Pamir-Highway – das Wichtigste

Quelle: OpenStreetMap
Quelle: OpenStreetMap

Highlights

Highlight ist natürlich die Landschaft und immer wieder die Landschaft. Und dann die Gastfreundschaft, der man immer wieder begegnet.

Was die Landschaft betrifft: der Blick über den Nurek-Staudamm, die engen Täler am Panj, der Wakhan Korridor mit grünen Oasen am Fluss (wobei das Gras auf der afghanischen Seite immer grüner ist..), die menschenleere Mondlandschaft auf den Hochebenen, der Kara’Kul, die Grünen Täler in Kirgisistan…

Und ständig gibt es Einladungen zum Tee, zum Essen – die meisten davon muss man zwangsläufig ablehnen. Selbst in Geschäften durfte ich öfter meine (kleinen) Einkäufe nicht bezahlen, das frisch gebackene, noch heiße Brot, das Wasser, Obst.. Es ist nicht so, dass es hier keine Touristen gibt, aber in den Dörfern sind es im Sommer nur sehr wenige, die jeden Tag durchkommen. Und so stehen dann überall Kinder am Straßenrand und halten ihre Hände zum Abklatschen hin.

Wie sportlich muss man sein?

Es braucht keine Leistungssportler für die Strecke – aber praktisch wäre es schon. Ich selbst bin 56 Jahre alt, 1,60 klein, weiblich und habe eher ein mittleres Fitnesslevel. Ich bin ein paar Strecken aus verschiedenen Gründen mit LKWs getrampt, aber im großen und ganzen habe ich die Strecke schon geschafft. Anstrengend war es aber. Geschoben habe ich gelegentlich auch.

Man sieht sich so eine Strecke ja vorher an, rechnet vielleicht Kilometer und Höhenmeter zusammen und kommt zu dem Schluss, dass die zu schaffen sind. Die echten Feinde sind aber die Straßenqualität und der Wind, der im Hochgebirge immer ab Mittag weht. Das Glück, dass er genau von hinten kommt, hat man selten. Für die Nicht-Leistungssportler: wenn ich außerhalb der ganz einsamen Strecken vorsichtig meine Hand rausgehalten habe, hielt immer das nächste Fahrzeug an und lud mein Fahrrad auf.

Straßen

Nun ja. Die Strecke, die ich gefahren bin, beginnt mit einem längeren Stück auf gutem Asphalt, wenn auch mit einigen Höhenmetern. Ab Kalai Khumb ist es damit dann vorbei. Auf den folgenden 180 km wird die Straße ausgebaut (2024, aber das dürfte sich in den nächsten Jahren kaum ändern), die Straße ist offiziell fast den ganzen Tag gesperrt, tatsächlich ist es Glückssache, wann man doch durchgelassen wird. Wenn man dann fahren darf, sind da riesige Staubwolken, weil die Straße nicht befestigt ist, und die LKW eben gleichzeitig fahren dürfen. Nach den Baustellen lässt die Staubkonzentration in der Luft nach, es gibt auch mal asphaltierte Abschnitte. Die sollte man genießen, sie sind kurz und werden von viel Wellblech und großsteinigem Schotter abgelöst.

Allein? – Sicherheit

Kurz gefasst: so lange Menschen in der Nähe sind, kein Problem. In allen Dörfern und Städten habe ich mich immer sehr sicher gefühlt. Sollte man mal Hilfe brauchen, bekommt man sie sofort.

Etwas schwieriger fand ich es dort, wo man eben keine Menschen trifft. Zwischen dem Wakhan-Korridor und Murgab und auch danach bis nach Kirgisistan ist es schon sehr einsam. Praktisch kein einheimischer Verkehr, vielleicht alle paar Stunden mal ein Jeep mit Touristen, dafür dieser Sturm – da wäre mir Begleitung schon lieber gewesen und einen Teil der Strecke bin ich auch aufs ein Auto ausgewichen.

Einheimische erzählen auch gern von Wölfen und Bären (die es gibt), aber dass die Probleme machen, scheint sehr unwahrscheinlich zu sein.

Krankheiten

Ich bin verschont geblieben, aber viele Touristen erwischt der übliche Magen-Darm-Infekt. Keine Ahnung, wie man das vermeiden kann, gut ist es sicher, in den ersten paar Tagen vorsichtig zu sein, bis man die Klima-, Zeit- und Nahrungsumstellung hinter sich hat. Danach habe ich im Grunde alles gegessen, was mir vorgesetzt wurde.

Einheimische sagen immer wieder und eigentlich überall, dass man das Wasser aus Wasserhähnen am Straßenrand/aus kleinen Bächen/ überall ohne weiteres trinken kann. Touristen filtern meist trotzdem (ich auch). Aber man findet fast überall klares Süßwasser.

Verständigung

Russisch. Ja, es macht Sinn, ein paar Wörter in den Landessprachen zu wissen, aber mit Russisch kommt man gut klar, Englisch können nur wenige über ein paar Wörter hinaus. (Aber da Touristen ja doch ähnliche Dinge wollen, reichen die oft). Tadshikisch ist dem Persischen offenbar sehr ähnlich, Kirgisisch dem Türkischen.

Grenzen und Formalitäten

Tadschikistan

Viele Europäer können sich für 30 Tage visafrei in Tadschikistan aufhalten. Die Nachteile: nach spätestens 10 Werktagen muss man sich bei einer Behörde namens OVIR anmelden, wer durch das Wakhan-Tal möchte, braucht zusätzlich die GBAO (autonomes Gebiet Berg- Badakhshan)-Genehmigung, die man am einfachsten zusammen mit dem Visum bekommt. Für die Anmeldung vor Ort braucht man eine Bescheinigung des aktuellen Hotels, Zeit an einem bis zwei Werktagen und – nach Aussage von einigen Touristen – etwas Bestechungsgeld. Genauer: die Anmeldung und die Genehmigungen kosten zwar Geld, sind aber eigentlich billig, oft werden vor Ort höhere Preise genannt und wer die nicht zahlt, wartet sehr lange.

E-visa

Die eigentlich einfache Alternative ist das E-Visa (bis 60 Tage), das man online beantragen kann. Obwohl das keine offizielle Bedingung ist, bekommt man häufig (immer?) eine Rückfrage mit der Aufforderung, eine Reiseplanung und eine Einladung des Reiseveranstalters hochzuladen. Dann ist es Glückssache: manchmal genügt die Erklärung, dass und warum man keinen Reiseveranstalter nutzt, manchmal nicht. Bei mir reichte eine ungefähre Reiseplanung (also jpeg!), im anderen Fall gibt es Anbieter, die gegen Geld LOIs verschicken. Manchmal werden die Anträge auch abgelehnt, oder sie verschwinden in einem schwarzen Loch. In dem Fall kann man dennoch visafrei oder mit visa on arrival einreisen.

Kirgisische Grenze

Eine weitere Genehmigung braucht man für den Grenzübertritt am Kyzyl-Art-Pass. Diese Grenze ist für Einheimische gesperrt, für Touristen mit Genehmigung aber offen. Diese Genehmigung erhält man von einigen Kirgisischen Reiseagenturen über Whatsapp (yep!) gegen Bezahlung von ungefähr 15 € und Einsenden einer Passkopie . Ich habe meine Genehmigung über „Travel by silk Road/Destination Osh“, Tel.: +996776770090 bekommen, andere Optionen findet man hier . Die Unsicherheit war, dass ich keine Möglichkeit gefunden habe, das Geld zu überweisen – ich habe es mehrfach mit unterschiedlichen angegebenen Bankverbindungen versucht, das Geld kam jeweils nach einigen Tagen zurück. Letztlich wurde ich gebeten, das Geld vorbeizubringen, sobald ich in Osh bin. Außerdem bekam weder ich noch sonst irgend ein Tourist eine schriftliche Bestätigung für die Genehmigung: die Reiseagentur schickt schlicht die Information an die kirgisischen Behörden, dort wird man auf eine Liste für den Grenzübertritt gesetzt. Man hofft also, dass alles geklappt hat, nachdem man 20km steil bergab auf schlechter Straße durch Niemandsland gefahren ist. Man möchte hier definitiv nicht zurück!

Kirgisistan

Kirgisistan ist für Deutsche bis zu einem Aufenthalt von 60 Tagen visafrei und außer der Grenzübertrittsgenehmgung am Kyzyl Art Pass kenne ich auch keine weiteren Fallstricke.

Sim-cards

Sim-cards gibt es günstig in den sehr häufigen Geschäften der Anbieter. In beiden Ländern werden sie mit dem Pass und ggf. Visum registriert. Ich bin nicht sicher, ob dabei auch die Imei-Nummer registriert wird, ich konnte jedenfalls in Kirgisistan keine Sim kaufen, ohne sie direkt im Handy einzusetzen und das Handy aus der Hand zu geben.

Für Tajikistan scheint T-Cell als Anbieter am besten zu sein, aber es gibt auch Gegenden, in denen nur Megafon funktioniert. Gerüchteweise sind die Sims in Tadshikistan nur für Berg-Badakhshan freigeschaltet, wenn man beim Kauf die Genehmigung für die Region vorlegt. Im Zweifel lässt sich die Freischaltung auch später nachholen.

In Kirgisistan hatte ich Beeline und war zufrieden nach der langen Durststrecke ohne Netz in Tadshikistan. Gerüchte sagen, dass es bessere Anbieter gibt.

Etwas schwierig war es in Dushanbe, eine e-sim zu bekommen, der Wunsch führte bei der Verkäuferin fast zum Nervenzusammenbruch. In Sary-tash, einem Grenzdorf in Kirgisistan mit Sim-Verkauf im Tante-Emma-Laden war es unmöglich.

Am besten ist es vermutlich, sich E-Sims schon vorab zu besorgen, soweit man es schafft, zu bezahlen.

Pamir Teil 5: Sary Tash – Osh

49 km und ungefähr 45 mit Auto

Ups, ich habe es schon wieder getan. Ich fahre für morgens wie immer los. Das Wetter ist schlecht, ich habe kurz überlegt, noch zu bleiben, aber weder Sary -Tash noch meine Unterkunft gefallen mir wirklich. Also los, es regnet und es geht bergauf. Der Regen wird stärker. Ich kämpfe mich bis fast auf den ersten Pass hinauf, denke dabei an meine Erkältung und daran, dass das doch nun eigentlich nicht sein muss. Also hebe ich einmal wieder zögerlich eine Hand, als mehrere Transporter vorbeikommen. Einer davon hält sofort an. Der Transporter wirkt von außen leer. Entsprechend überrascht bin ich, als die Ladefläche geöffnet wird und dort schon ein Pferd liegt. Na, wunderbar, mein Fahrrad wird zu dem Pferd geladen, festgebunden und ich quetsche mich neben die beiden Männer, die bereits im Auto sitzen. Ich bekomme hier zusätzlich zum ersten Mal Kymyz zu probieren, vergorene Stutenmilch. Nach etwa 45 km müssen die beiden abbiegen, ich steige aus, schwinge mich wieder aufs Fahrrad, das Wetter ist mittlerweile etwas besser und einen weiteren Pass habe ich mir auch gespart. Entsprechend einfach fahren sich die restlichen Kilometer bis Gul’cha.

Gul’cha – Osh

85 km, 925 Hm rauf, 1461 runter

Der letzte Tag und der letzte Pass dieser Reise. Die zahlreichen Höhenmeter kommen geballt gleich am Anfang. Langsam fahre ich Meter für Meter nach oben. Es ist anstrengend, geht aber doch viel besser als in den ersten Tagen. Ungefähr fünf Kilometer vor dem Gipfel überholt mich der Franzose, den ich schon zwei Tage zuvor getroffen habe. Dann bin ich oben. Hier scheint ein echtes ausflugsziel zu sein: teehäuser, viele Stände mit lokalen Spezialitäten: käsebällchen und Kymyz, vergorene Pferdemilch. Man kann hier in Yurten essen, einkaufen, Fotos machen.

Ich kaufe pflichtbewußt einen halben Liter Kymyz, dann geht es wieder bergab, durchs Alay -Tal, das voll ist, mit Restaurants und Ausflüglern.

Irgendwann bin ich dann da, in Osh, wieder Großstadt, wieder nur ungefähr auf 1000 m Höhe. Es ist heiß, der schlechte Sprit sorgt für erstaunliche Abgaswolken hinter den meisten Autos und ich kämpfe mich durch den Stadtverkehr zu meinem Hotel. Immerhin, endlich wieder ein richtiges Bad, gutes Internet, zuverlässige Stromversorgung.

Osh

Osh ist die zweitgrößte Stadt Kirgisistans und so gibt es hier auch fast alles: einen großen (vor allem langen) Markt mit Obst und Gemüse, Kleidung, Hufeisen und Pferdehalftern, kleinen Restaurants und Souvenirs, Parks mit kunstvoll gepflanzten Blumen, einen Vergnügungspark mit altersschwachen Karussels, Museen, einen internationalen Flughafen. Außerdem steht mitten in der Stadt der Sulaiman-Too, ein geschichtsträchtiger Berg, der fast von überall zu sehen ist. Tatsächlich hat Osh als Siedlung eine mehr als 3000 jährige Geschichte, wie Ausgrabungen rund um den Sulaiman-Too zeigen. Außerhalb der Museen – ein Museum befindet sich in einer Höhle im Fels, das andere in der Nähe darunter – ist davon allerdings nicht viel zu erkennen. Und die Museen selbst sind zwar schön hergerichtet, aber sehr informativ sind sie nicht – im Höhlenmuseum am Berg gibt es so gut wie keine Informationen, die irgendeinen Hintergrund zu den Exponaten darstellen, im Regionalmuseum endlose Texte auf Kirgisisch und Russisch. In kann Russisch, aber für diese Texte fehlt mir trotzdem die Geduld.

Neben den Museen und dem Markt lohnt sich auch eine Stadtführung, buchen kann man die unter bestofosh.com, sofern 3 Leute dafür zusammenkommen (oder man mehr bezahlt).

Dann geht es an den Heimflug. Ich habe da Ticket einer türkischen Billigfluggesellschaft und ein in viel Plastikfolie gewickeltes Rad (Fahrradkartons sind in Osh nicht zu bekommen). Dass ich aber gefühlt zwei Stunden (real:1,5) mit Nahkampf verbringe, liegt am ortstypischen eigenwilligen Anstehverhalten – es gibt keine Warteschlangen. Wenn man dann eher klein ist, aber viel Gepäck dabei hat, ist es nicht ganz einfach, alle aus dem Weg zu drängeln, um dranzukommen. Frauen mit kleinen Kindern dürften es noch schlechter haben, sind das Chaos aber anscheinend gewohnt. Auch an der Passkontrolle werden noch einmal allseits Ellbogen ausgefahren, dann endlich bin ich im internationalen Teil des kleinen Flughafens und stelle auf Umwegen fest, dass der Flug 90 Minuten Verspätung hat. Zum Glück habe ich genug Zeit zum Umsteigen in Istanbul.

Pamir Teil 4: Murgab – Sary Tash

Murgab

Murgab ist ein größeres Dorf, das aus geduckten kleinen Häusern und dem berühmten Containermarkt besteht. Die Leninstatue am Dorfeingang habe ich nicht gesehen (war schon dunkel, als wir wohl daran vorbeifuhren), außerdem gibt es eine Art Platz mit so etwas wie einem Denkmal – wofür auch immer. Nichts, also gar nichts Attraktives auf den ersten Blick. Trotzdem bleibe ich drei ganze Nächte, um mich auszuruhen und an die Höhe zu gewöhnen, bevor es an den höchsten Pass der ganzen Reise geht, den Ak Baital.

Und siehe da, das Dorf wird sympatisch. Es ist ruhig hier, abgesehen von den Kindern, die einen auch hier überall mit einem lauten „Hello!“ begrüßen, es gibt da mehrere durchaus nette kleine Restaurants, auf dem Containermarkt geht es ruhiger zu als man meinen sollte, dennoch finden sich eine Menge Dinge, wenn man sucht. Ich beispielsweise kaufe mir ein komplett albernes dunkelblaues Shirt mit aufgestickten Perlen, weil ich dringend ein dünnes, langärmliges Oberteil brauche, um in der Sonne nicht komplett zu verbrennen.

Tworog-Herstellung
Eiscafé

Murgab – ein einzelnes Haus unterwegs

47 km, 400 Hm

Von Murgab bis Karakul sind es 135 km und dazwischen gibt es kein Dorf, kein Laden und auch sonst fast kein menschliches Leben – wenn da nicht Tonya wäre. Der Wirt meiner Unterkunft in Murgab sagt mir, dass es da nach etwa 50 km ein einzelnes bewohntes Haus gibt und dass dort bei Bedarf auch Straßenarbeiter unterkommen können. Ich solle doch dort übernachten, sagt er. Das bedeutet zwar ziemlich wenig Radfahren, ist aber keine schlechte Idee, weil ich in einer Höhe von 4000 m aufpassen möchte, nicht höhenkrank zu werden. Ich schleiche, dort angekommen, etwas ums Haus herum, bis ich entdeckt werde und sofort Tee angeboten bekomme.

Im Haus wohnt zurzeit die 60 jährige Tonya mit zwei ihrer 14 Enkel. Der Junge hütet den Tag über Schafe, das Mädchen melkt sie morgens, backt zwischendurch Brot und macht, was sonst so anfällt. Außerdem gibt es die verspieltesten Hunde der Welt, mehrere Esel und ein Katzenbaby. Was es nicht gibt, sind Annehmlichkeiten wie elektrischen Strom, fließendes Wasser oder gar Internet. Alle Bewohner sind auch nur über den Sommer hier oben, ansonsten leben sie in Murgab.

Ich jedenfalls werde auch zur Übernachtung eingeladen, Tonya schlägt zunächst vor, dass ich im Zimmer mit ihr und den Enkeln schlafe. Als ich lieber ins Zelt möchte – der Raum ist mir zu warm – zeigt sie mir weitere große, leer stehende Räume mit eigenem Eingang, in denen ich dann mein Innenzelt aufstelle. Das große Haus, sagt Tonya, haben Deutsche gebaut, sie sagt deutsche Kriegsgefangene, außerdem, dass das Haus sehr gut und stabil ist. Mir scheint das mit den Kriegsgefangenen nicht so viel Sinn zu ergeben, aber Moment, ist ja nicht so, dass das die einzigen Deutschen waren, die in Zentralasien gelandet sind. Auch durch Stalins Zwangsumsiedlungen wurden zahlreiche deutsche Dörfer aus Russland nach Zentralasien umgesiedelt. Vielleicht waren es diese Leute?

Tonya ist Kirgisin und erzählt, dass die Gegend immer von Kirgisen bewohnt war, dass es unter den jungen Leuten aber immer weniger werden – Kirgisen finden in Tadschikistan nur schwer Arbeit, manche haben Schwierigkeiten mit der tadschikischen Amtssprache, viele wandern  nach Kirgistan ab. Auch zwei ihrer Kinder leben dort. Und mit Grenzen, die derzeit nur für Touristen geöffnet sind, sind selbst Besuche ziemlich schwierig. Sie führen über Duschanbe nach Usbekistan und erst von dort nach Kirgistan.

Einzelnes Haus – Karakul

90 km, 767 Hm

Vor dem höchsten Pass meiner Radtour frühzeitig zu übernachten, war eine gute Idee. Nicht nur bin ich schon in einer Höhe von 4000 m reichlich kurzatmig, ich schlafe auch schlecht und habe nachts Kopfschmerzen. Und wie das so ist, wenn man nachts wachliegt, zweifle ich an meiner Fähigkeit, überhaupt über den 4655 m hohen Ak-Baital-Pass zu kommen. Also langsam, ganz langsam. Zum Glück ist der Anstieg sehr allmählich. Lediglich die letzten 3 km sind etwas steiler – und die schiebe ich.

Oben dann ist nichts, weder eine tolle Aussicht, noch ein großes Schild. Ich habe eine Reihe Videos gesehen, auf denen Radfahrer Höhenmesser in die Kamera halten, aber nicht einmal so etwas habe ich. Hintergrund für die fehlende Kennzeichnung ist anscheinend, dass der Name Ak-Baital kirgisisch ist und an seine Stelle ein tadschikische Name treten soll. Schilder weiter unten haben schon den neuen Namen.

Nachdem die Höhe geschafft ist, wird es nur wenig einfacher: bis ich am Abend endlich am traumhaft schöen See Karakul ankomme, machen mir die schlechte Straße und der immer gegen Mittag aufkommende starke Wind noch ganz schön zu schaffen.

Der See ist, wie gesagt, spektakulär. Das eine Dorf nach 135 km ist dagegen trostlos: kleine Häuschen, ein guter Teil verlassen, kein elektrischer Strom, kein fließendes Wasser, dafür eine Reihe von Gästehäusern, die mit viel Engagement versuchen, ihre Gäste ohne beides gut zu versorgen.

Karakul – Sary Tash

88 km + x Hm

Am Abend überlege ich noch, einen weiteren Tag in Karakul zu bleiben. Ich bin etwas erkältet und einigermaßen erschöpft. Aber ehrlich gesagt, ich sehne mich doch sehr nach etwas mehr Zivilisation. Also geht es morgens weiter.

Das Problem: vor mir liegen knapp 90 km Nichts. Kein Ort, kein Haus, kein Café, keine schattenspenden Bäume. Den ersten Pass schaffe ich ganz gut, dann geht es erst einmal wieder bergab. Unten wird es dann gruselig. Der tägliche Sturm setzt heute noch früher ein als sonst. Der Wind pustet extrem kräftig, vor mir steigt an zahlreichen Stellen Sand in die Luft. Es beginn, zu regnen. Und weit und breit niemand und nichts. Was soll ich sagen, als dann doch ein Auto neben mir hält und mich fragt ob ich mitfahren will, nicke ich. Es ist ein Taxifahrer, der im Niemandsland zwischen Tadschikistan und Kirgistan Touristen von seinem kirgisischen Kollegen übernehmen will. Und wo er ja doch sowieso fährt, nimmt er mich mit, hilft mir möglicherweise an der Grenze, ein bisschen und hofft auf gutes Trinkgeld. Mir spart die Aktion nicht sehr viele Kilometer, aber doch einige Höhenmeter.

Die Touristenübergabe ist nötig geworden, nachdem vor wenigen Jahren ein Grenzkonflikt zwischen Kirgistan und Tadschikistan ausbrach und seither weder kirgisische noch tadschikische Fahrer über die Grenze dürfen. Sie ist nur für Touristen nach vorheriger Genehmigung geöffnet. Also treffen sich regelmäßig Taxifahrer im Niemandsland, Touristen wechseln Autos und es geht weiter. Klar, dass sich die Taxifahrer das gut bezahlen lassen.

Der kirgisische Fahrer würde mich gegen entsprechende Bezahlung gern ebenfalls mitnehmen, aber nun fahre ich doch selbst weiter. Die Straße führt gut 20 km weit durch Niemandsland. Und was niemandem gehört, um das kümmert sich auch niemand. Die Straße ist teilweise in erbärmlichem Zustand. Mir gefällt sie besser, als der die Waschbrettoberfläche, die es häufig Wakhan-Tal gab, aber das liegt wohl daran, dass es relativ lange nicht stark geregnet hat. Nach einem Regen möchte ich durch diesen Schlamm nicht fahren.

Erstaunlicherweise verändert sich direkt nach dem Pass auch die Landschaft: während es in Tadschikistan, nur nackten Fels gab, wird es nun grün. Weit oben, vor allem viele Flechten, dann Gras, Weiden, Rinder- und Ziegenherden. Ja, auch im Niemandsland.

Auf die Einreise nach Kirgistan muss ich eine ganze Weile warten, weil ich in einer größere Reisegruppe von Motorradfahrern gerate. Dann geht es weiter. Zunächst ganz gut, dann wird der Sturm stärker und immer stärker und pustet mir irgendwann genau ins Gesicht. Ich komme kaum noch vorwärts und die Turbulenzen von vorbeifahrenden Autos (von denen es in Kirgistan wieder einige gibt) schieben mich mehrmals auf den Seitenstreifen. Ich bin schon sehr froh, als ich endlich in Sary-Tash ankomme, eine Unterkunft finde und auch gleich noch zu erbärmlich schlechtem Kurs Geld tauschen und eine SIM-Karte kaufen kann.

Karakul
Straße im Niemandsland

Pamir Teil 3: Wakhan-Korridor

Khorugh – Abch

78 km, laut Osmand 1183 Höhenmeter rauf und 883 wieder runter – es bleibt holprig

Trotz des ständigen Auf und Abs bewege ich mich insgesamt schneckenartig langsam nach oben, momentan bin ich auf 2440 m und es ist noch immer ganz schön heiß. Das bedeutet entweder kurze Strecken oder aber lange Mittagspausen und danach die Hoffnung, noch im Hellen irgendwo anzukommen. Heute letzteres. Mittags finde ich ein kleines Café/Laden mit Terrasse, wo ich mich stundenlang aufhalte. Es gibt Pirogi mit Kartoffelfüllung, Tee und Cola. Nach einer Weile kommt ein Paar dazu, das die Tour auf einem Tandem macht. Meine Güte, sind die schnell!

Am Abend immerhin treffe ich sie wieder in einem kleinen Hotel neben einer heißen Quelle. Dort gehen wir dann auch gemeinsam hin. Eine Mitarbeiterin des Hotels kommt kurzerhand mit. Es handelt sich um eine Quelle, die in einem Gebäude durch ein ziemlich unscheinbares Wasserbecken fließt, in dem schon ungefähr 10 splitterfasernackte Frauen sitzen. Davor gibt es lediglich einen Umkleideraum mit ein paar Haken an der Wand. Die Chance, meine super-schmutzigen Füße (ich radle bislang in Sandalen) vorher abzuwaschen, habe ich nicht. Zum Glück fließt das Wasser einigermaßen schnell durch das Becken. Entgegen meiner Befürchtung hat es auch eine angenehme Temperatur. Wenn man länger drin sitzt, wird es sogar ein bisschen kühl.

Abch – Qah-Qaha-Festung

41 km, 366 Hm

Nach dem langen Tag gestern wird der heutige deutlich kürzer. Nicht dass die Rumpelstrecke nicht trotzdem anstrengend wäre. Aber ich komme nach ausführlicher Frühstückspause gegen Mittag zu einer Unterkunft. Es ist das erste klassische Homestay auf meiner Reise. Es gibt einen Raum für Gäste, in dem Schlafmatten ausgelegt sind. Ein europäisches Bad ist gebaut, es funktioniert aber nicht, weil im Winter die Leitungen eingefroren sind. Stattdessen wird in einem riesigen Behälter Wasser heiss gemacht und mit einer Art Wasserhahn in einem kleinen Raum geduscht. Die Toilette hat eine Spülung. Das bedeutet, man hockt in einem kleinen Häuschen mit Afghanistan-Blick weit über einem kleinen Bach. Der Weg dorthin führt über Bretter, die auf alten Moskvich-Karossen liegen.

Afghanistan -Blick vom Klo
Dusche

Fast direkt neben meinem Homestay gibt es eine alte Festung. Sie steht eindrucksvoll auf einem hohen Felsen und soll aus dem vierten Jahrhundert stammen. Viele Details sind nicht zu erkennen, Informationen sind auch spärlich, aber es ist ein eindrucksvoller Ort.

Qah-Qaha-Festung- Bibi Fatima Hot spring

58 km, 880 Hm

Unterwegs freue ich mich über jedes bisschen der Strecke, das nicht aus großsteinigem Schotter oder Waschbrettpiste besteht. Oder wo es Schatten gibt. Dazwischen knallt die Sonne ganz schön. Am Ende muss ich mein Rad noch weit den Berg rauf in Richtung der örtlichen Festung und der Bibi Fatima Quelle schieben – selbst das erste Homestay auf dem Weg ist weit oben. Dann ruhe ich mich aus, bevor ich mich auf den Weg zur Quelle mache, die noch mehrere hundert Höhenmeter weiter oben liegt – der erste Ausflug in mehr als 3000 m Höhe. Zum Glück muss ich nicht ganz zu fuß gehen – unterwegs hält eine russische Reisegruppe an und nimmt mich mit.

Die Quelle ist dieses Mal zwar mit einem Gebäude umbaut, innen findet sich aber eine fast märchenhafte Felsengrotte, die den Ruf hat, die Fruchtbarkeit von Frauen zu erhöhen. Später sehe ich Bilder von der Männerseite, die ist deutlich weniger eindrucksvoll.

Das Wasser ist ziemlich heiß und als ich nach dem anstrengenden Tag herauskomme, bin ich plötzlich ganz schön geschafft. Zum Glück nimmt mich die Gruppe nach ein paar Fotos vor der Festung wieder mit hinunter zu meiner Unterkunft.

Bibi Fatima Hotsprings – Langar

43 km, 900 Hm bergauf

Die Waschbrettpiste hört nicht auf, zur Abwechslung gibt es an ein paar Stellen aber weichen Sand. Und ein kleines bisschen Asphalt.

Seit Tagen fragen mich Einheimische, wann ich denn wohl in Langar sei. Der Ort sieht auf der Karte nicht groß aus, hat aber mehrere Unterkünfte und ein Museum. Na, da sieht doch nach etwas Infrastruktur aus, denke ich mir und fahre ziemlich achtlos durch Wrang, einen Ort mit immerhin einem Lebensmittelgeschäft und einem Mobilfunkladen durch. Das bereue ich kurz danach. Ja, Langar ist flächenmäßig nicht klein. Aber es besteht aus weit voneinander entfernt stehenden Häusern, mein Anbieter jedenfalls hat keinerlei Internet, ein oder zwei Läden gibt es, sie haben aber absolut nichts was für mich interessant wäre – unter anderem gibt es keinen Kühlschrank im Laden und damit auch nichts Frisches und nur warme Cola. Ein paar Nudeln und Süßkram kann man kaufen, die habe ich aber schon dabei. Strom gibt es den größten Teil des Tages nicht. Meine Wirtin sagt, das liegt daran, dass Strommasten ausgetauscht würden, aber es scheint alles in allem ein ziemlich gewohnter Zustand zu sein. Trotzdem geben sich die Gastgeber viel Mühe damit, westlichen Touristen ein paar Annehmlichkeiten zur Verfügung zu stellen: eine richtige Dusche und westliche Toilette, Stühle und einen Tisch, Betten statt Schlafmatten (an die kann man sich gewöhnen, aber sie sind schon sehr dünn).

Langar – Murgab (mit Auto!)

Fast 250 km mit Taxi und LKW

Locals sagen, bis hierher war die Straße gut, ab jetzt wird sie sehr steil und schlecht und vor allem: einsam. Auf den nächsten 100 km gibt es keine Siedlungen, so gut wie keine Autos, keine Mobilfunkverbindung, im zweiten Teil auch kein Trinkwasser. Für eine Solo – Tour ist mir das alles ein bisschen viel. Außerdem taucht in Langar Nico auf, den ich schon in Bibi Fatima kennengelernt habe. Auch er ist auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit bis Murgab. Also treffen wir uns morgens um halb sieben an meiner Unterkunft. Zwei Stunden später ist noch kein Auto in unsere Richtung gefahren und wir beschließen, mit einem der möglichen „Taxis“ (jedes Auto ist ein Taxi!) zu verhandeln. Für um die 100 Euro für uns beide geht es los. Was wir nicht wissen: das Auto steht kurz vor dem Zusammenbruch. Nach den ersten paar Kilometern der erste Stopp. Das Auto verliert Kühlwasser, was noch da ist, hat eine Temperatur weit oberhalb des Toleranzbereichs. Warten, abkühlen lassen, Wasser nachfüllen, weiter. Der Weg ist extrem holprig, erstaunlich, wenn irgend ein Fahrzeug das schafft. Dann das selbe Spiel, anhalten, warten, Kühlwasser einfüllen. Übrigens hat das Auto auch keinen funktionierenden Akku. Der Fahrer hält immer am Hang an und lässt den Wagen vorwärts oder rückwärts rollen, um ihn zu starten. Wir denken derweil darüber nach, ob wir darauf bestehen sollen, umzukehren. Mit Auto im Nirgendwo zu stranden, ist schließlich nicht besser als mit dem Fahrrad.

Am Ende haben wir jede Menge Fotos mit kaputtem Auto vor spektakulärer Landschaft und es tatsächlich bis zur Hauptstraße geschafft.

Dort dauert es zwar eine Weile, bis der erste LKW vorbeikommt, der nimmt uns aber sofort mit nach Murgab (dass ich dorthin mitfahre, ist Faulheit, über die spektakuläre, einsame Hochebene dorthin könnte ich auch wieder radeln. Aber hey, ich habe Urlaub!)

Pamir Teil 2: Kulob – Chorugh

Kulob – Shuroobod

Ganze 31 km, aber 1384 Höhenmeter, bergauf versteht sich.

Ich schiebe gute Teile dieser Strecke bergauf – mit meiner Fitness ist es nicht weit her. Zum Glück wird es wegen der zunehmenden Höhe zumindest nicht ganz so heiß.

Während bislang die Straße ziemlich stark befahren war, bekomme ich heute eine riesig breite Sahne-Asphalt Strasse mit sehr wenig Verkehr. Ich vermute, eine chinesische Firma hat gebaut, wie an ganz vielen Orten hier. Alles sieht extrem professionell und etwas überdimensioniert aus.

Ebenso überdimensioniert übrigens ist das Hotel in Shuroobod: ein Hotelklotz, eine riesige Eingangshalle, aber statt einer Rezeption gibt es irgendwo eine Telefonnummer, die man anrufen kann, damit jemand kommt. Fließend Wasser gibt es gerade auch nicht. Aber „in einer halben Stunde wird es angestellt“ und dann wieder „in einer halben Stunde“. Letztlich kommt das Wasser irgendwann nachts, ich habe vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen und verursache eine kleine Überschwemmung.

Google Maps schreibt“Tourist Attraction“

Shuroobod – Khostav

91 km, Osmand behauptet 2300 Hm aufwärts und 3185 abwärts, das ist aber Quatsch. Google contert mit 1119 und 2169 m. Dürfte näher an der Wahrheit sein.

Die Landschaft ist von Anfang an beeindruckend, rote Felswände, steile Haarnadelkurven (abwärts yippie!) Dann ist erstmals der Panj zu sehen, der Grenzfluss mit Afghanistan, an dem ich jetzt entlang fahren werde. Die Straße führt eine durch eine Schlucht, links und rechts ragen hohe Berge auf. Und, soweit hat Osmand Recht: immer auf und ab.

Regelmäßig patrouillieren Gruppen von Soldaten die Straße entlang, roter Stern auf der Mütze, Kalaschnikow (soweit ich beurteilen kann) über der Schulter, jeweils 20 m Abstand zwischen zwei Soldaten. Als ich mich zur Frühstückspause unter einen Baum rechts von der Straße setze – also auf die Seite in Richtung Afghanistan, kommt eine Gruppe und erklärt mir, dass da Taliban sind, ob ich das denn weiß? Tue ich und verspreche, mich nur etwas auszuruhen. Bin nicht sicher, worin die Gefahr dieser Straßenseite besteht. Werde nächstes Mal versuchen, zu fragen.

Khostav – Kalai Khumb

50 km, 550 Hm

Nach wie vor fahre ich auf asphaltierter Straße durch beeindruckende Landschaft – und bin gegen Mittag in Kalai Khumb, einer netten Kleinstadt mit Supermarkt, Geldautomaten, Restaurants und vielen Pensionen. Hier trifft man tatsächlich auch zahlreiche Touristen – auch die Jeeps machen hier halt. Außerdem Radfahrer aus der anderen Richtung, Wanderer, Tramper.

Als ich mich am frühen Nachmittag in meinem Zimmer ausruhe (Guesthouse Roma, empfehlenswert!), klopft mein Wirt: eine (weitgehend) australische Gruppe, mit der ich schon zuvor in Kontakt war, ist angekommen und hat nach mir gefragt! Wir gehen essen, ich spaziere durch die Stadt und ruhe mich aus.

Kalai Khumb – Dashtag

80 schwierige Kilometer

Mit der australischen Gruppe mitzuhalten, ist hoffnungslos. Ich hole sie aber bei Pausen immer wieder ein.

Ich war vor der heutigen Strecke schon gewarnt worden: extrem staubig, wurde gesagt, außerdem Bauarbeiten, unvorhersehbare Sperrungen, Steinschlaggefahr. Ich habe schon über ein Taxi oder ähnliches für die Strecke bis Khorugh nachgedacht. Was mich letztlich davon abhält, ein Auto zu suchen, ist ein dänisches Paar, das den ganzen Tag versucht hat, eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern (durchaus auch gegen relevante Geldsummen) und gescheitert ist. Also Fahrrad, Staub, zwei Stunden warten auf Bauarbeiten mehr Staub, wieder eine Sperrung. Immerhin, bei der ersten Sperrung haben wir einen sehr schönen Platz erwischt: Schatten, Wasser, und dann werden wir noch von einer tadschikische Familie eingeladen zu Tee, Hähnchen, hart gekochten Eiern.

Die letzten 13 km nach der zweiten Sperrung schaffe ich gerade so in der Dämmerung, meine zeitweilige Gruppe hat kurz zuvor einen wirklich schönen Zeltplatz gefunden, ich stelle mein Zelt dazu. Schnell etwas essen, dann falle ich auf die Isomatte.

Dashtag – Rushon

26 km Fahrrad, 64 km LKW

Was für ein Tag! Wir haben ausgemacht, um 5:30 Uhr loszufahren. Vielleicht gibt es ja dann eine Chance, vor der ersten Sperrung ein bisschen Strecke zu machen. Etwas später wird es natürlich, aber wir sitzen vor 6 Uhr auf den Rädern. Gegen 8:30 Uhr ist es dann tatsächlich vorbei. Durch die erste Absperrung diskutieren wir uns noch durch, aber kurz danach sehen wir, wie durch Sprengarbeiten riesige Steine den Berg herunterfallen. Nein, da müssen wir dann auch nicht durch. Wir legen Planen aus, machen Frühstück, kochen Tee. Leider haben wir bei weitem nicht genug Wasser dabei. Aber zum Glück kommen andere Touristen vorbei, mit jedem wird ein bisschen gequatscht. Dabei ist auch eine Gruppe aus Korea, die tatsächlich Wasser für die ganze Woche im Auto hat und uns eine Packung mit sechs Litern abtritt. Soweit eigentlich alles ganz entspannt. Aber wir sitzen auf dieser Straße glatte 4 Stunden fest. In der Zeit bewegt sich natürlich langsam die Sonne hinter dem Berg hervor, irgendwann ist unser Lager in der knallenden Hitze. Zum Glück überlässt mir ein Schweizer seinen Campingsitz im Autoschatten.

Dann geht es endlich weiter. Die Australier möchten sich jetzt beeilen, wir sind nicht sicher, ob es weitere Sperrungen gibt. Außerdem sagen sie, dass sie so weit wie möglich kommen wollen, um endlich weg von dieser Straße zu sein. Da komme ich dann nicht mit. Ich quäle mich noch eine Weile über die fürchterliche Straße durch die Hitze, dann reicht es. Als ein LKW kommt, halte ich vorsichtig die Hand raus. Der Wagen hält sofort an, mein Rad wir auf der Ladefläche festgezurrt, die Taschen landen darunter und es geht weiter. Fast genauso langsam wie auf dem Rad übrigens, auch der Laster muss durch die Schlaglöcher. Der Fahrer erzählt, dass er die Strecke regelmäßig fährt, über den Kulma-Pass nach China, Ware aufladen, zurück. Es scheint wirklich keine bessere Möglichkeit zu geben! Im übrigen erzählt er mir ein paar Mal zu oft, dass ich meinen Kindern doch sagen soll, sie mögen endlich Kinder bekommen! Mindestens 5!

Bezahlen soll ich für die Fahrt übrigens nicht, obwohl das in Tadshikistan eigentlich üblich ist. Stattdessen werde ich unterwegs zum Essen eingeladen.

Zwangspause – der Berg wird gesprengt..

Rushon – Khorugh

68 km inclusive des langen Wegs zum Hostel

Wie die Straße nach Khorugh ist?, frage ich morgens meinen Wirt. „Normalno“, antwortet der, also gut. Ich bin mittlerweile auf 2000 m Höhe angekommen und traue mich, „erst“ um 6 Uhr morgens zu frühstücken. Etwas angenehmer muss es in dieser Höhe ja sein.

Tatsächlich hat die Straße zwar schwierige Stellen, sie ist aber wirklich deutlich besser als an den letzten Tagen. Und die Temperatur ist morgens fast ein bisschen kühl. Das ändert sich dann im Laufe der Zeit doch wieder. Ansonsten: neben mir an der Grenze zu Afghanistan öffnet sich eine Ebene, in der sich der Panj nun in mehreren Armen schlängelt.

Als ich Nähe am Fluss sitze, kommen wieder ein paar Soldaten. Dieses Mal wollen sie mich aber nicht vertreiben, sondern sind nur neugierig. Wundern sich, was eine Frau in meinem Alter da macht. Wozu ich das brauche? Tja…

Am frühen Nachmittag bin ich in Khorugh, der letzten Stadt, bevor es schwierig wird mit einkaufen und unmöglich, an neues Geld zu kommen.  Ich gehe in „das“ angebliche Backpacker Hostel. Andere Radfahrer finde ich hier aber nicht. Obwohl doch alle sagen, dass sie dauernd welche sehen. Dafür treffe ich in der Stadt einige Touristen, finde nach einigem Suchen einen vernünftigen Supermarkt und decke mich auf dem Markt mit Trockenfrüchten und Nüssen ein.

Pamir Teil 1: Duschanbe – Kulob

Das Fahrrad kommt nachts heil in Dushanbe an, zusammen mit dem Gepäck und inclusive ein paar Sachen, die ich für einen unbekannten Radler dabeihabe – das Hostel hat mich gefragt, ob ich helfen kann. Alles viel zu schwer für mich Aber zum Glück ist immer jemand da, der mein Gepäck hierhin und dorthin hebt.

Am ersten Tag sind eigentlich bloß ein paar praktische Erledigungen geplant: Fahrrad zusammenbauen, Geld besorgen, Sim-Karte kaufen. Alles davon ist schwieriger als erwartet: am Rad sind zwei kleine Schrauben verloren gegangen, die Bremse zickt, ein Typ, der helfen will, steht gekonnt im Weg. Es ist Samstag und ein Geldautomat nach dem anderen erweist sich als leer. Ich brauche eine e-Sim und die gibt es nur in ganz bestimmten Läden, außerdem führt der Wunsch bei der Verkäuferin fast zum Herzinfarkt und zu einer ganzen Reihe von Telefonaten. Und dann die Hitze…

Irgendwann am Nachmittag ist dann doch alles geschafft, ich tausche mich noch mit ein paar Leuten im Hostel aus, die eigentlich alle Monate bis Jahre unterwegs sind („ach du fährst nur den Pamir-Highway?“ „Ich habe mit 48 aufgehört zu arbeiten, jetzt bin ich unterwegs.“)

Es sind auch mehrere Leute da, die am selben Tag losfahren wollen, wie ich. Ich entscheide mich trotzdem, mich nicht sofort bei jemandem anzuschließen, gerade an den ersten Tagen will ich sehr früh los wegen der Hitze und fürchte auch (zu Recht, wie sich herausstellt), dass mich diese jungen Overlander überfordern.

Duschanbe – Dusti

62 km, 620 HM rauf, etwas mehr runter, 1 Tunnel

Wie geplant starte ich früh – gegen Viertel nach 5. (Hallo Jetlag, für mich ist es eigentlich vor zwei Uhr nachts, als ich aufstehe.) Trotzdem die richtige Entscheidung, es dauert noch ein paar Tage, bis ich in der Hitze ernsthaft bergauf fahren kann. Am Anfang ist die Temperatur tatsächlich angenehm, auch die Autobahn aus Duschanbe raus ist nicht ganz so voll. Mein Weg führt erst einmal eine Hauptstraße lang, dann bergauf, dann durch einen mehrere km langen Tunnel. Im Gegensatz zum Anzob-Tunnel letztes Jahr, ist der allerdings in Ordnung: die Ventilatoren machen  einen unglaublichen Lärm, ventilieren aber und Licht gibt es auch überall. Weiterer Vorteil: im Tunnel geht es für mich bergab.

Kurz vor diesem Tunnel stelle ich noch fest, dass mein Licht nicht funktioniert. Glücklicherweise lässt sich das schnell beheben. Und ein williger Helfer kommt auch erst, als ich praktisch fertig bin. Er hat also keine Chance, im Weg zu stehen.

Hinter dem Tunnel geht es dann die ganzen vielen schönen Höhenmeter wieder herunter. Schade. Aber sowohl die Berge, als auch der örtliche Fluss – der Vahsh sind wirklich schön.

Kurz nach Mittag reicht es mir dann. Ich biege ab, opfere weitere Höhenmeter und miete mich in einem recht teuren  Ressort-Hotel am Fluss ein. Ist ja der erste Tag, da darf man das. Theoretisch gibt es hier eine ganze Menge Pools.  Frauen sieht man darin allerdings nicht, ausschließlich Jungs.

Dusti – Kuybulyon

73 km, 943 Hm bergauf, 1005 bergab, sagt Osmand

Nurek-Staudamm

Wieder fahre ich früh los. Meine Bekannten aus Dushanbe hole ich trotzdem nicht ein, auch andere Touristen treffe ich nicht. 

Die Steigungen fallen mir ganz schön schwer, es geht gleich morgens steil bergauf, dann kommt  irgendwann wieder durch ein langer Tunnel (2200 Meter, dieses Mal leider etwas bergauf). Hinterher gibt es eine fantastische Aussicht auf das Nurek Reservoir. 

Hier oben, nahe an einem Aussichtspunkt, hat sich ein ganzer Markt angesiedelt, Stände mit Essen und Sitzpläzen über dem Reservoir, Stände, die zum Beispiel getrocknete Früchte verkaufen. Ich gehe einmal die ganze Reihe entlang. An allen Essensständen kocht in etwa die gleiche Suppe, die ich zunächst nicht zuordnen kann, die aber nicht sehr appetitlich aussieht. Trotzdem setze ich mich an einen Platz, bestelle Tee und bekomme gleich zwei Schalen mit unterschiedlichen Suppen hingestellt, ausserdem Brot und vergorene Milch, die in eine der Suppen soll. Ein Mann, anscheinend auch einen Gast, sagt mir, dass alles auf seine Rechnung geht. Er hat offenbar bestellt, bezahlt und verschwindet kurz danach. Die eine Suppe enthält Nudeln und ein bisschen Gemüse, die andere Suppe ist Kuttelsuppe und damit eines der wenigen Dinge, die ich absolut nicht essen kann. Schade. 

Es bleibt nicht das einzige Mal heute, dass ich etwas kaufen möchte und nicht bezahlen darf. Es geht weiter mit frischgebackenem Brot in der nächsten Stadt. Ich bestelle zwei Fladenbrote und bekomme drei, Geld will die Verkäuferin auf keinen Fall. Wasser, in einem kleinen Laden  bezahlt ein zufällig neben mir stehender Mann für mich und verschwindet. Eine Honigmelone darf ich ebenfalls nicht bezahlen. Den Tee, den ich in einem Café trinke, bekomme ich auch kostenlos. Und ja, ich habe ganz sicher immer mehrmals nachgefragt. Und ja, ich hatte den Eindruck, dass das ernst gemeint war, immer. 

Abends möchte ich zelten und folge den Empfehlungen einer meiner Apps. Der Platz ist wirklich schön, eine große flache Ebene, umgeben von Hügeln mit einem kleinen Bach. Ich sitze eine ganze Weile da, ohne dass sich auch nur von weitem jemand blicken lässt.

Die Nacht wird dennoch katastrophal: noch am Abend beginnt ein heftiges Gewitter, Sturm, Hagel, Weltuntergang. Die Zeltwände biegen sich gefährlich. Der erste Regen lässt nach, der zweite beginnt, lässt wieder nach, ich beginne, mich zu entspannen. Bis ich merke, dass das Zelt im fließenden Wasser steht. Ich muss weg. Irgendwie gelingt es mir mit nur einem Schuh am Fuß – der andere ist irgendwo im Wasser – erst ein paar Sachen, dann das Zelt mit fast allem Übrigen auf die einzige mögliche erhöhte Stelle – einen Fahrweg an einem Hügel – zu bringen. Ein paar Heringe fehlen am Ende, mit den übrigen befestige ich das Zelt so gut wie möglich. Dann verbringe ich mehrere Stunden damit, mich vor einem neuen Sturm zu fürchten – so mit fehlenden Heringen und so. Schlafen kann ich kaum. 

Kuybulyon – Kulob

65 km, 448 Hm aufwärts, ähnlich viel abwärts

Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf bin ich nicht unbedingt fit. Die 35°c machen das nicht besser. Und so bin ich ausgesprochen froh, als ich gegen 14 Uhr in Kulob ankomme. Ich mache noch ein paar Besorgungen, der Manager meines Hotels bastelt mir Ersatzheringe  für die verlorenen. Außerdem wäscht er (ungefragt) am Abend mein gesamtes, komplett schlammiges Zelt.