Das Fahrrad kommt nachts heil in Dushanbe an, zusammen mit dem Gepäck und inclusive ein paar Sachen, die ich für einen unbekannten Radler dabeihabe – das Hostel hat mich gefragt, ob ich helfen kann. Alles viel zu schwer für mich Aber zum Glück ist immer jemand da, der mein Gepäck hierhin und dorthin hebt.
Am ersten Tag sind eigentlich bloß ein paar praktische Erledigungen geplant: Fahrrad zusammenbauen, Geld besorgen, Sim-Karte kaufen. Alles davon ist schwieriger als erwartet: am Rad sind zwei kleine Schrauben verloren gegangen, die Bremse zickt, ein Typ, der helfen will, steht gekonnt im Weg. Es ist Samstag und ein Geldautomat nach dem anderen erweist sich als leer. Ich brauche eine e-Sim und die gibt es nur in ganz bestimmten Läden, außerdem führt der Wunsch bei der Verkäuferin fast zum Herzinfarkt und zu einer ganzen Reihe von Telefonaten. Und dann die Hitze…
Irgendwann am Nachmittag ist dann doch alles geschafft, ich tausche mich noch mit ein paar Leuten im Hostel aus, die eigentlich alle Monate bis Jahre unterwegs sind („ach du fährst nur den Pamir-Highway?“ „Ich habe mit 48 aufgehört zu arbeiten, jetzt bin ich unterwegs.“)
Es sind auch mehrere Leute da, die am selben Tag losfahren wollen, wie ich. Ich entscheide mich trotzdem, mich nicht sofort bei jemandem anzuschließen, gerade an den ersten Tagen will ich sehr früh los wegen der Hitze und fürchte auch (zu Recht, wie sich herausstellt), dass mich diese jungen Overlander überfordern.
Duschanbe – Dusti
62 km, 620 HM rauf, etwas mehr runter, 1 Tunnel
Wie geplant starte ich früh – gegen Viertel nach 5. (Hallo Jetlag, für mich ist es eigentlich vor zwei Uhr nachts, als ich aufstehe.) Trotzdem die richtige Entscheidung, es dauert noch ein paar Tage, bis ich in der Hitze ernsthaft bergauf fahren kann. Am Anfang ist die Temperatur tatsächlich angenehm, auch die Autobahn aus Duschanbe raus ist nicht ganz so voll. Mein Weg führt erst einmal eine Hauptstraße lang, dann bergauf, dann durch einen mehrere km langen Tunnel. Im Gegensatz zum Anzob-Tunnel letztes Jahr, ist der allerdings in Ordnung: die Ventilatoren machen einen unglaublichen Lärm, ventilieren aber und Licht gibt es auch überall. Weiterer Vorteil: im Tunnel geht es für mich bergab.
Kurz vor diesem Tunnel stelle ich noch fest, dass mein Licht nicht funktioniert. Glücklicherweise lässt sich das schnell beheben. Und ein williger Helfer kommt auch erst, als ich praktisch fertig bin. Er hat also keine Chance, im Weg zu stehen.
Hinter dem Tunnel geht es dann die ganzen vielen schönen Höhenmeter wieder herunter. Schade. Aber sowohl die Berge, als auch der örtliche Fluss – der Vahsh sind wirklich schön.
Kurz nach Mittag reicht es mir dann. Ich biege ab, opfere weitere Höhenmeter und miete mich in einem recht teuren Ressort-Hotel am Fluss ein. Ist ja der erste Tag, da darf man das. Theoretisch gibt es hier eine ganze Menge Pools. Frauen sieht man darin allerdings nicht, ausschließlich Jungs.
Dusti – Kuybulyon
73 km, 943 Hm bergauf, 1005 bergab, sagt Osmand
Wieder fahre ich früh los. Meine Bekannten aus Dushanbe hole ich trotzdem nicht ein, auch andere Touristen treffe ich nicht.
Die Steigungen fallen mir ganz schön schwer, es geht gleich morgens steil bergauf, dann kommt irgendwann wieder durch ein langer Tunnel (2200 Meter, dieses Mal leider etwas bergauf). Hinterher gibt es eine fantastische Aussicht auf das Nurek Reservoir.
Hier oben, nahe an einem Aussichtspunkt, hat sich ein ganzer Markt angesiedelt, Stände mit Essen und Sitzpläzen über dem Reservoir, Stände, die zum Beispiel getrocknete Früchte verkaufen. Ich gehe einmal die ganze Reihe entlang. An allen Essensständen kocht in etwa die gleiche Suppe, die ich zunächst nicht zuordnen kann, die aber nicht sehr appetitlich aussieht. Trotzdem setze ich mich an einen Platz, bestelle Tee und bekomme gleich zwei Schalen mit unterschiedlichen Suppen hingestellt, ausserdem Brot und vergorene Milch, die in eine der Suppen soll. Ein Mann, anscheinend auch einen Gast, sagt mir, dass alles auf seine Rechnung geht. Er hat offenbar bestellt, bezahlt und verschwindet kurz danach. Die eine Suppe enthält Nudeln und ein bisschen Gemüse, die andere Suppe ist Kuttelsuppe und damit eines der wenigen Dinge, die ich absolut nicht essen kann. Schade.
Es bleibt nicht das einzige Mal heute, dass ich etwas kaufen möchte und nicht bezahlen darf. Es geht weiter mit frischgebackenem Brot in der nächsten Stadt. Ich bestelle zwei Fladenbrote und bekomme drei, Geld will die Verkäuferin auf keinen Fall. Wasser, in einem kleinen Laden bezahlt ein zufällig neben mir stehender Mann für mich und verschwindet. Eine Honigmelone darf ich ebenfalls nicht bezahlen. Den Tee, den ich in einem Café trinke, bekomme ich auch kostenlos. Und ja, ich habe ganz sicher immer mehrmals nachgefragt. Und ja, ich hatte den Eindruck, dass das ernst gemeint war, immer.
Abends möchte ich zelten und folge den Empfehlungen einer meiner Apps. Der Platz ist wirklich schön, eine große flache Ebene, umgeben von Hügeln mit einem kleinen Bach. Ich sitze eine ganze Weile da, ohne dass sich auch nur von weitem jemand blicken lässt.
Die Nacht wird dennoch katastrophal: noch am Abend beginnt ein heftiges Gewitter, Sturm, Hagel, Weltuntergang. Die Zeltwände biegen sich gefährlich. Der erste Regen lässt nach, der zweite beginnt, lässt wieder nach, ich beginne, mich zu entspannen. Bis ich merke, dass das Zelt im fließenden Wasser steht. Ich muss weg. Irgendwie gelingt es mir mit nur einem Schuh am Fuß – der andere ist irgendwo im Wasser – erst ein paar Sachen, dann das Zelt mit fast allem Übrigen auf die einzige mögliche erhöhte Stelle – einen Fahrweg an einem Hügel – zu bringen. Ein paar Heringe fehlen am Ende, mit den übrigen befestige ich das Zelt so gut wie möglich. Dann verbringe ich mehrere Stunden damit, mich vor einem neuen Sturm zu fürchten – so mit fehlenden Heringen und so. Schlafen kann ich kaum.
Kuybulyon – Kulob
65 km, 448 Hm aufwärts, ähnlich viel abwärts
Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf bin ich nicht unbedingt fit. Die 35°c machen das nicht besser. Und so bin ich ausgesprochen froh, als ich gegen 14 Uhr in Kulob ankomme. Ich mache noch ein paar Besorgungen, der Manager meines Hotels bastelt mir Ersatzheringe für die verlorenen. Außerdem wäscht er (ungefragt) am Abend mein gesamtes, komplett schlammiges Zelt.