicht auf die Nase legen können. Als die Strecke überstanden ist, folgt eine endlose schnurgerade Landstraße, 27 km geradeaus, bevor es endlich wieder ein bisschen abwechslungsreicher wird. Große Feuchtgebiete gibt es, Wälder, Seen.
Ich bin morgens früh losgefahren, viel Gelegenheit für lange Pausen gibt es auch heute nicht. Also bin ich gegen 13 Uhr in Krzyz, ein kurzer Blick auf den Bahnfahrplan sagt mir, dass es nur schwieriger wird, nach Hause zu kommen, wenn ich noch weiter fahre.
Der Bahnhof hat einen einzigen Fahkartenschalter mit langer Schlange davor. Als ich endlich an der Reihe bin, eröffnet mir die Verkäuferin, dass sie keine Fahrkarten nach Deutschland verkaufen kann. Stattdessen bekomme ich ein Ticket nach Poznan, wo ich ohnehin umsteigen muss, für einen früheren Zug als geplant, schließlich brauche ich dort Zeit, um eine Fahrkarte zu kaufen. In Poznan wieder eine lange Schlange. Und aus irgend einem Grund keine Fahrkarte bis Berlin, nur bis zum letzten Ort in Polen. Nun gut, ich bleibe natürlich im Zug sitzen, kein Problem. Aber besonders praktisch ist Bahnfahren in Polen offenbar nicht.
Der Taxifahrer ist überpunktlich um 20 nach 8 am Hotel, ich stürze den Kaffee hinunter, lade das Fahrrad in den Kofferraum und es geht los. Taxifahrer sind immer wieder eine gute Gelegenheit, mein Russisch auszuprobieren. Es sind garantiert mehrere Fehler in jedem einzelnen Satz, aber davon abgesehen komme ich überraschend gut zurecht. Nur als der Fahrer mich fragt, wieviel ich verdiene, wage ich nicht, ihn zu verstehen. Ist ein deutsches Einkommen hier nicht ein bisschen unverschämt?
Gegen 9 sind wir in Marneuli und ich fahre mit dem Rad weiter. Immer mit leichtem Nieselregen, von der Temperatur her angenehm, aber als grau in grau. Am Straßenrand verkaufen kleine Stände ihre Waren. Und nein, dieses Mal handelt es sich nicht um Cola und Chips, sondern um Waschpulver: Ariel, Persil, Perwoll. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich fahre an sicher 20 Ständen vorbei, die in Wesentlichen Waschmittel im Angebot haben.
Dann kommt die Grenze, Ausreisestempel, Einreisestempel und ich bin in Armenien. Am ersten Garagenladen, den ich sehe, kaufe ich eine SIM-card für umgerechnet 4 Euro.
Heute sind nur ein paar Höhenmeter zu bewältigen, aber rechts und links neben mir türmen sich bereits die Berge, ich fahre durch das Debed Canon. Auch hier wieder eine sehr beeindruckende Landschaft. Was ich leider nicht schaffe, ist, die Weltkulturerbestätten am Wegesrand anzusehen. Obwohl man sie eigentlich gesehen haben muss. Es sind einfach zu viele Höhenmeter zwischen mir und den Klöstern.
Das ist auch deshalb schade, weil es in Alaverdi offenbar ein interessantes Projekt gibt, mit dem Ziel, lokale Guides für die Sehenswürdigkeiten und auch für Wanderungen in der Umgebung auszubilden und Führungen anzubieten: www.alaverdiguides.com.
Schön ist hingegen der heutige Abend, es gibt Abendessen und Wodka gemeinsam mit den anderen Touristen in der Unterkunft, einem älteren französischen Paar mit ihrem Fahrer und einem deutschen Paar, das unterwegs ist zu einer Hochzeit in Yerevan.
30.9. – 1.10.2017 Alaverdi – Wanadsor
77 km, bewölkt, maximal 15 Grad, abends ganz schön kalt.
Übernachtung: Pension Iris in Alaverdi, nett und ein Treffpunkt für Reisende und MagHay in Wanadsor
Ob ich etwas Falsches gegessen habe oder einfach nur der hausgebrannte Wodka zuviel war, mir ist morgens schlecht, es ist nicht an Frühstück zu denken, an Radfahren schon gar nicht. Ich schaffe es gerade mal, mich nach unten zu schleppen, Tee zu besorgen und meine Unterkunft um eine Nacht zu verlängern. Irina, die Wirtin der Pension Iris umsorgt mich mit Tee, weißem Reis und einen Radiator für das ziemlich kalte Zimmer – die Temperatur ist mittlerweile ganz schön gefallen. Erst am Nachmittag schaffe ich es kurz zum nächsten Geldautomaten.
Am nächsten Morgen geht es mir besser und ich fahre los. Die Straße nach Wanadsor ist wegen Bauarbeiten gesperrt, mir bringt das zusätzliche 40 km ein, außerdem einiges an Höhenmetern, OSM spricht von 1500 m Anstieg. Und das merkt man. Es beginnt mit Serpentinen, heraus aus dem Debed Canyon, geht weiter mit etwas sanfterem Anstieg über einen Pass und ein paar kleineren Abfahrten um eine Schlucht herum bevor es dann noch einmal in Serpentinen ein gutes Stück nach oben geht.
Die Landschaft: tiefe Canyons und Hochebenen mit in dieser Jahreszeit trockenen und gelben Feldern. Und überall kreisen große Raubvögel, die ich für Adler halte. Die fast magische Landschaft ist aber überall durchsetzt von Bausünden der scheußlichsten Art, häufig halb verfallene, halb noch betriebene Industrieanlagen.
Die Dörfer und Städte wirken ausgesprochen ärmlich, ich bin fast überrascht, als ich in einer größeren Stadt gegen Mittag noch ein Restaurant finde, in dem ich Tee und Hühnersuppe bekomme.
Nach den endlosen Anstiege folgt ein langer Tunnel, in dem es leicht begab geht. Ich ziehe alles an, was auffällt und hell ist, die Stirnlampe, die Warnweste und entscheide mich dann doch für den schmalen Gehweg neben der Fahrbahn. Einerseits eine gute Entscheidung, die PKWs könnten mich auf der Fahrbahn sicher überholen, aber mit der LKW-Kolonne, die irgendwann durchkommt, wäre es schwierig. Aber auch der Gehweg ist nicht ohne : schmal, einen halben Meter oberhalb der Fahrbahn und an vielen Stellen eingebrochen. Letztlich schiebe ich das Rad den geschätzten Kilometer durch den Tunnel. Danach kommt dann glücklicherweise die ersehnte Abfahrt, die letzten 10 km rollen praktisch von selbst.
2.10.2017 Wanadsor – Sevan (mit dem Taxi!)
14 km mit dem Rad, von Sevan nach Sevanakan und zurück. Regen, dann noch mehr Regen und Hagel, dann ein bisschen Sonne.
Ich sehe morgens aus dem Fenster, dann auf die Wetterapp, dann auf einen anderen Wetterbericht und schließlich frage ich noch die Wirtin meiner Unterkunft. Alles hilft nichts, es ist für den ganzen Tag Regen angesagt. Und das Programm heute ist umfangreich : nur etwa 75 km aber über 1500 Höhenmeter aufwärts und ein Tunnel, von dem ich ohnehin nicht weiß , wie ich ihn bewältigen soll. Das geht nicht, ich frage nach einem Taxi und spaziere erst einmal ein bisschen durch die Stadt. Das Kunstmuseum ist montags leider geschlossen, dafür gibt es eine schöne Kirche (Hilfe, was für eine ist das? Brauche ich ein Kopftuch oder gucken die Leute komisch, weil ich mir vor der Kirche eins um den Kopf binde?)
Außerdem gibt es einen großen Markt mit Obst, Gemüse, Kaffee, Fleisch und Fisch (ungekühlt, zum Glück ist es nicht mehr warm) und überdimensional vielen Schuhen.
Mittags bringt mich der Fahrer nach Sevan. Ich bin beeindruckt von den vielen Serpentinen, die ich nun nicht mit dem Rad zurücklegen muss und stelle fest, dass der Tunnel wirklich ein Problem wäre : schmal, dunkel, kein durchgehender Fußweg, über 2km lang und leicht ansteigend.
Sevan liegt an gleichnamigen See, ein riesiges Gewässer in fast 2000 Metern Höhe, umgeben von noch höheren Bergen. Leider auch umgeben von hässlichen Billig-Resorts fürs Party – Volk.
Meine Unterkunft liegt direkt in Sevan, ein Gästehaus bei einer Familie, in deren Wohnzimmer ich mich gleich zum Tee wiederfinde. Als ich losziehen will um zumindest noch ein Kloster zu sehen, bricht noch einmal ein Unwetter los mit Sturm und Hagel. Aber schließlich klappt es doch noch : kaum hört der Regen auf, radle ich die paar km auf der Autobahn nach Sevanakan und sehe neben zwei sehr alten, aber auch recht kleinen Kirchen von Nebel umspielte Berggipfel, und Sonnenstrahlen zwischen dunklen Wolken.
3.10.2017 Sevan – Yerevan
82 km bewölkt und gelegentlich Regen
Ich habe die Wahl zwischen einer autobahnähnlich ausgebauten Straße und kleinen Straßen, deren Qualität nicht ganz klar ist. In beiden Fällen geht es nach Yerevan deutlich mehr bergab als bergauf, aber natürlich läuft es in Armenien nie ganz ohne Anstiege. Ich probiere die kleineren Straßen. Zunächst klappt das ziemlich gut, manchmal sieht der Weg allerdings auch so aus :
Und ab und zu ist auch mal eine Kuh- oder Schafherde im Weg.
Wenn man schon recht nah an einer Großstadt ist, kann man außerhalb der Niederlande und ähnlicher Fahrradländer kaum mit hübschen Landschaften und romantischen Radwegen rechnen. Und so bekomme ich heute noch mehr Bausünden, heruntergekommenen Industrieanlagen und (schwelende) Müllkippen zu sehen als zuvor.
Die alten Busse, die hier fahren, sehen zwar sehr niedlich aus, aber der Qualm, den sie aus dem Auspuff pusten ist so dicht, dass man an einen staubbetriebenen Düsenantrieb denken muss.
Die letzten 10 km durch den dichten Stadtverkehr sind anstrengend, mein Handy leitet mich aber ohne Probleme zum Hotel, das sich als ziemlich angenehm herausstellt: zentral, einigermaßen ruhig, riesiges Zimmer.
Eine Weile schlendere ich noch ziellos durch die Stadt: durch einen touristischen Straßenmarkt, über den Republikplatz, durch eine eher langweilige Fußgängerzone und eine Grünanlage. Immerhin eine kleine hübsche Innenstadt gibt es in Yerevan.
4.-5.10.2017 Yerevan – Berlin
Mir bleibt noch ein einziger Urlaubstag. Zeit für etwas Sightseeing und für die Vorbereitungen zur Rückreise. Wieder einmal besuche ich einen Markt, dieses Mal kaufe ich Tee, Gewürze, Honig, nun muss ich die Sachen ja nicht mehr durch die Gegend fahren. Der Markt liegt knapp außerhalb der touristischen Innenstadt, dennoch sind gute Teile davon wohl für Leute wie mich gemacht, es gibt viele Stände mit aufwändig drapierten Trockenfrüchten, vermutlich typische Mitbringsel. Manches ist auf Russisch ausgezeichnet, für die russischen Touristen. Es gibt aber auch Obst, Gemüse, Schweinehälften sowie lebende Hühner und Fische.
Dann ein Museum, wieder einmal das örtliche Geschichtsmuseum, danach hole ich mein Fahrrad ab und mache mich auf den Weg zu meiner letzten Unterkunft, einer Pension sehr nahe am Flughafen, die außerdem kostenlosen Transfer dorthin, auch mitten in der Nacht, anbietet. Wie immer sind die Straßen aus der Stadt unangenehm: es geht los mit einer 8-10-spurigen Straße (will heißen: acht Spuren sind eingezeichnet, aber wenn pro Richtung 5 Autos nebeneinander passen, fahren sie so auch. Man muss sich auf dem Rad konzentrieren: unentwegt halten Kleinbusse an, die man umfahren muss, genau im falschen Moment fahren sie dann wieder los und drängen einen nach links. Natürlich rechnet niemand damit, dass ein Fahrzeug rechts der Autos auftauchen könnte. Soweit mich die Autofahrer sehen, nehmen sie aber Rücksicht. Mehr als einmal warte ich rechts von einem Auto an einer Ampel. Wenn die dann grün wird, fährt das Auto nicht los, bevor ich weg bin.
Dann geht es auf kleinere Straßen und bald finde ich mich, noch in Yerevan, wieder auf ungepflasterten Holperwegen wieder.
Die ganze Zeit schon halte ich Ausschau nach einem Laden, der etwas verkauft, das als Verpackungsmaterial für mein Rad dienen kann. Beim Rückflug muss ich umsteigen, außerdem fordert die Fluggesellschaft eine Verpackung. Ich finde nichts Offensichtliches, schließlich frage ich meine Wirtin. Und tatsächlich: sie nimmt mich mit in einen kleinen Abstellraum, in dem mehrere komplette Fahrradkartons stehen – offensichtlich von Fahrern aus dem Baltikum, die hier ihre Räder ausgepackt haben. Wunderbar. Ich mache mich ans packen, Lenker querstellen, Vorderrad rausnehmen (Achse ebenfalls, dies wird erfahrungsgemäß leicht verbogen), Umwerfer abschrauben, empfindliche Teile in die Rohrisolierung wickeln, die ich die ganze Zeit mit mir herumtrage, alles in den Fahrradkarton, der so staubig ist, dass ich hinterher gelbbraun gepudert bin und mein Klebeband kaum hält. Erstmal abstauben wäre besser gewesen.
Am Morgen dann klingelt mein Wecker um drei Uhr, mein Wirt fährt mich pünktlich um halb vier zum Flughafen. Abgesehen davon, dass das Gepäck nun sehr unhandlich ist und es nicht einfach ist, den Trolley durch die Menschenmengen zu bekommen, läuft alles reibungslos. Nach kurzer Zeit bin ich das Gepäck los, muss vor dem Flieger fünf mal meinen Pass und die Bordkarte zeigen, einmal den Finger scannen lassen. Jedes einzelne Mal wird minutiös kontrolliert. Außerdem werde ich mein Schlüsselanhänger-Taschenmesser los, das nach europäischen Sicherheitsregelungen eindeutig handgepäckfähig ist (ja, die ganz winzigen Taschenmesser gehen wieder – aber nicht in Armenien). Aber schließlich bin ich im Flieger und erreiche auch den zweiten Teil der Umsteigeverbindung in Kiew.
In Berlin freue ich mich, dass mein Gepäck es ebenfalls geschafft hat, wenn auch der Fahrradkarton sehr gerupft aussieht. Es liegt wohl daran, dass es eine Weile ungeschützt im Regen auf dem Rollfeld stand. Das Rad ist in Ordnung.
Berlin empfängt mich mit eiskaltem strömenden Regen. Und dabei habe ich Glück. Es ist ein schwerer Sturm angesagt, aber noch ist der Wind erträglich. Nach 12 km komme ich völlig durchnässt zu Hause an, nur ein paar Stunden bevor hier die Hölle losbricht und nichts mehr geht: der Bahn- und S-Bahnverkehr wird eingestellt, Busse fahren nicht mehr, selbst einige U-Bahn-Linien sind betroffen. Auf der Straße vor meinem Haus liegt ein entwurzelter Baum, die abgebrochenen Äste sind beeindruckend. Als ich mich am Nachmittag noch einmal aus dem Haus traue, weil ja absolut nichts zu essen da ist, habe ich den Eindruck, dass es hier draußen viel gefährlicher ist als im Kaukasus.
Wie zum Teufel kann es Ende September so heiß sein?
Google Maps äußert sich in seiner mobilen Version nicht zu den zurückgelegten Höhenmetern heute, OSM behauptet, ich sei 3200 Höhenmeter nach oben und 2300 nach unten gefahren. Das ist vermutlich übertrieben, vollkommen erschöpft bin ich gegen Ende dennoch. Morgens ist die Temperatur eine Zeit lang angenehm, es tauchen paar wenige Wolken auf und ich schöpfe schon Hoffnung. Aber nein, am Mittag brennt die Sonne erbarmungslos, die Straße strahlt Wärme ab wie eine Kochplatte, auf den letzten Kilometern halte ich alle paar Meter an, um nicht überhitzt vom Rad zu fallen.
Die Landschaft ist allerdings sensationell, bewaldete Berge, die Straße führt die ganze Zeit an einem Fluss (Tskali) entlang, teilweise weit über ihm, teilweise direkt daneben. Zeitweise wirkt das Flusstal beinahe wie eine Schlucht. Was leider nicht dazu führt, dass wesentliche Teile des Weges im Schatten lägen.
Im Prinzip gibt es unterwegs auch ein paar Sehenswürdigkeiten, alte Forts, mehrere mittelalterliche Bogenbrücken. Ich bekomme davon nur eine Brücke und einen Wasserfall zu sehen, der Rest liegt etwas abseits des Weges und dazu fehlt mir die Kraft.
Der Verkehr ist anfangs ziemlich stark und lässt dann nur langsam nach, gegen Ende gibt es zwar nicht mehr sehr viele der Kleintransporter und Marshrutkas, diejenigen, die mich überholen ziehen dafür aber dicke Rußwolken hinter sich her, während sie die starken Steigungen auf dem letzten Abschnitt bezwingen.
21.9.2017 Khulo-Goderdzi Resort
27 km, ab Mittags heiß
OK, das war ein Versuch, herauszufinden, wie schlecht eine schlechte Straße wirklich ist. Kurz hinter Khulo ist Schluss mit dem Asphalt. Es folgt noch ein kurzes Stück wunderbarer Straßenbelag, wo eine türkische Firma dabei ist, einen Staudamm zu bauen, danach noch ein paar kümmerliche Reste. Und dann ist die Straße bestenfalls noch für Mountainbikes zu machen. Ich habe keins.
Statt der zuvor in den Dörfern zu sehenden orthodoxen Kirchen gibt es nun zunehmend Moscheen, die Bevölkerung ist hier überwiegend muslimisch. Baufahrzeuge, die gelegentlich vorbeikommen, haben fast durchweg türkische Aufschriften. Die Grenze ist von hier aus nicht weit.
Ein ziemlich gutes Stück schiebe ich, selbst wo der Weg eigentlich flach ist, am frühen Nachmittag gebe ich auf.
Zu diesem Zeitpunkt ist das bereits einmal nachgekaufte Trinkwasser fast alle, kein Laden in Sicht, ein paar dunkle Wolken brauen sich am Himmel zusammen. Der Pass ist noch 5km entfernt, dafür gibt es hier ein Skiresort im Bau. Ein riesiger Hotelkasten wird gerade hochgezogen, neben einem Skilift stehen bereits eine Reihe kleiner Chalets. Ja, das ist ein Hotel und ja, es ist offen, sagt man mir auf Nachfrage. Der Chef wird geholt, er vermietet mir ein Doppelzimmer. Teilweise benutzt er Google Translate, um für mich ins Russische (!) zu übersetzen, dann habe ich so ein Häuschen für mich. Es enthält eigentlich mehrere Doppelzimmer im ersten Stock, darunter einen großen Wohn-und Küchenbereich.
22.9.2017 Goderdzi Ski-resort – Akhaltsikhe
59 km, Warm und sonnig, am Nachmittag Quellwolken
Übernachtung: Old Town, empfehlenswert.
Ich schiebe und fahre abwechselnd die letzten 5,5 km zum Pass hoch. Das Wetter ist wieder gut, erstaunlich warm dafür, dass ich selbst zu Beginn schon 1700 m hoch bin. Aber am Morgen doch noch OK.
Gegen halb 10 habe ich es geschafft: ich bin am Goderdzi Pass, 2025 hoch. Das Restaurant Edelweiß hat schon geöffnet, ich bestelle Tee und Frühstück. Ich bekomme eine Pfanne voll in Butter geschmolzener Käses. Es schmeckt gut, ist aber auch ganz schön schwer. Die Wirtin adoptiert mich derweil fast und erzählt mir sehr ausführlich, dass sie an meiner Stelle Angst hätte, so allein und als Frau.
Dann geht es weiter, jetzt bergab, aber immer noch auf der Holperstrecke. Auch hier komme ich kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Für die ersten 24 km brauche ich glatte vier Stunden. Umso schneller rolle ich auf dem Rest des Weges, wo die Straße asphaltiert ist. Immerhin vernichte ich 1000 der mühsam erkämpften Höhenmeter gleich wieder.
Hinter dem Berg ist die Landschaft eine ganz andere: karge, trockene Hügel, in unterschiedlichen Brauntönen gelegentlich von einem Flüsschen durchzogen.
In Akhaltsikhe angekommen sehe ich noch die hiesige, wiederaufgebaute Burg, Rabath aus dem 13. Jahrhundert an. Ein bisschen Disneyland, auf dem Gelände gibt es ein Hotel und mehrere Cafes, alt lässt sich von neu kaum unterscheiden. Dennoch ein eindrucksvoller Ort, auch das Museum auf dem Burggelände ist sehenswert.
23.9.2017 Vardzia
Das Fahrrad hat heute Pause, stattdessen geht es per Marshrutka in gut eineinhalb Stunden zum Höhlenkloster in Vardzia, mit einem anderen deutschen, der in derselben Pension wohnt wie ich. Schon die Fahrt dorthin ist spektakulär, es geht durch das Tal des Mtkvari, ein kleiner Fluss, der hier ein tiefe Tal in die Landschaft geschnitten hat.
Das Höhlenkloster selbst ist ebenso eindrucksvoll, zahlreiche, übereinander gelegene, in den Felsen gehauen Höhlen, eine Kirche, die nun auch wieder in Betrieb ist – es leben wohl auch wieder Mönche in der Anlage aus dem 12. Jahrhundert.
24.9.2017 Akhaltsikhe – Borshomi
50 km, gutes Wetter
Borshomi ist eine alte Kurstadt, die darüber hinaus direkt an einem großen Naturschutzgebiet liegt. Und nur 50 km von Akhaltsikhe entfernt, größerenteils bergab. Ich fahre nach dem wir immer sehr umfangreichen Frühstück gegen halb 9 los. Die Landschaft ist toll, wieder ein tiefes Tal mit einem kleinen Fluss, der Kura. Die Sonne scheint, ein paar Wolken finden sich am Himmel ebenfalls. Die Straße ist gut und es geht viel bergab.
Trotz zahlreicher Fotostops bin ich kurz nach 11 in Borshomi. Meine Unterkunft heute ist ein winziges Zimmer in der großen Wohnung einer älteren Frau, die mich überschwänglich begrüßt und mir sofort Tee kocht. Trotz meiner kaum vorhandenen Russischkenntnisse gelingt es ihr prima, mir alles Mögliche so zu erzählen, dass ich sie tatsächlich verstehe.
Den Nachmittag verbringe ich zum großen Teil in dem wunderschönen Naturschutzgebiet direkt vor der Haustür, bewaldete Hänge, plätschernde Bäche, Quellen, wer sich damit auskennt, findet offenbar zahlreiche endemische Pflanzenarten. Ich spazieren zunächst eine Weile einen Wanderweg entlang, danach miete ich ein Reitpferd. Letzteres stellt sich nicht als besonders gute Idee heraus: das Pferd ist zwar sehr gutmütig, aber offenbar auch schon sehr müde, es zockelt sehr langsam durch den Wald, gelegentlich stolpert es fast. Im Wesentlichen reagiert es auch nicht auf mich, sondern auf den begleitenden Guide. Wahrscheinlich zu erwarten, wenn man sich überlegt, mit welchen Reitstilen das Tier so zurechtkommen muss.
Nach diesem Ausflug folgt noch ein Spaziergang durch den Kurpark, eine Mischung aus Park und Rummel mit einer ziemlich schwefelhaltigen Mineralquelle und einer mit recht „normalem“ Mineralwasser. Und zum Abschluss geht es mit der kleinen Seilbahn, die in kaum einem georgischen Ort fehlen darf, auf den örtlichen Berg.
Am Abend sitze ich noch mit den anderen Gästen der Pension zusammen: einem jungen französischen Paar und zwei Polinnen mit ihrem Fahrer. Die Polinnen haben hausgekelterten Wein von Markt mitgebracht, die Wirtin hat riesige Mengen leckeren Hefekuchen gebacken, alles wird nun unter zahlreichen Trinksprüchen und Erzählungen, zumeist auf Russisch, vernichtet.
25.9.2017 Borjomi – Gori
Die Fahrt geht auf der selben Straße los, auf der sie gestern aufgehört hat. Auch die Berge links und rechts sind noch genauso spektakulär.
Der Verkehr nimmt nun allerdings zu, bis schließlich zwei größere Straßen zu einer noch größeren zusammenlaufen. Zum Glück kann ich kurz darauf abbiegen und den Weg über eine Reihe von Dörfern südlich der Kura nehmen. Die Straße ist gut und überraschend attraktiv, sie führt durch eine Reihe ursprünglicher Dörfer, gelegentlich kreuzen Gänseherden die Straße, es gibt wohl auch einige sehenswerte Kirchen ein paar km links und rechts der Straße , die ich aber nicht ansehe. Keine unnötigen Umwege.
Wieder einmal wandelt sich die Landschaft, die ist nun eben, nur in der Ferne sind noch Berge zu sehen. Einen breiten grünen Streifen gibt es um den Fluss herum, daneben wirkt alles sehr trocken. Gegen zwei erreiche ich, schon einigermaßen K. O. meine heutige Unterkunft bei einer Familie in Gori. Alles ziemlich einfach, aber mit schöner Terrasse.
Wie das in Georgien aber so ist: es gibt so viel zu sehen, dass man nie zum Ausruhen kommt. Hier in der Gegend ist das zum einen eine Höhlenstadt: musst du unbedingt ansehen, haben schon mehrere Leute gesagt. Also werfe ich mich kurz nach meiner Ankunft wieder in ein Taxi und lasse mich nach Uplistsikhe fahren. Ursprünglich soll die Stadt an die 3000 Jahre alt sein, mit einer Blütezeit im Mittelalter, in der hier 20. 000 Menschen gelebt haben sollen. Ich verzichte dieses Mal allerdings auf einen Audioguide und spaziere ziemlich ahnungslos zwischen den alten Steinen umher.
Außerdem habe ich nur eine Stunde, der Fahrer wartet auf mich.
Er fährt mich denn auch zurück in die Stadt, zur nächsten Sehenswürdigkeit: dem Stalinmuseum. Stalin ist in Gori geboren und natürlich hat die Sowjetunion ihm ein bombastisches Museum gebaut. Es sieht im Grunde noch so aus wie damals, kurz nach seinem Tod. Nur die Führerin, die zwei Schweizern und mir das Museum zeigt, deutet an, dass der Held vielleicht auch den einen oder anderen Fehler gemacht hat.
26.9.2017 Gori- Mtskheta
65 km warm, sonnig und Gegenwind
Übernachtung: Guesthouse Vertigo
Ich bin früh unterwegs und hoffe auf ebenso gute Bedingungen wie gestern. Leider vergeblich, heute habe ich von Anfang an starken Gegenwind. Ich fahre nun auf und ab durch eine wüstenartige Landschaft, zu Beginn sehr trocken, später durchsetzt von Feldern und Gärten. Zum Gegenwind kommt, dass ich an einer Stelle den falschen Abzweig nehme, das bringt mir einige km sehr holprigen Weg ein.
Glücklicherweise habe ich esnicht sehr weit. So bin ich auch gegen den Wind um zwei in Mtskheta und kann mich der ausgiebigen Suche nach meiner gestern Abend gebuchten Unterkunft widmen. Nicht so einfach, heute, das Haus befindet sich in einer kleinen Seitenstraße, einen steilen Hügel hinauf und ohne von der Straße aus erkennbare Markierung. Bei dieser Gelegenheit begegne ich den ersten aggressiven Hunden in Georgien. Zum Glück findet sich dann jemand, der helfen kann. Und dann stellt sich die Unterkunft auch als sehr schön heraus.
Mtskheta ist eine uralte Stadt am Zusammenfluss von Mtkvari (Kura, es scheinen beide Namen verwendet zu werden) und Aragvi, lange war sie Hauptstadt der iberischen Könige.
Heute ist die Stadt in erster Linie Ziel von Tagesausflügen aus Tbilisi. Mitten in der Stadt: die beeindruckende, von einer Wehrmauer umgebene Kirche Sveti Tshoveli. Als ich sie ansehe, wie immer bei den orthodoxen Kirchen braucht es dazu ein Kopftuch, gibt es einen Gottesdienst, Gesänge, viel Weihrauch.
Eine zweite Kirche besichtigte ich ebenfalls noch: die hoch über dem Flusstal auf einen Berg gelegene Jvari Kirche. Die Aussicht von hier auf den Zusammenfluss der beiden Flüsse mit den Bergen im Hintergrund ist sensationell. Und auch hier gibt es einen Gottesdienst mit viel Gemurmel, Gesängen, Weihrauch.
27.9.2017 Mtskheta – Tbilissi
27 km, bewölkt
Der Fahrer von zwei polnischen Touristinnen hat mir unterwegs gesagt, wie ich mit dem Rad nach Tbilisi hineinkomme, nachdem mir meine App konsistent einen 70km langen Umweg durch die Berge vorschlägt: auf der Autobahnbrücke über den Fluss – hier gibt es sogar einen Gehweg – dann auf der linken Seite der Kura immer geradeaus. So mache ich es und abgesehen von den wahnwitzigen Abgasen, die die zahlreichen gelben Busse aus ihren Auspuffen pusten, funktioniert es. Nur ganz zum Schluss habe ich ein Problem : Ich finde mich auf der falschen Seite einer vierspurigen, sehr stark befahrenen Straße, und muss auf die andere Seite. Ampel gibt es weit und breit keine, selbst auf dem Gehweg ein Stück zurück fahren in der Hoffnung auf eine bessere Gelegenheit, geht nicht, weil der Gehweg eine einzige riesige Baustelle ist. Also : hoffen, dass die Autos schon halten werden und los.
Im Hotel angekommen, frühstücke ich erst einmal ausgiebig, dann geht es in die Stadt: Tbilisi hat eine schön sanierte, aber sehr touristische Altstadt, zahlreiche Kirchen, ein paar Museen.
Ich stolpere in das historische Museum, ein schönes, großes Gebäude in der Altstadt, eine ehemalige Karawanserei. Drinnen sind etwas wahllos Szenen aus dem alten Georgien, Trachten, alle möglichen Gegenstände aufgebaut. Falls es in den gibt, wird mir der innere Zusammenhang nicht klar. Aber das Gebäude lohnt sich.
Am Abend beginnt es zu regnen und für den ganzen morgigen Tag ist ebenfalls Regen angesagt. Dazu kommt, dass ich etwas Respekt vor der Strecke in Armenien habe: ein neues Land, neue Sprache, neue Schrift hohe Berge, Pässe, eine lange Strecke ohne Unterkunft, noch ärmer als Georgien. Regen. Ich verlängere meinen Aufenthalt erst einmal um eine weitere Nacht.
28.9.2017 Tbilisi
Bewölkt, leichter Regen, deutlich kühler
Der Regen ist längst nicht so stark, dass Fahrradfahren ein Problem wäre, die meiste Zeit regnet es gar nicht. Aber ein Ruhetag tut sehr gut.
Also : ich besichtigte die wirklich nebenan gelegene Trinity cathedral. Als ich das Gelände betrete, stehen überall Polizisten und sperren einen Teil der Straße, dann fährt neben mir eine Wagenkolonne aufs Gelände, von Hand betriebene Kirchenglocken läuten wild, Geistliche steigen aus dem Autos. Soviel Aufwand wäre meinetwegen gar nicht nötig gewesen.
Ich nehme ein Taxi in die Altstadt und bitte bei der Gelegenheit den nicht sonderlich sympathischen Fahrer, mich morgen früh samt Fahrrad aus der Stadt heraus und nach Marneuli zu fahren. Mal sehen, ob es klappt.
Ich besichtigte das Georgien-Museum – es ist sehenswert, die Ausgrabungen in dieser Gegend geben einiges her, dann fahre ich mit der Zahnradbahn auf einen der Berge um die Stadt. Oben ist ein Rummel, leider ist gerade praktisch alles geschlossen.
Und schließlich gehe ich ins Bad : es gibt in der Stadt heiße Schwefelquellen, zu denen bereits früh Bäder gebaut wurden. Die teure Einzelkabine lehne ich ab, der Eintritt in den öffentlichen Teil kostet umgerechnet gerade mal einen Euro. Plus Handtuchleihgebühren und Massage. Das Bad selbst stellt sich als Raum mit schöner Kuppel und Zierkacheln heraus, ansonsten besteht es aus einer Reihe von Duschen, aus denen das warme Mineralwasser fließt. Darunter stehen Frauen mit der üblichen Vielfalt an Körperformen, die wirklich stundenlang nichts tun, als sich unter der heißen Dusche zu waschen.
Ich lasse mich peelen und massieren, dass funktioniert hier ganz ähnlich wie in einem türkischen Hammam. Sehr entspannend nach den Tagen auf dem Fahrrad.
Der Plan: Mit meinen Sohn und seiner Freundin nach Georgien fliegen, eine knappe Woche zum Wandern nach Svanetien fahren, dann mit dem Rad durch die Region. Ein bisschen kompliziert ist schon vor dem Abflug die Logistik: ich brauche die Sachen zum Wandern und die zum Radfahren und einen Ort, wo ich das Rad für die erste Woche unterstellen kann.
Der Tag beginnt, natürlich viel zu früh: Vor halb fünf klingelt der Wecker. Der erste Schreck kommt, als ich die Wanderschuhe anziehe: die Sohle löst sich großflächig in den Schuhen. Ja, ich weiß, dass der Kleber nicht ewig hält und die Schuhe sind sich schon über zehn Jahre alt. Aber ich war vor ziemlich genau einem Monat mit diesen Schuhen unterwegs, und alles war noch in Ordnung.
Am Flughafen angekommen, geht gerade die Sonne auf, als ich das Rad verpacke. Die Fluggesellschaft will es so, ich habe bislang bessere Erfahrungen mit unverpackten Rädern. Da ich einen Karton kaum zum Flughafen bekommen hätte, habe ich jede Menge Knallfolie und eine Regenschutzhülle, die ich unten mit Hilfe von ein paar eingenähten Knopflöchern zubinde. Ob das reicht? – keine Ahnung, noch ist das Rad nicht ausgepackt.
In Kutaisi suchen wir ein Taxi, das groß genug ist, um drei Personen und das Fahrrad zu transportieren. Ein Fahrer nimmt uns mit, er hat einen älteren Mercedes. Das Fahrrad kommt auf den Rücksitz, ein Lenker schaut etwas aus dem Seitenfenster heraus. Wir beiden Frauen quetschen ins hinter das Rad auf die Rückbank. Leider kann ich kein Foto von uns machen, ich bin ja eingeklemmt. Zum Glück sehe ich so auch nichts von dem abenteuerlichen Fahrstil unseres Fahrers. Die beiden anderen versichern mir, dass die Fahrt sehr spannend war.
Im Hotel läuft alles wie geplant: mein Rad wird, noch immer vom Flug verpackt, auf dem Dachboden untergebracht und darf für die nächste Woche bleiben, ebenso wie die Fahrradtaschen. Außerdem reserviert uns der sehr nette Rezeptionist Plätze im Bus nach Mestia, bietet an, dass wir früher frühstücken können und ruft uns ein Taxi in die Innenstadt, wo es uns tatsächlich gelingt, einen Schuster zu finden, der meine Wanderschuhe klebt. Es ist ein winziger Laden, den wir auch dann nicht erkennen, als wir davor stehen. Zum Glück hilft die Verkäuferin im Nachbarladen.
Außer zu Essen (sehr gut) schaffen wir es noch in die örtliche Kathedrale, die auf Deutsch Maria Entschlafen heißt und in ihrer ursprünglichen Form mehr als 1000 Jahre alt ist. Beeindruckend ist vor allem das Gebäude und die Außenanlage.
Erkenntnisse des Tages:
Das Preisniveau ist sehr niedrig, jedenfalls für alles, was nicht importiert und nicht touristisch ist.
Meine Idee, vor der Fahrt meine sehr geringen Russischkenntnisse etwas aufzufrischen, war extrem hilfreich. So lassen sich auch ein paar Worte mit dem Schuster oder dem Taxifahrer wechseln.
12.9.2017 Kutaisi – Mestia
knapp 30 Grad in Mestia, in Kutaisi mehr
Die Reise in schönere Gegenden dauert ja gern mal etwas länger, also gibt es heute eine Fahrt mit einem der Kleinbusse, die hier Marshrutka heißen. Der Bus fährt los, wenn er voll ist, zum Glück gibt es aber eine allgemein bekannte Uhrzeit, zu der das der Fall sein soll. All die Svanetien-Trekker mit ihren Rucksäcken finden sich zwischen halb neun und neun am Busbahnhof ein. Als der Bus losfährt ist er bis auf den letzten Platz besetzt, zusätzlich steht ein Hocker im Gang, für einen Mitreisenden, der später zusteigt.
Klimaanlage gibt es keine, dafür zwei geöffnete Fenster. Wieder haben wir Gelegenheit, ein paar gewagte Überholmanöver zu besichtigen, der Fahrer scheint das aber doch recht gut einschätzen zu können.
Dann kommen die Berge, natürlich beeindruckend, häufig sind Gletscher zu sehen, außerdem ein blasstürkisfarbener See, ein lehmiger Fluss und dann gegen Ende der Fahrt jede Menge alter Wehrtürme. Im Reiseführer steht, dass viele davon drohen, zu verfallen, weil die Familien kein Geld für ihren Unterhalt haben. Und tatsächlich fällt mir zu diesen fensterlosen schmalen Türmen kaum eine Verwendung ein.
13.9.2017 Mestia – Zhabeshi
ca. 14 km und viele Höhenmeter, vormittags angenehm, dann heiß
Jemand hat uns gesagt, dass wir den Wanderwege am schnellsten treffen, wenn wir über die Wiese hinter dem Haus gehen, uns durchs Gebüsch zwängen, über einen Zaun klettern und weiter über ein paar Felsen nach oben klettern. Es funktioniert, wie treffen zunächst auf einen Fahrweg, der uns ein Stück nach oben führt und dann schmaler wird. Der Aufstieg liegt glücklicherweise fast ganz im Schatten, außerdem ist die Temperatur am Vormittag noch angenehm. An den meisten Stellen ist der Weg kaum zu verfehlen, nach der ersten Hälfte der Strecke ist auch die Markierung recht gut. Trotz allem erweist sich der GPS Track auf dem Handy (von www.caucasus-trekking.com) mehrmals als nützlich.
Vov Chkuti-Pass aus sieht man bereits Zhabeshi, allerdings als letztes einer ganzen Reihe von Dörfern. Nach dem Abstieg vom Pass brennt die Mittagssonne, nun gibt es auf dem Weg auch keinen Schatten mehr. Wir kommen an einem ganzen Dorf vorbei, das nur noch aus Ruinen besteht-.
Bisher hatten wir nur oben auf dem Pass eine kurze Pause, mittlerweile sind wir ziemlich KO. Ein Café finden wir leider nicht, immerhin aber eine Bierbar, in die wir uns setzen, Kekse essen und Cola trinken. Dann weiter. Wir sind mittlerweile im Tal angekommen, neben uns fließt ein Fluss, der offenbar Teile des Ufers weggespült hat, auf dem Weg zu einer Brücke stehen wir plötzlich vor einer Abbruchkante. Die Brücke ist noch da, nur etwas schwerer zu erreichen. Das GPS empfiehlt, auf unserer Seite des Flusses zu bleiben und ihn erst im Zhabeshi zu überqueren. Das tun wir. Der Weg ist schön und, vorsichtig ausgedrückt, interessant. Immer wieder versinken wir in Schlamm, hier kommt fast überall Wasser von den Bergen. Der Weg verschwindet immer wieder an der Bruchkante, 10 m über dem Flussbett. Zwei Brücken soll es über den Fluss geben. Irgendwann kommen wir zu der Stelle, wo die erste einmal war. Zahlreiche Wegweiser zeigen über den Fluss, außerdem Wegmarkierungen. Was fehlt, ist die Brücke. Immerhin könnte die zweite Brücke noch stehen.
Die Hoffnung wird enttäuscht. Auch hier keine Spur von einer Brücke. Dafür gibt es ein ein Drahtseil über dem Fluss. Einige Männer bieten an, Touristen per Seilrutsche auf die andere Seite zu bringen, klar, dass sie dafür Geld wollen. Wir handeln den Preis ein kleines bisschen runter, dann lassen wir uns der Reihe nach in einen Klettergurt binden und rollen über den Fluss.
Am Abend ist Maria krank , ihr ist schlecht, sie übergibt sich , an Essen ist nicht zu denken. Die besorge Wirtin fragt mehrmals nach , ob sie nicht doch Medikamente brauchen und ob sie sonst etwas tun kann. Aber es ist wohl nichts zu machen .
heiß und sonnig
14.9.2017 Zhaleshi-Adishi
Maria geht es zwar etwas besser, eine siebenstündige Wanderung durch die Sonne ist aber definitiv nicht drin. Also fragen wir unsere Wirtin nach einem Auto. Erst sagt sie, es geht nicht, die Straße sei zu schlecht, dann, dass der Weg mit einem Geländewagen schon machbar ist. Sie ruft jemanden an und fragt nach dem Preis. Ein paar Minuten später hält ein Mann in Grenzschutzuniform vor dem Haus und wartet auf uns. Wir haben noch nicht einmal an Packen gedacht. Tatsächlich ist der erste Teil der Straße nach Adishi fast fertig ausgebaut, danach wird es holprig. Wir brauchen für den Weg von etwa 20km eine Stunde und überqueren unter anderem ein Flussbett, außerdem zahlreiche Stellen, die mit einem PKW nicht zu schaffen wären.
Damit sind wir natürlich am späteren Vormittag am Ziel. Ilja und ich spazieren noch zwei Stunden den Wanderwege entlang, Maria legt sich hin.
Adishi ist ein Bergdorf, das in den 80ger Jahren durch eine Lawine zerstört wurde, laut Reiseführer blieben nur die Kirchen und die Wehrtürme einigermaßen heil. Die Bewohner wurden danach umgesiedelt, viele kamen erst in den vergangenen Jahren zurück – und eröffneten offenbar zu 100% Gästehäuser. Das Dorf ist nun eine Mischung aus Ruinen und einfachen Unterkünften. Außerdem laufen überall Hühner und Schweine herum, am frühen Abend kommen die Kühe von den Weiden dazu.
Tagsüber kann man sehen,wie das Heu von den Feldern geholt wurde, mit Ochsenkarren, die Schlitten (ja,Schlitten!) über die Staubwege ziehen und sowohl durch die schmalen Gassen im Dorf als auch über die steilen Wiesen, kommen.
15.9.2017 Adishi – Ipral
8h, es ist wieder heiß
Meine Halsschmerzen, die gestern Nachmittag angefangen haben, werden über Nacht schlimmer, ein heftiger Schnupfen kommt dazu. Auch Maria ist noch nicht wirklich fit. Trotzdem bleibt uns am Morgen nichts anderes übrig, als zu Fuß loszuziehen, dieses Mal gibt es wirklich keine Straße. Der Weg führt zunächst etwa 6km relativ flach durchs Tal und überquert dann eine kleinen Fluss. Wir sind anscheinend die einzigen, die dafür die angebotenen Pferde nutzen, unser Wirt ist zu diesem Zweck samt Pferd mitgekommen. Die wirklich vielen anderen Wanderer kreuzen zu Fuß durch das momentan relativ flache, eiskalte Wasser.
Danach geht es hinauf zum Chkunderi Pass, immer gegenüber einer Gletscherzunge und mit phantastischer Aussicht. Maria schleppt sich mehr oder weniger mit letzter Kraft nach oben, nach der Pause am Pass geht es ihr aber immer besser. Dafür bin ich nun ernsthaft erschöpft, meine Erkältung macht sich bemerkbar. Als wir in Iprali ankommen, kann ich mir nicht vorstellen, mich jemals wieder zu bewegen.
16.9.2017 Iprali-Ushguli
4h, heiß
Wir haben überlegt , auf dem letzten Teil der Wanderung zu verzichten , weil er nicht sonderlich schön sein soll und weil wir nach wie vor etwas angeschlagen sind. Nach einiger Überlegung gehen wir doch los.
Manche Beschreibungen klingen, als liefe man den ganzen Tag die Straße entlang. Das könnte man zwar tatsächlich tun, man würde sich auch einiges an Höhenmetern sparen, aber zu empfehlen ist es nicht. Wir biegen im Dorf Dawgeli von der Straße ab, überqueren eine wackelige Holzbrücke und machen uns über einen schmalen Pfad auf den Weg nach oben.
Ein Hund, von dem es im Internet schon ein Foto gibt, weil er wohl öfter Wanderer spazieren führt, kommt mit und lässt sich sich nicht von den anderen angreifenden Hunden aus dem Dorf beeindrucken, schließt sich aber letztlich einer anderen Gruppe an.
Der Weg führt weit über dem Tal entlang, mit Blick auf grüne Hänge und häufig im Schatten, bis er schließlich wieder auf die Straße trifft.
In Ushguli angekommen, ist es sehr unkompliziert, Plätze in einem Kleinbus zurück nach Mestia zu bekommen, für 20 Lari das Stück. Eine Stunde haben wir noch, um durchs Dorf zu laufen und eine Cola zu trinken, dann lassen wir uns von dem geländegängigen Kleinbus zurückschaukeln. Die Strecke zwischen Ushguli und Mestia wird gerade befestigt. Unsere Fahrt machte das ein bisschen spannender, weil der Bus oft auf dem winzigen Streifen neben der neuen Straße auf der einen und dem Abgrund auf der anderen fahren muss, in Zukunft dürfte die Strecke aber einfacher werden.
17.9.-19.9. Mestia- Kutaisi – Batumi
Zum Frühstück bekommen wir einen Eindruck von den Veränderungen, die in Mestia ablaufen: wir bekommen unser Frühstück in einem Hotel ein paar Meter von unserer einfachen Pension entfernt. Die Betreiberin hat offensichtlich bereits aufgerüstet und neu gebaut. Das Haus ist noch nicht ganz fertig, sieht aber schick aus. Auch sonst wird an allen Ecken gebaut.
Nach dem Frühstück geht es dann mit der Marshrutka zurück nach Kutaisi. Beim ersten Teil der Fahrt haben wir Glück und sind praktisch allein im Bus. Zum Ausgleich müssen wir dann in Zugdidi umsteigen. Danach stellen wir fest, dass in einen Kleinbus doch viel mehr Menschen passen als es Plätze gibt.
In Kutaisi kümmere ich mich zunächst um die spannende Frage, ob mein Fahrrad den Flug unbeschadet überstanden hat, die erste Woche über stand es ja verpackt auf dem Speicher eines Hotels. Zum Glück stellt sich heraus, dass alles in Ordnung ist.
Am Abend verabschieden ich mich von Sohn und seiner Freundin, denn Rest der Reise bin ich allein unterwegs.
Zunächst einmal geht es noch einmal mit der Marshrutka weiter. Es stellt sich am Morgen als relativ einfach heraus, mein Fahrrad in so einen Kleinbus zu bekommen. Das Vorderrad muss wieder ab und der Lenker quergestellt werden, aber dann passt es in den winzigen Kofferraum. Der Fahrer behandelt das Rad beim Packen wie ein rohes Ei. Dann geht es weiter nach Batumi, wo ich meine Radtour beginnen möchte.
Zunächst lege ich aber noch eine Pause ein und bleibe zwei Tage in der Stadt, vor allem um meine Erkältung auszukurieren. Nach dem heißen und staubigen Kutaisi tut die Seeluft richtig gut. Hier sind ein paar Grad weniger, wenn auch immer noch knapp 30, die Stadt ist wirklich schön und mein kleines Hotel (Hotel Elegant) ist sehr angenehm. Ich habe Zeit auszuruhen, durch die Stadt zu bummeln, ein Museum und ein paar Kirchen anzusehen und im Meer zu baden.
Drei Tage Spreeradweg von der Quelle bis Cottbus im Winter
18.-21.12.2016 Spreeradweg von Ebersbach nach Cottbus
Nach vielen Frühjahrs-, Sommer- und Herbsttouren bin ich zum ersten Mal im Winter unterwegs. Geschneit hat es noch nicht, die Temperaturen liegen tagsüber um den Gefriepunkt. Abgesehen von kalten Zehenspitzen sind es ein paar schöne Tage. Das Wichtigste:
Natürlich ist der Spreeradweg perfekt ausgeschildert und führt auf sehr wenig befahrenen Straßen, meistens auf Radwegen entlang. Kein Grund, sich nicht gelegentlich zu verfahren. Es gibt so viele Radwege, dass man schon mal den Überblick verliert. Zu Beginn, an der Quelle ist der Weg etwas hügelig, danach geht es flach weiter.
Es lohnt sich, im Schuhschrank zu schauen, ob es außer diesen dünnen Halbschuhen noch etwas anderes gibt, das man an die Füße ziehen kann. In meinem Fall hätte das die Entwicklung meiner Zehen zu kleinen Eisklumpen verhindert.
Regen im Sommer kann ja schon unangenehm sein, aber das ist nichts gegen einen halben Tag im Regen knapp über dem Gefrierpunkt. Schnell trocknende Klamotten sind eine gute Idee.
Umso schöner, wenn am nächsten Tag die Sonne scheint.
Und ja, früh aufstehen ist eine gute Idee, wenn es schon um 4 dunkel wird.