Endlich los

Puerto Montt – Contao

66 km (sagt Osmand, mein Tacho hat etwas weniger), 480 Hm

Das Fahrrad ist da, die Einkäufe erledigt, also geht es los. Die Strecke ist wunderbar asphaltiert, in der Stadt und auf den 20 km danach ist natürlich viel Verkehr. Ein paarmal werde ich dicht überholt, aber im großen und ganzen nehmen die Autofahrer Rücksicht.

Gegen Mittag kommt die erste Fährüberfahrt. Sehr unproblematisch, als ich ankomme werde ich nur kurz vor der Fähre angehalten, zahle umgerechnet 3 €, rolle aufs Schiff und los geht es. Es gibt hier generell viele Fähren, mag sein, dass man ein bisschen länger wartet als ich, aber allzu lange dürfte es praktisch nie dauern.

Nach der Fähre möchte ich einen Kaffee. Was für ein Reinfall! Ein Reiseführer behauptete, in Chile sei ein bisschen Kaffeekultur modern geworden. In diesem Café wäre ich schon für ein Glas Nescafé auf dem Tisch dankbar. Stattdessen: eine furchtbare Zuckerpampenmischung, garantiert kaffeefrei.

Aber was soll ich sagen, die Landschaft entschädigt schon jetzt.

Endlich los
Man ist hier stolz auf deutschen Kuchen

Contao – Hornopiren

Was ist eigentlich mit den Hunden hier los? – ich brauchte bisher in jeder einzelnen Nacht Ohrstöpsel, weil sie von Abends bis morgens bellen, gelegentlich jaulen, heulen, wieder bellen. In dieser Nacht kommt am sehr frühen Morgen ein Hahn hinzu.

Als ich aufstehe und langsam packe, fängt es – erwartet – an zu regnen. Ich packe das nasse Zelt ein und mache mich auf den Weg. Es geht bergauf und das Rad gibt komische Geräusche von sich, eine Ursache kann ich nicht finden. So keuche ich im Regen die Straße entlang, allerdings nicht lange. Dann hält ein kleiner Lieferwagen neben mir und fragt, ob er helfen kann. Ich kann nicht widerstehen und nicke. Das Rad wird in den Wagen geladen,  ab jetzt geht es schneller und trockener weiter. Der Fahrer ist unterwegs, um Brot auszuliefern. Entsprechend gibt es einen Umweg zu einer Kundin an der Küste.

Mich auf der Straße einzusammeln war ja sehr nett, der Fahrer macht aber etwas zu penetrante Versuche, mich zum Christentum zu bekehren. Ab und zu kurz ein anderes Thema, dann fängt er wieder an…

Außerdem hat er cabanas zu vermieten, relativ günstig, dafür weit vom Hafen entfernt. Ich bleibe dennoch.

Hornopiren

Hornopiren – Caleta Gonzales

Sowas wie 13 km – die Strecke zwischen zwei Fähren

Ab Hornopiren soll es mit einer längeren Fährüberfahrt weitergehen, zuerst dreieinhalb Stunden nach Leptepu, gefolgt von  etwa 10 km Straße, gefolgt von einer weiteren dreiviertel Stunde Fähre. Die Sache mit der Fähre ist: für Fahrzeuge ist sie zumeist ausgebucht. Ob ein Fahrrad ein Fahrzeug ist, weiß niemand, Fahrräder sind nicht vorgesehen. Der Online-Ticket-Kauf funktioniert auch nicht. Mir, wie vielen anderen Radfahrern, wird gesagt, dass ich um 8:30 am Anleger sein soll, , obwohl die Fähre erst um 10 fahren soll. Dann würde entschieden, ob es Fahrradtickets gibt. Oder ob der Kapitän hinterher entscheidet, wer mit darf. Falls ich mit darf ist das Ticket dafür billiger als für Passagiere ohne Rad. Das alles verstehe ich zwar nicht wirklich, bin aber kurz vor halb 9 morgens am Anleger. Nein, Tickets gibt es nicht und die Fähre fährt heute auch erst um 12:30 wird mir und zwei anderen Radfahrern mitgeteilt.

Am Ende ist es unproblematisch: kurz vor der Abfahrt (ja, 12:30) kommt eine Frau und sammelt Pässe ein. Dann rollen die inzwischen 10 Radfahrer aufs Schiff, während der Fahrt bezahlen wir und bekommen die Pässe zurück . Immerhin hatten wir Zeit, andere Radfahrer kennen zu lernen, hier mussten alle stundenlang warten.

Als wir nach der zweiten Fähre in Caleta Gonzalo, im Pumalin Nationalpark ankommen, ist es schon 19:30 und ich bleibe im Gegensatz zu allen anderen Radfahrern auf dem sehr hübschen Campingplatz in der Nähe des Anlegers.

Die Radfahrer*innen von der Fähre, natürlich im Regen

Berlin-Madrid-Puerto Montt und mehr Puerto Montt

Bevor ich losfahren kann auf der Carretera Austral, muss ich erst einmal hinkommen, nach Puerto Montt in Chile. In Madrid habe ich nur eine Stunde, um umzusteigen, und natürlich sitze ich im ausgebuchten Flugzeug relativ weit hinten. Nachdem alle eingestiegen sind, wird festgestellt, dass ein Passagier fehlt, also müssen irgendwelche Koffer wieder ausgeladen werden. Immerhin wird vor der Landung  durchgegeben, man möge Leute mit Anschlussflug doch bitte zuerst aussteigen zu lassen. Macht natürlich keiner. Ich setze meine Ellenbogen ein und beginne den Sprint zum anderen Terminal. Es stellt sich heraus, dass es eher ein Langstreckenlauf ist, inklusive einer Fahrt mit einem Shuttle. Trotzdem reicht es, verschwitzt und außer Atem erwische ich den Flug.

Kurz vor der nächsten Landung in Santiago wird durchgesagt, dass Menschen mit nationalem Anschlussflug ihr Gepäck abholen und wieder aufgeben müssen. Im Gegensatz zu allen anderen Ansagen übrigens nur auf Spanisch. Mist, das wird knapp denke ich mir noch, als ich noch nicht weiß, dass ich eine Stunde vergeblich auf mein Fahrrad warten werde. Eine weitere dreiviertelstunde warte ich am Schalter, um die Meldung für das vermisste Fahrrad aufzugeben. Als ich endlich dran bin, sagt man mir, dass ich die Meldung erst in Puerto Montt machen kann, wenn ich mein Rad dorthin transportiert haben will. Natürlich ist zwischenzeitlich mein Anschlussflug weg. Man schickt mich quer über den Flughafen zu einem nicht existierenden Büro der Fluggesellschaft, um umzubuchen. Am Schalter wiederum sagt man mir, dass sie nicht für Umbuchungen zuständig sind. Ich bekomme einen Wutanfall. Und dann geht es doch mit dem Umbuchen. Eine Mitarbeiterin begleitet mich auch gleich zum self Check-in, druckt mir die Bordkarte aus und zeigt mir den Weg für den nächsten Sprint. Für den nächsten Flug ist es nämlich auch schon ganz schön knapp.

Danach sitze ich in Puerto Montt und warte auf das Fahrrad. In der Zwischenzeit kaufe ich Gas für den Campingkocher – kein Problem, ein Outdoor-Shop jagt hier den nächsten – und versuche eine e-sim zu bekommen. Geht leider nicht. Offenbar gibt es e-sims hier nur mit Vertrag und den nur für  Leute mit Meldeadresse in Chile. Ein neuer Wutanfall hilft nicht. Ich muss meine deutsche SIM-Karte herausnehmen, um eine chilenische nutzen zu können und die nächsten Wochen wohl einfach gut auf sie aufpassen.

Immerhin gutes Wetter und frischer Fisch in Puerto Montt

Einen Tag später warte ich noch immer. Zweimal wird mir am Telefon gesagt, dass das Rad schon am Flughafen in Puerto Montt ist, dann kommt ein Anruf, dass es doch noch in Santiago im Zoll hängt. Die wollen Steuern, weil sie davon ausgehen, dass ich das Rad nicht wieder mit nach Hause nehmen, schlimmer aber: eine notariell beglaubigte Erklärung, dass die Fluggesellschaft den Fall übernehmen darf. Ich schicke erstmal ganz viele Nachrichten und Erklärungen und erkundige mich außerdem nach einem Leihrad.

Ausstellung statt Radtour
Denkmal für deutsche Einwanderer

Spät abends endlich die Nachricht, dass der Zoll das Rad freigelassen hat. Es dauert noch bis zum Mittag des nächsten Tages, dann wird es endlich zum Hotel geliefert. Also ich den Karton sehe, erschrecke ich erst einmal, er ist völlig zerrissen. Das Fahrrad scheint glücklicherweise trotzdem heil zu sein. Morgen kann es also losgehen.

Heute mache ich aber nachdem ich den Kopf frei habe, um an etwas anderes als das Fahrrad zu denken, einen kleinen Ausflug mit dem Bus nach Puerto Varas: eine hübsche, wenn auch ziemlich touristische Stadt am Ufer des Llanquihue-Sees und mit Blick auf den Osorno-Vulkan. Außer diese Sehenswürdigkeiten hat die Stadt die Besonderheit, von deutschen Siedlern gegründet worden zu sein, schon im 19. Jahrhundert. Es wimmelt nur so von deutschen Namen, deutschem Kuchen, deutschem Bier. Dass ein Kleinbus als Ziel seiner ausgerechnet „Braunau“ auf der Windschutzscheibe stehen hat, wirkt dann doch etwas merkwürdig.