Bevor ich losfahren kann auf der Carretera Austral, muss ich erst einmal hinkommen, nach Puerto Montt in Chile. In Madrid habe ich nur eine Stunde, um umzusteigen, und natürlich sitze ich im ausgebuchten Flugzeug relativ weit hinten. Nachdem alle eingestiegen sind, wird festgestellt, dass ein Passagier fehlt, also müssen irgendwelche Koffer wieder ausgeladen werden. Immerhin wird vor der Landung durchgegeben, man möge Leute mit Anschlussflug doch bitte zuerst aussteigen zu lassen. Macht natürlich keiner. Ich setze meine Ellenbogen ein und beginne den Sprint zum anderen Terminal. Es stellt sich heraus, dass es eher ein Langstreckenlauf ist, inklusive einer Fahrt mit einem Shuttle. Trotzdem reicht es, verschwitzt und außer Atem erwische ich den Flug.
Kurz vor der nächsten Landung in Santiago wird durchgesagt, dass Menschen mit nationalem Anschlussflug ihr Gepäck abholen und wieder aufgeben müssen. Im Gegensatz zu allen anderen Ansagen übrigens nur auf Spanisch. Mist, das wird knapp denke ich mir noch, als ich noch nicht weiß, dass ich eine Stunde vergeblich auf mein Fahrrad warten werde. Eine weitere dreiviertelstunde warte ich am Schalter, um die Meldung für das vermisste Fahrrad aufzugeben. Als ich endlich dran bin, sagt man mir, dass ich die Meldung erst in Puerto Montt machen kann, wenn ich mein Rad dorthin transportiert haben will. Natürlich ist zwischenzeitlich mein Anschlussflug weg. Man schickt mich quer über den Flughafen zu einem nicht existierenden Büro der Fluggesellschaft, um umzubuchen. Am Schalter wiederum sagt man mir, dass sie nicht für Umbuchungen zuständig sind. Ich bekomme einen Wutanfall. Und dann geht es doch mit dem Umbuchen. Eine Mitarbeiterin begleitet mich auch gleich zum self Check-in, druckt mir die Bordkarte aus und zeigt mir den Weg für den nächsten Sprint. Für den nächsten Flug ist es nämlich auch schon ganz schön knapp.
Danach sitze ich in Puerto Montt und warte auf das Fahrrad. In der Zwischenzeit kaufe ich Gas für den Campingkocher – kein Problem, ein Outdoor-Shop jagt hier den nächsten – und versuche eine e-sim zu bekommen. Geht leider nicht. Offenbar gibt es e-sims hier nur mit Vertrag und den nur für Leute mit Meldeadresse in Chile. Ein neuer Wutanfall hilft nicht. Ich muss meine deutsche SIM-Karte herausnehmen, um eine chilenische nutzen zu können und die nächsten Wochen wohl einfach gut auf sie aufpassen.



Einen Tag später warte ich noch immer. Zweimal wird mir am Telefon gesagt, dass das Rad schon am Flughafen in Puerto Montt ist, dann kommt ein Anruf, dass es doch noch in Santiago im Zoll hängt. Die wollen Steuern, weil sie davon ausgehen, dass ich das Rad nicht wieder mit nach Hause nehmen, schlimmer aber: eine notariell beglaubigte Erklärung, dass die Fluggesellschaft den Fall übernehmen darf. Ich schicke erstmal ganz viele Nachrichten und Erklärungen und erkundige mich außerdem nach einem Leihrad.






Spät abends endlich die Nachricht, dass der Zoll das Rad freigelassen hat. Es dauert noch bis zum Mittag des nächsten Tages, dann wird es endlich zum Hotel geliefert. Also ich den Karton sehe, erschrecke ich erst einmal, er ist völlig zerrissen. Das Fahrrad scheint glücklicherweise trotzdem heil zu sein. Morgen kann es also losgehen.
Heute mache ich aber nachdem ich den Kopf frei habe, um an etwas anderes als das Fahrrad zu denken, einen kleinen Ausflug mit dem Bus nach Puerto Varas: eine hübsche, wenn auch ziemlich touristische Stadt am Ufer des Llanquihue-Sees und mit Blick auf den Osorno-Vulkan. Außer diese Sehenswürdigkeiten hat die Stadt die Besonderheit, von deutschen Siedlern gegründet worden zu sein, schon im 19. Jahrhundert. Es wimmelt nur so von deutschen Namen, deutschem Kuchen, deutschem Bier. Dass ein Kleinbus als Ziel seiner ausgerechnet „Braunau“ auf der Windschutzscheibe stehen hat, wirkt dann doch etwas merkwürdig.



