Coyhaique – Caleta Tortel

Coyhaique – El Blanco

35 km, 480 Hm

Die Strecke nach Villa Cerro Castillo ist ziemlich weit und allzu viele Orte liegen nicht auf dem Weg, deshalb ist die Tour heute ziemlich schnell zu Ende, in einem kleinen Dorf am Zusammenfluss zweier kleiner Flüsse, auf einem sehr schönen Campingplatz.

Auffällig ist, wie sich die Landschaft ändert: statt des kalten, aber sehr dichten Regenwalds gibt es plötzlich Felder, Wiesen, ein paar kleine Kiefernplantagen. Tatsächlich erfahre ich am Nachmittag, dass Siedler überall hier die Urwälder abgeholzt haben, sie sich aber je nach örtlichem Mikroklima sehr unterschiedlich erholt haben. Hier also: eher schlechter. Es ist schon auf ein paar hundert Meter Höhe relativ kalt und auch sehr windig.

El Blanco – Villa Cerro Castilla

62 km, 1067 Hm

Auch wenn die Strecke nicht so lang ist, anstrengend ist sie. Es geht über weite Strecken bergauf, nur zuletzt in Serpentinen bergab. Zur Steigung gesellt sich irgendwann Gegenwind und das Absurde: über eine weite Strecke habe ich den Eindruck, dass es schon bergab geht, obwohl sowohl die Anstrengung als auch der neben der Straße fließende Bach eindeutig das Gegenteil sagen. Das macht das Vorwärtskommen schon einigermaßen frustrierend.

Cerro Castillo ist ein Dorf wie auch die anderen in der Gegend, alle sind sie nicht sehr alt, alle haben sie keinen historischen Kern, weil sie schlicht nicht viel Geschichte haben. Sensationell ist allerdings die Landschaft rund um den Ort, spitze Gipfel, Gletscher. Die Gegend ist ein Wandergebiet, wenn auch ich nicht genug Zeit habe, um noch einen Wandertag einzuschieben.

Villa Cerro Castilla – ein Campingplatz unterwegs

38 km, anscheinend 750 Hm

Der Wetterbericht verspricht heute zwar keinen Regen, zeigt aber eine tiefrote Windfahne, für mich genau von vorn. Und so ist es dann auch: ich glaube, ich bin noch nie bei einem solchen Sturm Rad gefahren. Abwarten nützt nichts: dieser Sturm war bislang an jedem einzelnen Tag vorausgesagt, an dem ich den Wetterbericht für den südlichen Teil der Carretera Austral angesehen habe. Dazu kommt, dass nach etwa 15 km der befestigte Teil der Straße zu Ende ist. Von nun an rumple ich über Schotter und Waschbrettpiste.

Immer, wenn ein Auto vorbeifährt, bin ich in Staub gehüllt. Und weil gestern meine Sonnenbrille kaputt gegangen ist, kann ich die Augen nicht schützen, sie sind noch am Abend rot.

Der eine Campingplatz, der nach 38 km kommt, ist glücklicherweise ein bisschen windgeschützt, außerdem hat er ein Haus mit Aufenthaltsraum und ist sehr nett gelegen. Es handelt sich sich um einen funktionierenden Bauernhof, überall laufen Hühner, Gänse, Enten, Ziegen, Schafe und Hunde herum, alles sehr nett.

Nach Puerto Rio Tranquillo

Um 81 km, knapp über 800 Hm

Das Windproblem lässt spürbar nach, und nach einem Teil der Strecke wechsle ich auch die Richtung. Die Waschbrettstraße, die Steigungen und vor allem der Staub nach jedem vorbeifahrenden Auto bleiben aber. Es ist jetzt schon sehr, sehr anstrengend und ich brauche mit ein paar klei en Pausen wirklich den ganzen Tag bis nach Puerto Rio Tranquillo.

Der Ort wäre eigentlich ziemlich klein, wäre er nicht ein Touristenmagnet. Es gibt hier Marmorhöhlen, die mit kleinen Booten besucht werden können.

Ich bin aber zunächst damit beschäftigt, eine Unterkunft zu finden. Ich bin nicht die einzige. Menschen mit und ohne Rucksäcken und Fahrrädern ziehen durch die Straßen und fragen überall nach Unterkünften – die fast alle voll sind. Ich lande schließlich im teuersten Hotel des Ortes,anscheinend die einzige Option mit Ausnahme eines Campingplatzes.

Puerto Rio Tranquillo

Die Fahrt steckt mir am nächsten Morgen noch in den Knochen, außerdem muss ich mich schon wieder um eine Unterkunft kümmern, auch das teuerste Hotel kann mich nicht für zwei Nächte unterbringen.

Am späten Vormittag steige ich dann in eins der Touristenboote zu den Marmorhöhlen. Die lassen sich auch per Kayak besuchen, eigentlich schöner, aber so viel Sport brauche ich gerade nicht.

Vor dem Einstieg bekommen alle lange Regenumhänge, Schwimmwesten und die Information, dass es sich schon um Abenteuertourismus handelt. Außerdem, dass der Lago General Carrera ursprünglich Chelenko hieß, und dass das „stürmisch“ bedeutet. Wir spüren dann auch gleich warum. Die Fahrt durch freies Wasser hat viel von einer Achterbahnfahrt, ständig Kribbeln im Bauch, wenn das Boot wieder eine Welle herunterfällt. Später erfahren wir, dass der Hafen kurz nach unserer Ausfahrt geschlossen wurde.

Dann wird es ruhig die Marmorhöhlen liegen geschützt – und sie sind wirklich sehr beeindruckend. Das Boot kann gerade so in die meisten Höhlen hineinfahren, vorausgesetzt, alle sitzen still und lassen den hervorragenden Bootsführer vorsichtig rangieren.

Rio Tranquillo – Cochrane

Mit dem Bus!

Das Radfahren in den Tagen zuvor war anstrengend, aber eine längere Pause ist in meiner Zeitplanung kaum drin. Also entscheide ich mich, ein Stück Bus zu fahren, und dann einen Tag gar nichts zu tun.

Mit den Bussen ist das so, dass sie meistens Fahrräder mitnehmen. Der Busfahrer entscheidet und kassiert im Zweifel einen vermutlich selbst ausgedachten Betrag für den Transport. Ob man wirklich mitkommt und ob es reicht, das Vorderrad herauszunehmen, erfährt man erst kurz vor der Abfahrt. Ich habe jedenfalls schon einen Bus in Rio Tranquillo ankommen sehen, ausgebucht bis auf den letzten Platz und der Busfahrer hatte zu tun, normales Gepäck irgendwie im Gepäckfach unterzubringen. Ich habe also Bedenken, was mein Fahrrad betrifft. Und da sehe ich morgens vor meiner Unterkunft, die Lösung: ein Auto mit einer ganzen Reihe von Fahrradhalterungen. Ich frage also, ob sie nicht mein Rad mit nach Cochrane nehmen können. Und tatsächlich, es handelt sich um einen Fahrradverleih und Fahrrad-Reiseagentur. Sie organisieren geführte und ungeführte Touren entlang der Carretera Austral und ja, sie sind bereit, mein Rad mitzunehmen. Und sie wollen dafür noch nicht einmal bezahlt werden. Da sie mit einer geführten Tour unterwegs sind, brauchen sie für die Strecke 2 Tage aber das passt ja zu meinem Wunsch nach Pause. Supernette und hilfsbereit also, die Jungs von Cicloturismo Patagonia. Mein Rad wird verladen, ein paar Sachen müssen dazu angeschraubt werden und es fährt erstmal ohne mich los.

Ich warte dann mal auf den Bus. Er soll um 12:30 fahren, die Rucksäcke sammeln sich an der Haltestelle. Gegen 13 Uhr hat jemand telefoniert. Der Bus ist liegengeblieben. So gegen 16 Uhr könnte es was werden. Man lernt langsam die anderen Wartenden kennen, ich treffe zwei Bekannte aus den ersten Tagen der Reise wieder, das Haltestellencafé macht gute Geschäfte. Um 17 Uhr kommt er dann tatsächlich, der Bus und bringt uns in den nächsten 3 Stunden unfallfrei nach Cochrane. Dort wartet schon Andrea auf mich, meine Airbnb Wirtin. Sie holt mich nicht nur mit ihrem Auto vom Busbahnhof ab, sondern versorgt mich auch gleich noch mit Abendessen und Gesellschaft.

Cochrane – ein Campingplatz unterwegs

71 km, um 900 Hm und jede Menge Waschbrettpiste

Die ersten paar km der Strecke sind tatsächlich asphaltiert! Anscheinend durch die Stadtverwaltung von Cochrane, und ich liebe sie dafür! Lange währt das Glück leider aber nicht, dann geht es wieder auf Wellblechschotter weiter. Der Anfang ist landschaftlich super, der Himmel ist blau, allzu viel Wind ist auch nicht.

Unterwegs gibt es sogar so etwas wie ein kleines Café, eine alte Frau, die Kaffee, Tee, Kakao zu Brötchen mit ihrer selbstgemachten Marmelade und Käse anbietet, wenn man sich denn den Weg zwischen ihren Ziegen hindurch zu dem kleinen Häuschen gebahnt hat.

Nach der Pause wird das Wetter dann leider schlechter und irgendwann ist er wieder da, den patagonischen Dauerregen. Der Campingplatz, an dem ich mein Zelt aufschlage, hat zum Glück Unterstände für die Zelte – bushaltestellenförmige Wellblechkonstruktionen, nicht schön, aber soso praktisch, wenn man nicht möchte, das das Zelt wie der restliche Platz über Nacht im Schlamm versinkt!

Nach Caleta Tortel

58 km, Waschbrett und sonstiges Ripio

Überraschend wird mein Zeltunterstand in der Nacht nicht überschwemmt – trockenen Fußes zum Bad zu kommen wird aber im Laufe der Nacht immer schwieriger. Morgens suche ich mir ein kleines regenfreies Zeitfenster und fahre los, weiter über holpriges Ripio. Es ist nun schon einsamer als auf den ersten paar hundert km. Dennoch, überall unterwegs gibt es Höfe mit ein paar Tieren, zwar keine Dörfer aber einzelne Häuser und Menschen findet man überall.

Gegen Mittag ein kleiner Laden, eine Frau verkauft Andenken, selbst gestrickte Mützen und Pullover, Marmelade. Daneben ist gleich eine ganze Touristengruppe angekommen, denen vorgeführt wird, wie früher Holz in Flößen den Rio Baker heruntertransportiert wurde. „Früher“ ist dabei gerade etwas mehr als zwanzig Jahre her,  erst da würde die Carretera Austral gebaut und erst seitdem gibt es überhaupt eine Transportalternative zum Fluss.

Am Nachmittag dann komme ich in Caleta Tortel an, meiner letzten Station auf dem Rad.

Caleta Tortel ist ein Ort aus Treppen und Holzbohlenwegen, nur der obere Teil hat Zugang zu einer Straße. Es gibt zwei kurze Wanderwege, außerdem werden Bootstouren angeboten.  Touristisch, aber überschaubar.

Einen der Wanderwege probiere ich aus, über den Cerro Tortel. Schöner Weg, super Aussicht, allerdings bin ich die halbe Zeit damit beschäftigt, nicht zu tief in den Morast zu waten, die andere Hälfte versuche ich (erfolglos), nicht von den Moskitos aufgegessen zu werden.

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