R1 in Polen

Ende April 2019:

26.+27.4.2019: Krzyz Wielkopolski – Miasteczko Krajenskie

105 + 8 km

Die erste kleine Teilstrecke des R1 durch Polen ist Jahre her.  Jetzt endlich kommt das nächste Stück. Wie schon beim letzten Mal besteht das erste Problem darin,  zu meinem Ausgangspunkt zu kommen. Ich komme zum Bahnhof, und stelle fest  dass der Zug ausfällt. Als Ersatz gibt es einen Regionalexpress bis Frankfurt/Oder, dort wartet der eigentlich gebuchte Intercity. Ich schleppe das bepackte Rad treppab und treppauf – Aufzug würde zu lange dauern – renne ganz ans Ende des Bahnsteig und hieve das, wie gesagt, bepackte Rad in den Zug. Geschafft. Sogar den Anschluss in Poznan kriege ich, obwohl die Schaffnerin das Gegenteil angekündigt hat. Und unterwegs gelingt es mir auch noch

1.Zloty aus einem Automaten zu leiern

2. herauszubekommen, wie man den Ort ausspricht, in den ich fahre (Krzyz – zwei stimmhafte sch, dazwischen ein Laut irgendwo zwischen i und ü)

Dann los. Ich habe versucht, ein paar km hinter Krzyz ein Zimmer zu reservieren, habe aber keine Antwort bekommen. Trotzdem erwartet mich die Besitzerin des Bauernhofs schon. Prima, sonst hätte ich mir schleunigst einen Zeltplatz suchen müssen  es wird nämlich schon dunkel.

IMG_20190427_135308

Am nächsten Morgen geht weiter. Zu Beginn ein bisschen durch ein Naturschutzgebiet, dann durch eher unspektakuläre Landschaft: bis auf kleine Hügel sehr flach, Felder, Wälder, die keine sind, sondern Fichtenwüsten. Dazwischen zwei Städte, Trzianka und Pila. Auch diese wirken ziemlich langweilig, selbst nach einem Restaurant muss ich suchen. Nicht suchen muss ich dagegen  Herrn Woityla, den vorletzten Papst. Jede zweite Straße scheint nach ihm benannt zu sein, aber manchmal reicht das nicht, es muss auch noch eine Statue her.

IMG_20190427_150053

Der Radweg ist weiterhin prima ausgeschildert. Es geht meistens auf kleinen Straßen entlang, aber klar, gelegentlich stört dann doch der Autoverkehr, wenn man mal wieder viel zu knapp und zu schnell überholt wird.

Miasteczko Krajenskie -Koronowo

97km

IMG_20190428_184306

Morgens sieht das Wetter prima aus. Bleibt aber leider nicht so. Im Lauf des Tag kommen die Wolken zurück, dann regnet es. Es geht weiter zwischen Feldern, durch Dörfer, vorbei an den einen oder anderen kleinen See. Hübsch, aber nicht besonders beeindruckend.

IMG_20190428_130545

Städte gibt es kaum auf dem Weg. Mrocza hat ein paar hübsche Gebäude, ist aber ansonsten ungewöhnlich tot. Kein Café, kein Restaurant, die eine Dönerbude, die es gibt, hat sonntags geschlossen. Ich habe Hunger. Es nieselt.

Erst in Koronowo finde ich ein Restaurant, eine alte Mühle, in der ich gerade noch einen Platz bekomme, bevor es dann weiter geht zu der Stelle auf der Karte, wo gleich mehrere Hotels nebeneinander eingezeichnet sind. Eine Ferienkolonie am See. Landschaftlich super, Seen, Schilf, Wald, Vögel, mit denen ich mich leider nicht auskenne.

Die Ferienkolonie ist noch ausgestorben. Nur ein Hotel ist schon geöffnet, eine sehr sozialistische Einrichtung mit Unmengen kleinen Zimmern, an denen sich in den letzten 30 Jahren kaum etwas geändert haben dürfte. Erstaunlich viele Angestellte pro Gast, Glaskasten mit Fensterchen als Rezeption, Linoleumböden und riesige Speisesäle.

IMG_20190428_185107

Koronowo – Grudziadz

95 km, wer sich nicht verfährt hat es kürzer.

IMG_20190429_191907

Die Wolken werden von Sonne abgelöst, und von Gegenwind, der über den Tag immer stärker wird. Nur einmal in einem größeren Dorf ist er plötzlich verschwunden. Das heißt nein, ein Windrad, an dem ich vorbei fahre dreht sich noch immer ganz schön schnell. Rückenwind also, es fährt sich auch gleich viel leichter. Man könnte behaupten, dass ich stutzig werden müsste. Und ja, klar, nach ein paar Kilometern schaue ich aufs Handy, ich bin falsch abgebogen, wäre ja auch zu schön gewesen. Ja, mir war schon aufgefallen, dass die Wegweiser ein bisschen anders aussehen, aber das kommt ja wohl vor…  Tatsächlich sind Plaketten mit Fahrradsymbol, aber ohne R1 Beschriftung aufgetaucht. Die Gegend hat ein kleines Radroutennetz und dieses wiederum eine Art allgemeingültiges Zeichen.

Also zurück, sofort ist die ganze schöne Leichtigkeit hinüber und ich muss erst einmal in den Supermarkt, Schokolade kaufen.

Am frühen Nachmittag bin ich in Chelmno, ein Hansestädtchen auf einem der seltenen Hügel mit Kloster, großer Kirche, viel Backstein. Außerdem mit großen Eiscafés auf dem Marktplatz und einem kleinen in der Fußgängerzone. Sehr hübsch.

IMG_20190429_124809

IMG_20190429_135956

Grudziadz wiederum reißt nicht von Hocker. Das mag daran liegen, dass es ein bisschen nervig ist, durch den Verkehr in die Stadt zu kommen und das ich dann auch schon ziemlich geschafft bin. Immerhin, der Blick von der alten Burg aus die Weichsel ist schön.

IMG_20190429_193648

Grudziadz – Malbork

105 km, das Internet behauptet, dass es 92 sind

IMG_20190430_184015
Festung Malbork

Der Wetterbericht behauptet, das der Wind zwar weiterhin genau von vorn kommt, dass er aber immerhin nachlässt. Vor 9:30 morgens habe ich diesen Eindruck auch, danach nicht mehr. Die Fahrt ist also eher anstrengend als angenehm. Der Radweg führt nun mehr oder weniger an der Weichsel entlang und hat den Charakter eines Flussradwegs. Das heißt hier: man sieht den Fluss eigentlich nicht, weil man ständig neben dem Deich entlang geführt wird. Auf der anderen Seite endlose Felder. Raps Spargel, Weizen, repeat. Gut, der Raps blüht gerade, das ist ganz hübsch. Den Weg über Kwidzyn will ich mir eigentlich sparen, meine App (Osmand) kennt eine kürzere Strecke. Ich biege nach links auf eine hervorragende kleine Asphaltstraße ab, um weiter an der Weichsel zu bleiben. Ich muss aber schnell feststellen, dass der Asphalt nur angetäuscht ist. Nach ein paar hundert Metern wird die Straße so schlecht, dass ich nach vielleicht einem weiteren Kilometer reumütig auf die Radroute zurückehre. Merke: wer solche Routen anlegt, denkt sich meistens etwas dabei, auf Abkürzungen zu verzichten.

Es gibt ihn doch mal: den Blick auf die Weichsel

Kwidzyn liegt auf einem Hügel, auch hier eine BacksteinBurg und eine Backsteinkirche mit Museum, das man sich ansehen könnte. Oder man kann einfach im Park ausruhen und picknicken.

Ich fahre weiter, aus der Stadt heraus, um eine Baustelle herum und dann ist plötzlich wieder einmal der Wind weg und das Fahrradfahren geht ganz einfach. Ich müsste eigentlich sofort misstrauisch werden, aber wo ich doch fast mühelos dahinfliege… Klar: ich fahre schon wieder in die falsche Richtung. Also zurück. Ich quäle mich weiter. Irgendwann geht es endlich durch Wald, der Wind wird zumindest ein bischen weniger und dann, endlich, bin ich in Malbork. Den restlichen Weg nach Tczew, wo morgen mein Zug zurück nach Berlin abfährt spare ich mir, es gibt genug Züge auf der Strecke, die auch Räder mitnehmen. Und die Hauptverkehrsstraße dorthin wäre mit Sicherheit auch ziemlich unangenehm.

Die Festung Malbork lässt sich nicht mehr von innen besichtigen, es wird wohl ein Fest zum 1. Mai vorbereitet. Aber der Weg außen herum um die größte Anlage der Backsteingotik, direkt an der Weichsel lohnt allemal. Ebenso das Bier am Ufer, fast im Sonnenuntergang.

Bahnhof in Malbork – auch sehenswert

Nächster Abschnitt im Juni 2019
Malbork – Frombork

4.6.2019 – 80km,

das Thermometer meines Tachos zeigt 34 Grad, nachdem es eine Stunde im Schatten lag, der Wetterbericht redet nur von 24 Grad. Quatsch. Es ist heiß!

Übernachtung: Campingplatz kurz hinter Frombork

img_20190604_135142795264944.jpg

Nach der letzten Etappe Ende April bin ich gestern mit dem Zug zurück nach Malbork gefahren, habe in der Pension mitten im wunderschönen Bahnhof von Malbork übernachtet (gut und günstig, nur muss man sich zwischen geschlossenem Rollo und geöffneten Fenstern entscheiden. Wegen der Straßenbeleuchtung ist es die ganze Nacht taghell im Zimmer.

Morgens schwinge ich mich aufs Rad, ein kleines Stück Hauptstrasse, dann schickt mich meine App über eine Strecke, die teilweise wunderbar asphaltiert teilweise ziemlich rumplig ist. Mein neues Fahrrad kommt damit deutlich besser klar als das letzte, das mir tragischerweise vor ein paar Monaten geklaut wurde.

Am späten Vormittag bin ich in Elblag: wunderbar sanierte Häuser und Kirchen, außerdem Gelegenheit für ein ausführliches zweites Frühstück.

Am Nachmittag macht mir die Hitze ernsthaft zu schaffen, es sind gerade die ersten wirklich heißen Tage des Jahres. Ein paar Pausen und kalte Cola helfen.

Irgendwann kommt der erste Blick aufs frische Haff und schließlich Frombork, eine sehr kleine Stadt mit riesigen Dom. Hier hat offenbar Kopernikus gelebt und hier ist er auch begraben. An jeder Ecke scheint eine Statue von ihm zu stehen.

19.12.2018 Hitzacker – Lüneburg

etwa 50 km

Der Sonnenaufgang am Morgen ist sensationell. Danach spielt das Wetter leider nicht mehr mit: am Morgen liegt Rauhreif auf der Straße, es ist ziemlich glatt und ausgerechnet hier gibt es im völlig flachen Niedersachsen ein paar Hügel. Und dann ist der Sonnenaufgang wirklich das einzige, das heute von der Sonne zu sehen ist. Es ist grau, nieselt, die Luft ist feucht und kühl. Bei schönem Wetter hätte ich die Tour vielleicht nach Hamburg verlängert, aber so… Lüneburg ist auch hübsch.

Wieder eine Hansestadt, eine sehr hübsche mittelalterliche Altstadt, jede Menge Fachwerkhäuser, jede Menge Backstein, im Internet ist auch von mehreren Weihnachtsmärkten die Rede. Stimmt auch, sie sind durchweg relativ klein, man stolpert bei einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt über fast alle. Ich trinke Glühwein, esse Bratwurst, finde sonst nichts weiter Interessantes zu kaufen, setze mich in ein Café und sehe mir schlussendlich noch das Salzmuseum an. Es ist im ehemaligen Salinengebäude untergebracht, zusammen mit einem Supermarkt. Es ist nett aufbereitet, ein paar interessante Informationen stehen auf großen Schautafeln, über den Handel mit Salz im Mittelalter und das Aufkommen von Raffinadesalz.

Am Nachmittag dann schiebe ich mein Rad einmal wieder in den Zug: mein kleiner Vorweihnachtsausflug ist zu Ende.

IMG_20181219_130647IMG_20181219_153017

18.12.2018 Havelberg -Hitzacker

104 km

Hamburg, Lübeck, Bremen, Rostock, Wismar… eine Reihe großer Hansestädte kennt man ja. Dass Havelberg auch zum Club gehört, fiel mir erst im letzte Sommer auf. Aber Hansestadt Werben? Oder Seehausen? Nie gehört. Werben wirkt tatsächlich eher wie ein größeres Dorf mit überdimensionierter Backsteinkirche, Stadttor und vielen hübschen Fachwerkhäusern. Dafür gibt es nicht einmal einen Bäcker, lediglich einen Discounter am Ortsrand. Seehausen ist ein bisschen größer, auch hier eine riesige, alte Kirche, außerdem ein paar weitere Sehenswürdigkeiten.

Immer wieder fahre ich heute an der Elbe entlang, dann entferne ich mich wieder vom Fluss, wenn ich damit die Strecke verkürzen kann.

Von Sachsen-Anhalt geht es nach Lüchow-Dannenberg, alles sieht etwas wohlhabender aus, die alten Häuser sind saniert, kaum eins steht leer und überall haben Leute anti-Endlager-Kreuze aufgestellt.

IMG_20181218_142956

Die Strecke heute ist gut 100km lang und tatsächlich schaffe ich sie nicht bei Tageslicht. Ein ganz kleiner heller Streifen ist vielleicht noch am Horizont zu sehen  als ich in Hitzacker ankomme. Nun ja,  länger sollte die Strecke um diese Jahreszeit  nicht werden.

17.12.2018 Nauen – Havelberg

Nauen-Havelberg, 80km

Ein paar freie Tage, es ist zwar grau, regnet aber nicht.  Also los.

Nach einer Tour durch Armenien und den Iran kann man sich über die Anzahl der Radweg ein Brandenburg und Sachsen-Anhalt nicht beschweren. Höchstens über die Qualität mancher Betonplattenwege. Und über den Sand  durch den man an und zu schiebt. Alles in allem aber komme ich gut voran, zwischen Nauen und Havelberg. Natürlich komme ich durch einige Dörfer  aber in keinem drängt sich ein Restaurant auf. Es ist Montag, wer nicht sowieso an Winter – Wochentagen geschlossen hat, hat zumindest montags Ruhetag. Die Temperatur liegt so um den Gefrierpunkt  auf vielen Wasserflächen schwimmt eine dünne Eisschicht. Trotzdem geht es auch ohne Café: ich habe heißen Tee und Stullen dabei und ich halte die Pausen eben einigermaßen kurz. Problempunkte sind nur die Nase, die in der kalten Luft pausenlos läuft und die Füße, die trotz der Winterstiefel und der Wollsocken kalt werden.

Zum Ausgleich habe ich in Havelberg ein Zimmer in einem Hotel mit Sauna und gutem Restaurant gebucht – das Arthotel am Kiebitzberg.

Havelberg ist überhaupt ein hübsches Städtchen, alte Hansestadt, Backsteindom, viele schöne alte Häuser. Im Sommer gibt es vermutlich ein paar Touristen, Wasserwanderer, die über die Havel kommen. Heute wirkt die Stadt schon kurz nach 5 ziemlich tot. Viele Geschäfte haben geschlossen, Restaurants sowieso und Menschen sieht man kaum auf der Straße.

 

Iran – die freundlichsten Menschen der Welt, viel Sonne und viel Autobahn

Eine Radtour durch den Iran, eher ungewöhnlich, finden die meisten  meiner Freunde und Kollegen. Also: was lohnt es sich, zu wissen?

Zunächst: ich fürchte, vieles, was ich sage, veraltet schnell. So billig wie wir es erlebt haben, wird der Iran nicht lange bleiben und wie viele Freiheiten Leute sich leisten können, hängt auch von der aktuellen politischen Lage ab.

IMG_20181016_105325.jpg

Als Frau?

Die ersten paar Tage war ich allein unterwegs – von der Grenze zu Armenien bis Tabriz.  Und ja, ein komisches Gefühl hatte ich schon, als ich kurz vor der Grenze ein Buff als Kopftuchersatz unter den Helm zog. Im Vorfeld hatte ich einige Berichte zu sexueller Belästigung, gerade bei alleinradelnden ausländischen Frauen gelesen. Ich selbst habe dann überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht, das mag allerdings mit an meinem fortgeschrittenen Alter liegen.  Mein erster Eindruck war auf der Straße, dass ich nicht weiter beachtet wurde. Das stellte sich aber schnell als Illusion heraus. Durch meine erste Stadt, Jolfa, fuhr ich zweimal auf der Suche nach meinem gebuchten Hotel die Hauptstraße entlang. Als ich dann abends essen war – anderes Hemd, anderes Kopftuch, kein Fahrradhelm und natürlich im Gegensatz zum Tag ohne Sonnenbrille, wurde ich angesprochen. Ob ich die Touristin mit Fahrrad sei?

In der zweiten Stadt, Marand, wusste offenbar ebenfalls nach kurzer Zeit die ganze Stadt, dass Touristin auf dem Rad durchgekommen ist.

Geld

In Reiseführern liest man, dass man all sein Geld in Bar mitbringen muss, weil iranische Banken nicht an das internationale Bankensystem angeschlossen sind, außerdem, dass man besser in Wechselstuben als bei Banken wechselt, wegen des besseren Wechselkurses. An beide Tipps haben wir uns gehalten. Dennoch hat mich der Stapel Geld überrascht, den ich für meine Euros bekommen habe: Der Kurs des Rial ist in letzter Zeit weit gefallen. Der Wechselstubenkurs war damit nicht wie angekündigt ein bisschen besser als der offizielle Kurs der Banken, wir bekamen glatt dreimal so viel Geld, wie erwartet. Das machte den ganzen Urlaub geradezu unverschämt billig. Wir hatten oft das Gefühl, die Preise hochhandeln zu müssen – man kann doch nicht ernsthaft für weniger als einen Euro pro Person essen gehen, oder? Und wenn man mit dem ganzen Geld in der Tasche dann noch unentwegt eingeladen wird, droht es geradezu unangenehm zu werden.

Allerdings: bis vor kurzem galt der Iran als relativ günstiges, aber nicht als spottbilliges Reiseland. Bestimmt ist es eines, in dem sich vieles schnell wieder ändern kann.

Handy/Internet

Netzabdeckung ist in Deutschland ein Problem, sonst bekanntlich fast nirgends, auch nicht im Iran. Schwierig kann es allerdings sein, eine lokale Simcard zu kaufen. Es gibt nicht allzu viele Läden, in denen man die Karten kaufen kann und diejenigen, die es gibt, scheinen oft formale Probleme mit Touristen zu haben. Welche? – Keine Ahnung, aber ich saß lange in einem Laden, während der Verkäufer versuchte, auf ungefähr hundert Arten meine Daten in sein System einzugeben. Am Ende hatte ich eine Karte, allerdings mit Daten, die nicht meine waren.

Wenn man dann Internet hat – mobil oder per WLAN, stößt man auf teilweise überraschende Probleme. Dass manche Seiten gesperrt sind, habe ich erwartet. Dass  Whatsapp, Telegram und andere Messenger funktionieren, dafür aber GMX einfach nicht lädt, hat mich doch erstaunt. Da hilft es nur, sich vorab ein VPN zu installieren, wenn man nicht plötzlich ohne die Mail mit dem Rückflugticket dastehen will – oder was solche Sperren eben noch an Überraschungen bieten können.

Verkehr

Im Iran baut man an jede verfügbare Stelle eine Autobahn. Auch dort, wo es nicht so furchtbar viel Verkehr gibt. Vorteil: oft gibt es einen breiten Seitenstreifen, manchmal hat man mehrere Spuren aus wunderbarem Asphalt für sich allein – dann, wenn die neue Strecke noch nicht freigegeben ist. Trotzdem gibt es natürlich schönere Straßen als gerade Autobahnen, auch im Iran. Leider verbinden sie selten zwei Orte, durch die man fahren möchte. Kommt auch vor, aber dann muss man hoffen, dass einem kein Militärgelände in die Quere kommt, durch das man nicht durchfahren darf. Also:  vorsichtig ausgedrückt, was Straßen und Verkehr betrifft, ist der Iran kein typisches Fahrradland.

IMG_20181010_153042

Unterkunft

Wer mit dem Rad unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, nicht immer ein Hotel oder eine Pension zu finden: in großen Städten häufen sich große Hotels, dazwischen gibt es kaum eine Unterkunft. Vielleicht einmal ein ungemütliches Gästehaus. Die großen Hotels waren günstig, als wir unterwegs waren, bei schlechterem Wechselkurs können die Preise aber leicht an Westeuropa herankommen. Was fehlt sind kleine Privatpensionen mit ein paar Zimmern und damit generell Unterkünfte in kleineren Orten. Zelten ist dafür ziemlich unproblematisch. Und falls jemand mitbekommt, dass man eine Unterkunft braucht, findet sich ganz schnell jemand, der einen zur Übernachtung einlädt.

Als wir unterwegs waren, war es nicht sinnvoll, Hotels vorzubuchen – man hätte dann den schlechten Banken-Wechselkurs zahlen müssen. Das kann sich mit einer Annäherung der Kurse ändern. IMG_20181008_171116.jpg

 

2018 – Mit dem Rad durch den Iran

3.10.2018 Meghri – Jolfa

75km, 80 inclusive durch die Stadt kurven

Berichte handeln an dieser Stelle üblicherweise von Nervosität. Will man da wirklich hin? Was ist da erlaubt, was verboten? Mit geht es genauso, als ich mich um Viertel nach 8 aufs Rad schwinge und die größtenteils bergab führenden paar Kilometer zur Grenze rolle. Auf einem Parkplatz ziehe ich ein Buff unter den Fahrradhelm, alle anderen Frauen, die ich sehe, behalten ihre bunten Tücher bis zur Brücke im Niemandsland in der Hand. Mit den Rad werde ich zu den Fußgängern dirigiert und muss meine Fahrradtaschen durchleuchten lassen.

Ein kurzer Plausch mit der einen Person an der Grenze, die Englisch kann – woher, wohin, allein? zum ersten Mal hier? – Welcome to Iran!

IMG_20181002_105013

Was folgt, ist zunächst noch sensationelle Gebirgslandschaft mit links und rechts hoch aufregenden Felsen, danach wird es wüstiger. Noch immer bin ich unsicher, immerhin gibt es auch einige Warnungen vor sexueller Belästigung, speziell, was alleinreisende Radlerinnen betrifft. Aber im Grunde beachtet mich hier niemand. Während mir in Armenien die gefühlte Mehrheit der Autofahrer zugehupt und oft noch frenetisch gewinkt hat, grüßt man mich hier nur ab und zu mit der Lichthupe.

IMG_20181002_100711
In Jolfa spiele ich zunächst Pingpong mit meinem gebuchten Hotel. Das Problem: es heißt Altin Aras, Aras ist der Name des Grenzflusses und der Freihandelszone, die es hier offenbar gibt. Es gibt in der Stadt mindestens 3 Hotels, die Aras heißen. Mindestens, weil das diejenigen sind, zu denen ich geschickt werde, mit jeweils auf einer Karte aus dem ersten Hotel Aras eingezeichneten Wegen. Innenstadt, fast ganz aus der Stadt raus, zurück ins Zentrum. So weiß ich den auch gleich, dass die Stadt sonst nicht viel zu bieten hat. Dann habe ich das richtige Hotel, gehe nochmal auf den Markt und wechsle Geld und stelle überrascht fest, dass ich viel mehr für meine Euros bekomme als gedacht. Ich möchte auch noch eine Sim-card, aber das scheint hier etwas komplizierter zu sein als in Armenien. Und der einzige Laden, in dem ich eine kaufen könnte, ist heute schon zu.

IMG_20181002_161339

3.10.2018 Jolfa – Marand

ca. 70 km, angeblich 1100 Höhenmeter (kommt mit ausnahmsweise weniger vor)

IMG_20181003_105519
Auf den ersten Kilometern, neben einem riesigen Einkaufszentrum knapp außerhalb der Stadt habe ich den zweiten Platten. Wäre an sich nicht so schlimm, dieses Mal ist es trocken und ich kann das Rad auch noch in den Schatten schieben. Aber bei der Gelegenheit entdecke ich einen Riss im Mantel. Das ist nun wirklich blöd, einen Ersatzmantel habe ich nicht mit. Aber sind ja nur noch ein paar Tage, bis ich in Tabriz meinen Mitreisenden, Malte, treffe. Der kann einen mitbringen.
Beim Reparieren werde ich von zwei älteren Männern beobachtet. Im Gegensatz zu vielen anderen sind sie relativ angenehm: stören nicht, packen nur mit an, wenn es in Ordnung ist und sind im richtigen Moment mit einer Standpumpe da. Prima.
Ich fahre weiter. Mit einem kaputten Mantel in die Wüste, klar. 60 km zur nächsten Ortschaft.  Ich muss bescheuert sein. Aber ich habe Glück. Das Rad hält.

IMG_20181003_154424.jpg
Die Strecke ist nicht sonderlich spannend, noch immer Berge, es geht langsam bergauf, dann wieder hinunter, nirgends Schatten, ich zerfließe. Kommt allerdings mal ein kleiner Luftzug, scheinen die langen Ärmel bei der trockenen Luft eher vorteilhaft, kurz bleibt es darunter kühl.

Dann, an frühen Nachmittag bin ich in Marand und suche ein Hotel. Aus dem einzigen Innenstadthotel gehe ich rückwärts wieder raus. Definitiv zu dreckig, selbst wenn ich den Besitzer überreden kann, die fleckige Bettwäsche zu wechseln. Ich quäle mich noch ein paar Kilometer weiter, aus der Stadt heraus, in ein weiteres Hotel, das ganz vernünftig ist. Touristenstandard.

Den Nachmittag verbringe ich mit dem Versuch, an eine iranische Sim-Card zu kommen. Es ist beinahe aussichtslos. Die wenigen Läden, in denen es Sim-Cards gibt, sind erstmal zu, wie schon der gestern in Jolfa. Ich drehte eine Runde durch angrenzende Straßen, dann ist einer der Läden auf. Man bringt mich nach einem Telefonat zu einem weiteren Laden. Der ist zu. Kurz danach auf. Der Mann hinterm Tresen bemüht sich eine Ewigkeit darum, mit meinen Daten klarzukommen. Ich verstehe das Problem nicht, es scheint aber nicht lösbar zu sein. Es sieht so aus, als müsse er mit meinen Daten im Pass genau die richtige Umschrift in arabische Buchstaben erwischen. Das klappt nicht. Mehrere Leute kommen und gehen und blättern dazwischen ratlos in meinem Pass. Wenn nur irgendjemand englisch könnte!

Und dann steht ein Mann neben mir: Are you Anja? I am your host! Er stellt  sich vor und erklärt, dass er ein Freund eines Mannes ist, den ich über Warmshowers kontaktiert habe, um ein paar Tipps für den Iran zu bekommen. Der ist zur Zeit nicht in der Stadt, hat mich aber weiter vermittelt. Und obwohl ich mich erst für einen Tag später angekündigt hatte: offensichtlich weiß schon die ganze Stadt, dass eine einzelne Touristin mit Fahrrad durchgekommen ist und wo sie sich jetzt gerade befindet. For the record: Marand hat 130.000 Einwohner.
Ich bekomme Tee in einem kleinen Laden, mein neuer Bekannter plaudert mit mir, zwischendurch kommen alle möglichen Leute vorbei, um dieser komischen Touristin Hallo zu sagen. Leider reicht es meistens nicht für mehr als ein Hallo, mehr Englisch kann kaum jemand, mehr Farsi kann ich nicht. Wobei die Leute hier behaupten, dass sie türkisch sprechen und dass es sich auch nicht groß vom türkisch in der Türkei unterscheidet. Ich verstehe kein einziges Wort. Immerhin, mein Sim-Card Problem kann im Laufe des Nachmittags doch noch gelöst werden, bevor ich mich dann, ziemlich geschafft, mit dem Sammeltaxi wieder aufmache in mein Hotel.

4.10.2018 Marand – Tabriz

69 km, 456 Höhenmeter

Übernachtung: Hotel Behboud, riesiges Apartment, gutes Hotel.
Als ich mein Rad aus dem Foyer des Hotels schiebe, bekomme ich stürmischen Applaus von der dort versammelten ziemlich großen iranischen Frauen-Reisegruppe. Na, dann los. Der Aufstieg kommt heute gleich zu Anfang, danach rollt das Rad eine ganze Weile fast von allein. Auch Raststätten und Cafés gibt es heute auf dem Weg ausreichend. Der große Nachteil: ich fahre praktisch den ganzen Tag auf einer Art Autobahn. Solange viel Platz ist, geht das, wenn nicht, überholen die LKW auch mal ohne Sicherheitsabstand. Heftig wird es in die Stadt hinein. Mehrfach muss ich über mehrere Spuren kreuzen, um auf diejenige in Richtung Innenstadt zu kommen. Und mich dann durch die Stadt schlängeln. Nicht trivial. Dabei bin ich hier durchaus nicht die einzige Radfahrerin. Oder doch. Aber nicht die einzige Radfahrer*in. Männer und Jungs auf Rädern gibt es jedenfalls schon. Auch zahlreiche Wegweiser, die Entfernungen in Fahrradminuten angeben. Dennoch, optimal ist die Infrastruktur noch nicht.

IMG_20181004_172742

Ich bin froh, als ich im Hotel ankomme. Das stellt sich als ziemlich luxuriös heraus: ich bekomme eine Suite mit zwei Schlafzimmern, Wohnzimmer, Küche, alles großzügig und sauber. Für ungefähr 14 € pro Nacht, inclusive Frühstück, der Währungsverfall des Rial macht es möglich.

IMG_20181004_161554
Rathaus

Die anderen Sehenswürdigkeiten müssen noch warten, über den Bazar gehe ich aber noch. Toll. Er ist riesig und hat große Abschnitte für alles Mögliche – Schuhe, Schmuck, Teppiche, Wolle für Teppiche, ganz viele Trockenfrüchte und Kräuter, Kleidung…. Und er ist kein bisschen touristisch.

IMG_20181007_112528

IMG_20181007_114024
Hof im Bazar

 

5. – 7.10. Tabriz

IMG_20181005_105154

Für den 7.10. bin ich in Tabriz mit Malte verabredet, der mich ab hier begleiten wird. Das heißt für mich erst mal eine Fahrradpause bis er da ist. Böse bin ich darüber nicht unbedingt, die vielen Steigungen in Armenien haben mich doch ziemlich geschlaucht. Seit ich im Iran bin, gibt es davon zwar weniger, damit ich aber nicht zu sehr zum Ausruhen komme, geht die Fahrt hier permanent durch die Sonne, auch das ist anstrengend. Selbst die Luft ist sehr trocken.
Stattdessen nun also Pause: zunächst mache ich einen Ausflug, per Taxi nach Kandovan, ein Dorf, das in ausgehöhlte Tuffsteinformationen gebaut wurde, ähnlich wie in Kappadokien. Es ist Freitag, der freie Tag hier und das Dorf läuft über mit iranischen Familien beim Wochenendausflug. Die Straße entlang gibt es Unmengen kleiner Läden, die Keramik, Taschen oder Kräuter und Trockenfrüchte verkaufen. Eigentlich ganz nette Sachen, aber natürlich will ich auf meinem Rad nicht noch mehr Krempel mitschleppen.
Nach einem Rundgang durchs Dorf lande ich bei einer der picknickenden Familien auf einer Decke in der Sonne, bekomme Tee und werde nacheinander mit allen Frauen der Familie fotografiert. Am Ende habe ich gerade noch Zeit, mir ein bisschen Mineralwasser, das es hier auch gibt, abzufüllen, bevor ich zurück muss zum Taxi.

IMG_20181005_151704IMG_20181005_143403

 

IMG_20181005_151728IMG_20181005_153304

Dann gibt es natürlich die Sehenswürdigkeiten, die man in Tabriz gesehen haben muss, die blaue Moschee mit den Resten von beeindruckendem blauen Fliesenschmuck und das Ostaserbaidschan-Museum, das mich nicht unbedingt vom Hocker reißt. Sehr schön ist hingegen der kleine Ausflug zum Tabrizer Hausberg Eynali dessen rotes Gestein in der Abendsonne toll aussieht.

IMG_20181006_105728IMG_20181006_164018IMG_20181006_173359
Am Sonntag morgen dann kommt Malte an. Sein Flug hat sechs Stunden Verspätung, aber immerhin, sein Fahrrad übersteht den Flug gut, er bringt einen Mantel für meins mit, morgen kann es weitergehen mit unserer Tour.

8.10.2018 Tabriz – Eslami Island

98 km, fast ganz flach

IMG_20181008_175303
Wir machen uns früh auf den Weg, in der Hoffnung, vor dem schlimmsten Verkehr aus der Stadt heraus zu sein. Sind wir wahrscheinlich auch, allerdings wirkt sich Tabriz mit seinen 1,6 Mio. Einwohnern schon weiträumig aus: nach der Stadt folgen Industriegebiete, dann lässt der Verkehr auf der Autobahn langsam nach, aber es bleibt größtenteils eine Autobahn. Ein längeres Stück haben wir Glück:  die rechte Seite der Autobahn ist noch nicht für den Verkehr geöffnet, es wird noch gebaut. Wir mit den Rädern können trotzdem schon hier fahren – ein ziemlich luxuriöser Radweg.

Nach den zahlreichen Pässen der letzten Zeit ist die Strecke nun vollkommen flach.
Unser Ziel heute: der Urmia-See. Das ist ein ursprünglich riesiger flacher Salzsee, früher war er 10 mal so groß wie der Bodensee und hatte einen Salzgehalt etwa wie das tote Meer. Seit den 80 er Jahren ist der See extrem geschrumpft, im Wesentlichen wohl, weil ihm die Zuflüsse abgegraben wurden. Wir jedenfalls fahren lange durch flache Landschaft, und sind nicht sicher, ob hier einmal der See war oder noch nicht. Irgendwann sieht man Salzkrusten auf dem Boden, Wasser sehen wir heute nur von sehr weitem, kleine Reste von einem riesigen See.

IMG_20181008_171116
Am Abend zelten wir zum ersten Mal auf einem gerade nicht genutzten Feld auf Eslami Island, neben dem See, der an dieser Stelle keiner mehr ist.

 

9.10.2018 Eslami Island – Urmia

45 km, flach

Den größten Teil der Strecke nach Urmia haben wir gestern schon geschafft, es bleiben nur noch 45 km. Los geht es mit einer Brücke über den See. Wir sehen viel Salz und kümmerliche Reste von Wasser. Ab und zu Tretboote, die  auf dem trockenen liegen, eine verrostete alte Fähre. Schön ist auch die Salzwüste hier. Dennoch ist natürlich zu hoffen, dass es gelingt, den See zu retten. Angeblich sollen die entsprechenden Bemühungen in den letzten Jahren schon erste Erfolge gehabt haben, vermutlich ist der Wasserstand nach dem Sommer ja auch besonders niedrig.

IMG_20181009_093104.jpg
Am frühen Nachmittag sind wir dann in Urmia und mieten uns in einem teuren Hotel ein. In der Präsidentensuite, weil kein „normales Doppelzimmer“ frei ist. „Teuer“ ist allerdings relativ: wir profitieren hier ungewollt vom Währungsverfall des Rial, der wohl wesentlich von den Sanktion verursacht wird, die die USA wieder in Kraft gesetzt haben. Der Marktkurs für den Rial, den man in Wechselstuben bekommt, war immer um vielleicht 15% besser als der offizielle Kurs der Banken. Zur Zeit bekommt man von den Wechselstuben dreimal so viel wie den offiziellen Kurs. Da werden Präsidentensuiten erschwinglich, essen in einfachen Restaurants oder Taxifahren wird geradezu absurd billig.

IMG_20181009_155544.jpg
Kirche in Urmia

10.10.2018 Urmia – Nagadeh

91 km, Gegenwind und ein paar Höhenmeter

IMG_20181010_114109
Im Iran hat man wirklich eine Vorliebe für Asphalt. Abgesehen von einem kleinen Versuch, Nebenstraßen zu fahren, sind wir fast die ganze Zeit auf autobahnähnlichen Straßen unterwegs.

IMG_20181008_130928.jpg
Einen großen Teil der Zeit geht es am Urmia-See entlang, aber nie sehen wir Wasser, immer Salzwüste. Riesige Flächen Salzwüste.
Mittags winkt uns ein älteres Paar an den Straßenrand und lädt und zum Tee ein. Wir nehmen an, folgen Ihrem Auto ein Stück zum Haus. Wir unterhalten uns mit Händen, Füßen und der Hilfe des über Handy zugeschalteten Sohns der beiden, trinken Tee und schaffen es nicht, das Haus ohne mehrere Kilo geschenkter Weintrauben wieder zu verlassen. Keine Ahnung, wie wir die schaffen sollen.
Am späten Nachmittag sind wir in Nagadeh. Google und Osmand behaupten, dass es hier ein Hotel gibt, wie finden davon aber keine Spur. Fragen also jemanden. Der sagt uns, nein, ein Hotel gibt es hier nicht, aber wir sollen doch mit zu ihm nach Hause kommen, er lädt uns ein, bei ihm zu schlafen. Und schon wieder landen wir in der Wohnung einer iranischen Familie. Die Frau stellt sich in die Küche und kocht gut und aufwändig für alle, der kleine Sohn muss uns sein Kinderzimmer für die Nacht überlassen. Und wieder versuchen wir, uns mit Händen und Füßen zu verständigen und lernen google translate schätzen.

IMG_20181010_190705.jpg

Unser Gastgeber erzählt, dass er bis vor kurzem an einem Tunnel gearbeitet hat, über den Wasser aus dem Aras – dem Grenzfluss zu Armenien und Aserbaidschan zum Urmia-See umgeleitet werden soll. Im Internet ist auch von einem solchen Projekt zu lesen, dort steht aber, dass es nicht realisiert wird?

11.10.2018 Nagadeh -Mahabad

54 km

IMG_20181011_101302

Nach ein paar Kilometern besichtigen wir Hasanlu, eine Ausgrabungsstätte mit Funden aus unterschiedlichen Epochen, die ältesten um die 8000 Jahre alt, einige restauriert. Auch ein kleines Museum gibt es, in dem Funde aus dieser Ausgrabungsstätte ausgestellt sind. Nur das wichtigste Fundstück, ein großer goldener Becher  ist im Museum in Teheran.

IMG_20181011_102444

Herumgeführt werden wir von zwei Wehrpflichtigen, die offenbar hier Dienst haben und als erstes darauf hinweisen, dass sie nicht freiwillig Soldaten sind.

Am Nachmittag landen wir in der quirligen Provinzhauptstadt von West-Aserbaidschan. Die Stadt ist in keinem unserer Reiseführer beschrieben, scheint aber doch ein wichtiges regionales Zentrum zu sein. Wir jedenfalls sehen zwar keine der wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, landen aber in einem schicken  angesagten Café, in dem den Frauen die Kopftücher besonders weit nach hinten rutschen – oft liegen sie nur noch um den Hals.

12.10.2018 Mahabad – Bukan

67 km, 990 Höhenmeter

IMG_20181012_135907
Wir fahren eine kleinere Straße entlang. Besser ist das nicht unbedingt: auch diese Straße ist relativ stark befahren und es gibt nur selten einen Seitenstreifen. Die meisten Fahrer passen auf, aber ab und zu überholt ein Laster mit um die 100 Stundenkilometer und 20 cm Abstand. Da hat die Autobahn mit ihrem breiten Seitenstreifen doch glatt Vorteile.
Ein paar Kilometer abseits unseres Wegs liegt die Sahulan Höhle, die wir ansehen wollen, vorzugsweise ohne unserem Weg heute übermäßig viele Höhenmeter hinzuzufügen. Wir lassen unsere Fahrräder an Abzweig von der Hauptstraße, gehen ein Stück in Richtung der Höhle. Die wenigen Autos, die hier entlang fahren, sind voll besetzt. Trotzdem hält gleich das zweite an. Für mich ist Platz auf der Rückbank, wo zwei Frauen sitzen, Malte muss sich vorn neben den Beifahrer quetschen.
Die Höhle selbst beeindruckt vor allem durch ihre Größe und den tiefen unterirdischen See, auf dem die Touristen mit Ruderbooten zwischen den Felsformationen hindurchgeschippert werden. Gleichzeitig mit uns sind auch einige Höhlentaucher unterwegs, der See soll bis zu 60 m tief sein, die Erkundung lohnt also.

IMG_20181012_142219.jpg
Ich bin nicht sicher, wie häufig wir hier fotografiert werden. Ein Selfie mit den Leuten, die uns im Auto mitnehmen, eins mit denen, mit denen wir ein Boot in der Höhle teilen, eins mit den Jungs an der Kreuzung, wo wir unsere Räder stehen lassen, und dann werden wir doch tatsächlich während der Fahrt an den Straßenrand gewinkt, weil jemand ein Erinnerungsfoto mit diesen Touristen auf den Fahrrädern haben möchte.

IMG_20181012_135405.jpgIMG_20181012_155614.jpg

13.10.2018 Bukan – Saqqez

40 km, 429 Höhenmeter

IMG_20181013_144418
Abgesehen von ein paar Steigungen ist heute ein eher ruhiger Tag. Wir bekommen morgens noch Spiegeleier in unserem Gästehaus und radeln dann die ungefähr 40 km zur nächsten Stadt, die ein paar Hotels hat. Morgen kommt eine relativ lange Strecke ohne Hotels, da wollen wir uns vorher ausruhen.

Es gibt im Iran einen offensichtlichen Mangel an kleinen Pensionen. Während es in Armenien in manchen Orten den Anschein hat, dass sich in jedem zweiten Haus eine kleine familiengeführte Pension versteckt, gibt es hier vor allem große Hotels und ein paar einfache Gästehäuser mit fragwürdiger Sauberkeit. Die verfügbaren Hotels scheinen dann auch noch in bestimmten Städten konzentriert, dazwischen liegen lange Strecken ohne eine Unterkunft, wenn man das eigene Zelt nicht mitzählt.
Heute jedenfalls sind wir gegen Mittag in Saqqez, einer Stadt, in der sich die Hotels aus unerfindlichen Gründen konzentrieren. Wir lassen unsere Wäsche waschen, spazieren durch den Park, gehen am Abend essen. Endlich mal Fisch anstelle der ewigen Fleischspieße.

14.-15.10. 2018 Saqqez – Sanandaj

95 km und 1400 Höhenmeter mit dem Rad, dann weiter mit einem Taxi

IMG_20181015_103736
Wie sind mal wieder froh, wenn wir auf einer Autobahn fahren: die haben in der Regel einen breiten Seitenstreifen und weil die Gegenspur oft ein Stück entfernt geführt wird, entsteht auch gleich der Eindruck, dass sich der Verkehr in Grenzen hält. Ganz anders, wenn aus den vier Autospuren plus asphaltiertem Seitenstreifen zwei Autospuren mit Sandstreifen am Rand werden. Da bewährt sich mein neuer Rückspiegel, so sehe ich wenigstens die Laster, die überholen wollen.
Heute fahren wir wieder auf etwas mehr als 2200 m. Dazu kommt, dass es bewölkt ist, stürmt und ein bisschen regnet, im Ergebnis, dass es ziemlich kalt ist, wenn wir gerade nicht bergauf fahren. Und an unseren Zielort gibt es kein Hotel. Also hilflos herumstehen, bis uns jemand zur Übernachtung einlädt? Trotz des Windes zelten? Malte schlägt vor, zu zelten und morgen einen Bus oder ein Taxi in die nächste Stadt zu nehmen. Ich schlage vor, die Sache mit dem Transport nach Sanandaj gleich zu machen. Gesagt, getan. Ein Mann, den wir nach dem Weg fragen, fährt uns mit seinem Auto voraus und zeigt den Weg zum Busbahnhof. Dort sagt man uns, nein, zwei Räder passen nicht in einen Minibus. Man diskutiert eine Weile hin und her, wir verstehen nicht viel, aber letztlich findet sich ein Taxifahrer für uns. Mit quergestelltem Lenker und abmontiertem Vorderrad passen die Räder fast in den Kofferraum, das Gepäck auf die Rückbank. Pünktlich zum Abendessen sind wir in Sanandaj und mieten uns gleich für zwei Nächte im Hotel ein – wir brauchen einen fahrradfreien Tag.

IMG_20181014_143154.jpg
An diesem sehen wir uns Sanandaj an, das kurdische Museum, das es hier gibt und das in einem sehr schönen Haus mit Innenhof und bunten Glasfenster untergebracht ist, den Basar, auf dem kurdische Männer sich mit den weiten Hosen und breiten Stoff Gürtel eindecken können, die sehr viele von ihnen immer tragen und schließlich den Park auf einen Berg mit Blick auf die Stadt.

IMG_20181015_120015IMG_20181015_150312

16.10.2018 Sanandaj – irgendwo auf dem Weg nach Hamedan

84 km, 1074 Höhenmeter

IMG_20181016_093216
Unser Hotel bietet glücklicherweise schon ab 7 Frühstück an – die kurzen Tage im Oktober werden langsam zum Problem.

IMG_20181016_105325.jpg

Dann fahren wir den nächsten Berg hoch, zum Glück haben wir heute meistens einen Seitenstreifen und der Verkehr ist auch erträglich. Kurz nach dem Mittagessen allerdings erwischt uns ein Gewitter mit Graupel und einem Regen, der meine Schuhe innerhalb von Sekunden in kleine Eiswasserschüsseln verwandelt. Ich befürchte schon, für immer zum Eisklotz zu werden, als der Regen genauso schnell aufhört, wie er angefangen hat. Ich wringe die Socken aus und ziehe Sandalen an, wir fahren weiter.

Auf unserem Weg heute gibt es kein Hotel, also wollen wir zelten. Wir suchen einen Platz ein Stück von der Straße entfernt und fragen, ob wir hinter einem Gebäude, das zu einer landwirtschaftlichen Anlage gehört, unser Zelt aufbauen dürfen. Wir dürfen. Wir gucken uns gerade den besten Platz aus, als ein Mann kommt und uns bedeutet, dass es bestimmt gleich wieder regnet und dass wir doch besser mitkommen sollen. Wir gehen mit zu einer überdachten Terrasse – vermutlich sollen wir hier zelten? Aber nein, wir werden in eine Art Aufenthaltsraum mit Küche und Bad gebracht, unser Gastgeber sagt uns, dass wir doch besser hier schlafen sollen. Dann wirft er den Ölofen im Raum an, obwohl uns ganz bestimmt auch so nicht kalt zu werden droht. Wir rätseln ein wenig, wo wir gelandet sind. Im Nebenraum gibt es eine Matratze, schläft hier also noch jemand? Aber nein, wir haben den Raum mit dem weichen Teppich tatsächlich für uns. Eine Weile später kommt jemand, um mehr Öl in den Ofen zu gießen, wir schaffen es aber, ihn daran zu hindern, den Raum endgültig in eine Sauna zu verwandeln. Mit Händen und Füßen machen wir ihm klar, dass dass Deutschland so eiskalt ist, dass wir ganz bestimmt eine Nacht bei knapp über 20 Grad überleben.

Besuch bekommen wir am Abend dann doch noch: Zwei sehr nette junge Männer kommen vorbei, ein Landmaschinenmechaniker, der sich für uns und die technischen Details unserer Räder interessiert und außerdem so wie ich gern klettert und sein Freund. Beide können ein bisschen Englisch, zumindest einigermaßen können wir uns unterhalten.

IMG_20181017_083646.jpg
Unsere Unterkunft

17. – 18.10.2018 nach Hamedan

95 km, ein paar hundert Höhenmeter

IMG_20181018_142126
Skulpturen in Hamedan

Die Straße führt lange auf einer fruchtbaren Hochebene entlang, ein Feld an Straßenrand folgt dem anderen, bevor ein relativ sanfter Anstieg und eine lange Abfahrt folgen. Am späten Nachmittag kommen wir im Nieselregen in Hamedan an und sind nach 95 km sich einigermaßen geschafft.
Den nächsten Tag bleiben wir in der Gegend und fahren mit den Taxi zum Ganj Nameh Tal (um noch mal die Preisrelationen zu verdeutlichen: 8km, umgerechnet 70 Cent). Hier gibt es :
• Einen Wasserfall
• Zwei alte Keilschrifttafeln aus um 500 v.u.Z.
• Eine Seilbahn aus Schweizer Herstellung, die anscheinend in ihrem ersten Leben auf die Zugspitze fuhr und die nun Besucher bis auf etwa 2500m auf den Alavand bringt,
• Einen Freizeitpark mit Bungeejumping, Kletterwand, Klettergarten, Sommerrodelbahn.

IMG_20181018_113331

IMG_20181018_090520

 

Wir fahren mit der Seilbahn auf den Berg, trinken Tee, laufen hinunter und sehen uns später in der Stadt noch die Ausgrabungen aus der Zeit der Meder und Parther an. Leider ist sehr wenig auf Englisch erklärt, so dass wir ein bisschen ratlos vor alten Gebäuderesten stehen. Auf Schildern neben den Ausgrabungen stehen Dinge wie „das südliche Feld ist 17,5*17,5 m groß. Um dieses Quadrat herum scheint man dann einfach noch nicht gegraben zu haben. Oder doch? Wer weiß, was da noch alles liegt.

IMG_20181018_131237

 

 

19.10.2018 Hamedan – auf dem Weg nach Qom

IMG_20181019_130406
Die Wolken in unserem Rücken

Der Weg nach Qom ist etwa 270 km lang, dazwischen gibt es kein halbwegs günstig liegendes Hotel. Wir richten uns also auf zwei Nächte im Zelt ein und fahren los. Die ersten 25 km auf einer Autobahn, danach tatsächlich auf einer kleinen, wenig befahrenen Straße. Es gibt sie also doch, die fahrradtauglichen Straßen im Iran! Wir kommen erst einmal gut voran, kein Wunder, es geht über eine lange Strecke langsam bergab. Hinter uns türmen sich riesige Gewitterwolken, die machen uns noch einmal ein bisschen schneller. Mittags gibt es die üblichen Fleischspieße in einem kleinen Restaurant. Kurz danach winkt uns ein Polizist an den Straßenrand. Er bedeutet uns, dass wir unsere Fahrräder in seinen Pickup laden sollen. Ist das nun ein Angebot oder ein Befehl? Wir schütteln erstmal die Köpfe. Der Polizeiwagen fährt langsam vor uns her und winkt uns kurz danach auf ein Polizeigelände. Wir folgen der Aufforderung. Hinter uns fällt ein großes Tor ins Schloss. Uns bringt man ohne weitere Erklärung ins Gebäude – und lässt uns erst einmal eine Weile warten. Als Malte zum zweiten Mal nachfragt, wollen die Polizisten unsere Pässe sehen. Sie nehmen sie mit. Es kommen immer mehr Leute in den Raum, in unterschiedlichen Uniformen. Einer der Polizisten kann etwas Englisch, der Chef behauptet das auch, versteht aber tatsächlich fast nichts. Irgendwann verstehen wir, dass wir einen bestimmten Weg nicht entlang fahren sollen. „There is war!“, sagt einer der Polizisten. Vielleicht ein Manöver? Irgendeine militärische Einrichtung, der wir nicht zu nahe kommen sollen? – keine Ahnung. Wir zeigen unseren Routenplaner, unsere Planung wird geprüft und für in Ordnung befunden. Dann sollen unsere Pässe kopiert werden, aber der Kopierer ist kaputt. Die Kopie, die ich dabei habe, nützt nichts, ich habe sie schon in Deutschland gemacht, also ist kein Einreisestempel drauf. Jemand wird in den nächsten Ort geschickt, Kopien machen. Wir warten weiter, bekommen nun aber immerhin Tee. Die Polizisten versuchen so lange  sich mit uns zu unterhalten. Wir seien Deutsche, also Arier, sagen sie, sie seien auch Arier. Es scheint uns nicht der richtige Moment für Diskussionen. Wir nicken. Ja, Daimler – Benz ist eine deutsche Firma, BMW auch.
Endlich kommt ein Polizist mit den Pässen und den Kopien zurück und wir können noch ein paar Kilometer weiter  bevor wir in der Dämmerung die Zelte aufstellen.

IMG_20181019_115327

20. – 21.10. Nach Qom

103 + 69 km, ein paar Höhenmeter bergauf, dann viele bergab

IMG_20181021_142408
Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.

img_20181020_081108.jpg
Bevor die Wolken kommen

Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher  kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.

Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen  Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.

IMG_20181021_142408

Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:

IMG_20181021_192627
Nach einer Nacht im Zelt fahren wir wieder lange auf einer ausgedehnten Hochebene, zwischen Feldern hindurch, nur von weitem sieht man die Berge. Als am Nachmittag die Landschaft abwechslungsreicher wird, beginnt es leider auch zu regnen, oder eher zu schütten. Innerhalb von ein paar Minuten sind wir völlig durchnässt. Und dieses Mal haben wir weniger Glück als beim letzten Mal: der Regen hört vor der Dämmerung nicht auf, wir müssen also durchnässt wie wir sind einen Zeltplatz suchen. Wir fahren ein Stück auf einen kleinen Weg zwischen die Felder, um von der Straße wegzukommen. Mit jedem Meter fährt es sich schlechter, zwischen Räder und Schutzblech klebt sich kiloweise nasser Lehm. Dann geht nichts mehr. Zum Glück lassen sich genau hier einigermaßen die Zelte aufs Feld stellen. Als wir mit dem Aufbauen fertig sind, klebt auch an den Schuhsohlen so viel Lehm, dass das Gehen schwierig wird. Und natürlich ist es nicht ganz einfach, nicht alles, was wir auspacken, ebenfalls nass und schmutzig zu machen.

img_20181020_081108.jpg
Bevor die Wolken kommen

Als wir dann im Zelt sitzen und mit dem Esbitkocher  kleine Mengen heißen Tee produzieren, hält ein Auto neben den Zelten: im nahegelegenen Dorf hat man uns bemerkt, zwei Männer bieten uns ein Zimmer zur Übernachtung an. Ich mag mir noch nicht einmal vorstellen, jetzt, im Dunkeln, das Zelt wieder abzubauen. Wir lehnen dankend ab.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr, wenn wir auch die Zelte nass einpacken müssen. Dann schleppen wir die Räder zur Straße und kratzen mühsam den Lehm unter den Schutzblechen und aus der Gangschaltung hervor. Ein leichtes Schaben von Lehm am Reifen begleitet uns noch fast den ganzen Tag.

Schließlich rollen wir, fast immer bergab aber zum Teil auf unangenehmen Straßen die letzten knapp 70 km nach Qom. Diese Stadt ist ein religiöses Zentrum der Schiiten, hier ist Fatimeh, die Schwester des 8. Imam (Imam Reza) begraben, es gibt auf ihrem Grab einen  Schrein, das zweit-wichtigste schiitische Heiligtum im Iran. Außerdem gibt es zahlreiche theologische Hochschulen. Der Reiseführer warnte uns bereits vor, dass hier fast alle Frauen Tschador tragen und die Stadt generell konservativ ist. Außerdem, dass an islamischen Feiertagen und an Freitagen eine Zimmerreservierung nötig ist. Dennoch überraschen mich die vielen Pilger, die überall auf den Straßen zu sehen sind. Eine ganz eigene Art von Tourismus, es sind viele Ausländer aus anderen muslimischen Ländern hier. Vor allem viele Pakistaner/innen fallen auf.
Einer unserer Reiseführer sagt, dass nicht- muslimische Touristen möglicherweise nur in Gruppen und mit Führer ins Heiligtum dürfen. Wir lassen uns überraschen. Am Eingang werden zunächst alle Besucher abgetastet, ich bekomme eine Art Touristinnen-Tschador – nicht schwarz sondern weiß mit Blumenmuster und mit Reißverschluss. Dann werden wir zu zweit offenbar als ausreichend große Gruppe angesehen und erhalten unsere Privatführung von einem freundlichen Religionsgelehrten.

IMG_20181021_142408

Und zum gelungenen Abschluss des Tages finden wir uns noch ein sehr hübsches Restaurant hinter einer Reihe von Baustellen:

IMG_20181021_192627

22. – 23.10.2018 Qom – Kashan

102 km

IMG_20181023_101946
Fin Gardens

Auf der rechten Seite ist von weitem das Gebirge zu sehen, manchmal in rot und grün schimmernd, links fast die ganze Zeit über eine riesige, karge Ebene oder Felder, auf denen zumindest um diese Jahreszeit nichts wächst. Auf dem ersten Teil der Strecke rollen die Räder fast von allein, es geht wohl leicht bergab, dann müssen wir doch noch treten.
Am späten Nachmittag schließlich erreichen wir Kashan, eine sehr schöne ehemalige Oasenstadt mit zahlreichen traditionellen Häusern mit schönen Innenhöfen, schmalen verwinkelten Gassen und vielen westlichen Touristen. Wir sind also doch nicht die einzigen Iran – Urlauber.

IMG_20181023_084903
Unser Hotel in Kashan – schade, dass nur für eine Nacht ein Zimmer frei ist.

Am Abend finden wir in sehr schönes Restaurant in einem der traditionellen Häuser  das anderes als Fleischspieße im Angebot hat: ein leckeres Auberginengericht für mich und Dizi, eine Art im Tontopf gekochten Eintopf für Malte. Wunderbar, ich habe das Gefühl, wochenlang von Kebab gelebt zu haben.

Wir könnten nun weiter mit den Rad nach Isfahan fahren, das würde ungefähr genauso viel Zeit kosten, wie wir noch haben  bevor wir zurück nach Deutschland müssen – eine doofe Idee, lieber wollen wir auch noch ein bisschen von den wunderschönen Städten sehen, in denen wir gerade sind. Also entscheiden wir uns für den Bus. Aber zuerst lassen wir uns noch zur Fin Gartenanlage knapp außerhalb von Kashan fahren. Das ist ein sehr alter Garten mit Hammam-Museum, Pavillon aus dem 17. Jahrhundert und zahlreichen Kanälen und Wasserbecken, die von einer Quelle gespeist werden. Davon abgesehen gibt es eine ganze Reihe von Mädchenklassen in ihren Schuluniformen, mal grau-rosa, mal schwarz-blau oder auch leuchtend violett. Insgesamt sehr schön  sehr entspannend und außerdem UNESCO-Weltkulturerbe – die Anlage natürlich,  nicht die Mädchenklassen.

IMG_20181023_110435

Die Busfahrt nach Isfahan verläuft ganz unproblematisch. Zwar ist eine Reservierung nötig, für Busse scheinen ziemlich ausgebucht zu sein, aber die Fahrräder kommen ganz selbstverständlich und ohne Verpackung mit.

23.-26.10.2018 Isfahan

IMG_20181025_184935

Es sind die letzten Tage unseres Urlaubs, die wir in dieser wundeschönen Stadt verbringen. Von unserem Hotel im Zentrum aus erkunden wir die Stadt:

Kern ist der riesige, wirklich riesige Meydan – e -Imam im Zentrum. Zwei Moscheen an den Seiten, ein Palast und rund herum in den Arkaden der Basar. Sehr schön, aber auch der erste Markt, den ich im Iran sehe, der gezielt auf Touristen ausgerichtet ist mit Souvenirs, Teppichen, Kupferwaren. Natürlich sehr beeindruckende Bauwerke, bunte Kacheln, Springbrunnen.

IMG_20181024_104219IMG_20181024_110322IMG_20181024_100315IMG_20181023_200932

Und dann, ein Stück entfernt vom großen Platz der Zayandeh Rud, der Fluss durch die Stadt mit zahlreichen Brücken, unter anderem einer alten Brücke mit 33 Bögen und erstaunlicher Länge. Superschön, beeindruckend, gerade nachts, und offenbar ein beliebter Treffpunkt. Nur einen kleinen Fehler hat das Ensemble: im Fluss fließt kein Tröpfchen Wasser.  Möglicherweise ist das für die Zeit Ende Oktober fast normal. Tatsache ist aber, dass Wasser in diesem Fluss selten geworden ist, ein großer Teil wird über eine Pipeline nach Yazd transportiert, ein anderer verdunstet offenbar in Talsperren, bevor er die Stadt erreicht und ein dritter wird zur Bewässerung von Feldern verbraucht. Man muss wohl feststellen, dass der Iran ein massives Wasserproblem hat.

Wir sehen uns nur die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an, dafür machen wir noch einen kleinen Ausflug am Ufer der Zayandeh Rud entlang: fahren mit einem Sessellift über einen Wald (ja, komplett bewässert), zu einem Vogelpark, klettern auf einen Hügel, auf dem vielleicht einmal ein zoroastrischer Feuertempel war und beobachten die Isfahaner Jugend beim ausgelassenen Start ins Wochenende am Donnerstag Nachmittag. Zum ersten Mal gibt eine relevante Zahl von Frauen auf Fahrrädern. Ganz vereinzelt gab es auch in anderen Städten welche, ich kann diejenigen, die ich in drei Wochen gesehen habe, an einer Hand abzählen. Aber hier, im riesigen Park am Ufer, mit echtem Radweg übrigens, hier sind sie alle, oft auf Leihrädern, manche ein bisschen unsicher. Eine kleine Gruppe stürzt sich sofort in eine Wettfahrt, als sie mich sehen (unfaire Bedingungen, mein Rad rollt einfach besser und ich habe gerade zum ersten Mal das Gepäck im Hotel gelassen).

IMG_20181025_113700IMG_20181024_195550IMG_20181025_135156IMG_20181025_143426

 

Und dann müssen wir leider Abschied nehmen: wir verpacken die Räder in eine Art Luftpolsterfolie, die wir mit Hilfe unseres Hotels kaufen, ein Taxifahrer bringt uns mitten in der Nacht zum Flughafen. Dort erwartet man uns schon: ich habe per E-Mail vorab eine Frage zur Bezahlung gestellt und werde direkt mit Namen begrüßt. Der Flughafen ist klein, in der Nacht ist unser Flug der einzige. Man kümmert sich liebevoll um die Räder und trägt uns Wechselgeld hinterher, auf das wir eigentlich schon verzichten wollten.

Wir steigen in Istanbul um und sind am Vormittag wieder in Berlin. Keine Schäden an den Rädern dieses Mal. Und ich komme wieder!

2018 – Armenien, Teil 2 – von Yerevan nach Meghri

23.9.2018 Yerevan – Urdzadzor

Eigentlich ca. 65 km, aber man kann ja ein paar Ausflüge drauflegen.

Wieso fährt man im ersten Tag des Urlaubs 90 km, nachdem man die Nacht, statt zu schlafen im Flugzeug mit lauter weinenden Kindern verbracht hat? Ich weiß es nicht. Aber ich tue es. Von vorn: der Flug nach Yerevan dauert etwas weniger als vier Stunden, von 21:45 bis 3:30. Dieses Mal klappt der Fahrradtransport hervorragend. Mein Fahrrad kommt als erstes Gepäckstück an, während ich noch dabei bin, eine armenischen SIM-Karte zu kaufen.

Als ich mich um kurz nach  5 auf den Weg mache, ist es natürlich noch stockdunkel. Gut, weil auch auf der autobahnähnlichen Straße am Sonntag morgen um 5 nicht viel los ist.  Schlecht, weil dunkel und etwas gruselig. Ab und zu stürzen bellende Hunde hinter Häusern hervor. Und auf dem Weg heraus aus der Stadt fährt man zwangsläufig durch Industriegebiet.  Ich bin froh, als endlich die Sonne aufgeht.

Dann allerdings ist der Ausblick der sich mir bietet sensationell: der Ararat im Sonnenaufgang.  An seinem Fuß gibt es ein must-see- Kloster, Pokr Vedi. Ich mache den Umweg. Es ist 8:30 Uhr als ich ankomme,gerade noch rechtzeitig offenbar, bevor die Touristenhorden einfallen. Während ich im Schatten sitze und frühstücke, werden es immer mehr.IMG_20180923_050027

Das Kloster ist beeindruckend, weniger wegen einzelner Gebäude als wegen des gesamten Ensembles und der Lage am Fuß des Ararat. In die zahlreichen Kapellen werfe ich nur einen kleinen Blick. Dann geht es weiter, die letzten 25 km bis Urdzadzor, meinem heutigen Ziel.

Kaum habe ich ein unbequemes Bett  in einem einfachen Zimmer bekommen, falle ich hinein und schlafe.

Am Nachmittag mache ich mich mit dem Rad noch einmal auf den Weg, zum Rand eines Naturschutzgebiets in der Nähe. Sagen wir so, ein hübsches Flusstal, ein kurzes Gespräch mit einem jungen Mann von der Eco-Lodge. Wirklich gelohnt hat sich der Ausflug nicht.IMG_20180923_152317

 

24.9.2018 Urdzadzor – Yeghegnadzor

82 km, 2050 Höhenmeter, nachdem ich schon wieder einen Umweg draufgelegt habe.

Strahlender Sonnenschein

IMG_20180924_171726

Der Weg heute führt erst langsam, dann immer steiler bergauf. Nach kurzer Zeit gibt es kaum noch Autos, auch Menschen sind kaum zu sehen. Es ist halb 1, als ich endlich oben auf dem Pass ankomme. Da bin ich gerade 20km gefahren, von den 65, die ich heute geplant habe.

Kurz vor dem Gipfel gelingt es mir noch, meine Wasservorräte aufzufüllen, an einem Brunnen am Straßenrand. Ich Trottel habe nämlich zu wenig Wasser dabei und überlege schon, wieviel wohl in den Äpfeln, die ich unterwegs geschenkt bekommen habe, noch enthalten ist.

Ich finde einen schönen Platz für eine Pause , dann geht es weiter, jetzt endlich bergab. Meine Straße trifft wieder auf die Hauptstraße  der Verkehr wird stärker  dafür gibt es nun alle paar Meter Stände, an denen Obst verkauft wird, dann auch mal ein richtiges Café. Noch weiter unten werden aus den Obstständen Weinstände, die Region ist für ihren Wein bekannt. Obwohl ich eigentlich nichts mehr in meine Taschen bekomme, kaufe ich einen halben Liter ziemlich süßen Wein.

Nachdem ich alle schönen Höhenmeter wieder weggerollt habe, sehe ich einen Abzweig.  „Naturschutzgebiet“ und „Noravank Kloster“ steht auf dem Wegweiser. Die Felsen auf beiden Seiten der Straße wirken so spektakulär, dass ich beschließe, ein bisschen in dieses Canyon hineinzuschauen. Und fahre weiter. Immer noch spektakuläre Landschaft. Noch weiter. Unterwegs treffe ich ein paar Deutsche, die in einem Projektes WWF Trails anlegen, heute aber gerade dabei sind Müll wegräumen (-> barevtrails.com). Schließlich mache ich ein kleines Picknick, kurz unterhalb des Klosters  bevor ich endlich umkehre.

IMG_20180924_163604IMG_20180924_164221IMG_20180924_152755

Schon wieder bin ich total erschöpft, als ich es kurz vor Einbruch der Dunkelheit mit letzter Kraft in meine Pension schaffe. Trotzdem, eine schöne Tour heute.

25.9.2018 Yeghegnadzor – Jermuk

50,7 km, 1216 Höhenmeter rauf und 396 runter.

IMG_20180925_185338

Eigentlich plane ich heute,  nach Sisian zu fahren, eine Stadt, die laut Lonely Planet schon bessere Tage gesehen hat. Es geht die Hauptstraße entlang, ich werde von ziemlich vielen Tanklastern mit iranischen Kennzeichen überholt. Neben der Straße fließt ein kleiner Fluss alle paar Meter gibt es ein Restaurant mit Blick dorthin.

IMG_20180925_094535

Als ich einen Wegweiser nach Jermuk sehe,  biege ich ab. Einen etwas kürzeren Weg kann ich heute gut gebrauchen. Ich fürchte, es macht sich nun die Anstrengung der letzten Tage bemerkbar. Auch so sind es mehr als 1200 Höhenmeter, die schaffe ich gerade so, mehr hätte es heute nicht sein dürfen .IMG_20180925_122211

Jermuk ist eine alte Kurstadt, es gibt Mineralwasser, ein ziemlich sowjetisch anmutendes Kurhaus, eine spektakuläre Schlucht und viele Hotels, oft in der oberen Preisklasse. Für mich das alles in Schnelldurchgang, weil ich mich erst einmal ausgiebig ausruhen muss. Immerhin trinke ich mich noch durch die verschiedenen Quellen. Alle etwas säuerlich, ich finde, sie unterscheiden sie sich hauptsächlich in der Temperatur.

IMG_20180925_183149

26.9.2018 Jermuk – Sisian

64 km, inclusive Verfahren, meine App behauptet, dass es nur 590 Höhenmeter hoch ging und 1088 m runter. Kann ich mir nicht vorstellen.

IMG_20180926_140911

Auf der Karte hatte ich den Eindruck, dass es eine durchgängige Straße gibt, die von der Hauptstraße bis fast nach Jermuk führt und dann in einem Bogen wieder zurück zur Hauptstraße. Und eben den Abzweig nach Jermuk. Offensichtlich habe ich aber falsch geguckt.  Tatsächlich gibt es nur die eine asphaltierte Straße nach Jermuk und relativ früh auf dieser Straße einen Abzweig. Wenn ich nicht einen Großteil der Höhenmeter noch einmal fahren will, muss ich über eine holprige Schotterstraße.  Und dabei dachte ich, dass das ein Tag zum Ausruhen wird, dass ich vielleicht schon mittags in Sisian bin und den Nachmittag in einem Café mit einem Buch in der Hand verbringen werde.

IMG_20180926_135852
Das soll ein Weg sein?

Nix da. Manchmal kann man auf dieser Straße fahren, oft ist sie unglaublich holprig. Selbst wenn ich schiebe, rutsche ich dauernd weg. Zeitweise ist es so steil, dass ich in kleinen Etappen schiebe: 100 Schritte schieben, anhalten, einen Schluck Wasser trinken, durchatmen, wieder 100 Schritte schieben. Immerhin, zuviel Verkehr ist nicht. Ein paar mal, über den Tag verteilt quält sich ein Auto die Strecke entlang, der Fahrer wechselt ein paar Worte mit mir … woher, wohin, woher kommst du eigentlich, ah, ich war mit dem Militär in der DDR, Berlin, Potsdam, Halberstadt… die Straße geht nur noch ein bisschen bergauf, dann wird es besser…schönen Tag noch.

IMG_20180926_134347

Außer diesen Autofahrern gibt es jede Menge Rinder- und Schafherden, erstere oft mit richtigen Cowboys. Und natürlich Hunde. Die sind überall.

Dann  endlich  bin ich wieder auf der Hauptstraße, endlich Asphalt unter den Rädern. Letztlich bin ich erst gegen 5 in Sisian, einer Stadt mit sowjetischem Charme und netten Menschen. Ich investierte noch umgerechnet 4 €in eine Privatführung durch das örtliche Museum und offenbare meine ganze Unkenntnis über armenische Geschichte (wann und wie kam Armenien doch gleich zur Sowjetunion? Krieg Anfang der 90ger? Vielleicht gegen Aserbaidschan? 4-Tage-Krieg 2016?)

IMG_20180926_144927

27.9.2018 Sisian – Tatev

50km, vielleicht 950 Höhenmeter.

IMG_20180927_151802

Heute sollte ich eigentlich jede Menge spektakuläre Fotos von der Schlucht vor Tatev haben, von den endlosen Serpentinen ganz hinunter ins Tal und dann wieder rauf bis zum Kloster. Und vom über den Felsen hängenden Kloster. Aber nein, zu bieten habe ich nur ein paar sehr alte Steine vom ersten Teil meiner Tour, frühe Bronzezeit, Grabstätte, daneben war wohl eine Siedlung. Einige Steine haben Löcher, der Lonely Planet sagt, die zeugen vom großen astronomischen Wissen der Erbauer und seien ganz exakt ausgerichtet.  Wikipedia sagt, sie seien wohl dazu da gewesen, die Steine aufzurichten. Alles andere sei vermutlich Quatsch, der für Touristen erzählt werde.

IMG_20180927_092619

IMG_20180927_092910
Loch im Stein

Die Ausgrabungsstätte ist kurz hinter Sisian. Danach folgt öde Straße und als es wieder schön werden könnte: Nebel, Kälte, Regen. Man kann kaum die Hand vor Augen erkennen. Statt eines Fotos tut es ein weißes Blatt Papier. Nur ganz unten in der Schlucht, bevor es nach Tatev hinauf geht, wird es kurz besser. Eine wunderschöne Schlucht, in die man nicht wirklich hineingehen kann, in der es aber warme Quellen und ein paar Becken mit ihren Wasser gibt.

Bis hierhin war die Straße übrigens prima. Und nun, für den steilen Aufstieg, haben sie wieder den Asphalt vergessen. Es holpert und holpert. Und irgendwann höre ich lautes Zischen: ich habe einen Platten. Alles ist nass, lehmig, überall klebt der Nebel und der Flicken will auch beim dritten Versuch nicht halten. Ich versuche, den Schlauch zu wechseln und stelle fest, dass ich nicht den richtigen dabei habe. 100 Gummipunkte für Blödheit!

IMG_20180927_165727

Dann hält neben mir ein Auto, der Fahrer fragt, ob er helfen kann, erzählt, dass er in Hamburg wohnt, hält einen LKW an, weil sein eigenes Auto zu klein ist, bindet mein Rad zusammen mit dem Fahrer darauf fest und zwanzig Minuten später bin ich in meiner Unterkunft (wo die Reparatur gar kein Problem mehr ist.)

29.-30.9.2018 Tatev

IMG_20180928_120411

Auch heute herrscht dicker Nebel, keine wunderschöne Aussicht. Und kein schöner Blick auf das berühmte Kloster von Tatev.

IMG_20180928_120224

IMG_20180928_122526
Ölpresse im Kloster

Mich hat ein Magen-Darm Infekt erwischt. Ich bleibe also in meiner Unterkunft, das Haus einer Familie  die, soweit ich es sehe, über den Sommer die eigenen Zimmer freigemacht hat, um sie zu vermieten. Bad über den Hof, die Wasserpumpe funktioniert, wenn sie Lust hat,  es gibt jede Menge Hühner und eine Wirtin  die unablässig arbeitet: Sie kümmert sich um die Gäste, das Essen, die Hühner, den Garten, kocht und backt Leckereien, die sie an einem Stand vor dem Kloster von Tatev verkauft. Heute kümmert sie sich auch noch um mich krankes Hühnchen. Ihr Mann schaut vor allem fern, fragt ab und zu aber immerhin, ob ich etwas brauche.

Offenbar sind die Wirte erst vor ein paar Jahren hierher gezogen, ins Elternhaus des Mannes, weil in Yerevan keine Arbeit zu kriegen ist. Und hier? Der Mann sagt, als er hier zur Schule ging,  gab es über 80 Kinder im Jahrgang, nun gibt es 8 Kinder in der diesjährigen 1.Klasse. Nächste Jahr gibt es keine. Die Fabriken wurden nach der Perestroika geschlossen, die Leute sind weggegangen. Nach Russland meistens, einige nach Europa.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und auch mir geht es besser, die nächste Etappe Rumpelstrecke traue ich mir aber noch nicht zu.  Also bleibe ich noch. Fahre mit der Seilbahn „Wings of Tatev“ über das Tal hin und her, weil das ja auch mal sein muss. Immerhin wird diese Attraktion auf den Wegweiser schon seit kurz hinter Yerevan angekündigt.

IMG_20180929_130225
Das Kloster von Tatev

IMG_20180929_113424

IMG_20180929_101931
Aus der „Wings of Tatev“.

 

30.9.2018 Tatev – Kapan

50 km, 768 Höhenmeter rauf, 1579 m runter

IMG_20180930_133423

Meine Gastgeber beruhigen mich, als ich sie nach dem Zustand der Straße nach Kapan frage. Auf der Karte ist sie noch ein klein wenig schmaler eingezeichnet als der Lehm-Schlamm-Stein-Holperweg aus dem Tal bis hinauf nach Tatev. Diese Strecke hier sei teilweise sogar asphaltiert  sagen sie. Ja, für kleine Autos könnten die tiefen Löcher schon schwierig sein, aber mit den Rad ginge das. Es stimmt weitgehend auch, oft kommt man ganz gut voran, manchmal muss man ziemlich aufpassen, gelegentlich in engen Kurven um die Schlaglöcher fahren.

IMG_20180930_090641

IMG_20180930_124335
Wie zum Teufel kommt man hier durch?

IMG_20180930_113810

Über weite Strecken ist es sehr einsam heute, vor allem oben auf den Bergen  Ganz selten mal ein Auto, einmal ein alter Mann mit einem Esel, mit dem ich mich kurz unterhalte. Erst weiter unten kommen ein paar Dörfer, dann eine Kupfermine und schließlich bin ich wieder auf der Hauptstraße und kurz danach in Kapan.

Die Vororte der Stadt lösen Fluchtreflexe aus: altes Gewerbegebiet, die eine oder andere Nachtbar. Die paar Leute auf der Straße sind Männer und scheinen mich anzustarren. Irgendwo hier sehe ich das Hotel, das ich gebucht habe. Ohne nachzudenken fahre ich weiter und miete mich in der Innenstadt in einem Haus ein, von dem der Lonely Planet schreibt, dass sich seit der Sowjetzeit eigentlich nichts geändert hat. Tatsächlich ist es aber gar nicht so schlecht. Und doch, sowjetische Hotels waren noch ein Stück hässlicher.

1.10.2018 Kapan – Meghri

75 km, 1818 Höhenmeter rauf, etwas mehr runter

IMG_20181001_153650

IMG_20181001_154330

Ein bisschen Angst macht mir die Etappe heute schon, gestern war ich nach etwas mehr als 700 Höhenmetern geschafft, heute sind deutlich mehr als doppelt so viele. Und zwar am Stück, kontinuierlich rauf zum Meghri Pass und dann wieder runter. Und so ist es denn auch,  ganz schön anstrengend. Landschaftlich fängt es super an, mit Blick auf den das hiesige Gebirge, geht ein bisschen langweiliger weiter, bevor die Straße durch die ungewöhnlich hässliche Bergbaustadt Kajaran führt und dann vorbei an riesigen Tagebauen: der Berg wird hier wegen Kupfer und Molybdän angeknabbert, später  auf der anderen Seite gibt es eine Goldmine.

IMG_20181001_124235

Hinter Karajan wird es ernsthaft steil, aber ich schaffe es bis gegen halb vier ganz nach oben. Könnte mir sogar ein bisschen mehr Zeit für Pausen nehmen können, traue ich mich aber nicht, weil ich sichergehen will, noch bei Tageslicht anzukommen. Aber klar: runter geht es ganz schnell. Und übrigens auch auf recht guter Straße, der obere Teil wird gerade frisch asphaltiert.

IMG_20181001_124954
Don’t drink and drive – vermute ich jedenfalls

 

 

Sizilien 2018

Quelle: OpenStreetMaps
Die Route durch Südostsizilien, Quelle: OpenStreetMap

Radtour an Ostern 2018 durch Südost-Sizilien, dieses mal nicht allein, sondernmit einer Gruppe aus sechs Leuten.

Spoiler: Landschaftlich sensationell, ideale Reisezeit, alles blüht, und Kultur gibt es obendrauf.

30.03.2018 Catania – Priollo Mellili – Palazzolo Acreide

Warm und sonnig, 52km, ca. 1200 Höhenmeter nach oben und etwa halb so viel nach unten

Nach dem Flug nach Catania mit Ryanair, das Rad war in viel Luftpolsterfolie und eine Hülle verpack – hat mein Hinterrad eine riesige Acht. Als ich es feststelle, ist es fast 1 Uhr nachts und ich bin mittlerweile fast allein auf dem Flughafen. Ich nehme einen Bremsbelag heraus und komme so gerade noch zum Hotel.

Am nächsten Morgen mache ich mich auf die Suche nach einer Fahrradwerkstatt und habe Glück : nicht weit von meinem Hotel gibt es Zeronove, ein kleiner Laden, der schon um 9 öffnet. Der sehr nette Betreiber spricht englisch und deutsch und nimmt sich sofort meine Rades an. Er bearbeitet die Felge mit allerlei Werkzeug, spannt die Speichen und sagt mir, dass ich damit wahrscheinlich noch ein paar Tage durchhalte. Was ich schon nicht mehr zu glauben wagte: kurz nach 10 bin ich an Bahnhof und treffe meine Mitreisenden, die pünktlich mit dem Nachtzug aus Rom kommen. Wir stecken 6 Fahrräder und Gepäck in einen Nahverkehrszug und sind um Viertel vor 12 in Priolo Mellili, wo unsere Fahrt beginnt.

Zunächst geht es bergauf, nach Mellili, weiter nach Sortino und dann, nach einer Pause steil bergab in das wunderschöne Anapotal. Hier führt ein Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse durch ein Naturschutzgebiet. Es geht also nur noch ganz sanft bergauf, dafür durch viele alte Eisenbahntunnel und meist am kleinen Fluss entlang. Über uns  Felsen, Höhlen und Natur.

IMG_20180330_154022

Irgendwann ist das Schutzgebiet zu Ende, die Bahntrasse geht weiter, aber der Weg wird sehr schlecht. Wir quälen uns weiter am Fluss entlang bis wir praktisch direkt unterhalb von Palazzolo Acreide, dem heutigen Ziel,  sind und nur noch ein paar Höhenmeter zu unserer Unterkunft schaffen müssen.

IMG_20180330_174700

 

31.3.2018, Palazzolo Acreide – Scicli

70km, Sonne

IMG_20180331_095409Nach dem Frühstück besichtigen wir die örtlichen Sehenswürdigkeiten: Palazzolo Acreide wurde 1693 durch ein großes Erdbeben zerstört und danach im spätbarocken Stil wiederaufgebaut. Eigentlich bereiten sich die Kirchen gerade auf die Veranstaltungen zu Ostern vor, wir bekommen dennoch eine kurze Privatführung.

Etwas außerhalb und – natürlich – oberhalb der Stadt gibt es eine Ausgrabungsstätte mit antikem griechischem Theater, Wohnanlagen und Gräbern.

IMG_20180331_104513

Unsere Radtour  führt dann  ab und auf und ab und auf von Palazzolo Acreide nach Ragusa. Als wir dort sind, ist es bereits Nachmittag, die Restaurants haben die warme Küche eingestellt. Dafür können wir zusätzlich zu den Arancinis (knusprige, leckere, gefüllte Reisbällchen) und Pizzateilchen, die die Vitrine noch zu bieten hat, unseren unterwegs gekauften Käse auspacken und bekommen Brot, Besteck und Teller dazu geliefert. Der folgende Stadtrundgang wird dann relativ kurz: auch hier gibt es viel Barock und zahlreiche Kirchen in der sehenswerten Altstadt.

Dann geht es weiter über Modanica nach Scicli. Die Landschaft ist sensationell, Berge, Täler, alles blüht, aber auch die etwas kleinere Zahl an Höhenmetern heute ist noch ganz schön anstrengend.

IMG_20180331_115248

1.4. Scicli über Sampieri nach Pachino

50km + Halbinselrundfahrt 30km, sonnig und stürmisch

Die Tage mit den Bergfahrten sind vorbei: es geht noch steil bergab ans Meer („no brakes!“ sagt doch glatt einer von uns). Dann: einen Kaffee trinken, Eis essen, im Meer baden. Letzteres tun allerdings nur die beiden Deutschen unter uns, böse Zungen behaupten, das Wasser sei noch kalt.

IMG_20180401_161601

An der Küste treffen wir auf einen hervorragend ausgeschilderten Radweg in Richtung Syrakus. Ein Stück führt er direkt auf dem festen Sand am Meer entlang, dann in Küstennähe an einer alten Fabrik vorbei, die wir für eine ehemalige Ziegelei halten. Und die ganze Zeit stürmt es, ausnahmsweise von hinten: der Wind schiebt uns ohne große Anstrengung die Küste entlang nach Pachino.

IMG_20180401_101635

Dieses Städtchen entpuppt sich als ziemlich langweilig: Schachbrettartig angelegt, etwas abseits der Küste. Dafür gibt es am Abend eine Überraschung: das Restaurant in der Stadtmitte stellt sich als ganz hervorragend heraus. Am Eingang steht etwas von Pizzeria, im Inneren gibt es neben der Pizza wunderbares Seafood.

2.4.-3.4. Pachino – Siracusa

ca. 90km, sonnig und kühl

IMG_4282

Die Strecke für heute ist wieder gut ausgesucht: kleine Straßen, fast verkehrsfrei, am Meer, über sanfte Hügel, an blühenden Wiesen vorbei. Wir fahren über Marzamemi, sehen unterwegs die Villa Romano del Tellaro an – eine große römische Villa mit gut erhaltenen Mosaikböden – und ruhen uns im Naturschutzgebiet am Meer aus, hüpfen nochmal ins Wasser.

IMG_20180402_120058

Gern hätten wir noch Noto angesehen, das schaffen wir aber leider nicht mehr, weil einer von uns schon zurück zur Bahn muss. Dafür gibt es Kaffee in Avolo, bevor wir die letzten Kilometer nach Syrakus radeln.

Für diese Stadt haben wir noch einen Tag Zeit, also: Wir sehen den Dom an, dessen riesige Säulen das Überbleibsel eines antiken Athenetempels sind, ein Museum und dann die Ausgrabungsstätte mit griechischem und römischem Theater und dem „Ohr des Dionysos“, einer beeindruckenden großen Höhle am alten Steinbruch.

IMG_20180403_094353

IMG_20180403_100533

 

4.4. Das Ende

Eine wunderschöne kleine Reise, aber der Wehrmutstropfen am Ende fehlt dann doch nicht: als ich am Flughafen in Berlin mein Rad in Empfang nehmen will, bekomme ich einen Trümmerhaufen: Völlig zusammengebogene Gabel, Verbogene Kurbel, vollständig demolierte Laufräder. Meine Theorie, dass Fahrräder am besten unverpackt reisen, bestätigt sich mal wieder (das machen aber die wenigsten Fluggesellschaften mit) – dieses Mal war es recht gut eingepackt. Man darf gespannt darauf sein, wie es mit dem Schadensersatz (Ryanair!) laufen wird.

R1 Frankfurt/Oder nach Osten – erster Teil 2017

Strecke 120 km, inklusive der 5 km zum Bahnhof am Morgen

Sonne, Wind und nicht ganz 10 °C

Unterkunft: Pension Roma in Pszczew, sehr zu empfehlen.

Ein Feiertag am 31.10. und ein Brückentag am Montag bringen mir vier freie Tage am Stück, die ich  für eine Radtour nach Osten nutzen will, den R1 entlang ab Küstrin an der polnischen Grenze. Ich scheitere, bevor es los geht. Erst bringt mich die Bahn nicht wie geplant an die polnische Grenze (Schienenersatzverkehr!), dann gibt es Sturm. Von den geplanten vier Tagen bleiben nur zwei.  Und die beginne ich nicht in Küstrin (wie gesagt: Schienenersatzverkehr!), sondern in Frankfurt/Oder.IMG_20171030_075837

Der Weg ab Frankfurt beschert mir auf den ersten 30km eine stark befahrene Landstraße, ein LKW jagt den nächsten, bis ich in Osno Lubuskie auf den Radweg (R1) treffe. Von hier an wird es ruhiger, der Weg ist fast perfekt ausgeschildert, hat nur geringe Steigungen und Gefälle, dafür zahlreiche unspektakuläre, aber hübsch hergerichtet Orte auf der Strecke. Überall gibt es Wegweiser und Schilder mit Erklärungen für Touristen. Und ich stelle fest, dass ich einmal wieder auf dem Jakobsweg bin. IMG_20171030_155542.jpg

Was es hinter Osno Lubuskie nicht mehr gibt, sind geöffnete Cafés und Restaurants. Selbst in einem Ort mit immerhin vier oder fünf Restaurants sind heute alle geschlossen. Und bei einstelligen Temperaturen kombiniert mit immer noch starkem Wind (manchmal von hinten!) sind Pausen draußen zwangsläufig eher kurz. Erst in Miedzyrzecz gibt es neben einer alten Burg auch ein geöffnete vietnamesisches Restaurant.  Das Essen ist spektakulär schlecht, ich bestelle aus Versehen Tomatensaft anstelle von Apfelsaft, aber immerhin ist es warm und ich kann mich um ein Zimmer für die Nacht kümmern.IMG_20171030_155606.jpg

Dann geht es weiter, die letzten Kilometer. Als ich in Pszczew ankomme, ist die Sonne schon untergegangen, Herbst eben. Ich habe mich meiner Wirtin erst etwas später angekündigt, also sehe ich erst noch die örtliche Kirche an und bekomme einen halben Gottesdienst mit, bevor ich in einer sehr schönen Pension mit sehr netter Wirtin lande. Sie spricht perfekt deutsch, wundert sich über mein Rad in dieser Jahreszeit und macht mir erst einen Tee, dann einen Pfannkuchen.

IMG_20171030_164256

Pszcz – Krzyz

70 km, Sonne-Wolken Mix, ca 8°C

IMG_20171031_123335

Es wäre keine gute Idee gewesen, gestern noch im Dunkeln weiter zu fahren. Bald hinter Pszczew kommen einige km Sand-Schlammpiste. Sie ist feucht und deshalb einigermaßen befahrbar, aber an einigen Stellen sind Riesenpfützen zu durchqueren, an anderen hätte man sich im Dunkeln leicht auf die Nase legen können. Als die Strecke überstanden ist, folgt eine endlose schnurgerade Landstraße, 27 km geradeaus, bevor es endlich wieder ein bisschen abwechslungsreicher wird. Große Feuchtgebiete gibt es, Wälder, Seen.

Ich bin morgens früh losgefahren, viel Gelegenheit für lange Pausen gibt es auch heute nicht. Also bin ich gegen 13 Uhr in Krzyz, ein kurzer Blick auf den Bahnfahrplan sagt mir, dass es nur schwieriger wird, nach Hause zu kommen, wenn ich noch weiter fahre.

IMG_20171031_135333

Der Bahnhof hat einen einzigen Fahkartenschalter mit langer Schlange davor. Als ich endlich an der Reihe bin, eröffnet mir die Verkäuferin, dass sie keine Fahrkarten nach Deutschland verkaufen kann. Stattdessen bekomme ich ein Ticket nach Poznan, wo ich ohnehin umsteigen muss, für einen früheren Zug als geplant, schließlich brauche ich dort Zeit, um eine Fahrkarte zu kaufen. In Poznan wieder eine lange Schlange. Und aus irgend einem Grund keine Fahrkarte bis Berlin, nur bis zum letzten Ort in Polen. Nun gut, ich bleibe natürlich im Zug sitzen, kein Problem. Aber besonders praktisch ist Bahnfahren in Polen offenbar nicht.

 

Durch Armenien

29.9.2017 Tbilisi – Alaverdi

78 km mit dem Rad, bewölkt und Nieselregen

Der Taxifahrer ist überpunktlich um 20 nach 8 am Hotel, ich stürze den Kaffee hinunter, lade das Fahrrad in den Kofferraum und es geht los. Taxifahrer sind immer wieder eine gute Gelegenheit, mein Russisch auszuprobieren. Es sind garantiert mehrere Fehler in jedem einzelnen Satz, aber davon abgesehen komme ich überraschend gut zurecht. Nur als der Fahrer mich fragt, wieviel ich verdiene, wage ich nicht, ihn zu verstehen. Ist ein deutsches Einkommen hier nicht ein bisschen unverschämt?

Gegen 9 sind wir in Marneuli und ich fahre mit dem Rad weiter. Immer mit leichtem Nieselregen, von der Temperatur her angenehm, aber als grau in grau. Am Straßenrand verkaufen kleine Stände ihre Waren. Und nein, dieses Mal handelt es sich nicht um Cola und Chips, sondern um Waschpulver: Ariel, Persil, Perwoll. Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich fahre an sicher 20 Ständen vorbei, die in Wesentlichen Waschmittel im Angebot haben.

IMG_20170929_100300

Dann kommt die Grenze, Ausreisestempel, Einreisestempel und ich bin in Armenien. Am ersten Garagenladen, den ich sehe, kaufe ich eine SIM-card für umgerechnet 4 Euro.

Heute sind nur ein paar Höhenmeter zu bewältigen, aber rechts und links neben mir türmen sich bereits die Berge, ich fahre durch das Debed Canon. Auch hier wieder eine sehr beeindruckende Landschaft. Was ich leider nicht schaffe, ist, die Weltkulturerbestätten am Wegesrand anzusehen. Obwohl man sie eigentlich gesehen haben muss. Es sind einfach zu viele Höhenmeter zwischen mir und den Klöstern.

Das ist auch deshalb schade, weil es in Alaverdi offenbar ein interessantes Projekt gibt, mit dem Ziel,  lokale Guides für die Sehenswürdigkeiten und auch für Wanderungen in der Umgebung auszubilden und Führungen anzubieten:  www.alaverdiguides.com.

Schön ist hingegen der heutige Abend, es gibt Abendessen und Wodka gemeinsam mit den anderen Touristen in der Unterkunft, einem älteren französischen Paar mit ihrem Fahrer und einem deutschen Paar, das unterwegs ist zu einer Hochzeit in Yerevan.

30.9. – 1.10.2017 Alaverdi – Wanadsor

77 km, bewölkt, maximal 15 Grad, abends ganz schön kalt.

Übernachtung: Pension Iris in Alaverdi, nett und ein Treffpunkt für Reisende und MagHay in Wanadsor

IMG_20171001_132400

Ob ich etwas Falsches gegessen habe oder einfach nur der hausgebrannte Wodka zuviel war, mir ist morgens schlecht, es ist nicht an Frühstück zu denken, an Radfahren schon gar nicht. Ich schaffe es gerade mal, mich nach unten zu schleppen, Tee zu besorgen und meine Unterkunft um eine Nacht zu verlängern. Irina, die Wirtin der Pension Iris umsorgt mich mit Tee, weißem Reis und einen Radiator für das ziemlich kalte Zimmer – die Temperatur ist mittlerweile ganz schön gefallen. Erst am Nachmittag schaffe ich es kurz zum nächsten Geldautomaten.

Am nächsten Morgen geht es mir besser und ich fahre los. Die Straße nach Wanadsor ist wegen Bauarbeiten gesperrt, mir bringt das  zusätzliche 40 km ein, außerdem  einiges an Höhenmetern, OSM spricht von 1500 m Anstieg. Und das merkt man. Es beginnt mit Serpentinen, heraus aus dem Debed Canyon, geht weiter mit etwas sanfterem Anstieg über einen Pass und ein paar kleineren Abfahrten  um eine Schlucht herum bevor es dann noch einmal in Serpentinen ein gutes Stück nach oben geht.

IMG_20171001_101322Die Landschaft: tiefe Canyons und Hochebenen mit in dieser Jahreszeit trockenen und gelben Feldern. Und überall kreisen große Raubvögel, die ich für Adler halte. Die fast magische Landschaft ist aber überall durchsetzt von Bausünden der scheußlichsten Art, häufig halb verfallene, halb noch betriebene Industrieanlagen.

IMG_20171001_125521 Die Dörfer und Städte wirken ausgesprochen ärmlich, ich bin fast überrascht, als ich in einer größeren Stadt gegen Mittag noch ein Restaurant finde, in dem ich Tee und Hühnersuppe bekomme.

IMG_20171001_162955

Nach den endlosen Anstiege folgt ein langer Tunnel, in dem es leicht begab geht. Ich ziehe alles an, was auffällt und hell ist, die Stirnlampe, die Warnweste und entscheide mich dann doch für den schmalen Gehweg neben der Fahrbahn. Einerseits eine gute Entscheidung, die PKWs könnten mich auf der Fahrbahn sicher überholen, aber mit der LKW-Kolonne, die irgendwann durchkommt, wäre es schwierig. Aber auch der Gehweg ist nicht ohne : schmal, einen halben Meter oberhalb der Fahrbahn und an vielen Stellen eingebrochen. Letztlich schiebe ich das Rad den geschätzten Kilometer durch den Tunnel. Danach kommt dann glücklicherweise die ersehnte Abfahrt, die letzten 10 km rollen praktisch von selbst.

2.10.2017 Wanadsor – Sevan (mit dem Taxi!)

14 km mit dem Rad, von Sevan nach Sevanakan und zurück. Regen, dann noch mehr Regen und Hagel, dann ein bisschen Sonne.

IMG_20171002_162113

Ich sehe morgens aus dem Fenster, dann auf die Wetterapp, dann auf einen anderen Wetterbericht und schließlich frage ich noch die Wirtin meiner Unterkunft. Alles hilft nichts, es ist für den ganzen Tag Regen angesagt. Und das Programm heute ist umfangreich : nur etwa 75 km aber über 1500 Höhenmeter aufwärts  und ein Tunnel, von dem ich ohnehin nicht weiß , wie ich ihn bewältigen soll. Das geht nicht, ich frage nach einem Taxi und spaziere erst einmal ein bisschen durch die Stadt. Das Kunstmuseum ist montags leider geschlossen, dafür gibt es eine schöne Kirche (Hilfe, was für eine ist das? Brauche ich ein Kopftuch oder gucken die Leute komisch, weil ich mir vor der Kirche eins um den Kopf binde?)IMG_20171002_091848

Außerdem gibt es einen großen Markt mit Obst, Gemüse, Kaffee, Fleisch und Fisch (ungekühlt, zum Glück ist es nicht mehr warm) und überdimensional vielen Schuhen.

IMG_20171002_095950

Mittags bringt mich der Fahrer nach Sevan. Ich bin beeindruckt von den vielen Serpentinen, die ich nun nicht mit dem Rad zurücklegen muss und stelle fest, dass der Tunnel wirklich ein Problem wäre : schmal, dunkel, kein durchgehender Fußweg, über 2km lang und leicht ansteigend.

Sevan liegt an gleichnamigen See, ein riesiges Gewässer in fast 2000 Metern Höhe, umgeben von noch höheren Bergen. Leider auch umgeben von hässlichen Billig-Resorts fürs Party – Volk.

Meine Unterkunft liegt direkt in Sevan, ein Gästehaus bei einer Familie, in deren Wohnzimmer ich mich gleich zum Tee wiederfinde. Als ich losziehen will um zumindest noch ein Kloster zu sehen, bricht noch einmal ein Unwetter los mit Sturm und Hagel. Aber schließlich klappt es doch noch : kaum hört der Regen auf, radle ich die paar km auf der Autobahn nach Sevanakan und sehe neben zwei sehr alten, aber auch recht kleinen Kirchen von Nebel umspielte Berggipfel, und Sonnenstrahlen zwischen dunklen Wolken.IMG_20171002_161129IMG_20171002_162241

3.10.2017 Sevan – Yerevan

82 km bewölkt und gelegentlich Regen

IMG_20171003_140919

Ich habe die Wahl zwischen einer autobahnähnlich ausgebauten Straße und kleinen Straßen, deren Qualität nicht ganz klar ist. In beiden Fällen geht es nach Yerevan deutlich mehr bergab als bergauf, aber natürlich läuft es in Armenien nie ganz ohne Anstiege. Ich probiere die kleineren Straßen. Zunächst klappt das ziemlich gut, manchmal sieht der Weg allerdings auch so aus :IMG_20171003_092952

Und ab und zu ist auch mal eine Kuh- oder Schafherde  im Weg.

IMG_20171003_120741

Wenn man schon recht nah an einer Großstadt ist, kann man außerhalb der Niederlande und ähnlicher Fahrradländer kaum mit hübschen Landschaften und romantischen Radwegen rechnen. Und so bekomme ich heute noch mehr Bausünden, heruntergekommenen Industrieanlagen und (schwelende) Müllkippen zu sehen als zuvor.

IMG_20171003_101733

Die alten Busse, die hier fahren, sehen zwar sehr niedlich aus, aber der Qualm, den sie aus dem Auspuff pusten ist so dicht, dass man an einen staubbetriebenen Düsenantrieb denken muss.

IMG_20171003_105039
Zugegeben, dieser Bus fährt überhaupt nicht mehr

Die letzten 10 km durch den dichten Stadtverkehr sind anstrengend, mein Handy leitet mich aber ohne Probleme zum Hotel, das sich als ziemlich angenehm herausstellt: zentral, einigermaßen ruhig, riesiges Zimmer.

Eine Weile schlendere ich noch ziellos durch die Stadt: durch einen touristischen Straßenmarkt, über den Republikplatz, durch eine eher langweilige Fußgängerzone und eine Grünanlage. Immerhin eine kleine hübsche Innenstadt gibt es in Yerevan.

IMG_20171003_171042

4.-5.10.2017 Yerevan – Berlin

IMG_20171004_095852

Mir bleibt noch ein einziger Urlaubstag. Zeit für etwas Sightseeing und für die Vorbereitungen zur Rückreise. Wieder einmal besuche ich einen Markt, dieses Mal kaufe ich Tee, Gewürze, Honig, nun muss ich die Sachen ja nicht mehr durch die Gegend fahren. Der Markt liegt knapp außerhalb der touristischen Innenstadt, dennoch sind gute Teile davon wohl für Leute wie mich gemacht, es gibt viele Stände mit aufwändig drapierten Trockenfrüchten, vermutlich typische Mitbringsel. Manches ist auf Russisch ausgezeichnet, für die russischen Touristen. Es gibt aber auch Obst, Gemüse, Schweinehälften sowie lebende Hühner und Fische.

IMG_20171004_100150IMG_20171004_102839

Dann ein Museum, wieder einmal das örtliche Geschichtsmuseum, danach hole ich mein Fahrrad ab und mache mich auf den Weg zu meiner letzten Unterkunft, einer Pension sehr nahe am Flughafen, die außerdem kostenlosen Transfer dorthin, auch mitten in der Nacht, anbietet. Wie immer sind die Straßen aus der Stadt unangenehm: es geht los mit einer 8-10-spurigen Straße (will heißen: acht Spuren sind eingezeichnet, aber wenn pro Richtung 5 Autos nebeneinander passen, fahren sie so auch. Man muss sich auf dem Rad konzentrieren: unentwegt halten Kleinbusse an, die man umfahren muss, genau im falschen Moment fahren sie dann wieder los und drängen einen nach links. Natürlich rechnet niemand damit, dass ein Fahrzeug rechts der Autos auftauchen könnte. Soweit mich die Autofahrer sehen, nehmen sie aber Rücksicht. Mehr als einmal warte ich rechts von einem Auto an einer Ampel. Wenn die dann grün wird, fährt das Auto nicht los, bevor ich weg bin.

Dann geht es auf kleinere Straßen und bald finde ich mich, noch in Yerevan, wieder auf ungepflasterten Holperwegen wieder.

IMG_20171004_104408

Die ganze Zeit schon halte ich Ausschau nach einem Laden, der etwas verkauft, das als Verpackungsmaterial für mein Rad dienen kann. Beim Rückflug muss ich umsteigen, außerdem fordert die Fluggesellschaft eine Verpackung. Ich finde nichts Offensichtliches, schließlich frage ich meine Wirtin. Und tatsächlich: sie nimmt mich mit in einen kleinen Abstellraum, in dem mehrere komplette Fahrradkartons stehen – offensichtlich von Fahrern aus dem Baltikum, die hier ihre Räder ausgepackt haben. Wunderbar. Ich mache mich ans packen, Lenker querstellen, Vorderrad rausnehmen (Achse ebenfalls, dies wird erfahrungsgemäß leicht verbogen), Umwerfer abschrauben, empfindliche Teile in die Rohrisolierung wickeln, die ich die ganze Zeit mit mir herumtrage, alles in den Fahrradkarton, der so staubig ist, dass ich hinterher gelbbraun gepudert bin und mein Klebeband kaum hält. Erstmal abstauben wäre besser gewesen.

Am Morgen dann klingelt mein Wecker um drei Uhr, mein Wirt fährt mich pünktlich um halb vier zum Flughafen. Abgesehen davon, dass das Gepäck nun sehr unhandlich ist und es nicht einfach ist, den Trolley durch die Menschenmengen zu bekommen, läuft alles reibungslos. Nach kurzer Zeit bin ich das Gepäck los, muss vor dem Flieger fünf mal meinen Pass und die Bordkarte zeigen, einmal den Finger scannen lassen. Jedes einzelne Mal wird minutiös kontrolliert. Außerdem werde ich mein Schlüsselanhänger-Taschenmesser los, das nach europäischen Sicherheitsregelungen eindeutig handgepäckfähig ist (ja, die ganz winzigen Taschenmesser gehen wieder – aber nicht in Armenien). Aber schließlich bin ich im Flieger und erreiche auch den zweiten Teil der Umsteigeverbindung in Kiew.

In Berlin freue ich mich, dass mein Gepäck es ebenfalls geschafft hat, wenn auch der Fahrradkarton sehr gerupft aussieht. Es liegt wohl daran, dass es eine Weile ungeschützt im Regen auf dem Rollfeld stand. Das Rad ist in Ordnung.

Berlin empfängt mich mit eiskaltem strömenden Regen. Und dabei habe ich Glück. Es ist ein schwerer Sturm angesagt, aber noch ist der Wind erträglich. Nach 12 km komme ich völlig durchnässt zu Hause an, nur ein paar Stunden bevor hier die Hölle losbricht und nichts mehr geht: der Bahn- und S-Bahnverkehr wird eingestellt, Busse fahren nicht mehr, selbst einige U-Bahn-Linien sind betroffen. Auf der Straße vor meinem Haus liegt ein entwurzelter Baum, die abgebrochenen Äste sind beeindruckend. Als ich mich am Nachmittag noch einmal aus dem Haus traue, weil ja absolut nichts zu essen da ist, habe ich den Eindruck, dass es hier draußen viel gefährlicher ist als im  Kaukasus.